In diesen Tagen beginnen auch in Süddeutschland die Sommerferien, und dann ist ganz Deutschland in Sommerlaune. Aber für die an aktuellen Nachrichten interessierten Menschen – leider statistisch eine Minderheit – wird die sommerliche Laune getrübt. Ganz nah bei uns kämpft ein Volk mit seinem Leben um seine und auch um unsere Freiheit. Die Herausforderungen des Klimas sind deutlich zu spüren, von großer Hitze bis zu bedrohlichen Bränden und Stürmen.

Wir sind wieder der „kranke Mann“ Europas

Was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, so scheinen die Bundesbürger aber noch immer sehr gelassen. Die Krisen wurden weitgehend vom Staat bezahlt, und auch wenn das in Wahrheit Schulden für die nächste Generation sind, war das aktuell doch sehr schmerzfrei. Arbeitslosigkeit als klassischer Indikator für wirtschaftliche Probleme fällt in der alternden Gesellschaft aus. Trotz Inflation und so mancher Verzweiflungsrufe aus der Wirtschaft – haben wir also Sommerzeit?

Diese Einschätzung ist falsch und gefährlich. Die ökonomischen Daten verdüstern sich. Der Internationale Währungsfonds sieht Deutschland 2023 auf Schrumpfkurs, am Dienstag dieser Woche hat er seine Warnung verschärft. Statt 0,2 Prozent Schrumpfung sind es jetzt schon 0,3 Prozent. Das sind bei einem Bruttoinlandsprodukt von 3,8 Billionen Euro im Jahr 2022 immerhin rund 11 Milliarden Euro weniger. Und das ist möglicherweise nur der Anfang.

Die deutsche Wirtschaft erholt sich langsamer als die unserer europäischen Nachbarn von der großen Pandemie-Krise und viel langsamer als die USA-Ökonomie. So steht dem Minus von 0,3 Prozent in Deutschland ein Plus von 0,9 Prozent in der gesamten Euro-Zone gegenüber. Deutschland ist nach zwanzig Jahren wieder der „kranke Mann“ Europas. Auch die USA werden schneller wachsen, 1,8 Prozent wird geschätzt, und das ganze Weltwirtschaftswachstum soll sogar bei 3 Prozent liegen.

Die Krise ist größtenteils hausgemacht

Für diese Entwicklung gibt es Gründe. Unser gewagter Sonderweg in der Energiepolitik gehört sicher dazu. Schaut man sich die Entwicklung der energieintensiven Unternehmen an – ein wichtiger Teil sind Stahl- und Chemie-Industrie –, so sind sie von der allgemeinen Entwicklung der gesamten Industrie inzwischen völlig abgekoppelt und fallen immer weiter zurück. Dazu kommt die fast verzweifelte Lage der Automobilindustrie, aber natürlich auch die Bauwirtschaft. Inzwischen verlässt mehr Investitionskapital Deutschland, als dass zusätzliches in unser Land käme.

Es gehört zu den faszinierenden Phänomenen, dass dies zurzeit niemanden aufregt. Da kommen Vorschläge für eine allgemeine Siesta, wir diskutieren die 4-Tage-Woche, kaum jemand will das schöne Home-Office wieder verlassen, die Bundesregierung dilettiert seit Monaten an einem Heizungsgesetz und die Sozialabgaben steigen unter Moderation der Minister Heil und Lauterbach in bisher unbekannte Höhe.

Vorfahrt für den Markt – Klarheit für die Bürger

Trotz Sommerlaune sei deshalb daran erinnert, dass es sehr bewährte Mittel zur Bewältigung einer Wirtschaftskrise gibt:

