Ein Gespenst geht um: das Gespenst der digitalen Revolution. Für die einen ist es eine Verheißung, anderen erscheint es als Bedrohung, als Gefahr für Arbeitsplätze.

Jüngst hat ein Bericht des Weltwirtschaftsforums viel Aufsehen erregt. Innerhalb der nächsten fünf Jahre könnten in den Industrieländern mehr als 5 Millionen Arbeitsplätze netto verloren gehen, ergab die Umfrage unter 371 Managern von großen Konzernen, die nach den Rationalisierungspotenzialen sowie Einstellungsperspektiven durch die „4. Industrielle Revolution“ gefragt wurden. Zwei Drittel der insgesamt 7 Millionen Arbeitsplätze, die wahrscheinlich abgebaut und durch immer leistungsfähigere Computer ersetzt werden, sind demnach „routine white collar office functions“, also einfache bis mittlere Bürotätigkeiten. Auf der anderen Seite werden bis zu 2 Millionen neue Jobs erwartet, vor allem in den Bereichen IT und Computer sowie in Ingenieursberufen.1World Economic Forum, The Future of Jobs (Bericht vom Januar 2016).

Veränderungen in der Arbeitswelt durch Computer

Die kommende Industrielle Revolution steht aber erst noch am Anfang. In fünf Jahren hat sie schon mehr Fahrt aufgenommen, doch die volle Dynamik und Wucht dieser Umwälzung unserer zunehmend digitalen Wirtschafts- und Arbeitswelt wird erst in den nächsten Jahrzehnten vollends sichtbar werden. Erst dann wird das Ausmaß der Veränderungen durch den Einsatz immer intelligenterer Roboter, selbststeuernder Fahrzeuge und ungeheuer leistungs- und lernfähiger Computersysteme erkennbar. Die Schätzung über Arbeitsplatzverluste und -gewinne über die nächsten fünf Jahre greift also viel zu kurz. Was wird mittel- und langfristig sein? Aussagen über die Zukunft sind gerade in dieser Frage mit höchster Unsicherheit belastet. Aber es fällt auf, dass mehr und mehr Fachleute nicht gerade zu optimistischen Prognosen kommen.

Wenn selbst die altehrwürdige britische Zentralbank den möglichen Verlust von mehreren Millionen Arbeitsplätzen in Großbritannien vorrechnet, dann sollte man hellhörig werden. Chefvolkswirt Andy Haldane hat jüngst in einer Rede2 Andy Haldane, Labour‘s Share (Rede beim Trades Union Congress, 12. November 2015). davor gewarnt, dass beim kommenden „Wettlauf mit den Maschinen“ bis zu 15 Millionen Arbeitsplätze gefährdet sein könnten – fast die Hälfte aller Beschäftigungsverhältnisse auf der Insel. Immer leistungsfähigere Roboter und Computer bedrohten nicht nur die Jobs einfacher Arbeiter, sondern zunehmend vor allem Stellen in Büros mit mittlerem Qualifikationsniveau. Der Arbeitsmarkt werde „ausgehöhlt“, sagte Haldane. Der „verbleibende Raum für einzigartig menschliche Fähigkeiten könnte weiter schrumpfen“, so der Vordenker der Bank of England. Außerdem könnte die Kluft zwischen der ärmeren Bevölkerungsschicht und den Reichen im kommenden Roboter-Zeitalter noch größer werden.

Schon vor zwei Jahren hat eine Studie zweier Wissenschaftler der Universität Oxford international Aufsehen erregt. Carl Benedikt Frey und Michael Osborne hatten 700 Berufsprofile in den Vereinigten Staaten untersucht, welche von ihnen in den kommenden zwei Jahrzehnten durch den Einsatz neuer Maschinentechnologien potenziell ersetzt werden könnten.3 Carl Benedict Frey/Michael A. Osborne, The future of employment: how susceptible are jobs to com-puterization, 2013. Ergebnis: Fast die Hälfte könnte verschwinden. Früher waren dies vor allem repetitive Routinejobs, etwa der Fließbandarbeiter, dessen Handgriffe nun ein Roboter viel präziser erledigt.

