Elon Musk will nun doch wieder den Kurznachrichten-Kanal Twitter erwerben. Insofern drängt sich erneut die Frage auf, was wir beurteilen, wenn wir über Monopole, Konzentration von wirtschaftlicher Macht und Garantie von Wettbewerb eigentlich sprechen? Der geplante Kauf von Twitter durch TESLA für den beeindruckenden Preis von 44 Milliarden US-Dollar muss uns jedenfalls nachdenklich machen.

Elon Musk ist zweifelsfrei ein die Welt verändernder Unternehmer. Wie immer die wirtschaftliche Zukunft seiner Vorhaben, das Elektro-Auto in Serie zu bauen, zum Mars zu fliegen, weltweite satellitengestützte Datenbautobahnen und Tunnelröhren für Hochgeschwindigkeitsbahnen zu bauen, auf lange Sicht ausgehen wird, ist das jedenfalls eine wirklich beeindruckende Bilanz. Es gebietet Ehrfurcht, dass ein einzelner Unternehmer in diesen verschiedenen Feldern zur gleichen Zeit mit jeweils einem Einsatz von vielen Milliarden seine Vorhaben auf Kurs halten kann. Trauen wir ihm das auch bei Twitter zu? Warum eigentlich nicht? Wo ist da aber das Problem?

Der Zusammenschluss kann eine neue Dimension der vernetzten Datenräume eröffnen. Es geht um den möglicherweise wichtigsten Rohstoff der Zukunft: Es geht um Daten. Tesla selbst speichert eine Unmenge an Fahrzeugdaten. Und wer sein Handy mit dem Tesla verbindet, überträgt nicht nur seine Kontakte auf das Fahrzeug. Ebenso gespeichert werden der Browser- und Navigationsverlauf sowie die Nutzung des Radios. Tesla weiß also auch, was man wann für Musik gehört hat. Der US-Konzern weiß zudem permanent, wo sich das Fahrzeug gerade befindet.

Doch das ist noch nicht alles: Tesla filmt beim Fahren auch mit. Kurze Videoaufnahmen von den Außenkameras des Fahrzeuges, die eigentlich dem halbautonomen Fahren dienen, sind möglich. Die externen Kameras lernen mit den kurzen Videoclips etwa, wie sie Straßenverläufe zu beurteilen haben und wo sich Verkehrsampeln und andere Signale und Schilder genau befinden, aber auch, wer voraus fährt und an der Straße steht. Die Gefahr besteht darin, dass diese Aufnahmen von TESLA ausgewertet und mit allen anderen Informationen verbunden werden können.

Diese mit jedem weiteren Markterfolg wachsende Datenbasis soll jetzt in dieselben Hände wie Twitter. Damit besteht die Chance und Gefahr der verbundenen Nutzung der Daten. Schaut man auf die Twitter-Statistik, sieht man, dass pro Minute ca. 456.000 Tweets gesendet werden. Das sind 657 Millionen Tweets am Tag!. Mit den Texten könnte man ein Buch mit zehn Millionen Seiten drucken. Wenn vor ein paar Jahren noch 1 Milliarde Tweets pro Woche versendet wurden, so dauert es heute nur noch 36 Stunden bis diese unfassbar hohe Zahl an Beiträgen von allen Nutzern erreicht wurde. Gefolgt von Japan und England, sind die USA natürlich das Twitter-Heimatland. 69 Millionen Nutzer kommen aus den Vereinigten Staaten. Twitter ist aber in mehr als 40 Sprachen verfügbar und somit auch bei uns sehr beliebt. Twitter sammelt personenbezogene Daten seiner Nutzer Diese würden dem Käufer zur Verfügung stehen, wenn das Unternehmen seinen Eigentümer wechselt.

Twitter weist monatlich etwa 330 Millionen Nutzer aus. Würde man den Twitter-Datenbestand mit den Tesla-Daten verknüpfen , wäre wahrscheinlich sogar die gefürchtete US-Geheimdienst-Datenkrake NSA neidisch. Kundenverhalten, kurzfristige Kundenreaktionen, realitätsnahe Lebensverläufe, das alles würde einen Vorteil im Markt schaffen, der wohl kaum zu überwinden wäre. Dabei kommen kaum vorhersehbare wirtschaftliche Werte zustande. Laut McKinsey werden alleine Fahrzeugdaten im Jahr 2030 zwischen 450 und 750 Milliarden US-Dollar wert sein. Die Kombination wurde noch nicht gerechnet.

Die Wettbewerbsbehörden werden es nicht leicht haben, das bevorstehende Datenmarkt-Konglomerat Elon Musks im Zaum zu halten. Bislang gibt es wenig Werkzeuge, solche Datenmärkte richtig zu erfassen. Aber es könnte irgendwann zu spät sein. Mir jedenfalls erscheint diese Mammut-Hochzeit schwer vertretbar.

Warum schreibe ich das? Soziale Marktwirtschaft und das Werk Ludwig Erhards verdienen es, in die neue Zeit übertragen zu werden. Als Ludwig Erhard ein wirksames Kartellrecht in Deutschland schaffen wollte, wurde er durch die Industrie lange behindert. Ein Machtwort der amerikanischen Regierung brachte sieben Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik den Erfolg und ein Kartellgesetz, auf das wir bis heute stolz sein können. Aber die Zukunft stellt uns vor ganz andere – oft globale – Herausforderungen. Die heute junge Generation wird unsere Gedanken über Liberalismus und freie Märkte nur ernst nehmen, wenn wir jetzt die nötigen Konzepte und Antworten formulieren.

Es ist ein gutes Beispiel dafür, wo die Aufgaben der Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards liegen. Wir arbeiten daran.


Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

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