Der CO2-Emissionshandel bewahrt uns vor Bevormundung und schränkt unsere Freiheit nicht mehr ein, als es nötig ist, um erfolgreiche Klimaschutzpolitik betreiben zu können. Man sollte sich auf die Marktwirtschaft verlassen, meint Joachim Weimann.

In diesen Tagen ist viel von Verzicht die Rede. Um unser Klima zu retten, unseren Planeten zu bewahren, um nachhaltig zu werden, sei Verzicht unverzichtbar. Die Verantwortung dafür, dass tatsächlich Verzicht geübt wird, liegt nach überwiegender Auffassung bei jedem Einzelnen, aber wahrscheinlich braucht man staatlichen Zwang, um ihn durchzusetzen.

Ökonomen reden nicht gern über Verzicht, dafür umso lieber über Kosten. Und sie meinen dabei etwas sehr Ähnliches wie diejenigen, die von Verzicht reden. Klar ist, dass wir etwas unternehmen müssen, um den Klimawandel aufzuhalten. Klar ist ebenfalls, dass Klimaschutz notwendig damit verbunden ist, dass wir knappe Ressourcen in relativ großem Umfang einsetzen. Und diese Ressourcen stehen dann für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung, auf die wir dann verzichten müssen. Kosten im ökonomischen Sinne sind also eigentlich nur eine andere Bezeichnung für Verzicht.

Aber worin genau bestehen die Kosten des Klimaschutzes? Vordergründig sind das Kosten, die beispielsweise entstehen, wenn man Windkraftanlagen oder Elektroautos baut. Beides ist mit Verzicht verbunden, denn wer ein Elektroauto kauft, muss für seine Mobilität mehr bezahlen als der Käufer eines Diesels, und diese Mehrausgaben erzeugen Verzicht an anderer Stelle. Aber eine Person entscheidet selbst, sowohl über die Mehrausgaben als auch darüber, wo sie Verzicht übt. Bei der Windkraft werden alle gezwungen, die Mehrkosten über ihre Stromrechnung zu begleichen, und können selbst lediglich darüber entscheiden, an welcher Stelle sie verzichten wollen.

Kosteneffizienter Klimaschutz

Viele gehen in ihrer Forderung nach Verzicht weiter. Sie möchten, dass den Menschen vorgeschrieben wird, worauf sie zu verzichten haben. Das kann Inlandsflüge, die Benutzung des Autos oder das Streamen digitaler Inhalte betreffen, weil mit allen diesen Aktivitäten CO2-Emissionen verbunden sind, die es zu unterbinden gilt. Das Problem bei solchen Verboten ist, dass nicht bekannt ist, wie hoch ihre Kosten tatsächlich sind, denn die Kosten bestehen im entgangenen Nutzen, der durch das Verbot entsteht. Wie wertvoll eine Flugreise für jemanden ist, weiß aber nur die entsprechende Person – niemand sonst.

Diese Überlegungen zu den Kosten des Klimaschutzes lassen klarer werden, was es bedeutet, wenn Ökonomen fordern, dass Klimapolitik kosteneffizient erfolgen soll. Damit ist gemeint, dass CO2-Einsparungen dort vorzunehmen sind, wo die Kosten der Vermeidung jeweils minimal sind. Der Grund für diese Forderung ist, dass nur kosteneffiziente Klimapolitik sicherstellt, dass wir für die Ressourcen, die wir einsetzen, und für den Verzicht, den wir üben, einen maximalen Klimaschutzeffekt erhalten.

Das bedeutet, dass wir sowohl die monetären Kosten für die nächste eingesparte Tonne CO2 minimieren sollten (also dort vermeiden, wo die geringsten Kosten entstehen, und mit derjenigen Technik, die die geringsten Kosten verursacht) als auch die Nutzeneinbußen, die durch den unvermeidbaren Verzicht entstehen, der mit dem Klimaschutz einhergeht. Der zweite Punkt ist schwierig, denn welche Nutzeneinbußen mit Verboten einhergehen, wissen wir nicht. Wie also sollte man dann in der Lage sein, kosteneffizienten Klimaschutz zu organisieren?

Effizienz durch Wettbewerb

Mit dem Emissionshandel (Emissions Trading System, ETS) ist dies möglich. Sein Funktionsprinzip besteht aus zwei Stufen, die anhand des europäischen ETS erläutert werden. Auf der ersten Stufe legt die Europäische Union fest, welche CO2-Emittenten dem Handel unterliegen und wie viel CO2 in dem so geschaffenen ETS-Sektor jährlich emittiert werden darf. Beides sind politische Festlegungen, was bedeutet, dass der ETS-Sektor theoretisch auch alle Emissionen umfassen könnte und die Höchstmenge an Emissionen frei gewählt werden kann. Diese Menge ist bindend und wird jedes Jahr reduziert.

