„Um die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten, werden wir einen sozialen Kompensationsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus entwickeln (Klimageld)“. So steht es in der Koalitionsvereinbarung der aktuellen Bundesregierung. Was sich aus den Finanzzahlen der Regierungskoalition in den letzten Wochen schon ankündigte, hat Bundesfinanzminister Christian Lindner jetzt zur Gewissheit gemacht: Ein Klimageld werde es in dieser Wahlperiode nicht mehr geben, das Geld wurde anderweitig verplant. Dieser Wortbruch wäre schlimm genug. Noch bedeutsamer jedoch ist, dass damit das zentrale marktwirtschaftliche Steuerungsinstrument der „Klimawende“ in seiner demokratischen Akzeptanz zerstört wird. Da mit staatlichen Verboten und Subventionsprogrammen die Herausforderungen weder zeitnah noch effizient bewältigt werden können, wird das Scheitern der Transformation gerade aktiv von denen herbeigeführt, die die Nachhaltigkeit auf den Lippen tragen.

Ordnungspolitik braucht Akzeptanz und muss sozial ausgewogen sein

Die Erhebung von Abgaben und die Leistung von Ausgleichszahlungen gehören nicht zur idealen Welt der Ordnungspolitik. Sie geben Bürokratien Steuerungsmacht über wirtschaftliche Prozesse, und sie erhöhen das Volumen gesamtgesellschaftlicher Umverteilung, was nur zu oft Effizienz und Leistungswillen beeinträchtigt. Aber Prinzipien allein helfen nicht. Alfred Müller-Armack, einer der wichtigsten Mistreiter von Ludwig Erhard und der Erfinder des Begriffs „Soziale Marktwirtschaft“ benutzte den Begriff der „irenischen Formel“ für das Auflösen des Gegensatzes von „Sozialstaat“ und „Marktwirtschaft“. Eirene symbolisiert in der griechischen Mythologie den Frieden. In diesem Begriff kam bereits die gesellschaftspolitische Dimension der Sozialen Marktwirtschaft zum Ausdruck. Für Ludwig Erhard entstand Wohlstand durch Wettbewerb, und er sah in dem Streben nach einem über wirtschaftliche Nothilfe hinausgehenden sozialen Ausgleich durchaus eine Gefahr. Doch sah er auch, dass der Aspekt „sozial“ die Akzeptanz der Markwirtschaft bei den mehrheitlich eher marktskeptischen Deutschen erhöhen würde und akzeptierte ihn daher. Dieses Spannungsfeld quält uns auch heute. Die Reaktionen auf die durch Menschenwerk veränderten Klimabedingungen sind ein wichtiges Beispiel.

Einerseits gilt unverrückbar die Erkenntnis, dass man einer Bürokratie, die keine Ahnung über künftige technische Potentiale haben kann, keine tiefgreifende industrielle und technologische Transformation anvertrauen sollte. Das sagt nichts Negatives über Bürokratien. Aber den täglichen Wettkampf um die besten Ideen und die immer wieder große Überraschung, was alles möglich wird, obwohl es gestern noch für unmöglich gehalten wurde, gibt es nur in freien Märkten. Die Mobilisierung dieser „Wunder“ ist die wahre Leistung einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Ziele attraktiv zu machen bedeutet, bei ihrer Erreichung Gewinn und Wohlstand zu versprechen.

Ohne CO2-Preis kein klimaschonendes Wirtschaften

Andererseits ist die Bepreisung von Umweltbelastungen, hier dem CO2, die einzige Möglichkeit, die große Kraft des Marktes und klimaschonendes Wirtschaften in Übereinstimmung zu bringen. Wir sind damit zu spät gestartet. Um Wirkung zu erzeugen, müssen die Signale stark und für Industrie und Verbraucher spürbar sein. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung hat das schon 2019 so formuliert: „Eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure wird dabei mit ihren – nicht zuletzt auf Basis ihrer privaten, also für den Außenstehenden nicht zu erkennenden Informationen getroffenen – Entscheidungen hinsichtlich ihres Energieverbrauchs und ihrer Investitionen den konkreten Verlauf der Transformation bestimmen. Somit kommt der marktwirtschaftlich ausgerichteten Koordination eine zentrale Rolle zu, um das Ziel einer kosteneffizienten Transformation zu erreichen: Ein einheitlicher Preis für den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) würde sicherstellen, dass Emissionen immer dann unterlassen werden, wenn ihre Vermeidung günstiger ist als der Preis.“

