Die Deutsche Bahn kommt zurzeit noch stärker als sonst ins Gerede. Schon seit geraumer Zeit ist jede pünktliche Zugfahrt einen überraschten Bericht bei Familie und Freunden wert. Jetzt werden dank des Streiks der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sowie der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) die Räder möglichweise mitten in der Urlaubszeit ganz stillstehen. Doch das sind nur „oberflächliche Kratzer“ im Vergleich zu den wirklichen Problemen. Diese liegen viel tiefer und hängen mit den grundlegenden Fehlentscheidungen der letzten Jahrzehnte zusammen. Der Betrieb der Bahn und die Schienennetze dürften nicht in einer Hand sein. Der Schienenverkehr sollte von privaten Unternehmen im Wettbewerb betrieben werden und die tatsächlichen Kosten sollten transparent sein. Das aber wird wohl in absehbarer Zeit nicht passieren.

Privatisierung politisch gescheitert

Zur Erinnerung: Schon 1994 hat der Deutsche Bundestag die Umwandlung der Deutschen Bahn in eine Aktiengesellschaft beschlossen, um eine Privatisierung möglich zu machen. Damals wollte man die Effizienz steigern und die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn verbessern. Erst 2000 fand dann wirklich die Umwandlung zur AG statt. 2008 schließlich wurde der Börsengang geplant, von der großen Koalition aber wieder abgesagt. 2013 machte man noch einen Schritt zurück und die Bahn zur „Anstalt öffentlichen Rechts“.

Als die Privatisierung auf der Tagesordnung stand, wurde die Bahn zunächst entschuldet und der Bund übernahm die gesamten Darlehen in Höhe von 66 Milliarden D-Mark. Weiterhin wurde sie durch Effizienzsteigerung und Kostensenkungen überhaupt erst privatisierungsfähig gemacht, denn als Staatsbetrieb waren Defizite für sie normal. Dann allerdings wurde durch die Absage der Privatisierung der erhoffte Finanzierungsbeitrag durch Aktienverkauf nicht realisiert, aber diese Mittel wurden auch nicht aus dem Bundeshaushalt ersetzt. So führte das widersprüchliche Verfahren am Ende zu einer gerupften und investitionsschwachen Bahn, die einerseits nicht dem Wettbewerb ausgesetzt war und andererseits nicht vom Staat ausreichend finanziert wurde. Die Bemühungen der vorangegangenen Jahre um Wirtschaftlichkeit kamen immer mehr in Misskredit und der Ruf nach laufenden Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt anstatt der an den Bund ausgeschütteten schmalen Gewinne wurde immer lauter.

Heute ein Staatsbetrieb und ein Ärgernis

Das Ergebnis dieses Zick-Zack-Kurses ist eine marode Bahn, deren wirtschaftlicher Erfolg niemanden mehr interessiert. Sie verkommt zu einem klassischen staatlichen Regiebetrieb mit negativen Betriebsergebnissen, langsamer Innovation, wenig motiviertem Personal und flächendeckender Frustration der Kunden.

Politiker kamen dann auf die Idee, die Bahn – sie ist ja zu 100 Prozent im Eigentum des Staates – zu Leistungen für das Allgemeinwohl zu verpflichten, deren Kosten dann eben Betriebsdefizit sind. Bestes Beispiel ist das 9 bzw. 49-Euro-Ticket. Eine seriöse wirtschaftliche Basis haben die Tickets nicht. So entsteht die Pflicht zum Weiterbetrieb unwirtschaftlicher Strecken. Auf leistungsfähige Superzüge, wie den französischen TGV verzichten wir. Wenn aber das Streben nach Gewinn, nach Kundenzufriedenheit und Innovation sich ohnehin nicht mehr in einem positiven Betriebsergebnis (Gewinn) abbildet, dann sind alle Schleusen der Beliebigkeit geöffnet. Die Netto-Schulden werden in diesem Jahr wohl auf das Niveau von 1994, nämlich 33 Milliarden Euro steigen.

Nur bei einem Monopol sind maßlose Lohnforderungen möglich

So kommt es dazu, dass sich zwei von Eitelkeit ihrer Führungen getriebene Konkurrenzgewerkschaften zu Lohnforderungen hinreißen lassen, die kein verantwortlicher Arbeitgeber akzeptieren kann. Schon mit den Lohn-Angeboten der Arbeitgeber lässt sich das Unternehmen Staatsbahn nicht wirtschaftlich stabilisieren, mit den Forderungen der Gewerkschaften ist es ausgeschlossen. Gerade die Forderungen nach absoluten, statt prozentualen Gehaltserhöhungen, die das gesamte Gefüge bei den niedrigen Lohngruppen zerstören, könnte kein privater Arbeitgeber umgehen.

Am Ende wird man sich natürlich einigen, und das ist auch richtig. Aber man sollte sich darüber im Klaren sein, wie falsch die Rahmenbedingungen dieser Einigung sind. Die Geschichte der gescheiterten Bahnprivatisierung macht das Bahnmanagement wehrlos. Die Politik verlangt Fahrleistung, auch wenn es sich nicht rechnet. Dazu braucht man Personal, auch wenn es sich nicht rechnet. Im besten Fall bekommt man nicht nur neue Gleise sondern auch noch Zuschüsse zu den Zügen, damit das Defizit nicht zu groß wird. Das ist ein finanzielles Fass ohne Boden, ein leistungsfähiges und attraktives Unternehmen wird daraus nicht.

Der Monopolbetrieb nimmt im Ausland am Wettbewerb teil

Wer sich die Bilanzen der Deutschen Bahn AG ansieht, wird sich wundern, dass dort entgegen den Schilderungen ein Betriebsgewinn zu sehen ist. Der hat aber mit dem Betrieb unserer Bahn nichts zu tun. Denn das Staatsunternehmen tummelt sich auch noch international und tritt als Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen auf. Unter dem Namen DB Schenker ist die Deutsche Bahn seit 2007 mit Transport- und Logistikdienstleistungen in über 130 Ländern vertreten, was 2022 zu einem Jahresumsatz von 27,6 Milliarden Euro führte. Des Weiteren übernahm die Deutsche Bahn im Jahr 2010 für 2,8 Milliarden Euro das britische Unternehmen Arriva PLC. Damit betreibt der Konzern nun nicht nur die roten Doppeldecker in London, sondern auch der königliche Zug von Queen Elisabeth II. trägt auch heute noch das DB-Logo.

Marktwirtschaftliche Systeme können mehr leisten

Der Streik und die Leidensgeschichte der Passagiere aufgrund der Verspätungen zeigen, dass die Trennung von staatlicher Schienengesellschaft und dem Betrieb nicht vom Tisch genommen werden darf. Wie bei den Autobahnen fahren dann auch auf Schienen private Bahngesellschaften, die um ihre Kunden kämpfen und die Arbeitnehmer haben, die wissen, dass sie bei überzogenen Forderungen ihren Job verlieren können. Dann entstünde ein leistungsfähiges Bahnsystem, dass wir gerade in Zeiten der Klimawende dringend brauchen.

Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

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