30 Tage nach der Bundestagswahl konstituierte sich am Dienstag, den 24. Oktober 2017, der 19. Deutsche Bundestag. Seit einem Jahr könnte also ernsthaft und sachverständig Politik betrieben werden. Doch Ergebnisse lassen sich höchstens im Kleinen erkennen, von ordnungspolitisch stringenter Politik ist bislang keine Spur zu sehen.

Vor gut einem Jahr, am 24. September 2017, fanden die Wahlen zum 19. Deutschen Bundestag statt. Bekanntermaßen zog sich die Regierungsbildung über Monate hin. Schlussendlich wurde Angela Merkel am 14. März 2018 vom Bundestag für eine vierte Amtszeit zur Bundeskanzlerin gewählt. Es ist faktisch eine „Koalition der Wahlverlierer“, die im Vorfeld der Wahl festgestellt hatten, dass sie eine Große Koalition keinesfalls fortzusetzen gedenken: 32,9 Prozent der Wählerstimmen gingen im September 2017 an CDU und CSU, das waren 8,6 Prozent weniger als bei der Bundestagswahl davor. 20,5 Prozent der Wähler stimmten für die SPD, ein Minus von 5,2 Prozent im Vergleich zu 2013. Zudem gibt es seit Juni 2018 in aktuellen Umfragen keine Mehrheit für die Große Koalition – vielleicht wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass die Mitglieder der Koalition bereits nach den wenigen Monaten Amtszeit zwei „Krisen“ innerhalb von zehn Wochen zu  meistern versuchten.

Dennoch: Bis zur nächsten regulären Bundestagswahl bliebe noch genügend Zeit, und die Großkoalitionäre könnten sich jetzt konzentriert an die Arbeit begeben. Bislang dominierend war jedoch der massive Streit über die „richtige“ Asyl- und Migrationspolitik. Doch neben diesem scheinbar alles überwölbenden – und weiterhin ungelösten – Dilemma gäbe es genug Aufgaben zu bewältigen, denn auch andere Themen bewegen die Wähler: Infrastruktur, Bildung, außenpolitische Themen – zum Beispiel das Ende des Multilateralismus durch die Aktivitäten des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump –, die Zukunft der EU und anderes mehr verweisen auf drängende Problemfelder für die Politik. Bislang agierte die Große Koalition unabhängig von dem, was die Bürger zu interessieren scheint. Inszenierungen der Macht, parteipolitische Rangeleien und persönliche Streitereien überlagerten alles Übrige.

Wo steht die Bundesrepublik aus ordnungspolitischer Sicht ein Jahr nach der Bundestagswahl? Exemplarisch werden fünf Bereiche betrachtet.

1) Öffentliche Haushalte

Binnen sechs Wochen nach Amtsantritt hat das Bundesfinanzministerium den Entwurf für das Budget 2018 vorgelegt. Es wurde Anfang Juli von der Bundesregierung beschlossen. Zugleich wurde der Entwurf für 2019 in die Diskussion gebracht, die Finanzplanung steht in Grundzügen bis zum Ende der Legislaturperiode. Der Bundesfinanzminister plant mit ausgeglichenen Haushalten ohne neue Schulden. Stattdessen kann der Bund 2019 mit einem Rekordetat von 357 Milliarden Euro kalkulieren, 13 Milliarden mehr als im laufenden Jahr (und 26 Milliarden Euro mehr als 2017). Dabei ist absehbar, dass die Steuereinnahmen voraussichtlich erneut über den Schätzungen liegen werden: Schon im ersten Halbjahr 2018 nahmen die Überschüsse der öffentlichen Hand um 48,1 Milliarden Euro zu. Der Überschuss von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung lag damit bereits zur Jahresmitte deutlich über dem im Jahr 2017 insgesamt erzielten Zuwachs von 34 Milliarden Euro (bislang höchster Zuwachs seit 1990).

Diese positiven Entwicklungen – insbesondere die noch auf Dauer angelegte „Schwarze Null“ – sind allerdings nicht das Ergebnis guter Politik, sondern entspringen schlicht sprudelnden Steuereinnahmen. Während zum Beispiel das BIP-Wachstum der letzten Jahre unter zwei Prozent lag, konnten die staatlichen Kassen einen Zuwachs von über vier Prozent verzeichnen. Die Vorstellung, Steuerüberschüsse an die wirtschaftlich Aktiven in Form von Steuersenkungen zurückzugeben – dazu gibt es keine konkreten Planungen aus den Reihen der Bundesregierung. Vorerst vom Radar verschwunden scheint wohl auch der in der letzten Legislaturperiode vorgesehene Abbau des Solidaritätszuschlages.

