Am 1. Dezember 2020 ist Prof. Dr. Christian Watrin, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender und Ehrenmitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung, im Alter von 90 Jahren verstorben. Die Ludwig-Erhard-Stiftung trauert um einen großen Mitstreiter bei der Verteidigung der Erhard’schen Prinzipien von Freiheit und Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft.

Es erfüllt mich mit Trauer und Ehrgefühl zugleich, kurz nach Beginn meiner Amtszeit im Vorsitz der Ludwig-Erhard-Stiftung Abschied nehmen zu müssen von Professor Dr. Christian Watrin. Professor Watrin war seit 1976 Mitglied und seit 2016 Ehrenmitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung. Zwischen 1978 und 2014 war er stellvertretender Vorsitzender der Stiftung. Am 1. Dezember 2020 ist Professor Watrin im Alter von 90 Jahren verstorben.

Christian Watrin war eine große Persönlichkeit in den Wirtschaftswissenschaften, in der Politikberatung und daher konsequenterweise auch in der Ludwig-Erhard-Stiftung. Er war jahrzehntelang in seiner aufgeschlossenen Art mittendrin in diesem Geschehen – als Hochschullehrer und als Politikberater. „Er konnte zuhören“, so lautet das Urteil von vielen, die ihn aus der Nähe kennengelernt haben. Gleichwohl: An seiner Expertise und schließlich an seinem standfesten Urteil kam keiner vorbei. Kein Student, kein Kollege, kein Journalist und auch kein Minister. Professor Watrin hat sich in den politischen Diskurs eingebracht, nicht zuletzt auch seit 1972 als Mitglied und von 1987 bis 1992 als Vorsitzender im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft. Merklich angetrieben von dem Wunsch, eine freiheitliche, menschenwürdige Ordnung zu schaffen und zu erhalten, hat er den Prozess der deutschen Vereinigung begleitet und sich für Marktwirtschaft und die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips eingesetzt.

Daneben und besonders gilt das für seine schon früh geäußerte scharfe Kritik an den Plänen zu einer Europäischen Währungsunion, deren spannungsgeladene Problematik für die teilnehmenden Staaten aufgrund der wegfallenden Wechselkurse er klar benannt hat. Seine Kritik war nicht dogmatisch, sondern mit Argumenten unterfüttert, die auf die Brisanz des Vorhabens einer Wirtschaftsunion ohne politische Union in unmissverständlicher Weise hinwiesen. Die Kritik wurde zwar damals gehört und registriert – aber letztlich überwog der politische Wille, Fakten zur Unumkehrbarkeit der Europäischen Union zu schaffen.

Dennoch hat sich Christian Watrin nie in den akademischen Elfenbeinturm zurückgezogen oder sich gar entmutigen lassen, wenn die Politik über wirtschaftswissenschaftliche Ratschläge hinwegging. Vielmehr hat sich Professor Watrin unermüdlich für vernünftiges Handeln und die ordnungspolitische Erneuerung in Wirtschaft und Gesellschaft eingesetzt.

Christian Watrin war als Professor an der Universität zu Köln und als einer der Direktoren des dortigen Instituts für Wirtschaftspolitik in der Wissenschaft zu Hause. Watrin steht in der geistigen Nachfolge von Professor Alfred Müller-Armack, dessen Mitarbeiter er zunächst war. In seiner Funktion als Hochschullehrer hat er das ordnungspolitische Gewissen unzähliger Studenten geschärft, wovon die Ludwig-Erhard-Stiftung auch heute noch profitiert.

Die Arbeit der Ludwig-Erhard-Stiftung hat Watrin jahrzehntelang mit Rat und Tat unterstützt. Er war Mitherausgeber der 1981 erschienenen „Grundtexte zur Sozialen Marktwirtschaft“ und hat zahlreiche Beiträge für die Zeitschrift „Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik“ verfasst.

Doch Christian Watrin hat „nie theoretische Modelle absolut gesetzt, sondern stets auch politische Durchsetzbarkeit und gesellschaftliche Realität im Auge behalten“. Dieses Urteil stammt von einem, der es wohl sehr gut wissen musste, nämlich Professor Otto Schlecht, ehemals Mitarbeiter von Ludwig Erhard, später langjähriger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und schließlich Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Ludwig-Erhard-Stiftung 1995 eine Festakademie anlässlich des 65. Geburtstags von Christian Watrin veranstaltet und schließlich in dem Band „Wirtschaftspolitik nach der deutschen Vereinigung“ dokumentiert hat. Die Wortbeiträge von Kollegen, Freunden und Schülern lassen sich heute, ein Vierteljahrhundert später, nur noch mit Wehmut und Ehrfurcht lesen angesichts des hohen Niveaus voller Anstand und Respekt im Austausch zwischen Wissenschaft und politischer Praxis.

Professor Watrin hat die theoretische und praktische Wirtschaftspolitik in Deutschland und weltweit bereichert, befruchtet und nicht zuletzt auch kritisch kommentiert. Wir verlieren einen großen Mitstreiter bei der Verteidigung der Erhard’schen Prinzipien von Freiheit und Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft.

Professor Watrin wird uns in seiner verbindlichen, menschenzugewandten Art in bester Erinnerung bleiben. Wir verneigen unser Haupt vor diesem Großen der deutschen Wirtschaftswissenschaften. Wir sind dankbar, ihn in unseren Reihen gehabt zu haben.

Für die Mitglieder und Freunde der Ludwig-Erhard-Stiftung

Roland Koch
Vorsitzender

Hier geht es zur Ansprache, die Prof. Dr. Christoph Watrin anlässlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an seinen Vater, Prof. Dr. Christian Watrin, am 8. Dezember 2016 im Hotel Königshof in Bonn gehalten hat.

Hier geht es zur Dokumentation der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Prof. Dr. Christian Watrin und Dr. Hans D. Barbier am 8. Dezember 2016 im Hotel Königshof in Bonn.

Roland Koch ist seit November 2020 Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.

DRUCKEN
DRUCKEN