Ein Beispiel dafür, wie stark der Robotereinsatz in den Fabriken noch gesteigert werden kann, bietet Japans Autoindustrie: In den hoch-automatisierten Autofabriken der Japaner sind Roboter bis zu dreißig Tage im Monat rund um die Uhr im Einsatz. Laut Boston Consulting Group kommen weltweit im Durchschnitt auf 10.000 Arbeiter in Fabriken nur 66 Roboter, in japanischen Autofabriken sind es dagegen mehr als zwanzig Mal so viele, nämlich 1.520 Roboter.4Bank of America Merrill Lynch, Robot Revolution – Global Robot & AI primer, Seite 6.

Nicht nur die Produktion, auch die Büros werden revolutioniert. Klassische einfache Sekretariatsdienste sind mit dem Einzug der Computer seit den 1970er Jahren verdrängt worden. In Lagern, in der Logistik und im Vertrieb sowie in Küchen werden künftig immer mehr Roboter eingesetzt werden. Selbstfahrende Autos, wie sie Google erprobt, und Drohnen transportieren vielleicht in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren einen wachsenden Anteil aller Güter von Online-Händlern wie Amazon direkt zu den Kunden; der klassische stationäre Einzelhandel schrumpft drastisch.

Arbeitsplatzverluste auch bei anspruchsvollen Jobs

Zunehmend sind auch anspruchsvollere Arbeitsplätze gefährdet. Auch im Verkauf, in der Buchhaltung und Steuerberatung bis hin zu Banken und Versicherungen werden Computer und Maschinen viel menschliche Arbeit übernehmen. Die Preise für Roboter und Computer fallen stark, ihre Einsatzmöglichkeiten steigen. Statt eines klassischen Bankberaters errechnet künftig vielleicht ein Computer selbständig, ob einem Kunden ein Kredit gegeben wird oder was die beste Versicherung oder Anlage sein könnte. Und selbst in der Medizin könnten Supercomputer wie IBMs Watson bald schon bessere Diagnosen stellen als der klassische Arzt. Schon jetzt gibt es mehr als 570.000 „roboter-gestützte“ chirurgische Operationen im Jahr.5Vgl. ebenda.

Roboter werden immer leistungsfähiger, cleverer und günstiger, erwarten die MIT-Forscher Eric Brynjolfsson und Andrew McAfee, die Autoren der Bücher „Race against the Machine“ (2012) und „The Second Machine Age“ (2014). Die immer intelligenteren Roboter könnten bald in vielen Bereichen deutlich besser sein als klassische menschliche Arbeitskraft. Die Menschen drohten, „den Wettlauf gegen die Maschine zu verlieren“. Der Arbeitsforscher Richard Freeman von der Harvard-Universität sagt es schnörkellos: „Sobald Roboter und Computer etwas billiger erledigen können, nehmen sie den Menschen die Jobs ab – außer diese sind bereit, weniger Lohn zu akzeptieren.“

Auf Deutschland übertragen könnten bis zu 17 Millionen bisherige Arbeitsstellen durch die digitale Revolution in den nächsten zwanzig Jahren überflüssig werden, hat die Unternehmensberatung A.T. Kearney jüngst errechnet.6Allerdings gibt sich die Unternehmensberatung optimistisch, dass ein offensives Herangehen an die Umwälzung der Wirtschaft durch die Digitalisierung mehr Chancen als Gefahren bringe; A.T. Kearney, Pressemitteilung vom 3. Dezember 2015. Besonders gefährdet seien Büro- und Sekretariatskräfte, Verkäufer, Restaurant- und Küchenkräfte, Postzusteller sowie viele kaufmännische Berufe. Nur in den sozialen Berufen, etwa in der Kranken- und Altenpflege, bei der Kinderbetreuung und in Schulen sowie in einigen industrienahen Dienstleistungsbranchen wie Kfz-Werkstätten werden auch künftig sicher viele menschliche Kräfte gebraucht.

