Der Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik wurde in diesem Jahr an Zanny Minton Beddoes, Chefredakteurin der Zeitschrift „The Economist“, und Dr. Peter Rásonyi, Leiter der Auslandsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung, verliehen. Die Förderpreise erhielten Patricius Mayer, Redakteur des Bayerischen Rundfunks, Daniel Sprenger, freier Journalist, sowie Christian Wermke, Redakteur des Handelsblatts.

Guter Journalismus ist zu allen Zeiten wichtig. Heutzutage aber ist diese „vierte Gewalt“ mehr denn je systemrelevant. Wir leben in der besten aller Welten – mit Demokratie, Freiheit und Sozialer Marktwirtschaft. Doch die Grundlagen dieser liberalen Welt erodieren. Denn es sind Zeiten der Fake News. Journalisten werden als „Lückenpresse“ und als „Volksverräter“ diffamiert. Und umgekehrt suchen manche Kollegen bei ihrer Arbeit gar nicht mehr nach der Wahrheit, sondern biegen diese nach eigenem ideologischen Gusto zurecht.

Mit den Ludwig-Erhard-Preisen für Wirtschaftspublizistik ehrt die Stiftung in diesem Jahr herausragende Journalisten, die mit ihrer Arbeit, ihren Beiträgen, ihren Argumenten dafür kämpfen, dass die liberale Gesellschaft eine Zukunft hat – in Deutschland, in Europa und in der ganzen westlichen Welt.

Zanny Minton Beddoes geht als Chefredakteurin des „Economist“ in diesem Kampf oft originelle Wege. Seit 175 Jahren steht das britische Wirtschaftsmagazin für klugen, unbestechlichen Wirtschaftsjournalismus. Für Ökonomen in aller Welt – aber keineswegs nur für sie – stellt der Economist eine wöchentlich erscheinende Bibel dar.

Vor wenigen Wochen präsentierte Beddoes mit ihrer Mannschaft eine ganz besondere Titelstory: ein Manifest zur Erneuerung des Liberalismus. Viele Menschen weltweit hat das Werk elektrisiert. „Liberale sollten den heutigen Herausforderungen mit Mut gegenübertreten. Wenn sie gewinnen, geschieht dies, weil ihre Ideen besser als alles andere geeignet sind, Freiheit und Wohlstand zu verbreiten.“

Der Optimismus, der sich in diesem Leitartikel ausdrückt, kommt wohltuend offensiv daher. Ob Rechtspopulisten, Kapitalismus- und Globalisierungsgegner, ob Trumps Eskapaden oder Chinas beängstigend erfolgreiche Diktatur – Liberalismus kann mehr als alle alternativen Wirtschafts- und Politikmodelle. Aber nicht, und das ist die wichtige Botschaft von Zanny Minton Beddoes, wenn der Liberalismus bloß bequeme „Status quo-Bewahrung“ ist. Und nicht, wenn die Früchte des wirtschaftlichen Erfolges nicht am Ende allen in der Gesellschaft zugutekommen.

Ein zukunftsfähiger Liberalismus, so wie Beddoes ihn versteht, braucht eine Balance zwischen Wirtschaft und Staat, wo der Staat den Ordnungsrahmen setzt und Regeln überwacht und durchsetzt, aber nicht als aktiver Mitspieler agiert. Genauso hat das auch Ludwig Erhard immer propagiert. Neue Antworten hält Beddoes auch auf anderen Politikfeldern für unabdingbar; besonders die Migrationspolitik, die Verteidigungsfähigkeit und der Sozialstaat müssen an die neuen Herausforderungen angepasst werden. Das ist wahrlich ein Manifest, das es in sich hat.

Ein guter Ökonom ist niemals nur Ökonom. Das gilt auch für Beddoes, die neben wirtschaftlichen Fragen stets auch gesellschaftliche Entwicklungen und politische Strömungen im Blick hat. Zu Beginn ihrer Karriere hat die Britin zunächst Polens Finanzminister beraten, später dann beim Internationalen Währungsfonds gearbeitet – bis sie zum Economist kam, für den sie zehn Jahre in den USA war. Seit mehr als drei Jahren steht die Journalistin nun an der Spitze des Medienhauses und treibt dort die Digitalisierung mit großem Tempo und mit Erfolg voran.

