So viel Wandel war nie – die damals so schwierig wahrgenommenen Monate der Finanzkrise erscheinen unter dem schwarzen Stern Corona wie eine Fingerübung. Ein Land steht weitgehend still. Die Innenstädte sind leer, die betriebsamen Flughäfen verwaist, die Autobahnen staufrei.

An die Stelle der Marktwirtschaft ist der Staat getreten, der Einkommen sichert und Unternehmen mit Liquidität versorgt, die sie zum Überleben aus eigener Kraft nicht mehr erwirtschaften können. Noch schwerer hat die Krise Italien und Spanien getroffen; es ist ein beglückendes Zeichen der europäischen Solidarität, wenn Patienten aus den überforderten Spitälern unserer Freundesländer nach Deutschland geflogen werden und hier medizinisch behandelt werden – dazu kommt die notwendige wirtschaftliche Unterstützung.

Für viele Bürger sind die wirtschaftlichen Folgen der Krise noch nicht spürbar. Es ist eine Krise ohne Mangel, in den Supermärkten konnten die Regale schneller aufgefüllt werden als sie durch ängstliche Hamsterkäufe geleert wurden. Es gibt nach wie vor alles, was das Herz begehrt; nur Erdbeeren und Spargel notieren etwas teurer, und nach Toilettenpapier muss man manchmal etwas suchen. So lässt sich eine Krise aushalten, könnte man spotten. Aber der Wohlstand für alle ist gefährdet.

Die Bundesregierung handelt wirtschaftspolitisch schnell und entschieden. Mit Kurzarbeitergeld für derzeit fast 800.000 Beschäftigte konnte Arbeitslosigkeit an vielen Stellen vermieden werden, Selbsttätige und Freiberufler erhielten meist schnell und erstaunlich unbürokratisch Mittel zur Überbrückung. Kann so eine Krise wettgemacht werden – eine Krise, in der Angebot und Nachfrage gleichermaßen reduziert werden? Die Zahlen machen schwindelig: Direkte Finanzhilfen, Bürgschaften, Währungspolitik und Staatsverschuldung addieren sich zu gewaltigen Belastungen für die Zukunft.

Aber es geht um mehr. Auch wenn die Einschränkungen aus Gründen der Gesundheitsvorsorge noch aufrechterhalten werden – sie müssen eher früher als später beendet werden. Damit aber stellen sich Fragen, die insbesondere die Arbeit der Ludwig-Erhard-Stiftung berühren: Wie können wir den Wohlstand für alle auch nach der Krise sicherstellen?

Chance der Krise im Sinne Ludwig Erhards nutzen!

Finanzpolitische Zahlen sind einer der Indikatoren. Glauben wir, dass wir mit den vielen zusätzlichen Nullen in den Haushaltsdefiziten von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen wirklich einfach so weiter machen können wie vorher; dass nachholendes Wachstum im Konsum, bei den Einkommen, dem dahinschmelzenden Privatvermögen und Steueraufkommen binnen kürzester Zeit die Lücken wieder auffüllt, die die Krise gerissen hat? Oder sollte man diese Phase der Stagnation und erzwungenen Denkpause nicht auch dazu nutzen, lieb gewordene, aber teure Maßnahmen auf den Prüfstand zu stellen? Welche sind das?

Ludwig Erhard hat mit seinen Reformen 1948 eine ungeheure Dynamik in Gang gesetzt, die Vielen als Wirtschaftswunder erschien und doch eine Antwort auf die Freiräume, das Zukunftsvertrauen und die Stabilität war, die Erhard personifizierte und mit kluger Politik vorwärtsgetrieben hat. Was sind Antworten im Sinne Erhards auf die derzeitige Krise?

Viele Gegner der Marktwirtschaft sehen ihre Chance gekommen, sein Werk gewissermaßen zurückzudrehen. Der Staat soll dirigieren, die Steuern sollen steigen, die Vermögen konfisziert, die Marktmechanismen ausgeschaltet werden. Manche übertünchen ihre alten, roten Forderungen nach mehr Staat und weniger Freiheit und Marktwirtschaft mit grüner Farbe. Aber nicht um Nachhaltigkeit geht es, sondern um Dirigismus. Der aber würde die Regenerationskräfte der Wirtschaft lähmen, die wir jetzt so dringend brauchen.

Wohlstand ist nur eine Seite der Medaille. Bürger verlieren schnell das Vertrauen in Institutionen, wenn die Not regiert; Radikalisierung erschwert Reformen, die manchmal Geduld erfordern. In jeder Krise liegt auch eine Chance. Wir können sie verspielen – oder nutzen.

Wir möchten mit Ihnen diese Fragen diskutieren. In den kommenden Tagen und Wochen werden wir Überlegungen und Papiere aus unserem Kreis veröffentlichen, wie die wirtschaftlichen Folgen der Krise bewältigt werden können. Die Stiftung meldet sich jetzt zu Wort, denn jetzt wird unser gemeinsames Wissen gebraucht.

Roland Tichy ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.

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