Technischer Fortschritt hat schon immer auch Chancen eröffnet

Droht aber wirklich eine Zukunft, in der Maschinen massenhaft den Menschen die Arbeit wegnehmen? Solche Ängste gab es schon seit Beginn des industriellen Zeitalters im späten 18. Jahrhundert. Vor 200 Jahren kam es in England zu Aufständen von „Maschinenstürmern“. Die sogenannten Ludditen – nach dem legendären Vorbild Ned Ludd, der in einem Wutanfall zwei Strickmaschinen zerstört hatte – waren verarmte Spinner und Handweber. Sie drangen in die neuen Textilfabriken ein und setzten die maschinellen Webstühle in Brand, die ihnen die Lebensgrundlage nahmen. Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen. Auch in der Landwirtschaft kam es später zu gewaltsamen Protesten von Helfern, die durch Dreschmaschinen ersetzt wurden. In den 1840er Jahren wurde Schlesien von den tragischen Weber-Aufständen erschüttert.

Jede neue Welle von Innovationen hat bisherige Arbeitsplätze verdrängt – und neue geschaffen. Einer der ersten Ökonomen, die sich systematisch mit den Konsequenzen auseinandersetzte, war David Ricardo. 1821 fügte er in die dritte Auflage seines Buchs „Principles of Political Economy“ ein Kapitel „On Machinery“ ein, der eine Wende zum Pessimismus zeigte.7Früher habe er gedacht, dass der Einsatz von neuen Maschinen allen nütze: den Grundbesitzern, den Kapitalisten und den Arbeitern, schrieb Ricardo. Inzwischen aber glaube er, dass die Mechanisierung “oft sehr schädlich für die Interessen der Klasse der Arbeiter” seien, weil deren Einkommen sänken. Allerdings sprach sich Ricardo gegen alle Versuche aus, den Einsatz von Maschinen durch staatliche Eingriffe bremsen oder verhindern zu wollen, denn das würde es noch schlimmer machen, weil dann Arbeitslosigkeit drohe. Immerhin müsste es für jede neue Maschine auch Arbeitskräfte geben, die sie bedienen, warten oder entwickeln. Vgl. David Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, Chapter 31: On Machinery, 1821.

Sowohl John Stuart Mill als auch Karl Marx waren sich – eher ungewöhnlich – in dieser Frage einig, dass der technische Fortschritt zwar kurzfristig einigen Arbeitern schaden werde, aber auf längere Frist der Wohlstand wachse. Keynes warnte vor einer „technischen Arbeitslosigkeit“, aber auch er sah sie nur als ein Übergangsphänomen. Denn auf die Dauer hat sich nicht bewahrheitet, dass die neue Industriewelt keine Arbeitsplätze und Chancen mehr bietet – im Gegenteil.

Durch steigende Produktivität nimmt mit der Zeit der Wohlstand auch in der Breite der Bevölkerung zu. Der Einsatz moderner Maschinen verbilligte die Produktion, die Preise fielen, und damit konnte auch die Nachfrage zunehmen. Statt der alten Berufe in Landwirtschaft und Handwerk, die überflüssig geworden waren, bildeten sich neue Industrieberufe heraus.

Nun stehen wir an der Schwelle in ein neues Zeitalter, das einen Großteil der klassischen Berufe der Industriezeit auflösen wird. Optimisten wie der Bonner Makroökonom und Wirtschaftshistoriker Moritz Schularick sagen, dass durch den technischen Fortschritt zwar alte Jobs wegfallen, dafür aber völlig neue Möglichkeiten und mehr Wohlstand entsteht, der letztlich auch neue Jobs schaffen werde.8Vgl. Interview mit Moritz Schularick, “Die Auswertung von Big Data ist revolutionär”, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. August 2015.

