Prof. Dr. Georg Milbradt
Fakultät Wirtschaftswissenschaft, TU Dresden / Ministerpräsident a.D. und Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung

Die deutsche Energiepolitik hat keine Vorbildfunktion für andere Länder. Wegen vieler unabgestimmter Einzelmaßnahmen und der fehlenden europäischen Einbindung ist sie unwirksam und zu teuer. Ihre selbstgesetzten Klimaziele hat sie nicht erreicht. Um die Ziele effizient und volkswirtschaftlich tragbar zu erreichen, ist eine konsequente Rückbesinnung auf marktwirtschaftliche Instrumente wie eine allgemeine Zertifikate-Lösung unvermeidlich.

Deutschland betreibt seit über zwei Jahrzehnten eine Politik, aus ökologischen Gründen die regenerativen Energien zu fördern und aus der Kernenergie sowie später auch aus den fossilen Energien auszusteigen. Der vorerst letzte Schritt war der Beschluss zum Ausstieg aus der Stromerzeugung aus Kohle und der Braunkohleförderung bis 2038 sowie die Erklärung, bis 2050 Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen.

Auch wenn man die ökologischen Ziele teilt, bestehen Zweifel, ob der gewählte Weg volkswirtschaftlich effizient ist, ob die bisher aufgewandten Kosten in einem höheren dreistelligen Milliardenbetrag in Euro und die bisher erreichten Erfolge in einem sinnvollen Verhältnis stehen und ob der deutsche Weg international Vorbildcharakter hat.

Liberalisierung von 1998

Durch das Energiewirtschaftsgesetz von 19981Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 28. April 1998, Bundesgesetzblatt I, Seite 730. wurde der deutsche Markt für Strom und Erdgas weitgehend liberalisiert. Braunkohle und andere Brennstoffe sowie Kraftstoffe waren schon vorher nicht reguliert. Allerdings unterlagen insbesondere Kraftstoffe für den Verkehr und Heizöl (später auch Heizgas) einer besonderen Verbrauchsbesteuerung. Die Abgaben auf Kraftstoffe wurden als Kompensation der externen Effekte des Straßenverkehrs gerechtfertigt, insbesondere zur Finanzierung der Infrastruktur.

Die Besteuerung von Heizöl war eine politisch gewollte Wettbewerbshilfe für die deutsche Steinkohle, die mit der nationalen Energiesicherung begründet wurde. Allerdings verbargen sich auch regionalpolitische Interessen dahinter, weil man den durch billiges Öl ausgelösten Strukturwandel in den altindustrialisierten Montanrevieren an Ruhr und Saar verlangsamen wollte. Durch die Ölkrise von 1973 schien sich die Richtigkeit dieser Politik zu bestätigen. Aber die stark steigenden Kosten der Förderung heimischer Steinkohle, die durch eine Abgabe auf Strom (Kohlepfennig) subventioniert wurden, die europäische Integration, nach der Wiedervereinigung die massive und schmerzhafte Umstrukturierung in der ostdeutschen Braunkohle mit hoher Arbeitslosigkeit sowie schließlich die Verfassungswidrigkeit des Kohlepfennigs führten zu einem allmählichen Auslaufen der Steinkohlesubventionen und der Einstellung des heimischen Bergbaus wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Die letzte Zeche schloss Ende 2018. Auch die klassische Stahlindustrie als bedeutender Nachfrager nach Steinkohle ist weitgehend ins Ausland abgewandert und hat ihre Bedeutung für die Montanreviere verloren.

Die Liberalisierung seit 1998 schaffte die Gebietsmonopole einzelner Strom- und Gasversorger ab, die ihrerseits einer staatlichen Preiskontrolle unterlagen, um Missbrauch zu verhindern. Später wurde der diskriminierungsfreie Netzzugang durch die Bundesnetzagentur gesichert und durch die Trennung der Netze vom Vertrieb (Unbundling) institutionell abgesichert. Daher konnte der Kunde im Prinzip leitungsgebundene Energien bei verschiedenen zueinander im Wettbewerb stehenden Anbietern kaufen. Bei nicht leitungsgebundenen Energien war das schon immer der Fall.

Die Auflösung der „natürlichen“ Monopole hin zu einer Steuerung über den Wettbewerb entspricht den Vorstellungen der Sozialen Marktwirtschaft. Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen westlichen Industrieländern wurden Monopolmärkte liberalisiert. Die Europäische Union, damals noch Europäische Gemeinschaft, hatte diese Politik in mehreren Richtlinien vorgegeben.2Hier die Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt vom 19. Dezember 1996 (Amtsblatt Nr. L027 vom 30. Januar 1997, Seite 0020). Daher hätte man als Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft zufrieden sein können, vom Sündenfall Heizölsteuer einmal abgesehen, die nur noch fiskalische Bedeutung gehabt hätte.

Ausstieg aus der Kernenergie

Die Situation auf dem Energiemarkt änderte sich grundlegend durch die Entscheidung der ersten rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder im Jahr 2000, aus der Atomenergie auszuscheiden. Die wichtigste Bedingung der Grünen für die Koalition mit den Sozialdemokraten war, ihr Lieblingsprojekt zu realisieren. Die in den 1980er Jahren gegründete grüne Partei sah und sieht sich einerseits als Speerspitze des gesellschaftlichen Wertewandels hin zu einer postmaterialistischen Ordnung und andererseits als politischen Arm der Umwelt- und Naturschutzbewegung.

Diese gewann nach den Wiederaufbaujahren ab den 1970er Jahren in Westdeutschland zunehmend Bedeutung. Sie kämpfte in vielen Bürgerinitiativen gegen weitere Expansionspläne der Industrie und die Zerstörung oder Beeinträchtigung von Naturräumen. Die Umweltaktivisten wurden durch die wachstumskritischen Prognosen des „Club of Rome“ und speziell in Westdeutschland durch die Anti-Atomkraft-Bewegung beeinflusst. Diese Bewegung hatte Verbindungen zu den Friedensinitiativen und dem Kampf gegen Atomwaffen. Die meisten Anhänger einte eine kritische Sicht auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen, die durch Industrialisierung und Kapitalismus ausgelöst worden waren.3Auch in der DDR bildeten sich zur gleichen Zeit Umweltgruppen, die auf massive ökologische Missstände und das Waldsterben aufmerksam machten und das kommunistische System dafür kritisierten. Aus ihr bildeten sich politische Oppositionsgruppen, die sich 1989/90 insbesondere im Bündnis 90 sammelten und nach der Wiedervereinigung mit den westdeutschen Grünen fusionierten.

Die Atomkatastrophe von Tschernobyl brachte den westdeutschen Anti-Atomkraft-Aktivisten und der Umweltbewegung einen Schub, schien doch dieses Unglück ihre Warnungen vor den großen, unkalkulierbaren und letztlich gesellschaftlich untragbaren Risiken der Atomtechnik, aber auch vieler anderer moderner Großtechnologien zu bestätigen. Die Bewegung gegen Atomwaffen sah in der friedlichen Nutzung der Atomenergie eine ständige Versuchung der Politik, auch in die militärische Nutzung einzutreten und die Welt weiter zu gefährden. Daher wurde der schnelle und unumkehrbare Verzicht auf die weitere Nutzung von Kernkraft zu einem unumstößlichen Dogma weiter Teile der Ökologiebewegung und des übrigen linken politischen Spektrums.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)

Der Verzicht auf Kernenergie wurde auch als Chance gesehen, die Energieversorgung umzubauen, die sich langfristig allein auf sogenannte erneuerbare Energien konzentrieren sollte, also Photovoltaik, Sonnenkollektoren, Windenergie, Wasserkraft, Geothermie, Bioenergie. Diese Energieformen galten als nachhaltig oder erneuerbar, da sie die Nutzung der endlichen Ressourcen unserer Welt schonen würden. Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)4Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) sowie zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes und des Mineralsteuergesetzes vom 29. März 2000, Bundesgesetzblatt I Seite 305. Vorbild war das Gesetz über die Einspeisung von erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz) vom 14. November 1990. Dieser Gesetzesentwurf war nicht von der Regierung, sondern von Lobbyisten aus dem Agrarbereich und grünen Politikern eingebracht worden und sollte für den ländlichen Raum zusätzliche Einnahmen generieren. Es führte aber anders als das EEG nicht zu einem schnellen und flächendeckenden Ausbau regenerativer Energien. Dieses Gesetz stellte zwar eine Begünstigung durch die Einspeiseverpflichtung und einen hohen Anteil am Endverbrauchspreis als Subvention dar, rein ökonomisch wäre ja nur ein Preis in Höhe der Grenzkosten der konventionellen Produktion gerechtfertigt, aber dieser Anteil reichte nur für kleine Wasserkraftanlagen und besonders begünstigte Windstandorte als Investitionsanreiz aus. wurden grüne Energien bei der Stromproduktion großzügig privilegiert, um diesen Umbau voranzutreiben:

  • Die Produzenten der grünen Energie erhielten vom Staat eine garantierte Einspeisevergütung für 20 Jahre, die so festgesetzt wurde, dass sich Investitionen in die neuen Anlagen mit Gewinn amortisierten. Finanziert wurde die Differenz zwischen dem Markt- und dem Garantiepreis durch eine Umlage auf Stromverbrauch, also eine Art Sondersteuer. Stromintensive Unternehmen, die in internationaler Konkurrenz stehen, wurden dabei ausgenommen, um eine Abwanderung ins Ausland zu verhindern.
  • Dem grünen Strom wurde Vorrang bei der Netzeinspeisung eingeräumt. Die Versorger wurden gezwungen, grünen Strom an jedem Ort und zu jeder Zeit abzunehmen. Man befreite Anbieter erneuerbarer Energien von jeder Verantwortung für die Netzstabilität und den Netzausbau. Sie produzierten nicht für die Nachfrager wie in einer Marktwirtschaft, sondern letztlich für den Staat; denn die Risiken wurden auf die Netzbetreiber überwälzt, die sich für die damit verbundenen Kosten entschädigen ließen, die wiederum durch eine weitere Umlage von den Verbrauchern bezahlt wurde.

Die Vorstellung war, dass es mit diesen Instrumenten gelänge, den Wegfall der Atomenergie beim Strom zu kompensieren. Um die Ausbauziele zu erreichen, wurden die Windkraft- und Photovoltaikanlagen im Planungsrecht privilegiert, selbst gegenüber dem klassischen Naturschutz, zum Beispiel das Aufstellen von Windkrafträdern in unberührten Naturräumen oder Waldgebieten). Schließlich sollte mit behördlichen Auflagen und Förderprogrammen die Energieeffizienz erhöht werden, um den Energieverbrauch zu verringern.