  • Klare steuerpolitische Signale. Die Unternehmenssteuern müssen sinken, um Investitionen in Deutschland zu rechtfertigen.
  • Klare arbeitsmarktpolitische Signale. Arbeit muss flexibler verteilt werden. Sture Stundenkorsette sind von gestern. Wer länger arbeitet, muss besser verdienen. Wir werden in Summe mehr arbeiten müssen.
  • Klarheit für Gründer. Wer in Deutschland in ein Start-Up investiert, kann die Gewinne zehn Jahre lang steuerfrei entnehmen. Dann sind wir international wettbewerbsfähig, denn kluge Köpfe gibt es noch immer.
  • Klarer Verzicht auf immer mehr Regulierung. Datensammlung mit Einverständnis der Betroffenen muss erleichtert werden, grüne Gentechnik muss erlaubt werden, das Verbot der Abscheidung und Speicherung von CO2 muss weg.
  • Klare Entscheidungen zur Einwanderung von Arbeitskräften. Der Prozess muss von den überlasteten Ausländerämtern in eine Sonderbehörde für Arbeitsmigration überführt werden. Wer Job oder Qualifikation hat, kann zunächst befristet binnen weniger Tage ins Land.
  • Klare Entscheidungen zum Strompreis. Statt sich in dirigistischen Diskussionen über einen Industriestrompreis zu verzetteln, muss die Stromsteuer sofort weg, auch die KWKG-Umlage und die Umsatzsteuer muss notfalls reduziert werden. Das löst nicht alle Probleme, aber es wäre ein klares Signal, denn ohne wettbewerbsfähigen Strompreis geht der Aderlass weiter.
  • Vor allem aber: Klare Ansage durch die Bundesregierung. Wirtschaftspolitik in einem freien Land ist auch Psychologie. Kanzler und Regierung müssen die Schleusen der Kreativität öffnen, die nötigen Anstrengungen beschreiben und Gründe für Hoffnung auf eine Bewältigung der Krise geben. Dazu wäre es allerdings wichtig, zunächst einmal einzuräumen, dass wir nach 20 erfolgsverwöhnten Jahren wieder in einer fundamentalen Krise stecken.

Eine Chip-Fabrik macht keinen Sommer

Deutschland wird jetzt 10 Milliarden Euro für eine einzelne Chip-Fabrik mit einer überschaubaren Zahl von Mitarbeitern zahlen. Das wird damit begründet, dass andere das auch machen – was eine falsche Sache nicht besser macht. Aber warum haben wir in Deutschland keine Chip-Industrie? Warum ist Taiwan Weltmarktführer? Der ostasiatische Inselstaat musste und konnte diese Innovative Industrie ja nicht kaufen.

Hier nur eine kleine Annäherung. Die taiwanische Regierung hat in der Anfangsphase gezielte Maßnahmen ergriffen, um die Entwicklung und das Wachstum der Branche zu fördern. Dies umfasste steuerliche Anreize, staatliche Investitionen in Forschung und Entwicklung, Subventionen für Infrastruktur und Ausbildung sowie den Zugang zu günstigen Krediten. Die Regierung von Taiwan investierte zusätzlich in die Ausbildung von Fachkräften und förderte die Zusammenarbeit zwischen der Industrie und Hochschulen, um qualifizierte Arbeitskräfte für die Halbleiterbranche zu gewinnen.

Von Taiwan lernen

Taiwan hat starke Technologie-Cluster entwickelt, in denen Unternehmen, Zulieferer und Dienstleister räumlich nahe beieinander angesiedelt sind. Dies förderte die Effizienz, den Wissensaustausch und die Innovationskraft der taiwanischen Halbleiterindustrie. All diese Faktoren zusammen führten dazu, dass Taiwan zu einem bedeutenden Akteur in der globalen Halbleiterindustrie wurde. Die Unternehmen konnten sich im Laufe der Zeit als wichtige Hersteller von Halbleitern etablieren und beispielsweise in den Bereichen Mikrocontroller, Speicherchips und andere Halbleiterprodukte eine starke Position erreichen.

Die ordnungspolitisch korrekte Förderung der technologischen Entwicklung mit den hier beschriebenen Maßnahmen macht die Stärke Taiwans heute aus. Dazu waren Faktoren wie unternehmerische Vision, Fachkompetenz, harte Arbeit und die Fähigkeit, sich an den Markt anzupassen und zu konkurrieren, von großer Bedeutung. Die Kombination von guten staatlichen Rahmenbedingungen und privater Unternehmertätigkeit hat dazu beigetragen, dass Taiwan zu einem der wichtigsten Akteure in der globalen Halbleiterindustrie geworden ist.

Die Soziale Marktwirtschaft kann es!

In Deutschland jetzt ein einzelnes Werk mit monströsen Milliardensummen zu kaufen, ersetzt diese langfristige, marktwirtschaftlich orientierte Strategie nicht. Diese Milliarden werden für die Grundlagen des Wachstums der Zukunft gebraucht, so wie ich es hier versucht habe, schlaglichtartig zu beschreiben.

Die Soziale Marktwirtschaft hat längst den Beweis erbracht, dass sie die Bedingungen schafft, um Wachstum und Wohlstand zu sichern. Wenn aber die politische Führung glaubt, einen einsamen Sonderweg in der Energiepolitik mit besonders starkem Dirigismus verbinden zu können, um dann die Innovationen der Zukunft im Ausland zu kaufen: Dann sind wir auf einem sehr gefährlichen Pfad.

Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

Wenn Sie ERHARD HEUTE regelmäßig lesen möchten, können Sie die Kolumne hier abonnieren.

DRUCKEN
DRUCKEN