Immerhin wird der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte sinken. Gleichzeitig werden jedoch die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte steigen – spürbare Entlastung: Fehlanzeige.

2) Rente

Ende August haben sich die Koalitionäre auf das „Rentenpaket 1“ geeinigt; ab 1. Januar 2019 soll es angewendet werden. Das Paket enthält unter anderem eine Reform der Mütterrente. Mit der sogenannten Mütterrente II war zunächst geplant, dass Frauen, die vor 1992 Kinder zur Welt gebracht haben, künftig drei statt bisher zwei Erziehungsjahre auf ihre gesetzliche Rente angerechnet bekommen. SPD und Union hatten zudem vorgesehen, die Reform nur für Mütter mit mindestens drei vor 1992 geborenen Kindern einzuführen.

Mit dem gefundenen Kompromiss sollen alle Mütter – Väter können das mit Einverständnis der Mütter beantragen – einen halben Rentenpunkt mehr erhalten, pro Kind also zweieinhalb Rentenpunkte. Ein Rentenpunkt im Osten liegt seit 1. Juli 2018 bei 30,69 Euro im Monat, der halbe Rentenpunkt macht hier also 15,35 Euro aus. Im Westen wird ein Rentenpunkt zurzeit mit 32,03 Euro bewertet, ein halber Punkt entspricht also 16,02 Euro im Monat. Im Vergleich zu Frauen, die 1992 und später Kinder bekommen haben, ist dies zwar ein halber Rentenpunkt weniger als ursprünglich geplant. Allerdings profitieren nun rund sieben Millionen anstelle von drei Millionen Müttern.

Das Rentenniveau, also die Rente im Verhältnis zum Durchschnittslohn nach 45 Jahren, soll auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent stabilisiert werden. Auch für den Beitragssatz wird eine Haltelinie eingezogen: Der Beitrag soll bis Mitte des nächsten Jahrzehnts von jetzt 18,6 Prozent höchstens auf 20 Prozent steigen. Wird eine der beiden Haltelinien überschritten, hilft der Staat mit zusätzlichen Steuermitteln aus. Dafür wird ein Fonds gebildet, der zwischen 2022 und 2025 acht Milliarden Euro ansparen soll. Darüber hinaus wird der Bund seinen Rentenzuschuss ab 2022 vier Jahre lang jeweils um 500 Millionen Euro aufstocken. Schon jetzt tragen die Steuerzahler rund ein Drittel aller Rentenausgaben. Aktuell beträgt der Bundeszuschuss laut Haushaltsplan 94 Milliarden Euro. Der Zuschuss steigt entsprechend der Rentenausgaben regelmäßig und wird wohl noch in dieser Legislaturperiode die Summe von 100 Milliarden Euro übersteigen.

Zudem wurden Änderungen bei der Erwerbsminderungsrente auf den Weg gebracht. Beschäftigte, die ihren Beruf gesundheitsbedingt aufgeben müssen und nicht mehr arbeiten können, sollen ab Januar 2019 so gestellt werden, als hätten sie bis zum aktuellen Renteneintrittsalter gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt. Dadurch steigen die auszuzahlenden Renten der Betroffenen.
Sind die Änderungen am 1. Januar 2019 in Kraft getreten, soll ein „Rentenpaket 2“ geschnürt werden. Hauptbestandteil wird dann die sogenannte Grundrente sein. Sie soll bis Herbst 2019 eingeführt werden und Geringverdiener in den Fokus nehmen.

Die Finanzierung der Vorhaben in der Rentenversicherung ist vor allem außerhalb der Bundesregierung strittig. Zahlen müssen die höheren Ausgaben Beitrags- und Steuerzahler. Bei der Rentenversicherung werden bis 2025 rund 32 Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben zu Buche schlagen. Allein die Reform der Mütterrente dürfte bis zum Jahr 2025 bis zu 3,4 Milliarden Euro kosten. Besonders frappierend: In der Diskussion wurden – sieht man vom Begriff „Demografiefonds“ einmal ab – kaum Aspekte der Demografie berücksichtigt. Die Lebenserwartung steigt, die Zahl der Bürger im Rentenalter wächst, auf weniger Einzahler in die Rentenkasse kommen mehr Empfänger. Doch diese Entwicklung spielte in den aktuellen Überlegungen und Entscheidungen keine Rolle.