Der Economist dürfe nicht der Grandpa in der Disco sein, hatte Beddoes als Devise ausgegeben. Und ein Großvater ist der Economist in der Tat nur seinem Alter nach. Das Magazin ist altehrwürdig und modern zugleich. Denn Beddoes bewahrt die Stärken des Printmediums, agiert aber gleichzeitig höchst erfolgreich mit E-Paper und Social-Media. Das ist eine beeindruckende Leistung: Neben der klugen ökonomischen Analyse – die der Economist Woche für Woche leistet – gelingt Zanny Minton Beddoes auch der betriebswirtschaftliche Aufschwung. Ludwig Erhard hätte das sehr gefallen.

Peter Rásonyi, der heute ebenfalls mit dem Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik geehrt werden soll, leitet seit drei Jahren das Ressort International der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Dieses Blatt erschien übrigens 1780 zum ersten Mal, also in den Jahren zwischen der amerikanischen Unabhängigkeit und der Französischen Revolution, also in einer Zeit, als das Fundament des Westens gelegt, genauer: erkämpft wurde. Das passt.

Die Zeitung strahlt weit über die Landesgrenzen der Schweiz hinaus. Sie ist ein Leitmedium für das Bürgertum im gesamten deutschsprachigen Raum – und darüber hinaus. Die NZZ steht nach eigenem Bekunden für eine „freisinnig-demokratische Ausrichtung“ – eine Grundhaltung, die Peter Rásonyi mit seinen Artikeln par excellence verkörpert. Und diese Haltung – freisinnig und demokratisch – ist in diesen aufgeregt bis hysterischen Zeiten so wohltuend und so unverzichtbar.

Als Auslandschef hat man einen weiten Horizont. Man muss so viel gleichzeitig im Blick behalten, die Welt ist riesengroß und sie dreht sich immer schneller. Peter Rásonyi hat diesen nötigen Weitblick, der das gesamte Weltgeschehen souverän umfasst. Sein besonderes Interesse aber gilt Großbritannien und Deutschland. In beiden Ländern war der Schweizer jeweils für mehrere Jahre stationiert und hat vor Ort über Wirtschaft und Politik berichtet. Wenn der Auslandschef der NZZ heute aus Zürich das politische Wirrwarr in Berlin kommentiert, dann fühlt man sich als Deutscher immer wieder regelrecht ertappt.

Denn Rásonyi besitzt nicht nur eine große Sachkenntnis der bundesdeutschen Verhältnisse. Er hat zudem die Fähigkeit, die Prozesse aus der Vogelperspektive zu betrachten. Während wir deutschen Journalisten oft vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen oder – noch schlimmer – mal wieder missionarisch unterwegs sind, trifft der Schweizer Kollege mühelos ins Schwarze.

Mit Kopfschütteln beobachtet Rásonyi die Große Koalition, wie sie permanent die Belastbarkeit der deutschen Wirtschaft testet. „Und das in einer Zeit, in der die ganze Welt von den Herausforderungen der Digitalisierung spricht, Chinas Diktatur die weltweite Expansion der wirtschaftlichen Interessensphäre so aggressiv wie nie vorantreibt und ein amerikanischer Präsident unter dem Slogan ‚America first‘ die Interessen der heimischen Wirtschaft vor alles andere stellt.“ Und Kopfschütteln auch, wenn in Hamburg beim G-20-Gipfel linksradikale Chaoten aus dem In- und Ausland ganze Stadtviertel verwüsten und Polizisten verletzen – und Politik und Teile des Bürgertums so tun, als handele es sich nur um Dumme-Jungen-Streiche von Menschen mit sehr hehren Absichten.

Peter Rásonyi kennt die Deutschen gut und er bringt ihnen Sympathie entgegen, so meine ich jedenfalls zwischen seinen Zeilen gelesen zu haben. Doch nicht immer kann er die Deutschen verstehen. Wie auch? Es braucht manchmal diesen unbestechlichen Blick von außen, um selbst zu erkennen, wie merkwürdig man inzwischen geworden ist.

