Sebastian van Kann
Masterstudent im Studiengang Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Im Dezember 2021 hat die Ludwig-Erhard-Stiftung den Dr.-Herbert-B.-Schmidt-Preis für wissenschaftliche Arbeiten zur Sozialen Marktwirtschaft vergeben. Den 1. Preis hat die Jury Sebastian van Kann zugesprochen. Ausgezeichnet wurde seine Bachelor Thesis zum Thema „To whom does Temperature really matter? – A Study on Uncertainty in the Climate-Economy Literature“. Der Autor fasst nachfolgend zentrale Überlegungen und Ergebnisse seiner Arbeit zusammen.

Die Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf Umwelt und Menschen ist eine zentrale Aufgabe vieler Wissenschaftsdisziplinen. Auch in der Ökonomie hat sich im vergangenen Jahrzehnt ein breites Forschungsfeld etabliert, das die Effekte von klimatischen Veränderungen auf das Wachstum untersucht. Ökonomische Studien zu den wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels sind eine wichtige Grundlage, um die Schäden, die die globale Erwärmung verursachen wird, abschätzen zu können. Damit bildet sie auch ein Fundament für gezielte Politikmaßnahmen, um mit Erkenntnissen aus den Natur- und Sozialwissenschaften optimale Antworten auf ein sich änderndes Klima zu finden.

Ein weit verbreiteter Ansatz bei der Schätzung von Klimaschäden ist die Untersuchung der Effekte von Temperatur- und Niederschlagsänderungen auf das Pro-Kopf-Einkommen einer Volkswirtschaft. Untersucht man global über Jahrzehnte den Zusammenhang von Temperatur und Einkommenswachstum, so ergibt sich kein linearer Verlauf zwischen Temperatur und Wachstum. Eine höhere Jahresdurchschnittstemperatur führte in der Vergangenheit nicht automatisch zu niedrigerem Wachstum – zumindest nicht für alle Länder der Welt. Wenig überraschend sind es vor allem Länder in kälteren Regionen, die von einem Temperaturanstieg in der Vergangenheit eher profitiert haben. Heißere Jahre haben in bereits warmen Regionen aber tendenziell zu geringerem Wachstum geführt.

Insgesamt bildet die Literatur also einen nicht-linearen Zusammenhang zwischen der Temperatur und dem Wachstum eines Landes ab. Das bedeutet, dass für kältere Länder ein höheres Wachstum erwartet wird, wenn Temperaturen steigen, während für wärmere Länder ein niedrigeres Wachstum erwartet wird. Länder in milden Regionen zeigen hingegen schwächere Reaktionen auf Temperaturänderungen.1Vgl. Marshall Burke, Matthew W. Davis und Noah S. Diffenbaugh, Large Potential Reduction in Economic Damages Under UN Mitigation Targets, in: Nature 557 (7706), 2018, Seiten 549–53 und Hsiang, Solomon M., Climate Econometrics, in: Annual Review of Resource Economics 8, 2016, Seiten 43–75.

Die Implikation scheint simpel: Für bereits heiße Länder sind die Folgen am schlimmsten, wenn das Klima noch heißer wird. Dürren verursachen Ernteausfälle, Hitzetode mehren sich, die Gesundheit der Bevölkerung leidet und auch das Bildungsniveau kann durch geringeren Lernerfolg bei Hitze behindert werden.2Vgl. Dell, Melissa, Benjamin F. Jones und Benjamin A. Olken, What Do We Learn from the Weather? The New Climate-Economy Literature, in: Journal of Economic Literature 52 (3), 2014, Seiten 740–98. Dies ist jedoch nicht alles. Es muss beachtet werden, dass sich heiße und kalte Länder auch abseits der Temperaturen fundamental unterscheiden. An diesem kritischen Punkt der bisherigen Forschung setzte meine Bachelorarbeit an. Konkret stellte ich die Frage, welchen Einfluss die Heterogenität der Länder auf die Wachstumsreaktionen bei steigenden Temperaturen hat.

Mit in der Literatur etablierten und breit eingesetzten Modellen und Daten aus 160 Ländern von 1960 bis 20103Vgl. Marshall Burke, Solomon M. Hsiang und Edward Miguel, Global Non-Linear Effect of Temperature on Economic Production, in: Nature 527 (7577), 2015, Seiten 235–39. habe ich die Beziehung zwischen Temperatur und Wachstum mit sowohl linearen als auch nicht-linearen Schätzverfahren analysiert. Um die unterschiedlichen Wachstumsreaktionen auf steigende Temperaturen zu untersuchen, habe ich eine Reihe von Subsamples konstruiert. Anhand der darin enthaltenen Ländergruppen lässt sich näher beschreiben, ob Länder, die sich in bestimmten Charakteristika unterscheiden, unterschiedlich auf Temperaturanstiege reagieren. Dabei konnte ich zeigen, dass die allgemeinen Aussagen der Literatur (also eine Wachstumsreaktion entlang einer global einheitlichen Reaktionsfunktion) nur für bestimmte Ländergruppen zutreffen. Tendenziell bereits heiße Länder, Länder in Afrika, derzeit arme Länder und Länder, in denen die Bevölkerung ein relativ tiefes Bildungsniveau hat, scheinen eher negative Einkommenseffekte verbuchen zu müssen, wenn die Temperaturen steigen. Für alle anderen Gruppen von Ländern ist das aber nicht notwendigerweise so. Insbesondere ist interessant, dass viele Länder in Asien, die auch sehr hohe Durchschnittstemperaturen haben, weniger vulnerabel angesichts von Temperaturschocks zu sein scheinen als beispielsweise Länder in Afrika. Die Resilienz eines Landes scheint also nicht ausschließlich von den klimatischen Bedingungen bestimmt zu werden.

