Wie bewältigt man die aus der Bekämpfung der Corona-Pandemie folgende Wirtschaftskrise? Welche Schlüsse sind daraus für eine Klimakrise zu ziehen? Die Antwort hat der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung Roland Tichy bereits im Juni 2020 nach dem ersten Lockdown gegeben: Der Weg kann nur die Förderung des Wettbewerbs sein.

Ein Land steht monatelang weitgehend still – und läuft nur langsam wieder an. Die Innenstädte leer, die betriebsamen Flughäfen verwaist, die Autobahnen staufrei – eine seltsame Erfahrung. Die Wirtschaft ruht; an die Stelle der Marktwirtschaft ist der Staat getreten, der Einkommen sichert und Unternehmen mit Liquidität versorgt, die sie aus eigener Kraft nicht mehr erwirtschaften können.

Noch schwerer hat die Krise Italien und Spanien getroffen; es ist ein beglückendes Zeichen der europäischen Solidarität, wenn Patienten aus den überforderten Spitälern unserer Freundesländer nach Deutschland geflogen werden und hier medizinisch behandelt werden – dazu kommt die notwendige wirtschaftliche Unterstützung. Die globalen Verflechtungen Deutschlands, lange eine Stärke, drohen nun ins Gegenteil umzuschlagen: Deutschland lebt vom wachsenden Wohlstand der europäischen und globalen Mittelschichten, die mit steigendem Wohlstand anspruchsvolle Konsumenten werden – und jetzt plötzlich verschwunden sind. Wie geht man mit einer derartigen Krise um?

Große Transformation?

Klar ist: Die Wirtschaft muss wieder anspringen. Aber ist auch klar, wie das geschehen soll? Welche Prioritäten werden gesetzt? Nachdem sich das neuartige Coronavirus weltweit ausgebreitet hatte, verlor die Erderwärmung ihren Status als die größte wahrgenommene Gefahr für die Menschheit. Im Wettbewerb um die öffentliche Aufmerksamkeit hat die Klimadebatte gegenüber der Krankheit Covid-19 das Nachsehen. Die sogenannte Klimabewegung will aber genau jetzt die Corona-Chance nutzen, den Stillstand zum Umbau nutzen, den Einstieg in eine „Große Transformation“ schaffen.

Die Wirtschaft soll nicht einfach so sein wie vorher; sondern irgendwie anders: klimagerechter, sozialer, demokratischer, ökologischer. Wirtschaft wird betrachtet wie eine große, aber letztlich überschaubare Modelleisenbahn: Die Gleise sollen flott neu verlegt, andere Züge angeschafft werden. Aber diese Planbarkeit ist nicht vorhanden. Die Planwirtschaft war der Marktwirtschaft schon immer unterlegen.

Und es geht um ein zweites Missverständnis: Außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Maßnahmen; das wurde schon im alten Rom verstanden, weswegen in besonderen Situationen ein Diktator berufen wurde. Vor der Corona-Krise konnten viele Politiker von Geboten und Verboten im großen Stil nur träumen. Jetzt verweisen Klimapolitiker auf den Präzedenzfall eines kompletten Lockdowns und der Abschaffung von Grundrechten, was zunächst durchaus mit Zustimmung der Bevölkerung geschah.

„Resignation vermag das Schicksal nicht zu wenden; es gibt grundsätzlich keine wirtschaftliche Situation, aus der nicht Wille und Vernunft Auswege und Wege zu neuem Aufstieg finden lassen“ (Ludwig Erhard 1945).

Das gelte es jetzt für die große klimapolitische Transformation zu nutzen, in der staatliche Vorgaben den Markt und vermeintliche Expertenräte die gewählten Volksvertreter ersetzen. Wer das will, fordert allerdings das Ende unseres freiheitlichen, demokratischen Modells. Der einmalige und beschränkte Ausnahmezustand als Dauerzustand wäre ein Anschlag auf das Grundgesetz; und die zahlreichen Demonstrationen zeigen, dass dieser Vorgang schon überstrapaziert wurde.

Aber dieser Prozess geht auch aus anderen Gründen an der Wirklichkeit vorbei: Viele Bürger stehen vor den rauchenden Trümmern ihrer wirtschaftlichen Existenz. Die Arbeitslosigkeit wird steigen; Prognosen sind schwer zu begründen – sicher werden die kommenden Zeiten nicht einfach. Zunehmend werden für viele Bürger die wirtschaftlichen Folgen der Krise spürbar. Der Wohlstand für alle ist gefährdet.

