Für die Ludwig-Erhard-Stiftung ist der Zusammenhang zwischen Verantwortung für die Umwelt und Verantwortung für den größtmöglichen Entfaltungsrahmen eines jeden einzelnen Bürgers eine Selbstverständlichkeit. In vielen Kommentaren an den Freitagen lesen Sie darüber. Dass wir in dieser Woche in einem gemeinsamen Gastbeitrag des Grünen-Urgesteins Ralf Fücks und des baden-württembergischen Finanzministers Danyal Bayaz (Grüne) die Überschrift „Ökologie und Freiheit“ finden, ist allerdings nicht selbstverständlich (FAS vom 28. Mai 2023).

Verbotspolitik wird scheitern

Die dort aufkommenden Zweifel an der aktuellen Verbotspolitik eines immer strikteren und detaillierter werdenden Ordnungsrechts sind ein spannendes Signal aus den Reihen der sogenannten „Umweltpartei“. Es wird die tagesaktuelle Politik nicht sofort verändern, denn dazu hat sich die Spitze der Grünen Arm in Arm mit einer von „Fridays for Future“ bewegten Basis zu weit in die Allmachtsphantasien einer zentral gesteuerten disruptiven Veränderung verlaufen. Jedoch spricht gar nichts dafür, dass dieser Weg erfolgreich sein wird. Im Gegenteil, er scheitert sowohl an der technischen Machbarkeit als auch an der demokratischen Durchsetzbarkeit. Beides spüren Minister Habeck und seine von der fixen Idee der alleinigen Konzentration auf grüne Elektrizität beseelten Umgebung ja schon jetzt.

Die kommenden Monate und auch Jahre werden nicht mehr von einem Wettbewerb um Ambitionen geprägt sein. Die Umstellung unserer Industrie und unseres privaten Lebens zu einer Kreislaufwirtschaft mit minimalem CO2-Ausstoss ist Konsens geworden. Das werden die Grünen als ihren historischen Verdienstbehalten. Jetzt aber sind wir in einem Wettbewerb um die Realisierung und da gelten andere Regeln. Ideenreichtum muss sich mit Pragmatismus verbinden. Die meisten Lösungen werden ganz anders aussehen, als sie von Planern und Futuristen vorausgesagt wurden. Trotz allen Zeitdrucks müssen Bürger den Weg in Wahlen unterstützen und sie werden sie selbst betreffende Veränderungen und Einschränkungen nur in behutsamem Umfang hinnehmen. Und auch das nur, wenn es wirklich gut und vertrauensbildend kommuniziert wird.

Vom Wettbewerb der Ambitionen zum Wettbewerb um Realisierung

Von vielen Klima-Aktivisten wird die Wissenschaft mit großer Innbrunst als entscheidende Instanz benannt. Bei dem aktuellen Wettbewerb um die Realisierung geht es jedoch nicht mehr um die Frage, wieviel Schadstoffe die globale Atmosphäre erträgt, sondern um die Frage, welche Mechanismen die größte Wirkung zur Erreichung der kaum noch streitigen Ziele haben. Interessanterweise wird jedoch da die Wissenschaft von den gleichen Kräften nicht mehr in gleicher Weise ernst genommen.

Sonst müsste auch dort anerkannt werden, dass vier der fünf Mitglieder des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung raten, von detaillierten Gesetzen, wie der derzeit geplanten Heizungs-Regulierung abzusehen. Sie plädieren für das entschlossene Nutzen eines – dann natürlich schneller ansteigenden – CO2-Preises. Viele der wichtigsten Stimmen der Klima-Debatte, wie etwa die von Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, unterstützen das. Unbestreitbar hätte man damit schon vor einigen Jahren beginnen müssen, was die sogenannten „etablierten“ Parteien sich vorhalten lassen müssen. Aber dennoch ist es richtig, dass nur das möglichst abstrakte Instrument des Preises Pragmatismus und Ideenreichtum verbindet. Zugleich bestimmt die Geschwindigkeit der Preissteigerung die Zeit bis zur Erreichung des Ziels.

Das Gebäudeenergiegesetz wird, wenn auch in leicht abgemilderter Form, kommen. Es befeuert kurzfristig einen Boom bei Öl- und Gasheizungen und wird zugleich die Regierungsparteien deutlich Stimmen kosten. Doch wer sich auf den Weg der gesetzlichen Regelung von Millionen von Gebäudeheizungen begibt, kann da nicht Halt machen. Steuerung im Detail erfordert Wissen im Detail. So werden die Parteien, die uns bisher mit kleinteiligem Datenschutz überzogen haben, mit dem „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ nötigen, dem Staat alle Einzelheiten des persönlichen energetischen Fußabdrucks zu offenbaren. Dazu gehören der tatsächliche jährliche Endenergieverbrauch der einzelnen Gebäude in den vergangenen drei Jahren, die Art der Heizungsanlage nebst Heizleistung, das Jahr der Inbetriebnahme und weitere Daten zum Gebäude selbst. Außerdem sollen Informationen zu bestehenden oder bereits geplanten Wärme-, Gas-, Strom- und Abwassernetzen gesammelt werden. Die Kommunen sollen außerdem Daten aus Gebäuderegistern, Grundbüchern, Katasterämtern und Energieausweisen zu einem Gesamtbild zusammenführen– wie auch immer sie das personell und technisch bewältigen. Die nächste Welle der berechtigten Empörung kann man schon erahnen. Und dabei ist das ja nur ein Mosaik des Geflechts von beabsichtigten Regulierungen.

Ich bleibe daher bei meiner Einschätzung, dass wir vor einer Periode der technischen und politischen Offenbarungseide der grünen Politik stehen. Genau da wird der eingangs erwähnte Beitrag von Fücks, der übrigens seit dem vergangenen Jahr Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung ist, und Bayaz bedeutsam. Ohne eine Kurskorrektur werden die Grünen bei der Ökologie in jeder Beziehung scheitern. Sie verlieren das Vertrauen ihrer engsten Anhänger, denn sie können die ambitiösen Erwartungen nicht erfüllen. Und sie verlieren das Vertrauen der bürgerlichen Mitte, die sich die Eingriffe in ihr tägliches Leben nicht gefallen lassen wird.

Die Grünen brauchen andere Partner

Man könnte die verwegene These aufstellen, dass die Grünen in Koalitionen mit CDU/ CSU und gegebenenfalls der FDP die notwendige Korrektur ihres Realisierungskonzepts am einfachsten kaschieren können. Zugleich hätten sie die Chance, unter Anwendung der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft mit geradliniger Ordnungspolitik in absehbarer Zeit Erfolge zu zeigen. Da der Ambitionswettbewerb zu ihren Gunsten entschieden wurde, werden ihre potenziellen bürgerlichen Partner dabei sogar hilfreich sein müssen, denn nur als Garant des ökonomischen und ökologischen Erfolgs werden sie ihre Wählerbasis behalten und ausbauen können.

Ökologie und Freiheit ist also wirklich ein Schlüsselthema.

Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

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