Abbildung 1 zeigt den Substitutionsprozess bis 2019. Seit Inkrafttreten des EEG im Jahr 2000 ist die Strommenge in Deutschland etwas gestiegen. Es ist aber bis 2019 gelungen, den Rückgang der Atomkraft durch die erhöhte Einspeisung grüner Energie und auch den bisherigen Rückgang der Steinkohle zu kompensieren, allerdings in Kombination mit einer Zunahme des aus Erdgas erzeugten Stroms. Die 2019 noch eingesetzte Steinkohle kommt aus dem Ausland und wird mit dem Steigen des europäischen CO2-Zertifikatepreises aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch durch die beschlossene sukzessive Schließung der Steinkohlekraftwerke bis 2038 verschwinden. Die zunehmende grüne Energie stammt vorwiegend aus Windkraftanlagen, und in geringerem Maße aus Photovoltaik und Biomasse. Die Wasserkraft spielt aus topographischen Gründen nur eine geringe Rolle. Da bis Ende 2022 die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet werden müssen, bedarf es in den nächsten Jahren jedoch eines erheblichen Zuwachses an grünem Strom, um diesen Ausfall zu kompensieren.

Bruttostromerzeugung-nach-Energietraegern_Abbildung1

AG Energiebilanzen (2019), Bruttostromerzeugung in Deutschland ab 1990 nach Energieträgern: https://ag-energiebilanzen.de/index.php?article_id=29&fileName=20181214_brd_stromerzeugung1990-2018.pdf

Allerdings ist diese Substitution mit einem starken Anstieg der Strompreise erkauft worden. Mittlerweile liegt Deutschland bei 31,5 Cent pro Kilowattstunde mit Dänemark an der Spitze in Europa. Im Vergleich dazu liegt der Preis in Frankreich bei 16,5 Cent pro Kilowattstunde und in Polen bei 14,6 Cent pro Kilowattstunde, also rund der Hälfte des deutschen Niveaus.5Die Preise sind dem Portal Stromvergleich (2019) entnommen: https://1-stromvergleich.com/download/strompreise-europa-land/. Die diversen Umlagen und Sondersteuern auf den Stromverbrauch haben dazu wesentlich beigetragen: die EEG-Umlage zur Finanzierung der Preisdifferenz zwischen Markt- und Einspeisepreis für die erneuerbaren Energien, die Stromsteuer, der Kraft-Wärme-Koppelungs-Zuschlag, die Offshore-Netzumlage, die Umlage zur Finanzierung der energieintensiven Betriebe, die Umlage für abschaltbare Lasten und steigende Netzkosten.

Abbildung 2 zeigt die Preisentwicklung mit den einzelnen Kostenkomponenten. Interessant ist, dass die Liberalisierung 1998 zunächst zu einem Rückgang des Strompreises geführt hatte. Seit 2000, dem Beginn des Atomausstiegs und der Förderung des grünen Stroms, hat sich der Strompreis für den Verbraucher mehr als verdoppelt. Der hohe deutsche Strompreis wird mit ökologischen Verbesserungen gerechtfertigt. Er sei der Preis für vorbildliche Umweltpolitik. Die Kosten des EEG betragen für 2019 circa 28 Milliarden Euro oder kumuliert circa 270 Milliarden Euro.6Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, EEG in Zahlen: Vergütungen, Differenzkosten und EEG-Umlage 2000 bis 2019, Berlin 2018: https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Redaktion/DE/Downloads/eeg-in-zahlen-xls.xlsx;jsessionid=FEB88903B337E2A7 AA86CEED3FESCEC8? blob=publicationFile&v=12. Für die nächsten 20 Jahre rechnet man mit weiteren mehreren Hundert Milliarden Euro.

Strompreis_Abbildung2

Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V., BDEW-Strompreisanalyse Juli 2019, Haushalte und Industrie: https://www.bdew.de/

Ernüchternde Bilanz

Worin besteht nun die Verbesserung? Wenn man die Atomkraft wegen ihrer Risiken für unvertretbar hält, so ist durch die Abschaltung sicherlich eine Verringerung der Gefahren aus Atomkraft eingetreten. Auf der anderen Seite gehen Atomgefahren in Deutschland nicht nur von deutschen Werken aus, sondern auch von denen unserer Nachbarn, die teilweise die Atomkraft ausdehnen wollen. Weltweit nimmt die Zahl dieser Kernkraftwerke trotz der deutschen Stilllegungen zu. Man kann geteilter Meinung sein, ob sich die Sicherheit in Deutschland wirklich erhöht.

Davon abgesehen bleibt die Frage, ob man dieses Ergebnis nicht hätte billiger haben können. Die gewählte Politik im Strommarkt hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Sie ist durch kleinteilige Eingriffe in den Markt erfolgt und teuer erkauft. Wenn man den Produzenten alle Risiken abnimmt und sie mit einer großzügigen Kapitalrendite versieht, ist das sicherlich nicht der kostengünstigste Weg zu grünem Strom; denn es wird bekannte Technik großzügig subventioniert. Ein besonderer Anreiz, den Ökostrom billiger zu produzieren, Innovationen zu entwickeln und Subventionen zu sparen, ist nicht gegeben. Zwar kann der Staat für neue Anlagen die Einspeisevergütung senken, nachdem technischer Fortschritt eingetreten ist, aber die Innovation selbst wird durch die gewählte Methode nicht gefördert.

Hinzu kommt, dass die Politik nicht technikneutral vorging. Statt einer einheitlichen Einspeisevergütung, die die Produktionsmethode mit den niedrigsten Kosten begünstigt hätte, hat man ein sehr differenziertes System aufgebaut, das auf den unterschiedlichen Produktionskosten beruht und damit Ineffizienz subventioniert. Die Einspeisevergütung für Photovoltaik lag immer über der für andere grüne Energien und begann mit rund 50 Cent pro Kilowattstunde, verglichen mit Produktionskosten von 3 Cent pro Kilowattstunde für konventionellen Strom. Statt Grundlagenforschung und angewandte Forschung für grüne Technologien stärker zu fördern, wurde ein Vielfaches der Technologiefördersummen in die unrentable Produktion von jeder Art grünen Stroms gesteckt.

Die Umweltverbände und Teile der Politik wehrten sich gegen Änderungen der Einspeisevergütungen und Reformen des Systems, um ihrer Klientel zusätzliche Gewinne zu verschaffen, und verzögerten so die Anpassung. Das ist die Konsequenz der Ausschaltung des Marktes und einer ausschließlichen politischen Steuerung. Wenn man schon den Weg einer garantierten Einspeisevergütung für grüne Energien gehen wollte, dann hätte man die Subventionshöhe durch eine umgekehrte Auktion schneller anpassen können und spätestens nach den ersten Erfahrungen sowie der Kenntnis der Schwachpunkte eine einheitliche Vergütung festsetzen müssen. Den Auktionsweg hat man aber erst ab 2017 beschritten.

Stabilitätsprobleme des Stromnetzes

Weitere Probleme entstehen dadurch, dass an ungeeigneten Stellen und zu ungeeigneten Zeiten Ökostrom produziert wird, den man nicht braucht, aber trotzdem bezahlen muss, und dass man den Produzenten die gesamten Risiken der Netzstabilität abnimmt. Damit werden ineffiziente Investitionen gefördert. Hier hätte es nahegelegen, die Produzenten stärker an den Netzrisiken zu beteiligen – zum Beispiel, indem man kontinuierliche Einspeisung besser honoriert als volatile – und sie mehr an der Nachfrage der Kunden zu orientieren.

Bei der Stromproduktion und Verteilung im Netz gilt eine physikalische Gesetzmäßigkeit, die Strom zu einem besonderen Gut macht. Damit das Netz nicht zusammenbricht, muss es zu jeder Zeit einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage geben. Der Zusammenbruch großer oder gar aller Teile des Netzes und ein längerer Stromausfall (Blackout) sind volkswirtschaftlich teuer, wie man aus ausländischen Beispielen weiß, und muss auf jeden Fall vermieden werden. Da Strom nicht lagerfähig ist, sieht man einmal vom Umweg über Batterien, von stofflichen Umwandlungen und von Pumpspeicherwerken ab, muss man die Stromproduktion in jedem Moment an der Nachfrage ausrichten. In der herkömmlichen Welt erfolgte das durch einen Kraftwerkspark, der sich grob in drei Teile aufteilte: die Kraftwerke für die Grundlast, die Mittellast und die Spitzenlast.

Für die Grundlast sind Kraftwerke geeignet, die ständig und mit niedrigen Grenzkosten produzieren und nur mit großer Zeitverzögerung herauf- und heruntergefahren werden können, um sie an die Nachfrage anzupassen. Hierzu gehören Laufwasserwerke, Atomkraftwerke und Braunkohlekraftwerke (geordnet nach zunehmenden Grenzkosten). In der Mittellast werden Steinkohlekraftwerke eingesetzt und darauf die noch schneller reagierenden, aber teuren Gaskraftwerke. Die Feinregelung kann man mit Wasserkraftwerken aus Seen vornehmen, bei denen man die durchlaufende Wassermenge zum Ausgleich der Nachfragespitzen schnell anpassen kann, ergänzt um Pumpspeicherwerke, die zusätzlich die Nachfragetäler ausfüllen können und zu einer Glättung des Lastgangs beitragen.

Zudem gibt es eine unterschiedliche Lastverteilung über das Jahr, auf die man entsprechend mit dem Kraftwerkspark reagieren kann. Wegen der viel größeren und längeren Amplituden spielen Pumpspeicherwerke hier kaum noch eine Rolle. Man kann andererseits die Stromnachfrage glätten, indem man Anreize gibt, den Stromverbrauch zeitlich zu verschieben. Dadurch kann man zwar die Nachfragespitzen über den Tag glätten, aber Verschiebungen über eine Woche oder gar über einen Monat sind den Nachfragern wohl nicht zuzumuten (zum Beispiel bei Spülmaschinen, Waschmaschinen oder der Batterieladung für Elektroautos) und bringen kaum zusätzliche Wirkungen.

