Bundesfinanzminister Lindner hat vor wenigen Tagen einen Rabatt für die Abgabe von Benzin an Tankstellen vorgeschlagen, der zwischen 20 und 40 Cent pro Liter liegen sollte. Die Debatte begann sofort und viele Abgeordnete der Ampel verwahrten sich dagegen, dass ja dann auch die „Reichen“ entlastet würden.

Politik und Gesellschaft ringen in diesen Tagen um Entlastung. Das ist wenig verwunderlich und angemessen. Allerdings wäre es dann auch hilfreich, nach ordnungspolitisch nachvollziehbaren Kriterien vorzugehen und nicht den Eindruck zu erwecken, man bewege sich auf einem Basar in dem darüber gestritten wird, wer das schönste Geschenk zu vergeben hat. Also sind Systematik und Nachvollziehbarkeit wichtig.

Im Februar 2021 kostete Superbenzin noch zwischen 1,40 Euro und 1,85 Euro. Heute gehen die Preise teilweise bis 2,20 Euro. Der Staat kassiert davon alleine für die Verteuerung etwa 14 Cent pro Liter mehr an Mehrwertsteuer, zuzüglich Energiesteuer, CO2– und Bevorratungsabgabe. Ohne Steuern und Abgaben betrüge der aktuelle Benzinpreis etwa 1,12 Euro. Anders ausgedrückt: Steuern und Abgaben betragen rund 60% unseres Benzinpreises. Jede neue vermeintlich attraktive Detailregelung – etwa zur Verteilung und Abrechnung von Rabatt-Gutscheinen für Benzin – ist völlig unnötig und produziert noch mehr Bürokratie. Bei der Umständlichkeit deutscher Bürokratie würde das auch Monate dauern. Die Änderung des Energiesteuergesetzes und die Reduzierung der fixen rund 65 Cent Energiesteuer um einen beliebigen Prozentsatz könnte dagegen in wenigen Stunden im Bundestag geschehen. Selbstverständlich müsste eine solche Lösung auch befristet sein, denn wir hoffen ja, dass alles wieder gut wird.

Die Grünen und Sozialdemokraten in der Ampel-Koalition haben Bauchgrimmen bei jeder Regelung, die alle unabhängig vom Einkommen begünstigt. Auch hier gibt es eine klare systemische Antwort. Die aus sozialen Gründen erwünschte Umverteilung findet grundsätzlich über Steuern statt und wird durch Hilfen für diejenigen ergänzt, die in aller Regel wegen geringen Einkommens gar keine Steuern zahlen. Was die Steuerzahler angeht, haben eher linke politische Kräfte immer die „Millionäre“ im Auge. Zunächst einmal ist zu sagen, dass das Steuersystem die Umverteilung effektiv bewirkt. Ein Prozent aller Einkommensteuerpflichtigen, die absoluten Topverdiener, finanzierten zuletzt 21,5 Prozent, die reichsten  zehn Prozent 55 Prozent und die reichsten 25 Prozent fast 77 Prozent des gesamten Aufkommens der Lohn- und Einkommenssteuer, die dem Staat inzwischen in normalen Jahren rund 300 Milliarden einbringt.

Im Übrigen geht es bei der Regelung der Umverteilung über Steuersätze ja nicht hauptsächlich um die rund 1,5 Millionen Millionäre, die es in Deutschland gibt. Bei einer oft geforderten Beschränkung aller Hilfen auf diejenigen, die so wenig verdienen, dass sie durch Steuersenkungen gar nicht erreicht werden, wird die gesamte Mittelschicht, die dieses Land wirtschaftlich trägt, völlig vergessen. Dazu gehörten nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung 2018 statistisch etwa 60% der Bürger. Nur allgemeine Steuersenkungen helfen auch dieser Gruppe. Sie leiden unter der Inflation der Energiepreise genau so, wie die Bezieher niedrigerer Einkommen und müssen sich die Kosten am Konsum und der Freizeit für sich und ihre Kinder absparen. Wer die Mittelklasse aus Entlastungen ausschließt, ignoriert gerade diejenigen, die das Geld erwirtschaften, das hier ausgegeben werden soll.

In einem freien Land sollte der Staat den Bürgern nicht mehr Geld abnehmen, als er unbedingt zur Bereitstellung der gewünschten staatlichen Leistungen benötigt. Alle anderen Maßnahmen sind eine nicht gerechtfertigte Verkürzung der Freiheitsrechte der Bürger.

Die Ampel-Koalition sollte also auf die Steuern und soziale Hilfen für Bürger unterhalb der Steuergrenze schauen und jetzt auf alle anderen vermeintlich der Gerechtigkeit dienenden Einzelideen verzichten. Dazu gehört auch die Rabatt-Idee. Zumindest für dieses Jahr muss die Energiesteuer abgesenkt werden, und zwar für alle Energiequellen. Die Pendlerpauschale zu erhöhen ist ebenfalls sachgerecht. Allgemeine Steuersenkungen dürfen damit nicht vom Tisch sein, jedenfalls soweit die Mittelschicht die Zeche der Inflation durch höhere Preise und einen höheren Progressionssatz gleich zwei Mal zahlt.

Es ist schade, dass auch der Bundesfinanzminister sich in die Welt der unsystematischen Staatsgeschenke verlaufen hat. Ordnungspolitische Konsequenz ist möglich. Nur wer sie anwendet, begegnet der Gefahr, sich im Dschungel einer vermeintlichen Gerechtigkeit im Einzelfall zu verlaufen.

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