Wenn künftig Computer die bisherigen Bürotätigkeiten erledigen oder Roboter die Fabriken selbständig koordinierend am Laufen halten, dann werden mehr Arbeitskräfte frei werden, um sich kreativen oder sozialen Tätigkeiten zuzuwenden. Hier sei der Mensch doch unschlagbar, sagen die Optimisten. Außerdem hat der MIT-Arbeitsforscher David Autor beim Wandel in der Bankbranche herausgefunden, dass zwar viele Tätigkeiten wie etwa der klassische Kassierer durch Geldautomaten wegrationalisiert wurden, doch insgesamt die Zahl der Bankangestellten trotzdem gestiegen ist.9Vgl. David H. Autor, Why Are There Still So Many Jobs? The History and Future of Workplace Automation, Journal of Economic Perspectives 2015.

Zweifel am positiven Beschäftigungssaldo

Allerdings gibt es auch Skeptiker, die angesichts des rasanten Fortschritts der Maschinen meinen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Menschen vielleicht nicht mehr mitkommt. Harvard-Ökonom Larry Summers meint, dass in mehr Branchen Arbeitsplätze abgebaut werden als neue entstehen. Der Silicon-Valley-Software-Unternehmer und Autor Martin Fort warnt in seinem spekulativen Buch „The Rise of the Robots“ sogar vor unausweichlicher Massenarbeitslosigkeit.10Das Buch ist sehr spekulativ. Ford bedient sich beispielsweise auch der Vision von winzig kleinen “Nano-Robotern”, die in molekularen Fabriken arbeiten. Seriöse Wissenschaftler halten das für eine unrealistische Science-Fiction-Phantasie. Brynjolffson und McAfee halten einen kräftigen Anstieg der Arbeitslosigkeit zumindest als Übergangsphänomen für unvermeidlich.

Es gebe einen spürbaren Stimmungswandel unter den Ökonomen, sagt der Arbeitsmarktforscher Nick Bloom von der Stanford-Universität.11Vgl. Norbert Häring, Angst 4.0, Handelsblatt, 26. November 2015. Früher waren die meisten zuversichtlich, dass technologischer Wandel stets mehr Wohlstand bringe, doch nun kröche der Zweifel hoch, ob genügend Arbeitsnachfrage entstehen würde.

Eine Umfrage des Pew Research unter Industrieexperten hat etwa gleich große Lager von Pessimisten und Optimisten ergeben: 48 Prozent meinen, dass der Aufstieg der Roboter zu mehr Arbeitslosigkeit und steigender Ungleichheit bis hin zu „Zusammenbrüchen der gesellschaftlichen Ordnung führe“. 52 Prozent hingegen meinten, dass der menschliche Erfindungsgeist diese Probleme überwinden und neue Jobs und neue wirtschaftliche Chancen finden werde.12Die Umfrage wird erwähnt von Heather Stewart, Robot revolution: rise of ‘thinking’ machines could exacerbate inquality, The Guardian, 5. November 2015.