3) Wohnungsbau

Als besonders dringlich wertet die Bundesregierung fehlende Wohnungen, und zwar so sehr, dass im September ein „Wohnungsgipfel“ stattgefunden hat. Die Regierung und Vertreter von Verbänden, Gewerkschaften und Mieterbund haben ein Eckpunkte-Papier beschlossen, mit dem Wohnungsnot bekämpft werden soll. Darin sind neben bereits von der Regierung angekündigten oder beschlossenen Regularien – Baukindergeld und Sonderabschreibungen für Mietwohnungsbau – auch erneuerte Vorhaben – Ankurbelung des sozialen Wohnungsbaus und Reform von Bauvorschriften – enthalten. Ziel ist unter anderem der Bau von 1,5 Millionen Wohnungen bis 2021. Das alles steht allerdings unter der Prämisse, dass die bedachten Maßnahmen die Situation verbessern „sollen“.

Die tatsächlichen Probleme sind inzwischen so umfassend wie unterschiedlich. Ob es da genügt, Schräubchen zu justieren und einen „Mietstopp“ zu plakatieren? Niedrige Zinsen feuern die Bauaktivitäten an. Ob in dieser Situation Sonderaktivitäten wie verbesserte Abschreibungen oder Baukindergeld notwendig sind, darf bezweifelt werden. Der Wohnraummangel ist zudem vorrangig das Problem in Ballungsräumen und weniger in ländlichen Gebieten, in denen mancherorts Leerstand herrscht.

Anstelle wohlklingender Absichtsbekundungen müsste sehr viel konziser bedacht werden, wie Hindernisse im Wohnungsbau beseitigt oder reduziert werden könnten. Ein Hinderungsgrund für mehr Wohnraum ist oftmals fehlendes Bauland. Doch auf dieses Feld begeben sich die Verantwortlichen nur sehr zögerlich. Auch Aspekte zügiger Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie die Anpassung von Bauvorschriften wären zu thematisieren. Stattdessen stellt man fest, dass die Mietpreisbremse nicht funktioniert. Die politische Erkenntnis daraus: Dann müssen wir sie eben stärker anziehen!

4) Umweltpolitik

Auch im umwelt- und klimapolitischen Bereich ist wenig Erbauliches zu vermelden; ein schlüssiges Konzept für die Energiewende fehlt weiterhin. Es wird um den Ausstieg aus der Kohleindustrie gestritten; eine Kohlekommission soll es in den nächsten Monaten richten. Spannend ist die zweite Aufgabenstellung für die 31-köpfige Beratergruppe: Sie soll Perspektiven für betroffene Regionen erarbeiten, in denen Tausende Arbeitsplätze an der Kohle hängen, vor allem in der Lausitz und im rheinischen Revier. Zukunftsplanung aus einer Hand! Wohlwollend könnte man zumindest vermerken, dass der planvolle Kohleausstieg auf den – außerparlamentarischen – Weg gebracht wurde.

Schwieriger ist die Lage beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Rasch wollte die Große Koalition neue Windparks ans Netz bringen. Hier einigte man sich darauf, bis Ende Oktober eine Verständigung über Sonderausschreibungen für Wind an Land und Photovoltaik zu erzielen. Die Koalition habe sich vorgenommen, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 65 Prozent auszubauen, hieß es. Derzeit liegt er bei 36 Prozent. Unklar ist allerdings, ob das Stromnetz dafür ausreicht. Denn auch der Netzausbau stockt, weil Anwohner die notwendigen Stromtrassen bekämpfen – nach dem Motto: Energiewende ja, aber nicht hier! Der zuständige Bundeswirtschaftsminister unternimmt zur Besserung der Lage Werbe-Reisen in die Trassengebiete, um Betroffene zu überzeugen.