Neben den beiden Hauptpreisträgern gibt es auch in diesem Jahr wieder drei Nachwuchspreisträger. Denn Ludwig Erhard wusste, dass seine Idee der Sozialen Marktwirtschaft – die in Wirklichkeit, wie wir alle wissen, letztlich ein Plädoyer für eine möglichst liberale Marktwirtschaft war – gerade in der jungen Generation immer wieder neue Mitstreiter braucht.

Guter Wirtschaftsjournalismus ist zeitaufwendig. Und in vielen Redaktionen bleibt bei permanentem Kostendruck immer weniger Freiraum zum Recherchieren. Doch Patricius Mayer, Daniel Sprenger und Christian Wermke zeigen mit ihren eingereichten Beiträgen, dass es auch hier Grund zum Optimismus gibt und guter Journalismus durchaus eine Zukunft hat. So unterschiedlich die Arbeiten der drei jungen Journalisten sind, so zeichnen sich doch alle dadurch aus, dass sie komplexe Wirtschaftsthemen sachlich fundiert und kritisch beleuchten.

Der Fernsehreporter Daniel Sprenger beschäftigt sich mit Umweltthemen – und hat dafür das Format der Realsatire gewählt. In kurzen Fernsehbeiträgen für das NDR-Magazin „Extra 3“ schildert der Journalist lauter Schildbürgerstreiche, die sich um ökologische Themen drehen. Da erleben Hamburgs Elektro-Autofahrer böse Überraschungen mit der Polizei, wenn sie versuchen, eine freie Ladestation zu ergattern. Offenbar müssen die Ordnungshüter die üppigen Subventionen, die die E-Autobesitzer bekommen, an anderer Stelle wieder reinholen. Bremen wiederum lässt den fleißig gesammelten Bio-Müll per Lkw quer durch die Republik fahren – weil das beauftragte Entsorgungsunternehmen so kostengünstig ist. Dafür ist allerdings die Umweltbilanz der Maßnahme verheerend. Der Zuschauer wird bei Sprenger köstlich unterhalten – und lernt nebenbei: Nicht alles, was sich „öko“ nennt, ist logisch.

Patricius Mayer arbeitet beim Bayerischen Rundfunk. In seinem Fernsehbeitrag „Gefährliche Medikamente“ bringt Mayer Licht in ein Thema, das zwar alle Menschen angeht, über das die meisten aber dennoch wenig wissen. Mayer hat intensiv recherchiert, unter welchen Bedingungen international agierende Pharmafirmen Medikamente herstellen. In Entwicklungsländern gibt es eklatante Sicherheitslücken. Überdies gelangen immer wieder Fälschungen in den Handel. Und deutsche und europäische Ermittlungsbehörden agieren hilflos. Ein wahrlich brisantes, ja gruseliges Thema, an dem Mayer hoffentlich dranbleibt.

Der dritte Nachwuchspreisträger ist Christian Wermke, Redakteur beim Handelsblatt. Er hat sich das Brüsseler Lobbyisten-Treiben vorgenommen. 35.000 Lobbyisten arbeiten in der EU-Hauptstadt. Das ist zwar völlig legal. Nur ist das Netz höchst intransparent. Auch agieren manche Verbands- und Unternehmensvertreter in einem Graubereich, wie Wermke in seinem fundierten Bericht aufzeigt. Auf nationaler Ebene gibt es nicht nur mehr Medien, sondern auch eine Opposition, die die Lobbyisten in Schach halten. Die Strukturen in der EU sind dagegen ein Nährboden für die Interessenvertreter – während die Bürger sehr, sehr weit weg sind. Und dieses Ungleichgewicht stimmt bedenklich. Wermkes Artikel macht einmal mehr deutlich, wie unverzichtbar kritischer Journalismus ist, um Dinge zu verbessern – auch in der besten aller Welten.

Dr. Dorothea Siems, Chefkorrespondentin für Wirtschaftspolitik „Die Welt“, ist Mitglied der Jury des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik.

Hier geht es zur Dokumentation der Preisverleihung mit den Redebeiträgen und Fotos.

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