Auch der MIT-Ökonom David Autor warnt vor einem „Aushöhlen“ des Arbeitsmarktes, das zunehmend Mittelklasse-Jobs gefährde. Zwar ist es richtig, dass in den IT-Zukunftsbranchen neue hochbezahlte Jobs entstehen. Doch einige blitzschnell aufgestiegene Silicon-Valley-Startups wie der Fotodienst Instagram beschäftigten nur wenig mehr als ein Dutzend Mitarbeiter, als sie schon als Milliarden-Unternehmen gehandelt wurden, während der zeitgleich insolvent gegangene traditionsreiche Kodak-Fotokonzern zu Hochzeiten fast 150.000 Arbeitsplätze bot.13Dieses Beispiel führt Brynjolffson an. Wenn von den vielen neuen Jobs in der IT-Branche und speziell im Silicon Valley die Rede ist, sollte man die volkswirtschaftlichen Proportionen im Hinterkopf haben. Bislang macht die IT-Branche nur etwa 3 Prozent des BIP der Vereinigten Staaten aus. Trotz der enormen technischen Fortschritte ist das Produktivitätswachstum in den vergangenen Jahren erstaunlich schwach gewesen. Allerdings gibt es Fragen, ob die Statistiken diese Fortschritte heute noch richtig erfassen. Vgl. dazu Philip Plickert, Die mühsame IT-Revolution, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. August 2015. Brynjolffson spricht von einer kommenden „labor-light economy“, einer Wirtschaft mit nur wenigen Beschäftigten.

Keynes skizzierte im Jahr 1930 – als bewussten Kontrapunkt zur rezessionsgedrückten Stimmung – eine optimistische Zukunftsvision in seinem Aufsatz „Economic possibilities of our grandchildren“: In hundert Jahren, schrieb Keynes, also etwa 2030, würden Maschinen so viel Arbeit erledigen, dass die Menschen ihre wöchentliche Arbeitszeit auf 15 Stunden reduzieren könnten – der Rest sei Freizeit und Vergnügen.14Vgl. John Maynard Keynes, Economic Possibilities for our Grandchildren, 1930. Keynes‘ Prognose war stark übertrieben. Andy Haldane weist darauf hin, dass die Arbeitszeit zwar gefallen ist, doch bei weitem nicht so stark wie von Keynes erwartet: Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit sank von etwa 50 Stunden in den dreißiger Jahren auf heute etwa 30 Stunden (Teilzeitarbeitskräfte mit eingerechnet). Das Anwachsen einer “leisure class”, von der Keynes sprach, kann man überhaupt nicht beobachten, vielmehr sind die Beschäftigungsquoten seit einigen Jahrzehnten gestiegen, besonders auch durch eine größere Arbeitsmarktpartizipation der Frauen.

Die Ungleichheit bei den Einkommen könnte größer werden

Doch die Frage bleibt, wie dann all jene ihren Lebensunterhalt finanzieren, die nicht Besitzer von Robotern sind. Autor Martin Ford und andere fordern daher ein staatlich finanziertes Grundeinkommen für alle. In Deutschland gibt es eine Bewegung, ausgehend vom Gründer der dm-Drogeriemarktkette Götz Werner, die ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ von 1.000 Euro für jeden verlangt.15 Ursprünglich war dies einmal eine Idee des liberalen Ökonomen Milton Friedman, der eine “negative Einkommenssteuer” für Arme forderte, also den Ersatz sämtlicher Sozialleistungen durch eine einzige vom Staat ausgezahlte Summe – die dann eben ein Grundeinkommen darstellt. In der Praxis wurde diese Idee ansatzweise in den Vereinigten Staaten als “Earned Income Tax Credit” umgesetzt. Wer zu wenig verdient, bekommt eine “negative Einkommensteuer”-Summe ausgezahlt. Die Hoffnung, durch diese sämtliche Sozialleistungen zu vereinheitlichen, hat sich aber nicht erfüllt. Allerdings gibt es grundsätzliche Einwände gegen ein solches bedingungsloses Grundeinkommen, etwa die problematische Anreizwirkung und die Frage der Finanzierbarkeit.

