Viele Klimaschutzmaßnahmen sind langfristig angelegt und durch politischen Weitblick geprägt, so Werner J. Patzelt. Doch es falle auch manch Panikartiges auf, vor allem ausgelöst durch die Bewegung „Fridays for Future“.

Wer nach „Panik“ googelt, der erfährt: Sie ist die „durch eine plötzliche echte oder vermeintliche Gefahr hervorgerufene, übermächtige Angst, die zu unüberlegten Reaktionen führt“. Politik hingegen sollte – so einst Max Weber – „ein starkes langsames Bohren von harten Brettern“ sein, betrieben „mit Leidenschaft und Augenmaß“. Was davon prägt unsere Klimaschutzpolitik?

Zu ihr – dem „Integrierten Energie- und Klimaprogramm der Bundesregierung“ sowie dem „Klimaschutzplan 2050“ – gehören vor allem die Reduktion des Treibhausgasausstoßes; der Ausstieg nicht nur aus der Nutzung der Kernkraft, sondern auch aus der Kohle als Energieträger; die Förderung von energieeffizientem Bauen und Sanieren; die Veränderung unseres Mobilitätsverhaltens durch alternative Fahrzeugantriebe, flexiblere ÖPNV-Angebote sowie die Rückgängigmachung der Trennung von Wohnen und Arbeiten; ferner die Schaffung von neuer Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in den vom klimaschutzpolitisch bewirkten Wandel stark betroffenen Regionen.

Mittel dieser Politik, zusammengestellt im „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“, sind neue Rechtsvorschriften, auch steuerliche Handlungs- oder Vermeidungsanreize, das Auflegen einschlägiger Forschungs- oder Investitionsprogramme sowie nachhaltiges Einwirken auf jene innere Haltung der Bürgerschaft zu alledem, die das reale Tun und Lassen der Leute prägt. Vieles davon ist langfristig angelegt und nicht durch plötzliche Angst geprägt, sondern durch politischen Weitblick. Zu solchem „Bohren harter Bretter“ gehört vor allem der Versuch, die verschwenderische Umsetzung fossil gespeicherter Energie in Wärme, Bewegung oder elektrischen Strom einzuschränken und stärker auf „erneuerbare Energien“ zu setzen.

Dazu gehören auch Immissionsbeschränkungen im Dienst des Klimaschutzes, was im Grunde nur den alten, grundvernünftigen Umweltschutz fortsetzt. Und seit Langem leuchtet es vielen ein, auf Verkehrsinfarkte in Städten und auf Autobahnen mit effizienteren Mobilitätssystemen zu reagieren. Sie zu entwickeln und zu implementieren, braucht aber Zeit.

Panik mit Blick auf die Medien

Doch es fällt auch manch Panikartiges auf. So wurde etwa die Abschaltung von Deutschlands Kernkraftwerken von derselben Bundesregierung erzwungen, die noch kurz zuvor deren Laufzeiten verlängert hatte. Die „plötzliche echte oder vermeintliche Gefahr“ ging damals von einem Erdbeben samt Tsunami in Japan aus. Der führte im Atomkraftwerk Fukushima zu schweren Störungen, darunter etwa Kernschmelzen.

Doch ein Tsunami oder ein starkes Erdbeben sind in Deutschland nicht zu befürchten. Letztlich bekräftigte das japanische Unglück nur die seit den späten 1970er-Jahren in Deutschland um sich greifende Angst vor technisch womöglich unbeherrschbaren Folgen größerer Störungen in Kernkraftwerken. Die massenmediale Darstellung und Rahmung von Fukushima beglaubigte diese Angst dann noch wuchtiger als einst Tschernobyl.

In dieser Lage, obendrein vor wichtigen Landtagswahlen, wurde die CDU-geführte Bundesregierung von Panik ergriffen. Dazu kam es angesichts der die Machtstellung der Kanzlerin bedrohenden Aufgabe, in der durch die japanische Havarie stark hysterisierten Öffentlichkeit weiterhin eine Energiepolitik verteidigen zu sollen, die seit Jahrzehnten gegen den Widerstand der meisten Massenmedien sowie aller Parteien links von der Union geführt wurde. Also ergriff man die Flucht nach vorn und erfüllte durch einen schnellen Richtungswechsel alle medialen und oppositionellen Ausstiegsforderungen. Hingegen behandelte man rechtliche, finanzielle und technische Begleitschäden wie nebensächlich – und deckt Versorgungslücken seither durch Atomstrom aus dem Ausland.

Doch es fällt auch manch Panikartiges auf. So wurde etwa die Abschaltung von Deutschlands Kernkraftwerken von derselben Bundesregierung erzwungen, die noch kurz zuvor deren Laufzeiten verlängert hatte.

