Bund und Länder haben sich in dieser Woche weitgehend auf Eckpunkte für eine Reform der Krankenhausversorgung verständigt. Bei jedem von uns, der sich das Risiko vor Augen führt, selbst eine stationäre Behandlung zu benötigen, löst diese Diskussion ein Nachdenken über eigene Erwartungen aus. Wie schnell erreiche ich das Krankenhaus? Wie gut ist die Pflege? Welche Qualität der Medizin erwartet mich? Die Bundes- und Landesregierungen müssen gemeinsam mit den Krankenkassen auch noch die Frage beantworten, welche finanziellen Lasten durch die Versorgung veranlasst werden, und wie hoch die Krankenkassenbeiträge steigen müssen.

Heute ist das System teuer und nicht fair für Patienten

Die Initiative von Bundesminister Lauterbach war notwendig und durchaus mutig. Das Krankenhaussystem unterliegt, wie unser medizinisches Versorgungssystem überhaupt, vielen staatlichen Vorgaben. Im Interesse von Patienten, Beitragszahlern und Regierungen ist das unvermeidlich. Die Frage ist allerdings, wie weit marktwirtschaftliche Faktoren zugelassen werden. Das betrifft die Art, wie medizinische Versorgung organisiert wird, ebenso wie die Frage, welche Wahlfreiheit der Kunden – also der Patient – behalten kann.

Diese Kombination der unsichtbaren Hand des Marktes mit den Versorgungsgarantien des Staates ist schon immer auch ein Feld der Experimente. Nehmen wir die sogenannte „Fallpauschale“, die durch die neuen Regelungen in ihrer Bedeutung entscheidend reduziert werden soll. In Deutschland wurde das System der Fallpauschalen, auch bekannt als Diagnosis Related Groups (DRG), im Jahr 2003 eingeführt. Das hatte mehrere Gründe. Einer der Hauptgründe war die Notwendigkeit, die Kosten im Gesundheitswesen zu kontrollieren und transparenter zu machen. Mit der Einführung des DRG-Systems wurde neben einer größeren Leistungstransparenz und besserer Kostenkontrolle auch angestrebt, Behandlungsprozesse zu optimieren und die Verweildauer der Patienten zu verkürzen.

In der Tat führte das System tatsächlich zu einer Reduzierung der Verweildauer, da Krankenhäuser einen Anreiz hatten, die Behandlungsprozesse zu optimieren und die Patienten schneller zu entlassen. Aber die „unsichtbare Hand“ produzierte einen unangenehmen Nebeneffekt. Jedes Krankenhaus versucht seitdem, möglichst viele komplizierte Leistungen zu erbringen, denn das Einsammeln dieser Spezialitäten verbesserte das Betriebsergebnis. Rückenoperationen oder auch Krebsbehandlungen in Kreiskrankenhäusern waren die Folge. Zu viele, zu kleine Krankenhäuser sind bis heute am Markt und nutzen eine gut gemeinte Regulierung zu Lasten von Patienten und Finanzierern.

Es besteht kein Zweifel, dass dieses System gleichzeitig teuer und qualitativ riskant ist. Komplizierte Behandlungen erfordern teure Technik und Erfahrung. Je mehr Fälle in einem Krankenhaus, umso besser. Das widerspricht leider häufig den geäußerten Interessen der Bevölkerung, die für jedes Krankenhaus und im Zweifel jede Abteilung vor Ort kämpft.

Der Patient wird zum Kunden, wenn er die Qualität vergleichen kann

Die wichtigste Maßnahme, die leider von der Bundesebene allein umgesetzt wird, ist ein Gesetz über die Transparenz der Leistungen. Intern wissen Krankenkassen und Beratungsfirmen schon lange, wo Behandlungserfolge groß sind, aber auch, wo binnen zwölf Monaten Korrekturen und Nachbehandlungen häufig vorkommen. Bisher ist es aus den genannten egoistischen Gründen der Klinikbetreiber aber eher ein Geheimwissen. So ist auch die restliche Kraft des Marktes dahin. Wenn Patienten mehr wissen, werden sie auch weitere Wege in Kauf nehmen, um besser behandelt zu werden. Dann werden sich Politiker darauf konzentrieren, vor Ort leistungsfähige Krankenhäuser speziell für die wichtige Grundversorgung aufzubauen. Drei Tage in der Spezialklinik und dann zurück ins Krankenhaus vor Ort, das wäre für Gesundheit und Kosten gleichermaßen wünschenswert. Wenn dazu am Ende einer guten Planung deutschlandweit zwanzig medizinisch ausgerüstete Hubschrauber mehr nötig wären, dann ist das für alle Seiten eine attraktive Lösung. Gleichzeitig werden die Gesetze hoffentlich die strikte Trennung von niedergelassenen Ärzten und den Zentren der Grundversorgung aufheben, damit die teuren und unsinnigen Odysseen vom Hausarzt zum Facharzt, zum Röntgenarzt und zurück zum Hausarzt aufhören. Das geht alles auch in zwei Stunden anstatt in zwei Wochen.

Moderne Medizin muss virtuell und digital sein

Das jetzt vereinbarte Gesetz hat aus der Betrachtung der Souveränität der Patienten und aus der Perspektive der Wirtschaftlichkeit weiterhin große Schwächen. Die Veränderungen, inklusive der Schließung nicht wettbewerbsfähiger Kliniken geht zu langsam, die Kriterien der Leistungsfähigkeit der Kliniken wurden verwässert, und der Mut zu voller Transparenz auf der Seite der Länderminister fehlt noch immer.

Wir brauchen weitere Schritte auf dem Weg zu dem Ziel einer medizinischen Versorgung, die weltweite Spitzenqualität sichert. Wie in anderen Märkten auch, werden Anbieter verschwinden und neue hinzukommen. Telemedizin, elektronische Patientenakte, digitale Apotheken – dies alles kommt in Deutschland mit Verzögerung. Immer wird die Kreativität für das Neue blockiert, weil Angst vor Veränderungen lähmt. Wir sollten mehr Mut im Markt auch in der medizinischen Versorgung aufbringen!

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