Der Bundeswirtschaftsminister hat eine auf lange Jahre angelegte Subvention vorgestellt, und zwar für den Stromeinkauf der besonders energieintensiven Industrie. Unter dem Wort „Industriestrompreis“ soll ein staatlich festgesetzter Bezugspreis für Strom – geplant sind sechs Cent – per Gesetz beschlossen werden. Viele Unternehmen, die große Mengen Strom für ihre Produktion benötigen, sehen in diesem Staatszuschuss ihre Rettung, und ihnen geht es hauptsächlich darum, den Kreis der Nutznießer dieser Subvention so groß wie möglich zu ziehen. Gerade in diesen Unternehmen gibt es überwiegend entschiedene Befürworter der Sozialen Marktwirtschaft, und fast immer können sie sich mit ihrer Position in den Stellungnahmen der Ludwig-Erhard-Stiftung wiederfinden.

Der Industriestrompreis zementiert Altes und behindert Neues

Das führt auch mich dazu, mit den Nöten dieser Unternehmen und den Sorgen um den Zustand des Industriestandorts Deutschland sowie der Angst um den Verlust von Arbeitsplätzen sehr sorgsam umzugehen. Ich habe lange genug in der Politik Verantwortung getragen, um einschätzen zu können, wie besorgt dort die Hilferufe der Wirtschaft wahrgenommen werden. Trotz alledem – die Einführung des geplanten Industriestrompreises ist falsch. Die Schäden sind langfristig größer als der Nutzen, und der Staat übernimmt sich nicht nur finanziell, sondern auch in seiner Fähigkeit einer angemessenen Verteilung. Wir kehren so im Grunde zu der vor Jahrzehnten abgeschafften Steinkohlesubvention zurück und tun dies wider besseres Wissen.

Der Verzicht auf die Strompreis-Subvention beschleunigt den Anpassungsprozess unserer Volkswirtschaft, die Verlierer werden schneller erkennbar, aber Neues bekommt auch schneller eine Chance. Diese Position erfordert Kursänderungen, um ideologische Fehler unverzüglich zu korrigieren. Auch in einer CO2-neutralen Ökonomie darf man nicht nur auf Strom setzen. Die politisch herbeigeführte Angebotsverknappung beim Strom muss sofort enden, und die Offenheit für kreative Anpassungsprozesse der Industrie muss Teil des Plans werden.

Eine endlose, teure und bürokratische Subvention

Gerade weil die Option der Marktwirtschaft und der freien Preisbildung zunächst zu schmerzhaften Korrekturen führen kann, müssen wir uns bei den Gründen für die Ablehnung eines weiteren großen Staatseingriffs möglichst sicher sein. Dazu nur einige Überlegungen:

  • Während im Bereich des privaten Wohnens gerade mit beachtlicher Brutalität eine Änderung des Energieverbrauchs erzwungen wird, bekommen die großen industriellen Verbraucher eine Verschnaufpause bis 2030. Nach allen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte (inklusive Kohlesubventionen und Milchquote) wird niemand glauben, dass diese Subvention 2030 einfach beendigt wird. Die Energiewende der Industrie wird ausgebremst. Das verlangsamt Innovationen und schädigt unsere Wettbewerbsfähigkeit.
  • Angesichts der Erfahrungen mit der Gaspreisbremse wissen wir: Eine faire Verteilung der Subventionen ist unmöglich. Allein der Hinweis, dass die gesamte Produktionskette der Automobilindustrie im derzeitigen Entwurf nicht berücksichtigt wurde, macht das deutlich. Da mit der Subvention auch noch allerlei grüne Bevormundungsstrategien verbunden werden sollen, wird daraus das nächste Bürokratie- und Regulierungsmonster.
  • Das richtige Instrument zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes bleibt die handelbare CO2-Abgabe. Die muss steigen und sie muss schneller steigen, als die Politik sich derzeit wagt, es zu ermöglichen. Mit der neuen Subvention wird das einzig wirkungsvolle Instrument vorsätzlich wirkungslos gemacht, denn der Preis wird ja staatlich festgelegt, gedeckelt.