Klimapolitische Maßnahmen wurden aber von wohlhabenden Gesellschaften getragen, denen Einbußen hinnehmbar erschienen. Diese Prioritäten haben sich verschoben: Wirtschaftliche Fragen rücken wieder in den Vordergrund, Fragen der Effizienz und ja: Wiedergewinnung des Wirtschaftswachstums. Nur wenn Klimapolitik auch diese Ziele berücksichtigt, gewinnt sie weiter Akzeptanz. Das gilt auch für die Politik.

Psychologische Kehrtwende

Auch die Rolle des Staats hat sich dramatisch geändert. Die Bundesregierung handelt wirtschaftspolitisch schnell und entschieden. Kann so eine Krise wettgemacht werden – eine Krise, in der Angebot und Nachfrage gleichermaßen reduziert werden? Einen Versuch ist es wert, einen zweiten haben wir nicht. Und die Zahlen machen schwindelig: Direkte Finanzhilfen, Bürgschaften, währungspolitische Maßnahmen – und das alles durch wachsende Staatsschulden finanziert – addieren sich zu gewaltigen Belastungen für die Zukunft.

Viele Bürger haben sich in den Jahrzehnten der zurückliegenden guten Konjunktur an die Einstellung gewöhnt, dass man jederzeit Programme vom Staat einfordern kann. Der Staat hat es ja. Aber plötzlich hat er es nicht mehr. Jetzt stellt sich die Verteilungsfrage: Wie werden die Lasten verteilt zwischen denen, deren staatlich gesicherte Einkommen gleich blieben, und jenen, die durch staatliche Auflagen ihre wirtschaftliche Basis verloren haben?

Damit stellen sich Fragen, die auch die Arbeit der Ludwig-Erhard-Stiftung berühren: Wie können wir den Wohlstand für alle auch nach der Krise erreichen, um Einkommen zu sichern und Verteilungsfragen zu entschärfen? Sicherlich nicht, wenn Politiker fordern, staatliche Unterstützung an „Geschlechtergerechtigkeit“ zu knüpfen oder Mindestpreise für Lebensmittel einzuführen, die die beginnende Inflation weiter antreiben. Der Staat hat in der Corona-Bekämpfung eine starke Rolle errungen; jetzt fordern manche, er solle weiter dirigieren, die Steuern erhöhen, die Vermögen konfiszieren, die Marktmechanismen ausschalten.

Das ist der falsche Weg und würde diejenigen in den Widerstand treiben, die wir jetzt brauchen: Unternehmer, Eigentümer, wirtschaftlich Aktive. Es geht um die Wiedergewinnung von wirtschaftlicher Effizienz, nicht um noch mehr Räte, Kommissionen und Beschränkungen über notwendige Rahmenbedingungen hinaus.

Dabei geht es auch um eine psychologische Kehrtwende. Die Pandemie-Politik stützte sich auf Angst vor einem mörderischen Virus. Diese Angst lässt sich nicht so leicht abschütteln, zumal weiter Vorsicht und „Social Distancing“ geboten sind, da eine zweite Welle der Infektionen nicht auszuschließen ist. Aber wer Angst hat, spart, statt zu konsumieren, und nur wer Zukunftsvertrauen hat, investiert.

Optimismus oder Pessimismus?

Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft, und der derzeitige Diskurs liefert der Angst Nahrung und Bestätigung. Rezession, Abbruch der Globalisierung, ausufernde Geldpolitik und wachsende Staatsverschuldung, ein Gefühl der Angst und Unsicherheit – mit neuen Beschwörungen des Untergangs ist Deutschland nicht geholfen. Eher hilft ein Blick, wie das Land nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mit ungleich größeren Problemen umgegangen ist.

Ludwig Erhard hat mit seinen Reformen 1948 eine ungeheure Dynamik in Gang gesetzt, die vielen als Wirtschaftswunder erschien und doch eine Antwort auf die Freiräume, das Zukunftsvertrauen und die Stabilität war, die Erhard personifizierte und mit kluger Politik vorwärtsgetrieben hat. Was sind Antworten im Sinne Erhards auf die derzeitige Krise?

„Mit feigem Pessimismus und skeptischem Beiseitestehen ist das Schicksal nicht zu meistern. Wenn wir den Glauben an uns selbst verlieren, wenn wir Hilfe und Erlösung nur von außen erwarten, dann kann und wird uns nicht geholfen werden“ (Ludwig Erhard 1946).