Die CO2-Emissionen sind nicht nur in Deutschland zu hoch. Im Frühsommer musste die Bundesregierung einräumen, die Klimaziele 2020 zu verfehlen. Bei der nächsten Etappe, den Klimazielen 2030, soll es besser funktionieren. Aus diesem Grund steht nicht mehr nur der Energiesektor im Mittelpunkt, sondern auch der Verkehrssektor soll sauberer werden. Die EU-Grenzwerte für Stickoxide werden in vielen Städten überschritten, vor allem wegen älterer Diesel-PKW. Deutschland hatte sich deswegen eine Klage der EU eingehandelt.

Zudem schwebt seit drei Jahren „Dieselgate“ über den Köpfen der Großkoalitionäre. Dieselfahrzeuge wurden per Software so manipuliert, dass sie auf dem Prüfstand Grenzwerte für Stickoxid einhielten, im realen Fahrbetrieb aber ein Vielfaches aus dem Auspuff bliesen. „Schon“ drei Jahre später war eine Lösung für diesen Betrug gefunden. Ende September 2018 konnten Bundesverkehrsminister und Bundesumweltministerin verkünden: Autohersteller dürfen Rabatte ausloben, um neue Fahrzeuge und Jahreswagen in Verkehr zu bringen. Wer das Auto nicht wechseln kann oder will, darf Hardware nachrüsten. Wann diese Systeme genehmigt und am Markt sind, ist offen. Offen bleibt auch, was die Autoindustrie dafür auszugeben bereit ist. Die Bundesregierung „erwartet“, dass sie die Kosten dafür trägt. Das ist in vielerlei Hinsicht ärgerlich: Kunden haben sich auf die „ordnungsgemäßen“ Zustand ihrer Kfz verlassen und erleben jetzt Wertverluste für ihre „alten“ Autos, und die Politik hat vermeintlich gezeigt, dass sie Umweltschutz herbeiregulieren kann. Mehr als ärgerlich ist, dass demnächst Geld, anstatt in die Zukunft von Fahrzeugtechnologie in Schadensbegrenzung, in die Aufrüstung veralteter Technik und Wiedergutmachung fließen wird.

5) Europäische Union

Es scheint, als habe sich aus dem ICE „Europa“ nach und nach eine Regionalbahn entwickelt: down- anstelle von upgrade. Insbesondere der französische Vorstoß von Präsident Macron zur Vertiefung der EU blieb wegen der politischen Lage nach der Bundestagswahl in Deutschland lange weitgehend unbeantwortet. Es zeichnet sich außerdem ab, dass über die Etablierung des ESM als dauerhaft gesamteuropäische Finanzfeuerwehr die EU mehr und mehr zur Haftungsunion mutieren könnte.

Andererseits läppern sich die Probleme: Der permanent näher rückende Brexit ist noch ohne Konzeption; zudem die politischen und ökonomischen Kapriolen, zum Beispiel der italienischen Regierung, zunehmende Missverständnisse und Misstöne zwischen West- und Osteuropa, wenige Überlegungen zu den Folgen der Digitalisierung in der und für die EU, das ungeklärte Verhältnis zu Russland, kaum auszumachende Reaktionen zum chinesischen Seidenstraßenprojekt (das China immer mehr politischen Einfluss in Europa ermöglicht), das getrübte Verhältnis zu den USA. Diese wenigen Beispiele belegen: Die Herausforderungen steigen, während die Fähigkeit, die Probleme anzugehen, dagegen kontinuierlich zu sinken scheint.

Die EU-Mitgliedstaaten verhalten sich zunehmend egoistisch. In der Europäischen Union, dem vermeintlich unauflöslichen Integrations- und Friedensprojekt, zeichnen sich seit geraumer Zeit Desintegration und Nationalismus Kann die EU in dieser Verfassung überhaupt noch das sicherstellen, was für eine gute Zukunft in einem vereinten Europa – zu überschaubaren Kosten – notwendig ist? Aktuell weist eher wenig darauf hin. Immer häufiger werden heterogene Interessen formuliert, egoistische und kleinteilige Einzellösungen dominieren. Eine gemeinsame Idee von Europa wäre wünschenswert, damit Europa in Freiheit und mit gegenseitigem Respekt als Gemeinschaft besser für das Kommende aufgestellt ist.

Politik der kleinen Schritte?