Die Vorrangeinspeisung für den Teil der erneuerbaren Energieträger, die wetterabhängig sind, ändert die Netzprobleme grundlegend. Hierzu gehören aber gerade die quantitativ bedeutenden Sonnen- und Windenergien, die große kurzfristige Volatilität aufweisen und teilweise schwer prognostizierbar sind. Damit verschiebt sich die Last des Ausgleichs noch mehr auf die anderen Energieträger. Da die Atomkraft und die Braunkohle zur Grundlast gehören, sind Sonnen- und Windenergien kein gleichwertiges Substitut und machen zusätzliche Eingriffe in das Kraftwerksmanagement nötig.

Solange keine ausreichende Speicherkapazität zur Verfügung steht, muss man eine Doppelstruktur aufbauen, damit während Flaute und Dunkelheit die Stromversorgung gesichert ist. Dies gilt zunächst für den Ausgleich über den Tag. Noch größere Speicher braucht man aber für den Ausgleich über das Jahr. Bisher gibt es dafür keine technisch realisierbare Lösung. Die Doppelstruktur macht doppelte Investitionen nötig, erhöht die Kosten und verringert die Effizienz des Systems.

Hinzu kommt, dass sich die bisherigen Kraftwerksstandorte aus technischen und Kostengründen an der örtlichen Verteilung der Nachfrage ausrichteten, die Standorte für Sonnen- und Windenergie aber nach den natürlichen Gegebenheiten, also mehr Windstrom vom Land im Norden, Windstrom vom Meer gibt es nur im Norden, wohingegen die Sonneneinstrahlung sich nach Süden hin erhöht, also mehr Photovoltaik. Da die industriellen Stromverbraucher einen Schwerpunkt in Süd- und Westdeutschland haben und dort viele Atomkraftwerke stehen, braucht man zusätzliche Hochspannungsleitungen, um den Windstrom aus dem Norden und Osten zu den Verbrauchern im Süden und teilweise Westen zu bringen.

Um Netzzusammenbrüche zu vermeiden, ist eine zunehmend komplizierte Steuerung des Systems nötig, die immer mehr an ihre Grenzen stößt. Allein im Juni 2019 hat es mehrere Störungen gegeben, die nur durch umfangreiche und kostspielige kurzfristige Umsteuerungen (Redispatch) kompensiert werden konnten. Die Kosten hierfür sind in den letzten Jahren exponentiell gestiegen und über die Netzumlage vom Verbraucher zu zahlen.

Ökonomische und geopolitische Aspekte

Zusätzlich gibt es ökonomische Gründe für die zunehmenden Netzprobleme. Zum einen hat der subventionierte Ökostrom die Großhandelspreise an der Strombörse gedrückt und damit die Einnahmen der konventionellen Kraftwerke verringert. Zum anderen muss zum Ausgleich der steigenden Einspeisung von grünem Strom die Jahresleistung der konventionellen Kraftwerke verringert werden. Dadurch leidet ihre Rentabilität. Wenn die Betreiber konventioneller Anlagen auf Dauer ihre variablen Kosten nicht decken können, werden sie diese Werke stilllegen und auch nicht bereit sein, neue Gaskraftwerke zu errichten, die zur Steuerung besonders geeignet sind.

Um das Netz zu stabilisieren, muss der Staat die Kraftwerksbetreiber (insbesondere im Süden) zwingen, die Kapazität weiter in Reserve zu halten. Für die betriebswirtschaftlichen Verluste müssen sie dann entschädigt werden. Zusätzlich mietet Deutschland in Österreich alte Kraftwerke als Reserve an. Um die notwendige Parallelstruktur sicherzustellen, wird Deutschland auf Dauer einen Kapazitätsmarkt brauchen, also eine vom Staat angemietete Infrastruktur konventioneller Kraftwerke.

Zunehmend müssen auch ausländische Netze zum Ausgleich eingesetzt werden. Deutschland ist zwar schon per Saldo ein Stromexportland, aber immer häufiger muss überschüssiger, hochsubventionierter Ökostrom in die Nachbarnetze gedrückt werden, was nur zu negativen Preisen möglich ist. Wenn Deutschland Strommangel durch den kurzfristigen Wegfall von Ökoenergie hat, muss Importstrom teuer gekauft werden. So sind die Regeln des Marktes, die man international nicht außer Kraft setzen kann.

Da man wegen des Widerstands der Bevölkerung und des komplizierten Planungsrechts die zusätzlichen Nord-Süd-Leitungen für den Windstrom noch nicht errichten konnte, nutzt man Polen und Tschechien für zusätzliche Transportwege, wodurch man die Kraftwerkssteuerung unserer Nachbarn erschwert. Diese versuchen sich zunehmend durch teure Abschaltwerke davor zu schützen, was im Gegensatz zu einem europäischen Strommarkt steht. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass man einen so grundlegenden Umbau der Energieproduktion wie in Deutschland nicht einseitig vornehmen, sondern – wenn überhaupt – nur im europäischen Kontext lösen kann.

Man muss daher den mit hohem Subventionsaufwand erzeugten grünen Strom unökonomisch verbrauchen, ihn zum Beispiel direkt zum Heizen verwenden, oder stoffliche Puffer durch die Herstellung von Wasserstoff erzeugen, den man anschließend wieder verbrennt. Als letzte Lösung bleibt nur, den volatilen Strom vom Netz zu nehmen, ihn aber weiter zu bezahlen, was heute schon passiert. Aber was macht Deutschland bei einem Defizit an Stromproduktion? Wenn nicht genügend Speichermöglichkeiten zur Verfügung stehen, müssten die Kapazitäten für grünen Strom weiter erhöht werden, damit auch bei ungünstigen Wetterlagen genügend Produktion möglich ist, was aber an physikalische und ökonomische Grenzen stößt.7Hans-Werner Sinn hat in einer Studie nachgewiesen, dass sich unter realistischen Bedingungen der Anteil volatiler Energie nicht beliebig steigern lässt, selbst unter Zuhilfenahme von Nachbarländern, die über hohe Wasserkraftressourcen verfügen, die man zur Stabilisierung und Pufferung einsetzen kann; vgl. Hans-Werner Sinn, Buffering volatility: A study on the limits of Germany’s energy revolution, European Economic Review, Volume 99, 2017, Seiten 130–150. Es zeigt sich, dass die Stabilisierung der Netze national effizient nur bis zu einem Anteil volatiler Energie von 30 Prozent erreicht werden kann; wir liegen heute etwa bei 25 Prozent. Die 30-Prozent-Grenze wird aber schon bei vollständiger Substitution der restlichen Atomkraft durch Sonnen- und Windstrom erreicht. Bei einem Anteil von über 50 Prozent könnte man selbst unter Zuhilfenahme von Potenzialen (nicht die vorhandenen Kapazitäten) in Norwegen, Österreich oder der Schweiz, keine effiziente Steuerung mehr durchführen. Der Bau von zusätzlichen, nach der ESTORAGE Studie (European Commission, Variable Speed Pumped Storage Hydro Plants Offer a New Era of Smarter Energy Management, Brüssel 2016, http://cordis.europa.eu/news/rcn/125319_en.html) theoretisch möglichen Anlagen ist zudem politisch unrealistisch.

Vielleicht ist es mit der bisherigen Politik möglich, den Ausfall des Atomstroms zu kompensieren, aber kaum die gesamten fossilen Energien zu ersetzen. Als letztes Mittel blieb dann nur, stattdessen den Atomstrom aus Frankreich oder den ungeliebten Kohlestrom aus Polen zu importieren, was diese Länder, wenn überhaupt, nur zu angemessenen Preisen tun werden. Die vermiedenen Atomkraftrisiken und die CO2-Emissionen haben wir lediglich aus Deutschland über die Grenze zu unseren Nachbarn geschoben.

Deutschland hat zur Kompensation des Atomausstiegs, des Wegfalls der heimischen Kohle und zur Stabilisierung der Netze deutlich mehr Erdgas eingesetzt. Der Gaseinsatz soll sich in Zukunft weiter erhöhen. Erdgas hat den chemischen Vorteil, dass bei der Verbrennung deutlich weniger CO₂ pro Kilowattstunde entsteht als bei der Verbrennung anderer fossiler Energieträger. Da die Gasförderung in der Nordsee rückläufig ist, Deutschland aus ökologischen Gründen auf Fracking verzichten und nicht das teure verflüssigte Erdgas von den Amerikanern oder den Arabern kaufen will, bleibt vorerst nur die Erhöhung der Importe aus Russland. Dies scheint der eigentliche Grund für Nord Stream 2 zu sein. Damit steigt aber geopolitisch die Abhängigkeit Deutschlands von Russland.

Das CO₂-Problem

Die Konzentration aller Kräfte auf den Atomausstieg zur Abwehr nuklearer Gefahren hat die Lösung eines anderen ökologischen Problems erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Bei der erstmaligen Entscheidung über den Atomausstieg 2000 spielte das Treibhausgasproblem politisch noch keine Rolle. Zwar wurde die Verschiebung des Atomausstiegs 2010 um 8 bis 14 Jahre auch mit Klimaschutzargumenten begründet, aber in der Hektik der Fukushima-Katastrophe 2011 und des darauffolgenden Rücktritts vom Rücktritt waren die Gefahren der Atomenergie wiederum alleiniger Maßstab der politischen Entscheidung.

Wenn man wie die Mehrheit der Wissenschaftler unterstellt, dass das mit der Verbrennung fossiler Rohstoffe erzeugte CO2 einen maßgeblichen und auf Dauer untragbaren Effekt auf die Erderwärmung hat,8Es gibt auch andere klimaschädliche Gase, zum Beispiel Methan und Lachgas, auf die ich nicht eingehe. In den Statistiken werden deren Emissionen in CO₂-Äquivalenzeinheiten umgerechnet und addiert. dann darf man die Rückwirkungen des Atomausstiegs auf die Fähigkeit zur CO₂-Reduzierung nicht außer Acht lassen. Das in Deutschland sehr beachtete Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) sieht gerade in der Atomenergie einen wesentlichen Beitrag, CO₂-Emissionen zu reduzieren.9Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC (2018), Special Report, Global Warming of 1.5°C. Summary for Policymakers, https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/sites/2/2019/05/SR15_SPM_version_report_LR.pdf. Auch die junge Schwedin Greta Thunberg, die Initiatorin der Initiative „Fridays for Future“, hat sich auf den IPCC berufen, mittlerweile aber unter dem Druck der deutschen Umweltbewegung ihre Meinung revidiert. Die Lösung des zunehmend diskutierten Klimaproblems erfordert also deutlich größere Anstrengungen als die bisherige deutsche Energiepolitik. Es muss eine umfassende Energiewende geben und nicht wie bisher nur eine reine Stromwende. Alle Anstrengungen müssen sich auf die Reduzierung der CO₂-Emissionen konzentrieren.