Die Einkommenskluft zwischen der unterbeschäftigten Masse und den wenigen Maschinenbesitzern könnte aber stark zunehmen, wenn die Renditen für die leistungsstarken, lernfähigen Roboter bei wenigen Maschinen-Kapitalisten und IT-Unternehmen blieben. Einige Ökonomen bringen als Gegenmittel, um eine zu starke Ungleichheit zu vermeiden, eine „Maschinen-Steuer“ ins Gespräch. Doch ist die praktische Umsetzung schwierig. Maschinen sind mobil und könnten in andere Länder verlagert werden, gerade im Zeitalter des Internets sind der Kommunikation und der vernetzten Produktion wenige Grenzen gesetzt. Und gerade Internet-Unternehmen wie Google sind als Meister im Verlagern von Gewinnen in Steueroasen bekannt geworden. Eine andere Forderung erhebt der Harvard-Ökonom Richard Freeman: Er wünscht sich, dass breitere Bevölkerungsschichten zu „Roboter-Besitzern“ werden – durch Aktienanteile an Technologie-Unternehmen.

Als zentrale Maßnahmen, um die Menschen auf das digitale Zeitalter vorzubereiten, empfehlen Ökonomen aber viel stärkere Bildungsanstrengungen. Auch viele Standardtätigkeiten in der Verwaltung werden bald nicht mehr gebraucht. Nur wenn die gesamte Bevölkerung deutlich besser ausgebildet ist, können die menschlichen Arbeitskräfte in der hochtechnologisierten Arbeitswelt bestehen. Auch hier mag die fortschreitende Technologie einige bestehende Grenzen und Kapazitätsprobleme der Bildungssysteme überwinden: Künftig könnte Tele-Lernen durch „Massive Open Online Courses“ an Bedeutung gewinnen.

Zu bedenken ist aber auch, dass die demografische Entwicklung, die geringe Geburtenzahl und die Überalterung, zu einer Schrumpfung des Erwerbspersonenpotenzials in den westlichen Gesellschaften führt: In Deutschland wird es dadurch bis zum Jahr 2040 nach der Vorausberechnung des Statistischen Bundesamtes etwa 7 bis 9 Millionen Menschen in Deutschland weniger geben, trotz der erwarteten Netto-Zuwanderung von bis zu 6,8 Millionen Menschen.16 Vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 20. Januar 2016. Da könnte man auch froh sein, dass künftig Maschinen mehr Aufgaben erledigen. Das Schrumpfen der Arbeitskräftenachfrage, wenn es denn so kommt, und das Schrumpfen der Erwerbsbevölkerung könnten auf wundersame Weise zusammenfallen.

Dr. Philip Plickert ist Wirtschaftsredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Lehrbeauftragter für VWL an der Universität Siegen.

