Es wäre grotesk, wenn die Politik mit dem Geld der Steuerzahler einspringen müsste, um Risiken für das Finanzsystem zu begrenzen, meinen Otmar Issing und Klaus Masuch.

Ein neues Gesetz erlaubt es deutschen Investmentfonds, massiv in sogenannte „Kryptowährungen“ wie Bitcoin anzulegen. Diese Initiative muss – milde ausgedrückt – aus mehreren Gründen  überraschen. Obgleich es inzwischen eine große Zahl von Kryptowährungen mit ganz unterschiedlichen Charakteristika gibt, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf Bitcoin mit dem nach wie vor dominierenden Marktanteil.

Wie Bindseil/Schaaf in ihrem Artikel in der FAZ vom 17. September 2021 überzeugend dargelegt haben, ist Bitcoin keine Währung. Bitcoin besitzt keinen intrinsischen, das heißt innewohnenden Wert, noch ist es durch werthaltige Sicherheiten gedeckt. Deshalb verbietet sich auch der immer wieder gezogene Vergleich mit dem Gold, das über nunmehr Jahrtausende zwar große Wertschwankungen aufwies, aber dank seiner verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten etwa für Schmuck nie wertlos geworden ist. Genau dies kann aber bei Bitcoin passieren. Sein Wert wird durch Spekulation getrieben. Sobald sich jedoch die Überzeugung verbreitet, dass „der Kaiser ohne Kleider, also nackt dasteht“, könnte der völlige Wertverlust eintreten. Private Investoren
mögen dieses Risiko in Erwartung von Wertsteigerungen eingehen, sie selbst müssen dann auch den Verlust tragen.

Ganz anders liegt der Fall bei Spezialfonds. Privatleute dürfen zwar nicht direkt in diese investieren, sind aber indirekt über professionelle Anleger wie Banken oder Versicherungen von Wertverlusten betroffen. Von einem etwaigen Zusammenbruch eines Fonds, der erheblich in Bitcoin investiert hat, könnten auch Risiken für das Finanzsystem ausgehen. So erlaubt das neue Gesetz den Spezialfonds, erhebliche Beträge, bis zu 20 Prozent des Fondsvermögens von derzeit immerhin etwa 2000 Milliarden Euro, in sogenannte Kryptowerte anzulegen. Schließlich könnte mit dem deutschen Gesetz das Tor zur weiteren Verbreitung von Anlagen in Kryptowährungen weit geöffnet werden. Das deutsche Gesetz muss umso mehr überraschen, als es mittlerweile klare Hinweise und Anzeichen dafür gibt, dass Kryptowährungen in hohem Maße zur Geldwäsche und der Finanzierung von organisierter Kriminalität bis hin zum Terrorismus verwendet werden.

Wie lässt sich dieser Befund mit der Förderung von Bitcoin durch den deutschen Gesetzgeber vereinbaren? Ein geradezu schockierender Widerspruch ergibt sich auch aus dem extremen Energiebedarf des Bitcoinsystems. Bindseil/Schaaf haben auf Schätzungen hingewiesen, die dem Energiebedarf eines Landes von der Größe Pakistans entsprechen. Wie passt das zu der Priorität, welche die deutsche Politik dem Klimaschutz beimisst? Wie kann ein neues Gesetz derart klimaschädliche Finanzanlagen fördern, wenn ansonsten alles darangesetzt wird, CO2-Emissionen zu vermindern und grüne Investitionen zu forcieren?

Schließlich konterkariert das deutsche Vorpreschen die Bestrebungen auf der Ebene der Europäischen Union wie der Amerikas, alles daranzusetzen, die Verwendung von Kryptowährungen für illegale Zwecke zu unterbinden. So hat die Europäische Kommission kürzlich Gesetzgebungsvorschläge gemacht, mit denen die Vorschriften der EU zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gestärkt werden sollen, mit dem Ziel, „dass Transfers von Kryptowerten wie Bitcoin vollends nachverfolgt werden können . . . [und] deren potenzielle Nutzung für Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungszwecke“ verhindert werden kann.

Sobald erst einmal Investmentfonds hohe Anlagen in Kryptowährungen besitzen, könnte von einem großen Wertverlust eine Gefahr für das ganze Finanzsystem ausgehen. Indirekt könnten dann auch Kleinanleger darunter leiden. Es wäre grotesk, wenn dann die Politik mit dem Geld der Steuerzahler einspringen müsste, um Risiken für das Finanzsystem zu begrenzen. Durch die Erwartung staatlicher Rettungsmaßnahmen bekäme dann Bitcoin eventuell doch noch eine Art impliziter staatlicher Garantie – ein Treppenwitz der Finanzgeschichte.


Prof. Dr. Otmar Issing ist Ehrenmitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung und Präsident des Center for Financial Studies.

Dr. Klaus Masuch ist Principal Adviser im Generaldirektorat Volkswirtschaft der EZB und vertritt hier seine persönliche Meinung, die nicht notwendigerweise der der EZB entspricht.

DRUCKEN
DRUCKEN