Es geht darum, Mut zu machen und Optimismus zu verbreiten. Aber nicht mit einer unbegründeten, hohlen Phrase wie „Wir schaffen das“, sondern mit der Begründung durch Soziale Marktwirtschaft, durch Wettbewerb als Innovationsmaschine – angetrieben durch das menschliche Handeln und dem Streben, eigene Ziele zu verwirklichen. Die eigenen Ziele fördern auch die Ziele der Gesellschaft – und umgekehrt: Wenn ein privates Ziel den Zielen der Gesellschaft widerspricht, wird es nicht gebilligt werden und wird daher keinen Erfolg haben. Die Bürger sind weder dumm noch unmündig. Ökologischere Wirtschaftsweise und Produkte müssen nachgefragt werden und hängen somit letztlich vom Verbraucher ab. Der Staat sollte bei Konsumentscheidungen nicht zum „Morallehrer“ (Ludwig Erhard) werden, denn dies endet unweigerlich in Zwang und Ausweichreaktionen.

Hinter der Verbreitung von Optimismus einerseits und Pessimismus andererseits steckt eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Wer glaubt, dass es aufwärtsgeht, wird auch entsprechend zuversichtlich entscheiden und handeln, mit dem Ergebnis, dass es aufwärtsgeht – und umgekehrt: Wer nicht daran glaubt, sorgt mit seinem zurückhaltenden Verhalten dafür, dass es abwärtsgeht.

Wohlstand ist nur eine Seite der Medaille. Bürger verlieren schnell das Vertrauen in Institutionen, wenn die Not regiert; Radikalisierung erschwert Reformen, die manchmal Geduld erfordern.

Mut und Zuversicht!

Die Soziale Marktwirtschaft ist immer – in Krisen wie derzeit sowie in prosperierenden Phasen – die richtige Ordnung, weil sie eine menschenwürdige Ordnung ist. Sie ist das Gegenteil sowohl von Freibeutertum als auch von staatlicher Bevormundung und Sozialismus. Das Individuum wird obenan gestellt – und erfüllt damit einen gesellschaftlichen Zweck, nämlich, dass selbstbewusste Individuen eine selbstbewusste, widerstandsfähige, robuste Gesellschaft ausmachen.

Dabei geht es heute – nach den interventionistischen Deformationen in den letzten Jahrzehnten – um eine Wiederbelebung einer Ordnung gebundener Freiheit. Das bedeutet: Freiheit wird begrenzt durch Wettbewerb. Der Staat hat den Wettbewerb zu garantieren, statt ihn weiter einzuschränken. Und das Subsidiaritätsprinzip muss wieder ins Gedächtnis der Bürger zurückgerufen und anerkannt werden: Staatliche Hilfe darf immer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein.

Zur Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft gehört auch eine klare Rollenverteilung zwischen Geld- und Fiskalpolitik. Geldpolitik muss unabhängig, also entpolitisiert sein. Wenn in der Europäischen Zentralbank „Green Bonds“ diskutiert werden, ist das ein Grund, misstrauisch zu werden. Die Anleihen, die die Zentralbank ankauft, müssen werthaltig sein und nicht grün. Ob grüne Anleihen werthaltig sind, entscheiden die Anleger weltweit, und jeder Versuch der Manipulation zerstört zuerst das Vertrauen in die Währung und dann die Bereitschaft zu investieren und zu sparen.

Wir können mit Recht selbstbewusst darauf schauen, dass es Deutschland schon einmal durch Wettbewerb aus einer Krise, aus einer hoffnungslosen Situation herausgeschafft hat – und auf der anderen Seite die bittere Lehre anerkennen, dass die sozialistische Utopie immer der falsche Weg ist.

Den Apologeten einer „Großen Transformation“ sei vor Augen gehalten, dass Kollektiveigentum kollektive Verantwortungslosigkeit zur Folge hat. Und das ist keine Glaubenssache – die immensen Umweltschäden in den ehemaligen Staaten des sozialistischen Ostblocks durch den rücksichtslosen Umgang mit knappen Umweltressourcen sind wohl dokumentiert. Wer hingegen privates Eigentum hat und selbst für den Umgang damit haftet, hat den stärksten Anreiz, sorgsam damit umzugehen.

Unbestreitbar musste auch Ludwig Erhard die Soziale Marktwirtschaft gegen Angriffe verteidigen, er musste mühsame Überzeugungsarbeit leisten und dem Wettbewerbsprinzip Bahn brechen. Er ist mit Mut und Zuversicht für seine Politik eingetreten – und der Erfolg gab ihm recht. „Wohlstand für alle durch Wettbewerb“ – so seine Worte – ist auch heute das Mittel, um die Krise zu überwinden.

Roland Tichy ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Das Bild (© Gerhard Kassner) zeigt ihn bei der Begrüßung zur Verleihung des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik 2019 im F.A.Z. Atrium in Berlin.


Dieser Beitrag ist zuerst im Heft „Wohlstand für Alle – Klimaschutz und Marktwirtschaft“ aus dem Juni 2020 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

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