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Fussnoten

  • 1
    World Economic Forum, The Future of Jobs (Bericht vom Januar 2016).
  • 2
  • 3
    Carl Benedict Frey/Michael A. Osborne, The future of employment: how susceptible are jobs to com-puterization, 2013.
  • 4
    Bank of America Merrill Lynch, Robot Revolution – Global Robot & AI primer, Seite 6.
  • 5
    Vgl. ebenda.
  • 6
    Allerdings gibt sich die Unternehmensberatung optimistisch, dass ein offensives Herangehen an die Umwälzung der Wirtschaft durch die Digitalisierung mehr Chancen als Gefahren bringe; A.T. Kearney, Pressemitteilung vom 3. Dezember 2015.
  • 7
    Früher habe er gedacht, dass der Einsatz von neuen Maschinen allen nütze: den Grundbesitzern, den Kapitalisten und den Arbeitern, schrieb Ricardo. Inzwischen aber glaube er, dass die Mechanisierung “oft sehr schädlich für die Interessen der Klasse der Arbeiter” seien, weil deren Einkommen sänken. Allerdings sprach sich Ricardo gegen alle Versuche aus, den Einsatz von Maschinen durch staatliche Eingriffe bremsen oder verhindern zu wollen, denn das würde es noch schlimmer machen, weil dann Arbeitslosigkeit drohe. Immerhin müsste es für jede neue Maschine auch Arbeitskräfte geben, die sie bedienen, warten oder entwickeln. Vgl. David Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, Chapter 31: On Machinery, 1821.
  • 8
    Vgl. Interview mit Moritz Schularick, “Die Auswertung von Big Data ist revolutionär”, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. August 2015.
  • 9
    Vgl. David H. Autor, Why Are There Still So Many Jobs? The History and Future of Workplace Automation, Journal of Economic Perspectives 2015.
  • 10
    Das Buch ist sehr spekulativ. Ford bedient sich beispielsweise auch der Vision von winzig kleinen “Nano-Robotern”, die in molekularen Fabriken arbeiten. Seriöse Wissenschaftler halten das für eine unrealistische Science-Fiction-Phantasie.
  • 11
    Vgl. Norbert Häring, Angst 4.0, Handelsblatt, 26. November 2015.
  • 12
    Die Umfrage wird erwähnt von Heather Stewart, Robot revolution: rise of ‘thinking’ machines could exacerbate inquality, The Guardian, 5. November 2015.
  • 13
    Dieses Beispiel führt Brynjolffson an. Wenn von den vielen neuen Jobs in der IT-Branche und speziell im Silicon Valley die Rede ist, sollte man die volkswirtschaftlichen Proportionen im Hinterkopf haben. Bislang macht die IT-Branche nur etwa 3 Prozent des BIP der Vereinigten Staaten aus. Trotz der enormen technischen Fortschritte ist das Produktivitätswachstum in den vergangenen Jahren erstaunlich schwach gewesen. Allerdings gibt es Fragen, ob die Statistiken diese Fortschritte heute noch richtig erfassen. Vgl. dazu Philip Plickert, Die mühsame IT-Revolution, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. August 2015.
  • 14
    Vgl. John Maynard Keynes, Economic Possibilities for our Grandchildren, 1930. Keynes‘ Prognose war stark übertrieben. Andy Haldane weist darauf hin, dass die Arbeitszeit zwar gefallen ist, doch bei weitem nicht so stark wie von Keynes erwartet: Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit sank von etwa 50 Stunden in den dreißiger Jahren auf heute etwa 30 Stunden (Teilzeitarbeitskräfte mit eingerechnet). Das Anwachsen einer “leisure class”, von der Keynes sprach, kann man überhaupt nicht beobachten, vielmehr sind die Beschäftigungsquoten seit einigen Jahrzehnten gestiegen, besonders auch durch eine größere Arbeitsmarktpartizipation der Frauen.
  • 15
    Ursprünglich war dies einmal eine Idee des liberalen Ökonomen Milton Friedman, der eine “negative Einkommenssteuer” für Arme forderte, also den Ersatz sämtlicher Sozialleistungen durch eine einzige vom Staat ausgezahlte Summe – die dann eben ein Grundeinkommen darstellt. In der Praxis wurde diese Idee ansatzweise in den Vereinigten Staaten als “Earned Income Tax Credit” umgesetzt. Wer zu wenig verdient, bekommt eine “negative Einkommensteuer”-Summe ausgezahlt. Die Hoffnung, durch diese sämtliche Sozialleistungen zu vereinheitlichen, hat sich aber nicht erfüllt.
  • 16
    Vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 20. Januar 2016.
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Fussnoten