Ergänzend möchte ich den langjährigen Vorsitzenden des Sachverständigenrates, Prof. Dr. Dr. h.c. Lars Feld, der auch Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung ist, zitieren: „Überhaupt strotzt eine solche Energiepolitik vor Widersprüchen. Erst Atomkraftwerke abschalten, obwohl die ja schon gebaut sind, und damit Strom teurer halten. Dann höhere Kohlendioxid-Preise fordern, um danach die Industrie über niedrigere Strompreise zu subventionieren.“

Die Alternativen sind schwierig, aber vorhanden

So kommt es zu der Frage, welche Chancen für die durch die Politik in Not geratenen Unternehmen bestehen. Niemand sollte den gefährlichen derzeitigen Zustand einfach hinnehmen wollen. Prof. Dr. Veronika Grimm, aktuell eine der fünf „Wirtschaftsweisen“ und ebenfalls Mitglieder der Ludwig-Erhard-Stiftung sagt: „Mit Blick auf die Energieversorgung gilt es, alles daranzusetzen, das Angebot auszuweiten, dann wird Strom auch billiger. Mit einem Industriestrompreis ist dies nicht der Fall, hier geht es lediglich um Umverteilung: einige zahlen weniger, dafür aber andere mehr.“

Die existenziellen Risiken für energieintensive Unternehmen kommen zum einen vom abrupten Ausfall des billigen russischen Gases und zum anderen durch eine bewusste Politik der Regierungen des letzten Jahrzehnts, die das Angebot verknappte. Jetzt wird in Zeiten der Not die Nachfrage reglementiert (Stromabschaltungen bei Industrie und privaten Haushalten werden ermöglicht) und gleichzeitig wird der Preis an allen Ecken subventioniert (Strompreis-Bremse, Industriestrompreis). Richtig wäre es jedoch, den Markt mit Strom zu fluten, um mit dem großen Angebot die Preise zu drücken. Langfristig muss das durch ein immer größeres Angebot von erneuerbaren Ressourcen geschehen. Mit viel Kraft und Glück kann das möglicherweise in einem Jahrzehnt erreicht werden. Bis dahin müssen aber alle Energiequellen zugelassen sein!

Kernkraft und Wasserstoff sind Teil der Lösung

Die Abschaltung der Kernkraftwerke in den letzten Jahren – und nicht nur in den letzten Monaten – bringt Deutschland in eine schwierige Lage. Die Probleme werden nun zu einem bedeutenden Teil auf dem Rücken der Industrie ausgetragen. Kernenergie und Wasserstoff sind wichtige Schlüsselworte für die Lösung. In einem echten europäischen Strommarkt ohne Staatseingriffe kann der Zukauf von Kernenergie aus anderen Ländern ein Teil der Lösung sein. Vor allem die Herstellung von Wasserstoff muss man fördern. Aus zaghaften Plänen müssen geöffnete Schleusen werden. Die USA fördern jede Tonne Wasserstoff und jede Tonne bei der Produktion abgeschiedenes CO2, ohne den Markt mit staatlich vorgegebenen Preisen zu zerstören, und schaffen so schnell ein großes Angebot. In Wilhelmshaven entsteht einer der größten Green Energy Hubs Europas, der in seiner Endstufe auf eine Produktion von mehr als fünf Millionen Tonnen Wasserstoff ansteigt. Das könnte ein Zehntel des gesamten jährlichen Primärenergiebedarfs in Deutschland decken. Wenn das in gleicher Weise multipliziert wird, wie das bei den LNG-Schiffen der Fall war, werden die Preise auf ein vertretbares Niveau zurückgehen.

Dennoch bleibt das Nein zu einem staatlichen Energiepreis eine schwierige Entscheidung. Es ist jedoch die bessere Entscheidung. Vor ziemlich genau 75 Jahren, am 18. Juni 1948 sagte Ludwig Erhard auf der Vollversammlung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Westzone): „[…] Täuschen wir uns auch nicht, und das ganze deutsche Volk weiß es nur allzu gut, dass auf der einen Seite die Bewirtschaftung und auf der anderen Seite der Preisstopp und die Festpreisbindung die äußeren Zeichen der Misswirtschaft waren, […]. Wenn wir nicht entschlossen sind […], an diesen klassischen Symptomen unserer Misswirtschaft den Hebel anzusetzen […], dann wird niemand im Volk daran glauben, dass diese Währungsreform wirklich zu unserer […] Gesundung führen wird […].“

Diese Grundsatzfragen stellen sich auch heute.

Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

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