Am 24. Oktober 2019 wurde in Berlin der diesjährige Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik verliehen. Die Förderpreise gingen an Marius Kleinheyer, Research Analyst beim Flossbach von Storch Research Institute, und an Marie-Astrid Langer, US-Korrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung. Frau Langer konnte an der Veranstaltung nicht teilnehmen.


Eine Video-Aufzeichnung der Rede von Oswald Metzger finden Sie hier.


Meine Damen und Herren,

in der Tat: Wer in unserer Republik die Parteien wechselt, der schillert. Und damit muss man leben. Aber ich hoffe, wenigstens als Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung und im Vorstand der Stiftung sowie heute in meiner Funktion als Laudator die ordnungspolitische Linie über die Jahrzehnte gehalten zu haben.

Die Jury hat eine Förderpreisträgerin und einen Förderpreisträger auserkoren, die mir als Leser der Blätter beziehungsweise der Analysen auch persönlich sehr gut gefallen. Zum einen ist es Marie-Astrid Langer, die USA-Korrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung. Leider konnte sie heute nicht zur Preisverleihung aus den USA hierher nach Berlin kommen.

Frau Langer ist im Silicon Valley angesiedelt, und sie hat – das hat die Jury ausgezeichnet – einen Beitrag geschrieben, ein langes Reportagestück im Oktober 2018, über die Heimat der Tech-Riesen: darüber, wie sich das Silicon Valley für die Normalbürger verändert hat, was die Wohnungssituation und kommunale Finanzlage betrifft – zu einem Zeitpunkt, als man das in Europa überhaupt noch nicht registriert hatte.

Beispielsweise sind im Silicon Valley keine Lehrerinnen und Lehrer mehr zu bekommen – obwohl viele junge Familien dort leben –, weil ein Lehrer auch dort im Durchschnitt 60.000 Dollar im Jahr verdient. Aber man braucht in der Region 100.000 Dollar, um nicht zu den Niedrigverdienern zu gehören. Frau Langer schreibt, dass ein Einfamilienhaus 1,4 Millionen Dollar kostet, was sich selbst gut verdienende Mitarbeiter nicht leisten können. Und dass viele auch gut Verdienende, beispielsweise Programmierer, in der dortigen Region buchstäblich in Zeltstädten und in Campingwagen hausen, weil sie sich das Wohnen nicht mehr leisten können oder morgens nicht im Stau stehen wollen.

Wie aktuell dieses Beispiel war, zeigt ein Blick in den Wirtschaftsteil der heutigen FAZ-Ausgabe. Dort steht nämlich – als Konsequenz dieses beschriebenen Zustandes –, wie jetzt die Großen, zum Beispiel Facebook, eine Milliarde Dollar in den Wohnungsbau investieren, damit der Markt entlastet wird. Google hat das Gleiche vor ein paar Monaten angekündigt, und auch Apple, und es war außerordentlich verdienstvoll von der Kollegin Langer bei der NZZ, das Thema aufzugreifen.

Übrigens – in diesem Kontext auch interessant, weil wir hier in den Räumen der FAZ sind – war Frau Langer während ihrer journalistischen Ausbildung – Diplom-Betriebswirtin ist sie auch – Stipendiatin der Fazit-Stiftung, einer Stiftung der FAZ, und davor war sie Stipendiatin der Adenauer-Stiftung, in einem Fördertopf für Nachwuchsjournalisten. Diese Förderungen scheinen sich somit ausgezahlt zu haben. Ich halte es für wichtig, das zu erwähnen – als Bestätigung an die Adresse derer, die solche Stipendien vergeben.

Der zweite Preisträger ist Marius Kleinheyer. Er ist Volkswirt und erstellt im Flossbach von Storch Research Institute Analysen, die einen deutlichen Gegenwartsbezug haben, und reflektiert zum Beispiel über die Rolle der Geldpolitik und das Sparverhalten der Deutschen. Auch thematisiert er das ökonomische Analphabetentum, das uns Deutsche auszeichnet, vor allem die Jüngeren, die bei der Geldanlage nach wie vor auf Sparbuch und Girokonto setzen und meinen, damit Vermögensaufbau fürs Alter zu betreiben. Und darüber, wie alle aus Angst vor Risiken versäumen, auch in eine Aktienkultur zu gehen, für die übrigens Ludwig Erhard in den 1950er Jahren massiv geworben hat. Leider ist Erhard mit der Idee einer Volksaktienkultur sowohl in der eigenen Partei als auch in der Öffentlichkeit gescheitert. Die VW-Volksaktie war fast so ein grandioser Fehlgriff wie im Jahr 2000 die Telekom-Aktie. Nichtsdestotrotz kommt niemand an mehr Vermögensbeteiligung durch Aktien vorbei.

Heute ist ein historischer Tag. Heute vor 90 Jahren, am 24. Oktober 1929, auch ein Donnerstag, platzte die Bombe: Durch den Crash an den New Yorker Aktienbörsen setzte die große Depression ein. Und viele haben ja das Narrativ im Kopf, dass es sich damals um Markversagen gehandelt habe. Eines der größten Verdienste von Herrn Kleinheyer im letzten Jahr war, in einer Analyse herauszuarbeiten, dass auch damals vor allem das politische Handeln nach dem Platzen der übersteigerten Blase dazu geführt hat, dass dann durch Prohibition die Krise verlängert wurde. Und erst ab 1932, also nach rund drei Jahren, hat sich der Absturz praktisch relativiert und es kam zu einem langsamen Aufstieg, allerdings mit einer Zwischenphase, die man Kriegsphase nennt, mit allen katastrophalen Folgen.

Meine Damen und Herren, im Namen der Jury des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik gratuliere ich unseren Förderpreisträgern Frau Langer und Herrn Kleinheyer herzlich!

Oswald Metzger ist stellvertretender Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.

Link zur Dokumentation der Preisverleihung mit Fotos, Videos und Redebeiträgen.

DRUCKEN
DRUCKEN