Schaut man sich die jüngste Graphik des Umweltbundsamtes an (Abbildung 3), so fällt auf, dass die CO₂-Emissionen bis 2000 deutlich zurückgingen, vom Ausgangspunkt von 1.251 Millionen Tonnen auf rund 1.000 Millionen Tonnen um die Jahrtausendwende (also vor Beginn der grün-roten Energiewende), was einem Rückgang von 20 Prozent innerhalb von zehn Jahren entspricht. Dieser deutliche Rückgang der Emissionen hat aber weniger etwas mit einer engagierten Klimapolitik, sondern mit der Wiedervereinigung 1990 zu tun. Da die DDR eine ineffiziente und energieintensive Wirtschaftsstruktur auf Basis der Braunkohle besaß, wurde der Rückgang der CO₂-Emissionen im Wesentlichen durch den Zusammenbruch der alten DDR-Wirtschaft und den weitgehenden Neuaufbau von moderner Industrie und Energiewirtschaft erzielt. Wegen dieses Anfangserfolgs sah sich Deutschland als Vorreiter der Klimapolitik.

Treibhausgasemissionen_Abbildung3

Bundesministerium für Umweltschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Klimaschutz 2018: 4,5 Prozent weniger Treibhausgasemissionen, Pressemitteilung Nr. 043, 2. April 2019: https://www.bmu.de/pressemitteilung/klimabilanz-2018-45-prozent-weniger-treibhausgasemissionen/.

Im Jahr 2018, also fast 20 Jahre nach dem Beginn der Energiewende, sind es 866 Millionen Tonnen. Vorher oszilliert der Ausstoß um 900 Millionen Tonnen.10Bei kalten Wintern wird mehr CO₂ ausgestoßen, insbesondere für Heizzwecke. Die Emissionsentwicklung lässt die Vermutung zu, dass der Atomausstieg eine noch größere Reduktion verhindert hat. Es bestehen Zweifel, ob das selbstgesetzte nationale Ziel für 2020 von 751 Millionen Tonnen erreicht werden kann. Die Ziele für 2030 und 2050 sind noch ambitionierter. Um die internationalen Zusagen einzuhalten, hat die Bundesregierung Anfang 2019 beschlossen, bis 2038 vollständig aus der Braunkohleförderung auszusteigen, die in Deutschland fast ausschließlich zur Stromproduktion genutzt wird. Dazu gibt man einen Zeitplan zur Beendigung der Förderung und der Abschaltung aller Kohlekraftwerke wie beim Atomausstieg vor, wobei man die Betreiber für ihre langfristigen Abbaukonzessionen entschädigen muss. Außerdem soll den Braunkohlegebieten durch Infrastrukturmaßnahmen und Wirtschaftsförderung bei der Überwindung des Strukturbruchs geholfen werden.

Anders als die heimische Steinkohle, die wegen der hohen Förderkosten nicht wettbewerbsfähig war, gilt dies bisher nicht für die Braunkohle, die Strom ohne Subventionen einschließlich der Belastungen erzeugt, die heute im Rahmen der europäischen Emissionszertifikate (European Union Emission Trade System, EU-ETS) anfallen. Die Grenzkosten liegen unter 3 Cent pro Kilowattstunde und damit deutlich unter den Kosten der regenerativen Energien. Allerdings würde ein Anstieg der Preise der Zertifikate den Braunkohlestrom zurückdrängen, dasselbe gilt für importierte Steinkohle.

Der Umstieg von Atom- auf regenerative Energie war schon schwierig. Daher ist es sehr ambitioniert, die CO₂-Emissionen nicht nur in der Stromproduktion, sondern auch in der gesamten Energieversorgung bis hin zur Klimaneutralität 2050 zu verringern.11Allerdings könnte man auch versuchen, die Absorption von CO₂ zum Beispiel durch großflächige Aufforstungen zu erhöhen oder das Kohlendioxid abzuscheiden und in der Erde einzulagern. Abbildung 4 zeigt das wahre Ausmaß der Probleme. Dann müsste man nicht nur die Atomenergie, Kohle und Erdgas bei der Stromproduktion, sondern fossile Energien auch bei der Wärme,12In geringerem Umfang ist auch eine Wärmeproduktion über regenerative Energie möglich (zum Beispiel Sonnenkollektoren, Erdwärme), die allerdings auch Elektroenergie benötigt. im Verkehr und in Teilen der Industrie weitgehend durch regenerative Energieträger ersetzen. Diese Bereiche müsste man wohl weitgehend elektrifizieren. Die eigentlichen Probleme liegen also noch vor uns.

Energieproduktion_Abbildung4-1

Ökologische Steuerreform und Maßnahmen zur Verminderung von Kohlendioxid

Schon 1999 hatte die rot-grüne Bundesregierung Maßnahmen ergriffen, um das Verhalten der Bevölkerung hin zu ökologischen Zielen zu fördern. Mit dem Gesetz zur Einführung einer ökologischen Steuerreform13Gesetz zur Einführung einer ökologischen Steuerreform vom 24. März 1999, Bundesgesetzblatt I, Seite 378. wurde eine Stromsteuer von 20 D-Mark pro Megawattstunde (entspräche heute etwa 1 Cent pro Kilowattstunde) eingeführt. Verbraucher, die den Strom aus erneuerbaren Quellen beziehen, wurden dabei ausgenommen. Hiermit sollte eine Privilegierung der erneuerbaren Energien erreicht werden. Zusätzlich wurden die Mineralölsteuer heraufgesetzt und die Sätze mehr an ökologischen Zielen ausgerichtet. In mehreren Stufen erhöhte man die Mineralölsteuer weiter und wandelte sie zu einer Energiesteuer um, die auch die bestehende Besteuerung von Heizgas und Kohle beinhaltet. Die Steuersätze orientierten sich aber nicht am CO₂-Ausstoß, sondern an den jeweiligen Nutzungen und Energiearten.

Rechnet man die unterschiedlichen ökologischen Steuern und Abgaben auf CO₂-Emissionen um, dann ergibt sich eine Belastung pro Tonne CO₂ für Strom von circa 184 Euro, in der Wärmeerzeugung beträgt die Belastung bei Erdgas 29 Euro, bei Erdöl 23 Euro, im Verkehr bei 64 Euro und bei Diesel 58 Euro.14Diese Werte ergeben sich, wenn man gedanklich die alte Mineralölsteuer als Infrastrukturbeitrag wie der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie herausrechnet; vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiepreise und effiziente Klimapolitik, Berlin 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachten-energiepreise-effiziente-klimapolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=10, Seite 54. Sonst liegen die Werte bei circa 250 Euro je Tonne CO₂ bei Benzin und 150 Euro bei Diesel; vgl. Ottmar Edenhofer/Christian Flachsland/Matthias Kalkuhl/Brigitte Knopf/Michael Pahle, Optionen für eine CO2-Preisreform, Arbeitspapier 04, Wiesbaden 2019. Hinzu kommt bei der Stromproduktion, die in das ETS einbezogen ist, der Preis für das Zertifikat von zurzeit circa 28 Euro. Diese unterschiedlichen Belastungen sind umweltpolitisch unsinnig und können auch kontraproduktiv sein. Der an sich gewünschte vermehrte Einsatz von elektrischen Wärmepumpen rechnet sich nicht bei der hohen Belastung von Strom und der deutlich geringeren Belastung für Wärme. Der Ersatz von alten Heizungsanlagen und Wärmedämmung unterbleibt oder muss durch zusätzliche Subventionen gefördert werden.

Deswegen waren die ökologischen Lenkungswirkungen dieser Steuern gering. Oft stand der fiskalische Zweck im Vordergrund. Vom Bund wurde eine Vielzahl von Förderprogrammen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zum Umstieg der Energienutzung erlassen sowie Ge- und Verbote eingeführt, um den Energieverbrauch und Emissionen einzuschränken. Dazu trugen auch Entscheidungen auf EU-Ebene bei, so zum Beispiel das Verbot konventioneller Glühbirnen zugunsten von Sparlampen oder die Reduzierung der Pkw-Emissionen durch Vorgaben für den Flottenverbrauch, unabhängig von der tatsächlichen Nutzung und den sich daraus ergebenen Emissionen. Insgesamt war das wenig wirkungsvoll und volkswirtschaftlich sehr teuer.

Europäischer Emissionshandel (EU-ETS)

Das seit 2005 geltende EU Emission Trade System (EU-ETS) hat einen vollständig anderen Ansatz als das deutsche Vorgehen mit seinem Flickenteppich ineffizienter, teils kontraproduktiver Maßnahmen. Im EU-ETS wird diejenige maximale Menge an Emissionen festgelegt, die politisch gewollt ist. Der Wert der Verschmutzungsrechte oder Zertifikate, die eine bestimmte Menge an Emissionen zulässt, zum Beispiel eine Tonne CO₂, bildet sich am Markt. Die emittierenden Betriebe dürfen ihre Tätigkeit nur ausüben, wenn sie über ausreichende Zertifikate verfügen. Ansonsten müssen sie Zertifikate am Markt zukaufen. Dadurch wird erreicht, dass die politisch gewollte Emissionsmenge nicht überschritten wird.

Dieses System hat den ökonomischen Vorteil, dass die Emissionen dort vermieden werden, wo die Kosten am geringsten sind. Dies ist die volkswirtschaftlich günstigste Lösung. Maßnahmen, die nicht zu einheitlichen marginalen Vermeidungskosten führen, belasten die Volkswirtschaft mehr als nötig. Dieses System steht im Einklang mit der Sozialen Marktwirtschaft. Die externen Kosten werden internalisiert. Dabei ist es egal, wie die Zertifikate emittiert werden, ob durch kostenlose Zuteilung anhand historischer Daten oder über Versteigerungen. Die optimale Allokation der gewünschten Vermeidung wird nicht gestört, nur die Verteilung der Kosten ist unterschiedlich.

