Am 1. Dezember 2020 ist Prof. Dr. Christian Watrin, langjähriges Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung, verstorben. Von 1978 bis 2014 war er Mitglied im Vorstand der Stiftung. 2016 wurde ihm wegen seiner „besonderen Verdienste als langjähriges Mitglied im Vorstand der Stiftung und seines nachhaltigen Einsatzes für die wissenschaftliche Vermittlung der Ordnungspolitik“ die Ehrenmitgliedschaft der Ludwig-Erhard-Stiftung verliehen. Wir dokumentieren die Ansprache, die sein Sohn Prof. Dr. Christoph Watrin, anlässlich der Verleihung am 8. Dezember 2016 im Hotel Königshof in Bonn gehalten hat.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
verehrte Vorstandsmitglieder und verehrte Mitglieder der Ludwig-Erhard-Stiftung,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

im Namen meines Vaters – und auch meiner Mutter und der ganzen Familie – darf ich dem Vorstand, der Geschäftsführung und den Mitgliedern der Ludwig-Erhard-Stiftung ganz herzlich für die große Auszeichnung danken, die mein Vater heute empfangen darf. Die Ehrenmitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung bedeutet meinem Vater viel, denn die Stiftung war über Jahrzehnte ein Forum, in dem er sich mit Gleichgesinnten über die freiheitliche Ordnung der Wirtschaft austauschen konnte. Hier konnten aktuelle Fragen der Wirtschaftspolitik leidenschaftlich diskutiert werden. Mahnend konnte immer wieder auf die Verletzung der Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft in der Wirtschaftspolitik hingewiesen werden.

Der Berufsweg meines Vaters ist entscheidend von drei Persönlichkeiten bestimmt worden: Alfred Müller-Armack, Ludwig Erhard und Friedrich August von Hayek. Nach dem Abschluss seines Studiums als Diplom-Kaufmann und Diplom-Volkswirt bot ihm Müller-Armack eine Assistentenstelle am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität zu Köln an, obwohl mein Vater schon bei Theodor Wessels promovierte. Die enge Verbindung zwischen Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard führte dazu, dass Erhard immer wieder an wichtigen Institutsveranstaltungen in Köln teilnahm. So lernte mein Vater ihn in diesen Jahren als junger Assistent kennen. Als Erhard Kanzler wurde, war mein Vater einmal zusammen mit meiner Mutter zu einem Abendessen im Kanzlerbungalow eingeladen.

Die beiden Männer, die in Deutschland nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs eine freiheitliche und soziale Wirtschaftsordnung durchgesetzt haben, Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack, übten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf meinen Vater aus. Vielleicht kommt das am besten in dem Bilderrahmen zum Ausdruck, der seit vielen, vielen Jahren im Arbeitszimmer meines Vaters hängt, und der ein Foto links von Erhard und rechts von Müller-Armack zeigt.

An Prof. Müller-Armack kann ich mich noch gut erinnern. Er war nicht nur häufiger Gast bei uns in Rodenkirchen, nachdem mein Vater 1971 zurück nach Köln berufen wurde, sondern man traf sich auch am Wochenende häufiger in der Eifel. Meine Großmutter lebte dort und Müller-Armacks hatten bei Bad Münstereifel ein Wochenendhaus. Nach dem sonntäglichen Kirchgang traf man sich im Café am Rathaus.

Nach der Habilitation hatte mein Vater im Wintersemester 1963/64 eine Vertretungsprofessur in Freiburg. Dort lernte er Friedrich August von Hayek kennen, der ihn jede Woche einmal zum Abendessen in die Zirbelstube des Falken einlud. Hayek öffnete den Blick für die grundsätzlichen Fragen der Verfassung einer freiheitlichen Gesellschaft und die Zusammenhänge von Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Er hat auf die Gefahren des immer zunehmenden Interventionismus, der am Ende in der Planwirtschaft und der Diktatur enden kann, hingewiesen. Hayek hat zudem die Notwendigkeit der Evolution von Regeln und das Erfordernis eines Wettbewerbs der Institutionen gezeigt.

Die in Freiburg begründete Freundschaft mit Hayek brachte meinen Vater auch zur Mont Pèlerin Society (MPS). 1968 nahm mein Vater das erste Mal an einer MPS-Tagung in Schottland teil. Die Tagungen der MPS waren für viele Jahre ein ganz wichtiger Treffpunkt. Hier hat er Milton Friedman, James Buchanan, Gary Becker, Ronald Coase, Ralph Harris und andere kennengelernt. 1982 hat mein Vater dann die Jahrestagung der MPS in Berlin organisiert. Berlin war damals noch eine geteilte Stadt und die Kongressteilnehmer konnten den realen Sozialismus jenseits der Mauer in Augenschein nehmen. Wer hätte damals gedacht, dass Deutschland wenige Jahre später in Freiheit wiedervereinigt würde? Ein Höhepunkt der Karriere meines Vaters war es dann, dass er von 2000 bis 2002 Präsident der Mont Pèlerin Society war.

Was die MPS für meinen Vater im internationalen Bereich war, war die Ludwig-Erhard-Stiftung im deutschen Rahmen: ein wichtiges Austauschforum. Jahrzehntelang war mein Vater stellvertretender Vorsitzender. Wenn Vater zur Ludwig-Erhard-Stiftung nach Bonn fuhr, so haben wir Kinder immer gespürt: Das ist wichtig, das bedeutete ihm etwas. Es freut ihn, dass sich die Ludwig-Erhard-Stiftung auch nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand so positiv entwickelt. Mit den Berlinern, Bonnern und Frankfurtern Gesprächen, mit den Seminaren für Schüler und andere, mit dem Preis für Wirtschaftspublizistik, der Medaille und den vielen Publikationen ist die Ludwig-Erhard-Stiftung eine Festung der Ordnungspolitik. Sie mahnt immer wieder die Bedeutung der Prinzipien der Freiheit und Verantwortung in der Sozialen Marktwirtschaft an, die im Tagesgeschäft der Politik so leicht untergehen. Die klare ordnungspolitische Orientierung ist für Deutschland und Europa gleichermaßen wichtig.

Die Ludwig-Erhard-Stiftung steht für die Ideen, die meinen Vater seit seinen Studienjahren bewegt und begeistert haben. Es ist deshalb für ihn eine große Auszeichnung und Ehre, dass sein berufliches Wirken durch die Ehrenmitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung ausgezeichnet wird. Hierfür möchte ich stellvertretend noch einmal allen Mitgliedern der Stiftung von ganzem Herzen danken.

Hier geht es zur Dokumentation der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Prof. Dr. Christian Watrin und Hans D. Barbier am 8. Dezember 2016 im Hotel Königshof in Bonn.

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