Ähnliche Züge einer medial ausgelösten Politikerpanik trägt der Umgang Deutschlands und der EU mit jener „grünen“ Politik, die derzeit allein als mit vernünftigerweise zu setzenden Zielen des Umwelt- und Klimaschutzes vereinbar gilt. Tatsächlich wurde zum Auslöser jener Hektik, mit der im Herbst 2019 das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung und wenig später der „Green Deal“ der EU-Kommission aufgesetzt wurden, der Priming-Effekt von „Fridays for Future“. Die diesen Schülerprotesten gewidmete Medienberichterstattung grundierte nämlich rasch alle Debatten über den doch schon jahrzehntelang beobachtbaren und als gewaltige Herausforderung erkannten Klimawandel dahingehend, dass die Klima-Apokalypse nun voll im Gang sei und allenfalls durch sofortige Umkehr aufzuhalten wäre.

Religionssoziologisch erkennt man hier jenen Aufruf zur Buße samt Lust an Sühnepraxen, der im 13. und 14. Jahrhundert in öffentlichen Selbstgeißelungen, fallweise auch in spirituellen Neuanfängen mündete – und im vergangenen Jahr eben in eine Klimaschutzpolitik, die im Verzicht auf bisherige „westliche Lebensweisen“ den Beginn weltweiter Heilungsprozesse erkennt. Dabei sei es Deutschlands Aufgabe, durch das eigene gute Beispiel auch alle anderen Länder auf den richtigen Weg zu bringen – gleichsam in Erfüllung der letzten Zeilen von Emanuel Geibels wirkungsstarkem Gedicht über „Deutschlands Beruf“ von 1861: „Und es mag am deutschen Wesen / einmal noch die Welt genesen.“

Symbolpolitik mit wenig Effekt

Zum Gesicht jener Mobilisierungskampagne wurde Greta Thunberg. Die Rolle als Seherin und Mahnerin gelang ihr bestens: Kaum ein westlicher Regierungschef, kein Spitzenpolitiker entging der Pflicht, sich mit Thunbergs Warnungen und Forderungen auseinanderzusetzen. Viele trafen sich mit ihr sogar in der Haltung des aufrichtig Zuhörenden.

Medial gewaltig verstärkt wurden die Buß- und Umkehrpredigten von „Greta & Followers“ vor allem dadurch, dass die wichtigsten Nachrichtenfaktoren in die gleiche Richtung wirkten: Skandalisierung des Bestehenden, Dramatisierung der Entwicklung, unzweideutige Moralisierbarkeit der vertretenen Positionen, Personalisierung der Erlösungshoffnung, berechenbare Periodizität des redaktionell abzuarbeitenden Nachrichtenstoffs.

Auf diese Weise wurde die Klimapolitik zum mit absoluter Vordringlichkeit zu bestellenden Feld. Unter solchem Druck wurden dann deutsche und europäische Beschlüsse getroffen, die zwar – nach Expertenmeinung – instrumentell nicht allzu viel bewirken werden, doch als symbolpolitisch notwendig erschienen. Im Übrigen schob das Klimathema auch noch jenes Migrations- und Integrationsthema auf der Top-Liste politischer Herausforderungen nach unten, das den grünen und linken Befürwortern einer drastischen Klimapolitik ohnehin zuwider war. Das gelang immerhin so lange, wie nicht zunächst der Migrationsdruck an der türkisch-griechischen Grenze und später die Corona-Pandemie alles andere in den Hintergrund drängten.

Beim Vergleich der Reaktionen erkennt man verschiedene Möglichkeiten, mit politisch-medialen Panikattacken umzugehen: Corona veränderte zwar das reale Alltagsleben für Hunderte Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, doch es entstand keine Panik. Hingegen wurde die millionenstarke Zuwanderung nach Deutschland 2015/16 von Politik und Medien so gehandhabt, als gäbe es keinerlei Anlass für Besorgnis, weil alles leicht zu bewältigen wäre, falls man sich nur entschlossen gegen Xenophobie und Rassismus stelle.

Es zeigt sich, dass es problematisch ist, nicht problempräventiv vorzugehen und das populistische Ertönen des Alarmmelders als größtes Problem zu behandeln. Die von Panik getriebene Klimapolitik vollzog sich dagegen ganz in der Komfortzone jenes Schauderns, das ein Katastrophenfilm beim persönlich unbetroffenen Betrachter auslöst.

Prof. Dr. Werner J. Patzelt war Gründungsprofessor des Instituts für Politikwissenschaft an der Technischen Universität Dresden.

Dieser Beitrag ist zuerst im Heft „Wohlstand für Alle – Klimaschutz und Marktwirtschaft“ aus dem Jahr 2020 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

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