Allerdings wurde dieses System nicht für alle Sektoren eingeführt, sondern nur für die Energiewirtschaft und die energieintensive Industrie, wie zum Beispiel die Zementindustrie. Seit 2012 ist auch der innereuropäische Flugverkehr einbezogen. Neben den 28 EU-Mitgliedern nehmen die Schweiz, Norwegen und Island teil (Stand 2019). Das System umfasst 45 Prozent der CO₂-Emissionen. Angestrebt ist, dass es auf die ganze Welt ausgedehnt oder mit ähnlichen Systemen in anderen Teilen der Welt vereinigt wird. Der Preis sank zunächst von circa 30 Euro auf unter 5 Euro.15Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik, Sondergutachten, Wiesbaden 2019, https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/gutachten/sg2019/190712_SVR_SG-Aufbruch_zu_einer_neuen_Klimapolitik.pdf. Die Gründe für den Preisrückgang waren, dass man am Anfang zu viele Zertifikate emittiert hatte, dann durch die Finanzkrise in einigen Ländern die Industrieproduktion deutlich zurückging und großzügig zusätzliche Zertifikate für Umweltschutzprojekte in der Dritten Welt ausgegeben wurden. Durch die nun gewollte Verknappung der Emissionsrechte ist der Preis wieder auf circa 28 Euro gestiegen.

Dieses System ist aber nicht kompatibel mit der deutschen Politik in den Sektoren, die dem EU-ETS unterliegen. Die Förderung regenerativen Stroms durch das EEG führt seit Geltung des ETS zwar weiter zu einer Verringerung der Emissionen in Deutschland. Da aber gleichzeitig die Gesamtmenge an Zertifikaten nicht zurückgeht, sinkt der Preis, wodurch es für Betriebe innerhalb Europas günstiger sein kann, die billigeren Zertifikate zu kaufen, als eigene Anstrengungen zur Vermeidung zu unternehmen. Das deutsche EEG hat zwar in Deutschland die CO₂-Emissionen bei der Stromproduktion gesenkt, aber nur in andere europäische Länder verlagert, sodass klimapolitisch nichts erreicht wurde. Dasselbe würde für den 2019 beschlossenen Kohleausstieg in Deutschland gelten, wenn nicht gleichzeitig die Menge an Zertifikaten in Europa entsprechend verringert wird.

Die nicht dem ETS unterliegende Sektoren haben bisher nur ungenügend Erfolg bei der Reduktion von CO₂-Emissionen. So ist von 2005 bis heute nur eine Senkung um sechs Prozent in diesen Sektoren erreicht, wohingegen sich Deutschland europarechtlich zu einer Senkung von 38 Prozent verpflichtet hat. Dies ist ein gutes Beispiel für den ökonomischen Schaden inkompatibler einseitiger Markteingriffe und nationaler Alleingänge. Es ist offenkundig, dass sich die deutsche Klimapolitik trotz Kosten von mehreren Hundert Milliarden Euro und einer ausufernden Klimabürokratie in einer Sackgasse befindet. Ein Weiter-so wie bisher ist zur Erreichung der internationalen Klimaziele nicht mehr möglich und ruiniert die deutsche Volkswirtschaft.

CO₂-Steuer oder Zertifikate für alle Emissionen in Deutschland

Die Kritik insbesondere marktwirtschaftlich orientierter Ökonomen an der Fehlkonstruktion der deutschen Klimapolitik hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich verschärft.16Joachim Weimann, Die Klimapolitik-Katastrophe, Deutschland im Dunkel der Energiesparlampe, Marburg 2010; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Die essentielle Rolle des CO2-Preises für eine effektive Klimapolitik, Berlin 2016, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/wissenschaftlicher-beirat-rolle-co2-preis-fuer-klimapolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=20, und Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiepreise und effiziente Klimapolitik, Berlin 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachtenenergiepreise-effiziente-klimapolitik.pdf?_blob=publicationFile&v=4. Die Ineffizienz und die enormen Kosten werden immer deutlicher. Am Anfang wurde diese Kritik oft mit dem Argument abgetan, die Kritiker lehnten die ökologischen Ziele ab und seien „Klimaleugner“. Da es mittlerweile auch viele Gewinner des deutschen Wegs gibt, werden Reformen insbesondere des EEG aus Lobbygründen abgelehnt und die ökologische Katastrophe beschworen. Wie früher bei der Kohle gibt es jetzt eine Sonnen- und Windlobby.

Anstelle der bisherigen Politik ist die marktwirtschaftliche Antwort, eine generelle, möglichst gleiche Bepreisung aller CO₂-Emissionen anzustreben, die noch außerhalb des EU-ETS stehen. Das sind die Sektoren Verkehr (ohne innereuropäischen Luftverkehr), Wärme und Landwirtschaft.17Auf die Landwirtschaft wird nicht eingegangen. Eine sektorübergreifende Lösung verlagert die Einsparungen dorthin, wo sie am kostengünstigsten zu realisieren sind. Das regt überall Innovationen zur Reduzierung von Emissionen an.18Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina/acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften/Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, „Sektorkopplung“ – Optionen für die nächste Phase der Energiewende, Schriftenreihe zur wissenschaftsbasierten Politikberatung, München 2017, https://www.acatech.de/wp-content/uploads/2018/06/ESYS_Stellungnahme_Sektorkopplung.pdf.

Im Gegenzug kann man dann auf die bisherigen ineffizienten und kostspieligen Maßnahmen der Klimapolitik verzichten. Das gilt insbesondere für die ökologisch kontraproduktive Stromsteuer. Allerdings gibt es europarechtlich einen geringen Mindeststeuersatz von 0,1 Cent pro Kilowattstunde, der eine völlige Abschaffung verhindert. Auch die anderen Bestandteile der Ökosteuer, nämlich auf Heizöl und Heizgas sowie auf Kraftstoffe für den Verkehr, also Benzin, Dieselöl und Gas, sollten im Gegenzug abgeschafft werden. Da die frühere Mineralölsteuer auch äquivalenztheoretische Begründungen hatte, könnte man einen gedanklichen Anteil in eine zweckgebundene Abgabe für die Straßeninfrastruktur und später besser in ein zielgerichtetes Mautsystem umwandeln.

Wenn man alle CO₂-Emissionen mit den gleichen Kosten belegt, sind viele Ge- und Verbote sowie Standards unnötig. Ein Beispiel sind die Auflagen zur Wärmedämmung, die im Neubau viel zu hoch sind, wobei der Wärmeverlust im Althausbestand aber viel größer ist. Ein anderes Beispiel für eine ineffiziente Regulierung sind die zukünftigen strengen Werte für den Flottenverbrauch der europäischen Autohersteller, die nur durch deutliche Zunahme des Anteils elektrischer Autos19Die deutliche Senkung des Flottenverbrauchs ergibt sich dadurch, dass Elektroautos mit 0 bewertet werden und so den Durchschnittswert senken. Neue Rechnungen für CO₂-Emissionen, die nicht nur die Emission am Auspuff messen, sondern auch die indirekten Emissionen bei der Herstellung der Autos, des Stroms und der Kraftstoffe, zeigen, dass die Unterschiede zwischen den Antriebsarten gar nicht so groß sind. Für Deutschland und seinen gegenwärtigen Energiemix bei der Stromproduktion emittieren moderne Dieselautos sogar weniger als Elektroautos. Für Frankreich mit einem 70-prozentigen Atomanteil beim Strom sieht die Rechnung für die E-Autos natürlich wesentlich besser aus; vgl. Christoph Buchal/Hans-Dieter Karl/Hans-Werner Sinn, Kohlemotoren, Windmotoren und Dieselmotoren: Was zeigt die CO2-Bilanz?, ifo-Schnelldienst, 2019, Nummer 8, Seiten 40–54. erreicht werden können. Bei einer CO₂-Bepreisung ergäbe sich die Wahl des ökologisch richtigen Antriebs über den Preis.

Wenn der Preis für CO₂-Emissionen hoch genug ist, um das Einsparziel zu erreichen, gibt es auch keinen Grund für die bisherige Subventionierung des Ökostroms und des Vorrangs bei der Einspeisung. Da in der Vergangenheit rechtsverbindliche Zusagen über 20 Betriebsjahre gegeben worden sind, kann man die Subventionen nur für zukünftig errichtete Anlagen streichen, muss sie aber für die schon genehmigten Anlagen entsprechend weiterzahlen. Da die Subvention erneuerbarer Energie über die EEG-Umlage im neuen System sinnlos ist, wenn die CO₂-Emissionen ausreichend verteuert werden, sollte das EEG möglichst schnell abgeschafft und die noch verbleibenden Subventionen als Altlast in den Bundeshaushalt übernommen werden, ähnlich wie das bei der Abschaffung des Kohlepfennigs schon einmal erfolgreich durchgeführt wurde.

Gedanklich ist es am einfachsten, das CO₂-Preissignal in den bisher nicht dem EU-ETS unterliegenden Sektoren durch eine Ausdehnung des Systems auf diese Sektoren zu erreichen.20Auf die technischen Detailprobleme der Umsetzung soll nicht eingegangen werden, da sie prinzipiell lösbar sind. Die Alternativen sind, ein rein nationales Emissionshandelssystem für die Sektoren zu errichten oder eine nationale CO₂-Steuer einzuführen. Der Emissionshandel hat den Vorteil, dass der Staat die Verringerung der CO₂-Emissionen direkt steuern und so sicher das gewollte Emissionsziel erreichen kann, wohingegen bei einer Steuerlösung das nur indirekt erfolgt.21Zur theoretischen Abwägung von Preis- und Mengenregulierung siehe Martin L. Weitzman, Prices vs. Quantities, Review of Economic Studies, no. 4, 1974, Seiten 477–491. Es kann zu Zielverfehlungen kommen, die eine Korrektur des Steuersatzes erfordern, was politisch verzögert oder verhindert werden kann.

Auf der anderen Seite hat der Emissionshandel den Nachteil, dass die Preisentwicklung von den Betroffenen nicht richtig abgeschätzt werden kann. Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass neue Gaskraftwerke nach dem Bau unwirtschaftlich wurden, da man von einem höheren Emissionsrechtepreis ausgegangen war. Statt eines tendenziell steigenden Preises sank er durch das Überangebot von Zertifikaten. Die Wirtschaftssubjekte im Verkehrs- und Heizungsbereich können auch nicht kurzfristig reagieren, da umfangreiche Investitionen für größere Einsparungen erforderlich sind, zum Beispiel Austausch der Heizungsanlagen oder Systemwechsel und Nachrüstung der Isolierung sowie neue Fahrzeuge oder Wechsel des Antriebssystems. Ein klares Preissignal durch die Steuer reduziert die Unsicherheit bei den Verbrauchern und erhöht ihre Investitionsbereitschaft. Aus Gründen der Akzeptanz wird man nicht mit einem zu hohen Steuersatz einsteigen und ihn über die Zeit ständig erhöhen. Es verbleibt aber das Risiko, dass die klimapolitisch gewünschte Einsparmenge verfehlt wird.