  • 1
    World Economic Forum, The Future of Jobs (Bericht vom Januar 2016).
  • 2
  • 3
    Carl Benedict Frey/Michael A. Osborne, The future of employment: how susceptible are jobs to com-puterization, 2013.
  • 4
    Bank of America Merrill Lynch, Robot Revolution – Global Robot & AI primer, Seite 6.
  • 5
    Vgl. ebenda.
  • 6
    Allerdings gibt sich die Unternehmensberatung optimistisch, dass ein offensives Herangehen an die Umwälzung der Wirtschaft durch die Digitalisierung mehr Chancen als Gefahren bringe; A.T. Kearney, Pressemitteilung vom 3. Dezember 2015.
  • 7
    Früher habe er gedacht, dass der Einsatz von neuen Maschinen allen nütze: den Grundbesitzern, den Kapitalisten und den Arbeitern, schrieb Ricardo. Inzwischen aber glaube er, dass die Mechanisierung “oft sehr schädlich für die Interessen der Klasse der Arbeiter” seien, weil deren Einkommen sänken. Allerdings sprach sich Ricardo gegen alle Versuche aus, den Einsatz von Maschinen durch staatliche Eingriffe bremsen oder verhindern zu wollen, denn das würde es noch schlimmer machen, weil dann Arbeitslosigkeit drohe. Immerhin müsste es für jede neue Maschine auch Arbeitskräfte geben, die sie bedienen, warten oder entwickeln. Vgl. David Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, Chapter 31: On Machinery, 1821.
  • 8
    Vgl. Interview mit Moritz Schularick, “Die Auswertung von Big Data ist revolutionär”, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. August 2015.
  • 9
    Vgl. David H. Autor, Why Are There Still So Many Jobs? The History and Future of Workplace Automation, Journal of Economic Perspectives 2015.
  • 10
    Das Buch ist sehr spekulativ. Ford bedient sich beispielsweise auch der Vision von winzig kleinen “Nano-Robotern”, die in molekularen Fabriken arbeiten. Seriöse Wissenschaftler halten das für eine unrealistische Science-Fiction-Phantasie.
  • 11
    Vgl. Norbert Häring, Angst 4.0, Handelsblatt, 26. November 2015.
  • 12
    Die Umfrage wird erwähnt von Heather Stewart, Robot revolution: rise of ‘thinking’ machines could exacerbate inquality, The Guardian, 5. November 2015.
  • 13
    Dieses Beispiel führt Brynjolffson an. Wenn von den vielen neuen Jobs in der IT-Branche und speziell im Silicon Valley die Rede ist, sollte man die volkswirtschaftlichen Proportionen im Hinterkopf haben. Bislang macht die IT-Branche nur etwa 3 Prozent des BIP der Vereinigten Staaten aus. Trotz der enormen technischen Fortschritte ist das Produktivitätswachstum in den vergangenen Jahren erstaunlich schwach gewesen. Allerdings gibt es Fragen, ob die Statistiken diese Fortschritte heute noch richtig erfassen. Vgl. dazu Philip Plickert, Die mühsame IT-Revolution, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. August 2015.
  • 14
    Vgl. John Maynard Keynes, Economic Possibilities for our Grandchildren, 1930. Keynes‘ Prognose war stark übertrieben. Andy Haldane weist darauf hin, dass die Arbeitszeit zwar gefallen ist, doch bei weitem nicht so stark wie von Keynes erwartet: Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit sank von etwa 50 Stunden in den dreißiger Jahren auf heute etwa 30 Stunden (Teilzeitarbeitskräfte mit eingerechnet). Das Anwachsen einer “leisure class”, von der Keynes sprach, kann man überhaupt nicht beobachten, vielmehr sind die Beschäftigungsquoten seit einigen Jahrzehnten gestiegen, besonders auch durch eine größere Arbeitsmarktpartizipation der Frauen.
  • 15
    Ursprünglich war dies einmal eine Idee des liberalen Ökonomen Milton Friedman, der eine “negative Einkommenssteuer” für Arme forderte, also den Ersatz sämtlicher Sozialleistungen durch eine einzige vom Staat ausgezahlte Summe – die dann eben ein Grundeinkommen darstellt. In der Praxis wurde diese Idee ansatzweise in den Vereinigten Staaten als “Earned Income Tax Credit” umgesetzt. Wer zu wenig verdient, bekommt eine “negative Einkommensteuer”-Summe ausgezahlt. Die Hoffnung, durch diese sämtliche Sozialleistungen zu vereinheitlichen, hat sich aber nicht erfüllt.
  • 16
    Vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 20. Januar 2016.