Horst Opaschowski stellt fest, dass die heutige Jugend in Sachen Umweltverhalten um keinen Deut besser ist als ihre Eltern und Großeltern – eher schlechter. Groß ist die Kluft zwischen Moral und Verhalten. In unsicheren Zeiten werden Arbeit und Einkommen wichtiger als Klima und Umwelt.

Auf den ersten Blick spricht alles für eine ökologische Zeitenwende: Tausende von Jugendlichen demonstrieren regelmäßig im Zuge der „Fridays for Future“-Bewegung für eine wirksame Klimapolitik. Sie haben inzwischen viel bewegt – vom Klimapaket der Bundesregierung bis zum Green Deal der EU. Aber die Bewegung hat keine neue Umweltgeneration hervorgebracht, eher widersprüchliches Verhalten zutage gefördert. Viele Jugendliche haben kein Problem damit, tagsüber die Skipiste herunterzubrettern und abends ein Umweltseminar zu besuchen.

Auf der Basis des Nationalen WohlstandsIndex für Deutschland hat der Autor 2019 in Kooperation mit dem weltweit tätigen Ipsos Institut in Deutschland 6.000 Personen ab 14 Jahren repräsentativ zu ihrem Umweltverhalten befragt. Die Ergebnisse deuten eine Generationenkluft an – oder richtiger: Die junge Generation „demonstriert“ mehr Umweltbewusstsein, „realisiert“ es aber im Vergleich zur älteren Generation deutlich weniger.

Nur ein gutes Drittel (38 Prozent) der Jugendlichen kann von sich sagen: „Ich lebe umweltbewusst“; fast zwei Drittel können es nicht. Die 60plus-Generation lebt hingegen umweltbewusster (44 Prozent). Bei der Jugend sind auch die Beziehungen zur Natur nicht besonders intensiv. Nur 30 Prozent der Jugendlichen stimmen der Aussage zu: „Ich lebe mit der Natur.“ Auch hier weist die ältere Generation höhere Zustimmungsraten (37 Prozent) auf.

Die junge Generation „demonstriert“ mehr Umweltbewusstsein, „realisiert“ es aber im Vergleich zur älteren Generation deutlich weniger.

Eine Demonstration ist noch keine Revolution: Die ökologische Revolution findet so lange nicht statt, wie die Mehrheit der Jugend von umweltbewussten Lebensgewohnheiten nichts wissen will. Auf den Punkt gebracht: Die nächste Generation ist in Sachen Umweltverhalten um keinen Deut besser als die ihrer Eltern und Großeltern, sogar eher schlechter. Die meisten Jugendlichen wollen ihre lieb gewordenen Freizeit-, Sport- und Reisegewohnheiten nicht einschränken. Groß ist daher die Kluft zwischen Moral und Verhalten. Und von der Sicht- zur Lebensweise ist noch ein weiter Weg, was auch erklärt, warum im Urlaub das Umweltbewusstsein weitgehend zu Hause bleibt.

Noch Ende der 1980er-Jahre rangierte die Ökologie vor der Ökonomie. Dem Umweltschutz wurde eine außerordentlich hohe Bedeutung beigemessen, sogar eine höhere als der Alterssicherung. Drei Jahrzehnte später ist eine deutliche Problemverschiebung feststellbar. Im Jahr 2020 dominieren ökonomische Interessen: keine finanziellen Sorgen, Eigentum, ein gesicherter Arbeitsplatz sowie eine gute medizinische Versorgung.

Die Umkehrung in der Rangordnung ist dabei weniger die Folge eines grundlegenden Bewusstseinswandels als vielmehr die Reaktion auf ökonomische und soziale Probleme, die Existenzängste auslösen. In unsicheren Zeiten werden Arbeit und Einkommen für die Menschen wichtiger als die Bekämpfung globaler Umweltprobleme – ganz im Gegensatz zur öffentlichen Debatte. Nachweislich gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Wohlstandsniveau und Umweltbewusstsein. Je höher der Wohlstand, desto sensibler zeigt sich die Bevölkerung. Im Umkehrschluss heißt dies: Ist der Wohlstand gefährdet, sinkt das Interesse an Umweltfragen.

Prof. Dr. Horst Opaschowski ist wissenschaftlicher Leiter des Opaschowski Instituts für Zukunftsfragen (O.I.Z.) in Hamburg. 

Dieser Beitrag ist zuerst im Heft „Wohlstand für Alle – Klimaschutz und Marktwirtschaft“ aus dem Jahr 2020 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

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