Um einen erneuten deutschen Alleingang zu vermeiden und eine optimale Allokation der Emissionseinsparung zu erreichen, muss sichergestellt werden, dass die deutsche Lösung später problemlos in eine europäische Lösung übergehen kann. Das ist prinzipiell bei der Zertifikate-Lösung der Fall, da eine europäische Lösung schon existiert. Das gilt insbesondere für den Fall, dass man die deutschen Sektoren, die bisher nicht dem EU-ETS unterstanden, in dieses einbezieht. Es ist rechtlich strittig, ob und wie man das erreicht. Wahrscheinlich geht es nur mit Zustimmung der EU. Aber auch ein nationales Handelssystem kann man relativ einfach in ein europäisches überführen, wenn es gleich aufgebaut ist und die Preise des deutschen Systems sich nicht zu weit vom europäischen entfernen.

Eine europäische Steuerlösung ist aus heutiger Sicht nicht zu erwarten, da dafür in Europa Einstimmigkeit, wohingegen für eine europäische Zertifikate-Lösung nur eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist. Für sie spricht auch, dass sie in einigen Sektoren schon vorhanden ist und das System nur ausgedehnt wird, während eine europäische CO₂-Steuer erst noch eingeführt werden müsste. Die Alternative einer rein deutschen Steuer kann daher allenfalls eine kurzfristige Lösung sein, die möglichst schnell zugunsten eines Zertifikate-Handels umzustellen wäre. Allerdings ist der Charme einer schnell einzuführenden nationalen CO₂-Steuer eine Versuchung, in Europa wieder Einzelgänger zu spielen.

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie22Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiepreise und effiziente Klimapolitik, Berlin 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachten-energiepreise-effiziente-klimapolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=10. hat eine Kombination beider Wege vorgeschlagen, nämlich ein nationales Zertifikate-System mit einem Preiskorridor, der im Zeitablauf steigt, allerdings mit getrennten Systemen, die konvergieren. Der Grund liegt darin, dass eine einheitliche CO₂-Bepreisung wegen der heute niedrigen Belastungen bei Heizöl und Heizgas zu wesentlich größeren Anpassungen als im Verkehrssektor führt. Alle Vorschläge gehen aber davon aus, dass der bisherige CO₂-Preis zu niedrig ist, um die Klimaziele zu erreichen, und zukünftig steigen muss. Daher kommen auf jeden Fall Mehrbelastungen auf die Volkswirtschaft zu, allerdings geringere als bei der Fortsetzung der bisherigen Politik.

Verteilungseffekte

In der Vergangenheit hat die Mehrheit der deutschen Bevölkerung die Kosten der Klimapolitik akzeptiert. Mit steigenden Kosten wird jedoch die ungerechte Verteilung der Kosten zunehmend thematisiert. Zu den Gewinnern der bisherigen Energiewende gehören insbesondere die zahlreichen Eigentümer von Windkraft- und Photovoltaikanlagen sowie die Eigentümer der Grundstücke, auf denen die Anlagen errichtet werden und die entweder erworben oder langfristig gepachtet werden müssen. Die Zahler sind dagegen oft nicht so wohlhabende Mieter, die den teuren Strom kaufen müssen, aber nicht an den Gewinnen partizipieren. Die Abgaben und Steuern auf den Energieverbrauch wirken regressiv. Da die reicheren Bevölkerungsschichten zwar mehr Energie nutzen, aber verglichen mit den ärmeren Bevölkerungsschichten unterproportional zum Einkommen, ergibt sich eine relativ stärkere Belastung ärmerer Haushalte.

Ein deutliches politisches Warnsignal war die Gelbwestenbewegung in Frankreich, die die Regierung zwang, eine für 2019 geplante ökologisch motivierte Steuererhöhung für Benzin um 3 Cent und für Diesel um 7 Cent zurückzunehmen.23Die Besteuerung von Treibstoffen ist in Frankreich im europäischen Maßstab relativ hoch; sie war 2018 insbesondere für Diesel erhöht worden. Hinzu kam die deutliche Erhöhung der Weltmarktpreise für Öl. Um höhere Akzeptanz zu erreichen, ist es für die weitere Klimapolitik unerlässlich, die Lastenverteilung im Auge zu behalten. Da eine Erhöhung des CO₂-Preises unvermeidlich ist, muss man die regressive Wirkung kompensieren. Das ist möglich, wenn die Mehreinnahmen, die durch eine Steuer oder eine Zertifikatslösung mit Versteigerung entstehen, nicht die Einnahmen des Staates verbessern, sondern der Bevölkerung zurückgegeben werden. Das kann zum einen durch Steuer- oder Abgabesenkung an anderer Stelle geschehen (Abschaffung von ineffizienten Belastungen, zum Beispiel der Energiesteuern, insbesondere der Stromsteuer und des EEG) und zum anderen durch Rückgabe der verbleibenden Differenz in Form einer Kopfpauschale oder einer allgemeinen Senkung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes, oder ähnliche Schritte, um die regressive Wirkung des steigenden CO₂-Preises zu korrigieren.

Ein Rückzahlungsmodell gibt es zum Beispiel in der Schweiz, das für viele als Vorbild gilt. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat die regressiven Wirkungen des deutschen Systems untersucht und zusammen mit Kompensationsmodellen dargestellt.24Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik, Sondergutachten, Wiesbaden 2019, https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/gutachten/sg2019/190712_SVR_SG-Aufbruch_zu_einer_neuen_Klimapolitik.pdf. Um die Lenkungswirkung des CO₂-Preissignals nicht zu unterlaufen, kann es allerdings nur eine pauschale, keine individuelle Rückerstattung geben. Wie der Sachverständigenrat zeigt, ist das möglich. Verbleibende Härtefälle sollten dann durch die Sozialsysteme gelöst werden.

Internationale Einbindung der Klimapolitik

Selbst wenn es zu einer Änderung der Klimapolitik in Deutschland käme, wäre das keine Lösung des Klimaproblems, da Deutschland nur für circa zwei Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich ist. Der Anteil der gesamten EU beträgt zehn Prozent. Innerhalb der EU emittiert Deutschland wegen seiner Größe absolut am meisten. Auch bei den Emissionen pro Kopf ist Deutschland nicht Vorbild, Frankreich mit seinen Atomkraftwerken liegt deutlich besser (Tabelle).

Generell gilt, dass europäische Länder im Süden geringere Heizkosten haben und die Höhe der Emissionen auch von der Wirtschaftsleistung, aber auch von der Topographie (Wasserkraft) abhängt. Eine erwünschte positive Wirtschaftsentwicklung in den weniger entwickelten Ländern wird aber den CO₂-Ausstoß weiter erhöhen, sodass die höher entwickelten Industriestaaten eine besondere Pflicht haben, ihren Ausstoß schnell zu senken. Allerdings wird das nur gelingen, wenn es internationale Absprachen gibt. Alleingänge nützen nichts.

Emission-pro-Kopf_Tabelle

European Commission, Fossil CO2 emissions of all world countries, 2018 report: https://edgar.jrc.ec.europa.eu/overview.php?v=booklet2018&dst=CO2pc.

Deswegen ist es wichtig, dass es zumindest in Europa gelingt, eine gemeinschaftliche Lösung zu entwickeln.25Wenn eine gesamteuropäische Lösung in absehbarer Zeit nicht zu realisieren ist, macht es trotzdem Sinn, wenn einige wichtige Länder vorangehen und später die anderen nachziehen. Einen entsprechenden Vorschlag haben der deutsche Sachverständigenrat und der entsprechende französische Rat gemacht; vgl. Conseil d’Analyse Économique/German Council of Economic Experts, Joint Statement, A Uniform Carbon Price for Europe, Paris/Wiesbaden 2019, https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/Pressemitteilungen/2019_07_16_CAE_GCEE_JointStatement_AUniformCarbonPriceForEurope.pdf. Die Basis ist durch das EU-ETS gelegt, das international anschlussfähig ist. Deswegen liegt eine Ausweitung des Systems auf alle Sektoren auf der Hand. Ein einheitlicher Preis in Europa würde die Emissionen in den Ländern zurückdrängen, in denen die Vermeidungskosten am niedrigsten sind, in der Regel in den wirtschaftsschwächeren. Sie werden aber nur mitmachen, wenn sie dafür belohnt werden, am besten durch teilweise Umverteilung der Erlöse aus der Ausdehnung des ETS und des Preisanstiegs der Zertifikate. Ein Problem stellen auch die Länder dar, die ihre Energieerzeugung in besonderem Maße auf Kohleverstromung ausgerichtet haben wie Polen. Hier könnte man die Anpassung erleichtern, wenn ein Teil der Zertifikate diesen Ländern kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

Bei jeder Lösung, die nicht umfangreich international koordiniert wird, können die Bemühungen der Willigen durch eine Verlagerung der CO₂-intensiven Produktion in Länder ohne oder mit einem zu niedrigen CO₂-Preis unterlaufen werden, das sogenannte Carbon Leakage. Innerhalb Europas ist das Problem durch das ETS weitgehend gelöst, das die Industrie und Energiewirtschaft umfasst. Im Verkehr und der Wärmerzeugung ist die Gefahr von Verlagerungen geringer. Allerdings tritt das Problem bei einem höheren CO₂-Preis an den europäischen Außengrenzen auf. Dies könnte man wohl WTO-konform durch Abschöpfungen und Erstattungen an der Außengrenze lösen, ähnlich wie bei der Mehrwertsteuer. Es besteht aber die Gefahr, dass außereuropäische Länder dies als Protektionismus werten und Gegenmaßnahmen ergreifen.26Eine andere Gefahr ist, dass durch die Verdrängung von Öl, Gas und Kohle durch einen steigenden CO₂-Preis der Preis für die fossilen Energien sinkt, dann andere Länder in die Bresche springen und so eine globale CO₂-Verminderung unterlaufen. Ein weiteres Problem, bekannt unter grünes Paradoxon, ist, dass die Förderländer in Erwartung sinkender Rohstoffpreise in der Zukunft ihre Produktion ausdehnen und so die Klimaprobleme verschärfen; vgl. Hans-Werner Sinn, The Green Paradox: A Supply-Side Approach to Global Warming, MIT-Press 2012.

Alle diese Aspekte sollten die Politik warnen, unter dem Druck von Klimaaktivisten in kurzatmigen Aktionismus zu verfallen. Das kann aber nicht als Ausrede gelten, nichts zu tun. Das Europäische Parlament und die EU-Kommission sind hier in der Verantwortung. Ohne Rückbesinnung auf marktwirtschaftliche Konzepte wird ein Fortschritt nicht möglich sein.