Alles in allem fällt die Bilanz für die Große Koalition ordnungspolitisch mangelhaft aus. Sicherlich, neben den großen Politikfeldern wurde manches angepackt:

  • Das „Gute-Kita-Gesetz“ soll die Betreuung von Kindern besser und kostengünstiger werden lassen.
  • Teilzeitkräfte haben einen Anspruch zur Rückkehr in die Vollzeit.
  • Die Bundeswehr wird noch immer modernisiert.
  • Im Zuge des Aktionsprogramms zum Insektenschutz entstand eine „Bienenallianz“ mit Slowenien.
  • Jedes Regierungsmitglied bekräftigt, dass man in Sachen Digitalisierung hinterherhinke und jetzt endlich verstanden habe.
  • Terminvergabe beim Arzt? Die Bundesregierung regelt das.
  • Trockenheit lässt Ernteerträge schrumpfen? Der Staat wird helfen.

Das und mehr machen das größte Defizit auch dieser Koalitionsregierung offenkundig: Sie versucht, mit minimalinvasiver Politik große Aufgaben anzugehen. Da wundert dann kaum noch, dass Kuriositäten wie die „Agentur für Sprunginnovation“ entstehen – also eine staatlich initiierte Institution, die den technologischen Fortschritt voranbringen soll. Da ist es nicht mehr weit, bis ein „Bundesamt für Soziale Marktwirtschaft“ ins Leben gerufen wird.

Politik regelt längst nicht mehr nur durch allgemeine Gesetze das Leben der Bürger, sondern setzt eigene, kleinteilige Ziele und gibt vor, worin das „gute“ Leben zu bestehen habe. Der Staat privilegiert diverse gesellschaftliche Gruppen – Rentner, Familien mit Kind(ern), Beamte – gegenüber anderen. Er fördert bestimmte Wirtschaftssektoren mehr als andere: Windenergie, Agrarwirtschaft, Elektromobilität. Er versucht, in Kommissionen und Arbeitsgruppen entstandene Standards als die endgültig richtigen durchzusetzen. Fällt das Urteil der Experten nicht im Sinne der Regierung aus, ist das auch nicht gut: Wenn man die fast gleichgültige Art sieht, mit der beispielsweise die Bundesregierung die Gutachten des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ entgegennimmt oder die empörten Kommentare vonseiten der Politik zu Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats im Bundeswirtschaftsministerium liest, wundert man sich, warum überhaupt solche Gremien geschaffen werden.

Eine Politik der „kleinen Schritte“ mag ja gut und schön sein, wenn sie auf ein konkretes, im Idealfall auch noch ordnungspolitisch tragfähiges Ziel zuläuft. Trippelschritte im Kreis, vor und zurück, mal hier- und mal dorthin erfüllen das nicht. Aktuell lässt sich nur ein Politikstil feststellen: Geld von staatlicher Seite zur Bewältigung echter oder vermeintlicher Probleme.

Wirtschaftspolitik im Sinne Ludwig Erhards würde stattdessen dafür sorgen, dass Entwicklung und Fortkommen des Einzelnen nicht von Herkunft, Geldbeutel oder staatlicher Förderung abhängen, sondern von der Bereitschaft, sich anzustrengen und zu engagieren, und dass der Wettbewerb als marktwirtschaftliches Instrument seine Aufgabe erfüllen kann. Diese Form der Wirtschaftspolitik bedeutet, möglichst allen Teilen der Bevölkerung ein eigenverantwortliches Leben und damit die Teilhabe am Fortschritt und erarbeiteten Wohlstand zu ermöglichen.

Diese Politik wäre der Schlüssel, um den ökonomischen Erfolg Deutschlands langfristig zu sichern; sie sollte im Zentrum einer dynamischen, zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik stehen. Es geht den Staat nichts an, wie die Bürger ihr Leben einrichten oder was sie denken. Er muss lediglich die Bedingungen so einrichten, dass die Bürger allen Widrigkeiten zum Trotz ihr Leben aus eigener Kraft gestalten können.

In der Präambel des Koalitionsvertrages der aktuellen Großen Koalition heißt es: „Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit von Politik wollen wir wieder stärken, indem wir Erneuerung und Zusammenhalt in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen. Wir wollen eine stabile und handlungsfähige Regierung bilden, die das Richtige tut.“ Dann sollten die Damen und Herren Abgeordneten endlich damit beginnen! Bis zum nächsten Bundestagswahlkampf ist ja noch ein wenig Zeit…

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