Die Verteuerung des CO2-Verbrauchs muss erheblich sein. Die Angst, Wirtschaft und Bürger übermäßig zu belasten, muss überwunden werden. Denn das Fatale ist, dass die Anreize zum Umstieg mit jedem verlorenen Jahr schärfer werden müssen und die Politik noch ängstlicher wird. Die Abwehrhaltung der Bevölkerung ist längst mit Händen zu greifen. Der Pfad auf 55 Euro pro Tonne bis 2025 ist richtig, aber je schneller wir bei 80 bis 100 Euro sind, umso mehr kommt der Wettbewerb um preiswerte und massentaugliche Alternativen in Gang. Daraus können neue Industrien, neue Arbeitsplätze und neue Exportmärkte entstehen.

Die Bürger müssen den Weg mitgehen

Aber in Demokratien haben die Bürger die Macht. Sie müssen diesen Weg mitgehen. Er wird ihnen Opfer abverlangen und das zu akzeptieren wird schwer. Unmöglich wird es, wenn die Politik in die alte Tradition verfällt, den Bürgern das Geld zwar abzunehmen, die versprochene Kompensation aber einsteckt. Die Kompensation muss deutlich sichtbar, für jedermann überprüfbar und verlässlich sein. Dafür ist das Klimageld die geeignetste Lösung. Gegen all diese Gebote verstößt die Regierung. Das ist nicht akzeptabel. Auch das Klimageld ist keine ideale Lösung, viele Alternativen, etwa über das Steuerrecht, kann man sich ausdenken. Aber seit 2021 war das Klimageld Konsens, siehe Koalitionsvertrag.

Das Argument, das Geld sei doch längst verplant, oder gar, das Geld sei vom Bundesverfassungsgericht gestrichen worden, ist unbrauchbar. Im Entwurf des Wirtschaftsplans für den neben dem Bundeshaushalt stehenden Klimafonds sind für 2024 Erlöse aus der nationalen CO2-Bepreisung von gut 10,9 Milliarden Euro veranschlagt. Das wären rund 2,3 Milliarden Euro mehr als 2023. Hinzu kommen Erlöse aus dem europäischen Emissionshandel (ETS) von knapp 8,2 Milliarden Euro im Jahr 2024. Ein Start mit 80 Euro Klimageld pro Kopf würde bei 80 Millionen Einwohnern 6,4 Milliarden jährlich erfordern. Das Geld ist da, aber die Prioritäten wurden von den Koalitionsparteien falsch gesetzt.

Man kann nur hoffen, dass der Widerstand gegen den Wortbruch laut und vernehmlich wird, auch wenn Wissenschaftler und Steuerbürger keine Traktoren aufbieten können. Gerade der für marktwirtschaftliche Politik eintretende Bundesfinanzminister muss sich des Risikos des zerstörten Vertrauens in den Kompensationsmechanismus der Klimaabgabe bewusst sein. Nur ein schneller Umstieg von Regulation auf Marktwirtschaft bietet eine Chance, die ambitionierten Ziele der Klima-Transformation annähernd zu erreichen. Dazu erfordert es Mut und Zuverlässigkeit, denn der Weg ist ökonomisch effizient, aber aus der Sicht der Wähler eben zunächst unbequem.  Um Mehrheiten zugewinnen, muss der Beweis, dass es bei den CO2-Abgaben um eine Steuerung und nicht um ein weiteres Abkassieren geht, erbracht werden. Trotz des falschen und gefährlichen Rückschlags dieser Tage spricht vieles dafür, dass dieser Beweis den Namen „Klimageld“ tragen muss.

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Wir brauchen verlorenes Vertrauen zurück
Tarifautonomie braucht Verantwortung
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