Der vorliegende Text ist zuerst erschienen im polnischen Tagungsband einer Konferenz vom Sommer 2019 in Lyck/Ełk: Społeczna Gospodarka Rynkowa I integracja europejska w czasach dziejowego przełomu (Soziale Marktwirtschaft und europäische Integration in der Zeit des epochalen Umbruchs), Wissenschaftliche Bearbeitung: Elżbieta Mączyńska, Piotr Pysz, herausgegeben von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Polnischen Ökonomischen Gesellschaft (Polskie Towarzystwo Ekonomiczne), Warschau 2020. Der hier veröffentlichte Beitrag ist eine bearbeitete und gekürzte Fassung. Er gibt den Informationsstand vom Sommer 2019 wieder.

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, herausgegeben von der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn, ISSN 2366-021X

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Fussnoten

  • 1
    Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 28. April 1998, Bundesgesetzblatt I, Seite 730.
  • 2
    Hier die Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt vom 19. Dezember 1996 (Amtsblatt Nr. L027 vom 30. Januar 1997, Seite 0020).
  • 3
    Auch in der DDR bildeten sich zur gleichen Zeit Umweltgruppen, die auf massive ökologische Missstände und das Waldsterben aufmerksam machten und das kommunistische System dafür kritisierten. Aus ihr bildeten sich politische Oppositionsgruppen, die sich 1989/90 insbesondere im Bündnis 90 sammelten und nach der Wiedervereinigung mit den westdeutschen Grünen fusionierten.
  • 4
    Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) sowie zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes und des Mineralsteuergesetzes vom 29. März 2000, Bundesgesetzblatt I Seite 305. Vorbild war das Gesetz über die Einspeisung von erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz) vom 14. November 1990. Dieser Gesetzesentwurf war nicht von der Regierung, sondern von Lobbyisten aus dem Agrarbereich und grünen Politikern eingebracht worden und sollte für den ländlichen Raum zusätzliche Einnahmen generieren. Es führte aber anders als das EEG nicht zu einem schnellen und flächendeckenden Ausbau regenerativer Energien. Dieses Gesetz stellte zwar eine Begünstigung durch die Einspeiseverpflichtung und einen hohen Anteil am Endverbrauchspreis als Subvention dar, rein ökonomisch wäre ja nur ein Preis in Höhe der Grenzkosten der konventionellen Produktion gerechtfertigt, aber dieser Anteil reichte nur für kleine Wasserkraftanlagen und besonders begünstigte Windstandorte als Investitionsanreiz aus.
  • 5
    Die Preise sind dem Portal Stromvergleich (2019) entnommen: https://1-stromvergleich.com/download/strompreise-europa-land/.
  • 6
    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, EEG in Zahlen: Vergütungen, Differenzkosten und EEG-Umlage 2000 bis 2019, Berlin 2018: https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Redaktion/DE/Downloads/eeg-in-zahlen-xls.xlsx;jsessionid=FEB88903B337E2A7 AA86CEED3FESCEC8? blob=publicationFile&v=12.
  • 7
    Hans-Werner Sinn hat in einer Studie nachgewiesen, dass sich unter realistischen Bedingungen der Anteil volatiler Energie nicht beliebig steigern lässt, selbst unter Zuhilfenahme von Nachbarländern, die über hohe Wasserkraftressourcen verfügen, die man zur Stabilisierung und Pufferung einsetzen kann; vgl. Hans-Werner Sinn, Buffering volatility: A study on the limits of Germany’s energy revolution, European Economic Review, Volume 99, 2017, Seiten 130–150. Es zeigt sich, dass die Stabilisierung der Netze national effizient nur bis zu einem Anteil volatiler Energie von 30 Prozent erreicht werden kann; wir liegen heute etwa bei 25 Prozent. Die 30-Prozent-Grenze wird aber schon bei vollständiger Substitution der restlichen Atomkraft durch Sonnen- und Windstrom erreicht. Bei einem Anteil von über 50 Prozent könnte man selbst unter Zuhilfenahme von Potenzialen (nicht die vorhandenen Kapazitäten) in Norwegen, Österreich oder der Schweiz, keine effiziente Steuerung mehr durchführen. Der Bau von zusätzlichen, nach der ESTORAGE Studie (European Commission, Variable Speed Pumped Storage Hydro Plants Offer a New Era of Smarter Energy Management, Brüssel 2016, http://cordis.europa.eu/news/rcn/125319_en.html) theoretisch möglichen Anlagen ist zudem politisch unrealistisch.
  • 8
    Es gibt auch andere klimaschädliche Gase, zum Beispiel Methan und Lachgas, auf die ich nicht eingehe. In den Statistiken werden deren Emissionen in CO₂-Äquivalenzeinheiten umgerechnet und addiert.
  • 9
    Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC (2018), Special Report, Global Warming of 1.5°C. Summary for Policymakers, https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/sites/2/2019/05/SR15_SPM_version_report_LR.pdf. Auch die junge Schwedin Greta Thunberg, die Initiatorin der Initiative „Fridays for Future“, hat sich auf den IPCC berufen, mittlerweile aber unter dem Druck der deutschen Umweltbewegung ihre Meinung revidiert.
  • 10
    Bei kalten Wintern wird mehr CO₂ ausgestoßen, insbesondere für Heizzwecke.
  • 11
    Allerdings könnte man auch versuchen, die Absorption von CO₂ zum Beispiel durch großflächige Aufforstungen zu erhöhen oder das Kohlendioxid abzuscheiden und in der Erde einzulagern.
  • 12
    In geringerem Umfang ist auch eine Wärmeproduktion über regenerative Energie möglich (zum Beispiel Sonnenkollektoren, Erdwärme), die allerdings auch Elektroenergie benötigt.
  • 13
    Gesetz zur Einführung einer ökologischen Steuerreform vom 24. März 1999, Bundesgesetzblatt I, Seite 378.
  • 14
    Diese Werte ergeben sich, wenn man gedanklich die alte Mineralölsteuer als Infrastrukturbeitrag wie der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie herausrechnet; vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiepreise und effiziente Klimapolitik, Berlin 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachten-energiepreise-effiziente-klimapolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=10, Seite 54. Sonst liegen die Werte bei circa 250 Euro je Tonne CO₂ bei Benzin und 150 Euro bei Diesel; vgl. Ottmar Edenhofer/Christian Flachsland/Matthias Kalkuhl/Brigitte Knopf/Michael Pahle, Optionen für eine CO2-Preisreform, Arbeitspapier 04, Wiesbaden 2019.
  • 15
    Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik, Sondergutachten, Wiesbaden 2019, https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/gutachten/sg2019/190712_SVR_SG-Aufbruch_zu_einer_neuen_Klimapolitik.pdf.
  • 16
    Joachim Weimann, Die Klimapolitik-Katastrophe, Deutschland im Dunkel der Energiesparlampe, Marburg 2010; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Die essentielle Rolle des CO2-Preises für eine effektive Klimapolitik, Berlin 2016, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/wissenschaftlicher-beirat-rolle-co2-preis-fuer-klimapolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=20, und Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiepreise und effiziente Klimapolitik, Berlin 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachtenenergiepreise-effiziente-klimapolitik.pdf?_blob=publicationFile&v=4.
  • 17
    Auf die Landwirtschaft wird nicht eingegangen.
  • 18
    Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina/acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften/Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, „Sektorkopplung“ – Optionen für die nächste Phase der Energiewende, Schriftenreihe zur wissenschaftsbasierten Politikberatung, München 2017, https://www.acatech.de/wp-content/uploads/2018/06/ESYS_Stellungnahme_Sektorkopplung.pdf.
  • 19
    Die deutliche Senkung des Flottenverbrauchs ergibt sich dadurch, dass Elektroautos mit 0 bewertet werden und so den Durchschnittswert senken. Neue Rechnungen für CO₂-Emissionen, die nicht nur die Emission am Auspuff messen, sondern auch die indirekten Emissionen bei der Herstellung der Autos, des Stroms und der Kraftstoffe, zeigen, dass die Unterschiede zwischen den Antriebsarten gar nicht so groß sind. Für Deutschland und seinen gegenwärtigen Energiemix bei der Stromproduktion emittieren moderne Dieselautos sogar weniger als Elektroautos. Für Frankreich mit einem 70-prozentigen Atomanteil beim Strom sieht die Rechnung für die E-Autos natürlich wesentlich besser aus; vgl. Christoph Buchal/Hans-Dieter Karl/Hans-Werner Sinn, Kohlemotoren, Windmotoren und Dieselmotoren: Was zeigt die CO2-Bilanz?, ifo-Schnelldienst, 2019, Nummer 8, Seiten 40–54.
  • 20
    Auf die technischen Detailprobleme der Umsetzung soll nicht eingegangen werden, da sie prinzipiell lösbar sind.
  • 21
    Zur theoretischen Abwägung von Preis- und Mengenregulierung siehe Martin L. Weitzman, Prices vs. Quantities, Review of Economic Studies, no. 4, 1974, Seiten 477–491.
  • 22
    Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiepreise und effiziente Klimapolitik, Berlin 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachten-energiepreise-effiziente-klimapolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=10.
  • 23
    Die Besteuerung von Treibstoffen ist in Frankreich im europäischen Maßstab relativ hoch; sie war 2018 insbesondere für Diesel erhöht worden. Hinzu kam die deutliche Erhöhung der Weltmarktpreise für Öl.
  • 24
    Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik, Sondergutachten, Wiesbaden 2019, https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/gutachten/sg2019/190712_SVR_SG-Aufbruch_zu_einer_neuen_Klimapolitik.pdf.
  • 25
    Wenn eine gesamteuropäische Lösung in absehbarer Zeit nicht zu realisieren ist, macht es trotzdem Sinn, wenn einige wichtige Länder vorangehen und später die anderen nachziehen. Einen entsprechenden Vorschlag haben der deutsche Sachverständigenrat und der entsprechende französische Rat gemacht; vgl. Conseil d’Analyse Économique/German Council of Economic Experts, Joint Statement, A Uniform Carbon Price for Europe, Paris/Wiesbaden 2019, https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/Pressemitteilungen/2019_07_16_CAE_GCEE_JointStatement_AUniformCarbonPriceForEurope.pdf.
  • 26
    Eine andere Gefahr ist, dass durch die Verdrängung von Öl, Gas und Kohle durch einen steigenden CO₂-Preis der Preis für die fossilen Energien sinkt, dann andere Länder in die Bresche springen und so eine globale CO₂-Verminderung unterlaufen. Ein weiteres Problem, bekannt unter grünes Paradoxon, ist, dass die Förderländer in Erwartung sinkender Rohstoffpreise in der Zukunft ihre Produktion ausdehnen und so die Klimaprobleme verschärfen; vgl. Hans-Werner Sinn, The Green Paradox: A Supply-Side Approach to Global Warming, MIT-Press 2012.
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Fussnoten