Mit der Festlegung dieses sogenannten Cap wird das klimapolitische Ziel definiert und zugleich umgesetzt, denn nur noch über die festgelegte Gesamtmenge werden Emissionsberechtigungen ausgestellt. Jeder Emittent muss für jede emittierte Tonne eine entsprechende Emissionsberechtigung erwerben. Die Emissionen können deshalb die Menge der Emissionsberechtigungen nicht überschreiten. Mit dem Cap wird festgelegt, wie viel CO2-Ausstoß wir in der Europäischen Union vermeiden – auf die Tonne genau.

Der entscheidende Vorteil dabei ist, dass jeder und jede Einzelne natürlich weiß, wie schwer der eigene Verzicht wiegt – was kein Politiker oder Bürokrat wissen kann.

Im zweiten Schritt entscheidet sich, wie die notwendige Vermeidung bewerkstelligt wird, also wer, wo, wie viel Kohlenstoffdioxid einspart. Dies geschieht dezentral, denn die Emissionsrechte sind handelbar. CO2-Quellen mit hohen Vermeidungskosten haben einen Anreiz, Rechte zu erwerben, um diese hohen Kosten zu sparen. Quellen mit niedrigen Vermeidungskosten dagegen haben einen Anreiz, Emissionen zu vermeiden, um die nicht benötigten Rechte zu veräußern.

So entsteht ein Markt, auf dem sich ein Preis für CO2-Emissionen bildet. Auf diesem Markt geht es um die Frage, wie und wo man möglichst günstig Kohlenstoffdioxid vermeiden kann. Diejenigen, die die günstigsten Vermeidungsmöglichkeiten finden, werden belohnt. Das Ergebnis ist ein Wettbewerb, der dazu führt, dass Vermeidung dort stattfindet, wo die Vermeidungskosten am geringsten sind und die technischen Möglichkeiten für kostengünstige Vermeidung ausgeschöpft werden.

Klimaschutz ohne Zwang

Wie geht der Emissionshandel mit dem Verzicht um, den die Menschen leisten müssen? Stellen wir uns einen Menschen vor, der überlegt, eine Flugreise innerhalb Europas zu unternehmen. Innereuropäische Flugreisen unterliegen dem ETS. Wird der Flug durchgeführt, wird ein Teil der noch zulässigen Emissionen für diesen Flug verwendet, und dieser Teil steht dann für andere Emissionen nicht mehr zur Verfügung. Verzichten müssen dann andere. Der Fluggast aber muss für die Inanspruchnahme den CO2-Preis entrichten, und dieser Preis entspricht dem Verzicht, der an anderer Stelle notwendig ist, denn der Preis entspricht den Grenzkosten der CO2-Vermeidung.

Jeder Einzelne kann damit unter den Bedingungen eines Emissionshandels entscheiden, was schwerer wiegt: sein eigener Verzicht oder der Verzicht an anderer Stelle. Der entscheidende Vorteil dabei ist, dass jeder und jede Einzelne natürlich weiß, wie schwer der eigene Verzicht wiegt – was kein Politiker oder Bürokrat wissen kann. Ein funktionierender Emissionshandel hat zur Folge, dass jeder Konsument seine Konsumentscheidungen allein nach seinen eigenen Präferenzen treffen kann, ohne dass es notwendig wäre, sich über „Klimafolgen“ im weitesten Sinne Gedanken machen zu müssen. Jeder kann sicher sein, dass die politisch beschlossene CO2-Reduktion erreicht wird und nicht davon abhängt, ob er sein Geld für einen Flug nach Teneriffa, für eine Autofahrt nach München oder für einen energieeffizienten Kühlschrank ausgibt.

Der Emissionshandel verbindet damit eine ganze Reihe guter Eigenschaften. Er erlaubt es, jedes CO2-Reduktionsziel sicher zu erreichen, und er minimiert die Kosten, die dabei zu tragen sind. Zugleich schafft er die Voraussetzung dafür, dass der persönliche Verzicht, den wir alle leisten müssen, dort stattfinden kann, wo er am wenigsten wehtut. Und ganz nebenbei bewahrt er uns deshalb vor Bevormundung und Zwang und schränkt unsere Freiheit nicht mehr ein, als es nötig ist, um erfolgreich Klimaschutz betreiben zu können.

Prof. Dr. Joachim Weimann lehrt Volkswirtschaftslehre an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.


Dieser Beitrag ist zuerst im Heft „Wohlstand für Alle – Klimaschutz und Marktwirtschaft“ aus dem Jahr 2020 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

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