Diese Beobachtung macht zwei Entwicklungen deutlich. Zum einen haben höhere Temperaturen in der Vergangenheit in vielen Ländern nicht zu geringeren Einkommen geführt. Zum anderen können wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen, wie Armutsbekämpfung oder Bildungsinvestitionen, dazu beitragen, dass Länder besser mit steigenden Temperaturen umgehen, ihren Wohlstand erhalten und eventuell sogar ausbauen können. Letzteres ist zentral für die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels. Die Berücksichtigung von Bürgerinteressen und das Schaffen von guten Lebensbedingungen bei wirksamem sozialem Ausgleich im Sinne der Idee Sozialer Marktwirtschaft erleichtert die Anpassung an schwierigere Lebensumstände (z.B. höhere Temperaturen). Zudem ermöglicht materieller Wohlstand den Einsatz von Ressourcen zur Reduktion weltweit drohender Klimaschäden.

Die Zentralität der Anpassung wurde zuletzt auch im neu erschienen IPCC-Bericht unterstrichen. Dieser beschreibt, wie der Klimawandel durch ein Netz an Interaktionen zwischen Menschen und Ökosystemen zur Gefahr wird. Dieses Netz kann aber beeinflusst werden, um die negativen Auswirkungen zu senken.4Vgl. Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). 2022, Climate Change 2022. Impacts, Adaptation and Vulnerability. Summary for Policymakers, IPCC WGII Sixth Assessment Report, 2022. Die tiefere Integration dieser Erkenntnisse in ökonomische Modelle zur Abschätzung von Klimafolgen und die Beachtung der Heterogenität der Länder (wie ich es in meiner Bachelorarbeit betone) ist eine wichtige Aufgabe für die Ökonomie bei der Bekämpfung von Klimaschäden.

Sebastian van Kann war zum Zeitpunkt der Fertigstellung seiner Bachelorarbeit Student der Universität Bayreuth.

Der Dr.-Herbert-B.-Schmidt-Preis wurde im Jahr 2021 von der Ludwig-Erhard-Stiftung zu Ehren ihres Gründungs- und Ehrenmitglieds Dr. Herbert B. Schmidt ausgelobt und richtete sich an Hochschulabsolventen der wirtschaftswissenschaftlichen und historischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum.

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, herausgegeben von der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn, ISSN 2366-021X

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Fussnoten

  • 1
    Vgl. Marshall Burke, Matthew W. Davis und Noah S. Diffenbaugh, Large Potential Reduction in Economic Damages Under UN Mitigation Targets, in: Nature 557 (7706), 2018, Seiten 549–53 und Hsiang, Solomon M., Climate Econometrics, in: Annual Review of Resource Economics 8, 2016, Seiten 43–75.
  • 2
    Vgl. Dell, Melissa, Benjamin F. Jones und Benjamin A. Olken, What Do We Learn from the Weather? The New Climate-Economy Literature, in: Journal of Economic Literature 52 (3), 2014, Seiten 740–98.
  • 3
    Vgl. Marshall Burke, Solomon M. Hsiang und Edward Miguel, Global Non-Linear Effect of Temperature on Economic Production, in: Nature 527 (7577), 2015, Seiten 235–39.
  • 4
    Vgl. Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). 2022, Climate Change 2022. Impacts, Adaptation and Vulnerability. Summary for Policymakers, IPCC WGII Sixth Assessment Report, 2022.
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Fussnoten

  • 1
    Vgl. Marshall Burke, Matthew W. Davis und Noah S. Diffenbaugh, Large Potential Reduction in Economic Damages Under UN Mitigation Targets, in: Nature 557 (7706), 2018, Seiten 549–53 und Hsiang, Solomon M., Climate Econometrics, in: Annual Review of Resource Economics 8, 2016, Seiten 43–75.
  • 2
    Vgl. Dell, Melissa, Benjamin F. Jones und Benjamin A. Olken, What Do We Learn from the Weather? The New Climate-Economy Literature, in: Journal of Economic Literature 52 (3), 2014, Seiten 740–98.
  • 3
    Vgl. Marshall Burke, Solomon M. Hsiang und Edward Miguel, Global Non-Linear Effect of Temperature on Economic Production, in: Nature 527 (7577), 2015, Seiten 235–39.
  • 4
    Vgl. Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). 2022, Climate Change 2022. Impacts, Adaptation and Vulnerability. Summary for Policymakers, IPCC WGII Sixth Assessment Report, 2022.