  • 1
    Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 28. April 1998, Bundesgesetzblatt I, Seite 730.
  • 2
    Hier die Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt vom 19. Dezember 1996 (Amtsblatt Nr. L027 vom 30. Januar 1997, Seite 0020).
  • 3
    Auch in der DDR bildeten sich zur gleichen Zeit Umweltgruppen, die auf massive ökologische Missstände und das Waldsterben aufmerksam machten und das kommunistische System dafür kritisierten. Aus ihr bildeten sich politische Oppositionsgruppen, die sich 1989/90 insbesondere im Bündnis 90 sammelten und nach der Wiedervereinigung mit den westdeutschen Grünen fusionierten.
  • 4
    Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) sowie zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes und des Mineralsteuergesetzes vom 29. März 2000, Bundesgesetzblatt I Seite 305. Vorbild war das Gesetz über die Einspeisung von erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz) vom 14. November 1990. Dieser Gesetzesentwurf war nicht von der Regierung, sondern von Lobbyisten aus dem Agrarbereich und grünen Politikern eingebracht worden und sollte für den ländlichen Raum zusätzliche Einnahmen generieren. Es führte aber anders als das EEG nicht zu einem schnellen und flächendeckenden Ausbau regenerativer Energien. Dieses Gesetz stellte zwar eine Begünstigung durch die Einspeiseverpflichtung und einen hohen Anteil am Endverbrauchspreis als Subvention dar, rein ökonomisch wäre ja nur ein Preis in Höhe der Grenzkosten der konventionellen Produktion gerechtfertigt, aber dieser Anteil reichte nur für kleine Wasserkraftanlagen und besonders begünstigte Windstandorte als Investitionsanreiz aus.
  • 5
    Die Preise sind dem Portal Stromvergleich (2019) entnommen: https://1-stromvergleich.com/download/strompreise-europa-land/.
  • 6
    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, EEG in Zahlen: Vergütungen, Differenzkosten und EEG-Umlage 2000 bis 2019, Berlin 2018: https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Redaktion/DE/Downloads/eeg-in-zahlen-xls.xlsx;jsessionid=FEB88903B337E2A7 AA86CEED3FESCEC8? blob=publicationFile&v=12.
  • 7
    Hans-Werner Sinn hat in einer Studie nachgewiesen, dass sich unter realistischen Bedingungen der Anteil volatiler Energie nicht beliebig steigern lässt, selbst unter Zuhilfenahme von Nachbarländern, die über hohe Wasserkraftressourcen verfügen, die man zur Stabilisierung und Pufferung einsetzen kann; vgl. Hans-Werner Sinn, Buffering volatility: A study on the limits of Germany’s energy revolution, European Economic Review, Volume 99, 2017, Seiten 130–150. Es zeigt sich, dass die Stabilisierung der Netze national effizient nur bis zu einem Anteil volatiler Energie von 30 Prozent erreicht werden kann; wir liegen heute etwa bei 25 Prozent. Die 30-Prozent-Grenze wird aber schon bei vollständiger Substitution der restlichen Atomkraft durch Sonnen- und Windstrom erreicht. Bei einem Anteil von über 50 Prozent könnte man selbst unter Zuhilfenahme von Potenzialen (nicht die vorhandenen Kapazitäten) in Norwegen, Österreich oder der Schweiz, keine effiziente Steuerung mehr durchführen. Der Bau von zusätzlichen, nach der ESTORAGE Studie (European Commission, Variable Speed Pumped Storage Hydro Plants Offer a New Era of Smarter Energy Management, Brüssel 2016, http://cordis.europa.eu/news/rcn/125319_en.html) theoretisch möglichen Anlagen ist zudem politisch unrealistisch.
  • 8
    Es gibt auch andere klimaschädliche Gase, zum Beispiel Methan und Lachgas, auf die ich nicht eingehe. In den Statistiken werden deren Emissionen in CO₂-Äquivalenzeinheiten umgerechnet und addiert.
  • 9
    Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC (2018), Special Report, Global Warming of 1.5°C. Summary for Policymakers, https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/sites/2/2019/05/SR15_SPM_version_report_LR.pdf. Auch die junge Schwedin Greta Thunberg, die Initiatorin der Initiative „Fridays for Future“, hat sich auf den IPCC berufen, mittlerweile aber unter dem Druck der deutschen Umweltbewegung ihre Meinung revidiert.
  • 10
    Bei kalten Wintern wird mehr CO₂ ausgestoßen, insbesondere für Heizzwecke.
  • 11
    Allerdings könnte man auch versuchen, die Absorption von CO₂ zum Beispiel durch großflächige Aufforstungen zu erhöhen oder das Kohlendioxid abzuscheiden und in der Erde einzulagern.
  • 12
    In geringerem Umfang ist auch eine Wärmeproduktion über regenerative Energie möglich (zum Beispiel Sonnenkollektoren, Erdwärme), die allerdings auch Elektroenergie benötigt.
  • 13
    Gesetz zur Einführung einer ökologischen Steuerreform vom 24. März 1999, Bundesgesetzblatt I, Seite 378.
  • 14
    Diese Werte ergeben sich, wenn man gedanklich die alte Mineralölsteuer als Infrastrukturbeitrag wie der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie herausrechnet; vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiepreise und effiziente Klimapolitik, Berlin 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachten-energiepreise-effiziente-klimapolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=10, Seite 54. Sonst liegen die Werte bei circa 250 Euro je Tonne CO₂ bei Benzin und 150 Euro bei Diesel; vgl. Ottmar Edenhofer/Christian Flachsland/Matthias Kalkuhl/Brigitte Knopf/Michael Pahle, Optionen für eine CO2-Preisreform, Arbeitspapier 04, Wiesbaden 2019.
  • 15
    Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik, Sondergutachten, Wiesbaden 2019, https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/gutachten/sg2019/190712_SVR_SG-Aufbruch_zu_einer_neuen_Klimapolitik.pdf.
  • 16
    Joachim Weimann, Die Klimapolitik-Katastrophe, Deutschland im Dunkel der Energiesparlampe, Marburg 2010; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Die essentielle Rolle des CO2-Preises für eine effektive Klimapolitik, Berlin 2016, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/wissenschaftlicher-beirat-rolle-co2-preis-fuer-klimapolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=20, und Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiepreise und effiziente Klimapolitik, Berlin 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachtenenergiepreise-effiziente-klimapolitik.pdf?_blob=publicationFile&v=4.
  • 17
    Auf die Landwirtschaft wird nicht eingegangen.
  • 18
    Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina/acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften/Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, „Sektorkopplung“ – Optionen für die nächste Phase der Energiewende, Schriftenreihe zur wissenschaftsbasierten Politikberatung, München 2017, https://www.acatech.de/wp-content/uploads/2018/06/ESYS_Stellungnahme_Sektorkopplung.pdf.
  • 19
    Die deutliche Senkung des Flottenverbrauchs ergibt sich dadurch, dass Elektroautos mit 0 bewertet werden und so den Durchschnittswert senken. Neue Rechnungen für CO₂-Emissionen, die nicht nur die Emission am Auspuff messen, sondern auch die indirekten Emissionen bei der Herstellung der Autos, des Stroms und der Kraftstoffe, zeigen, dass die Unterschiede zwischen den Antriebsarten gar nicht so groß sind. Für Deutschland und seinen gegenwärtigen Energiemix bei der Stromproduktion emittieren moderne Dieselautos sogar weniger als Elektroautos. Für Frankreich mit einem 70-prozentigen Atomanteil beim Strom sieht die Rechnung für die E-Autos natürlich wesentlich besser aus; vgl. Christoph Buchal/Hans-Dieter Karl/Hans-Werner Sinn, Kohlemotoren, Windmotoren und Dieselmotoren: Was zeigt die CO2-Bilanz?, ifo-Schnelldienst, 2019, Nummer 8, Seiten 40–54.
  • 20
    Auf die technischen Detailprobleme der Umsetzung soll nicht eingegangen werden, da sie prinzipiell lösbar sind.
  • 21
    Zur theoretischen Abwägung von Preis- und Mengenregulierung siehe Martin L. Weitzman, Prices vs. Quantities, Review of Economic Studies, no. 4, 1974, Seiten 477–491.
  • 22
    Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiepreise und effiziente Klimapolitik, Berlin 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachten-energiepreise-effiziente-klimapolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=10.
  • 23
    Die Besteuerung von Treibstoffen ist in Frankreich im europäischen Maßstab relativ hoch; sie war 2018 insbesondere für Diesel erhöht worden. Hinzu kam die deutliche Erhöhung der Weltmarktpreise für Öl.
  • 24
    Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik, Sondergutachten, Wiesbaden 2019, https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/gutachten/sg2019/190712_SVR_SG-Aufbruch_zu_einer_neuen_Klimapolitik.pdf.
  • 25
    Wenn eine gesamteuropäische Lösung in absehbarer Zeit nicht zu realisieren ist, macht es trotzdem Sinn, wenn einige wichtige Länder vorangehen und später die anderen nachziehen. Einen entsprechenden Vorschlag haben der deutsche Sachverständigenrat und der entsprechende französische Rat gemacht; vgl. Conseil d’Analyse Économique/German Council of Economic Experts, Joint Statement, A Uniform Carbon Price for Europe, Paris/Wiesbaden 2019, https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/Pressemitteilungen/2019_07_16_CAE_GCEE_JointStatement_AUniformCarbonPriceForEurope.pdf.
  • 26
    Eine andere Gefahr ist, dass durch die Verdrängung von Öl, Gas und Kohle durch einen steigenden CO₂-Preis der Preis für die fossilen Energien sinkt, dann andere Länder in die Bresche springen und so eine globale CO₂-Verminderung unterlaufen. Ein weiteres Problem, bekannt unter grünes Paradoxon, ist, dass die Förderländer in Erwartung sinkender Rohstoffpreise in der Zukunft ihre Produktion ausdehnen und so die Klimaprobleme verschärfen; vgl. Hans-Werner Sinn, The Green Paradox: A Supply-Side Approach to Global Warming, MIT-Press 2012.