In Simulationen ergeben sich negative Beschäftigungseffekte der EU-Klimapolitik bei ansonsten gleicher Technologie. Anders sähe es aus, wenn die klimapolitischen Eingriffe einen Technologieschub auslösen würden, so Hilmar Schneider.

Mit dem „Green Deal“ hat sich die Europäische Kommission viel vorgenommen. Das Ziel, in der Europäischen Union (EU) bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen, ist zweifellos aller Ehren wert. Erreicht werden soll dies mithilfe dreier Instrumente: erstens mit einer Verordnung über ein Klimaschutzgesetz; zweitens mit einer auf den ökologischen Wandel ausgerichteten Industriepolitik; drittens mit einem Aktionsplan zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft.

Ginge es nach der Europäischen Kommission, wäre Europa schon seit 2010 der wettbewerbsfähigste und dynamischste Wirtschaftsraum der Welt mit einer Beschäftigungsquote von mindestens 70 Prozent. Das war jedenfalls der Anspruch, als im Jahr 2000 die Lissabon-Strategie ausgerufen wurde. Sämtliche damals gesetzten Ziele wurden allerdings deutlich verfehlt. Man mag der Kommission zugutehalten, dass die Finanzmarktkrise 2008 nicht vorhersehbar war. Aber bei Licht betrachtet, wären die Ziele auch ohne diese Krise nicht erreicht worden.

Nicht viel besser erging es dem ebenso ehrgeizigen Anschlussprojekt, das 2010 unter dem Etikett „Europa 2020“ ausgerufen wurde. Darin hatte sich die Europäische Kommission unter anderem zum Ziel gesetzt, die Beschäftigungsquote in Europa bis 2020 auf mindestens 75 Prozent zu steigern, die Armutsquote um mindestens ein Viertel zu reduzieren und die Quote der Hochschulabsolventen unter den Jüngeren auf mindestens 40 Prozent zu bringen.

Die Investitionen in Forschung und Entwicklung sollten auf mindestens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Auch klimapolitische Ziele spielten damals schon eine Rolle: Die Treibhausgas-Emissionen sollten bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent sinken, der Anteil erneuerbarer Energien an der gesamten Energieproduktion sollte auf 20 Prozent steigen und die Energieeffizienz sollte ebenfalls um 20 Prozent steigen.

„Green Deal“-Planwirtschaft

Der Arbeitsmarkt scheint sich weiterhin hartnäckig gegen die Vorgaben der Kommission zu sträuben. Nach zehn Jahren nahezu ungebrochenen weltweiten Beschäftigungsbooms seit der Finanzmarktkrise lag die Beschäftigungsquote 2019 noch immer unter 70 Prozent, und mit der Corona-Pandemie dürfte selbst diese Marke wieder in weite Ferne rücken. Statt um 25 Prozent ist die Armutsquote im gleichen Zeitraum nur um zwei Prozent gesunken, und auch das wird nach der Corona-Krise Makulatur sein. Die Akademikerquote ist zwar in allen Mitgliedsländern beachtlich gestiegen; dies hat aber bislang nicht verhindert, dass die Jugendarbeitslosenquote in manchen Mitgliedsländern seit zehn Jahren bei über 30 Prozent verharrt.

Nun also der „Green Deal“. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit kann man den Schluss ziehen, dass die wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Ziele der Europäischen Kommission das Papier nicht wert sind, auf das sie gedruckt wurden. Wirtschaft und Arbeitsmarkt funktionieren in einer Marktwirtschaft nun mal nicht nach planwirtschaftlichen Prinzipien. Umso mehr entfacht die Kommission ihren Eifer nunmehr auf Feldern, die dem politischen Einfluss unterliegen. Wirtschaft und Arbeitsmarkt müssen die Folgen dann im Zweifelsfall ausbaden.

Zu Zeiten der Lissabon-Strategie war die Europäische Kommission zur Erreichung ihrer Ziele noch weitgehend auf die sogenannte Methode der offenen Koordinierung angewiesen. Das bedeutete nichts anderes, als es den Mitgliedstaaten zu überlassen, auf welchem Weg sie die gesetzten Ziele zu erreichen versuchten. Die Kommission konnte den Prozess lediglich dokumentieren und mithilfe eines Benchmarkings eine Art öffentlichen Pranger für Mitgliedstaaten errichten, die bei der Zielerreichung nicht vorankamen.

Aus den Erfahrungen der Vergangenheit kann man den Schluss ziehen, dass die wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Ziele der Europäischen Kommission das Papier nicht wert sind, auf das sie gedruckt wurden.

Inzwischen hat sich die Situation maßgeblich verändert. Immer häufiger greift die Kommission auf das Instrument der Verordnung zurück, womit sie die Mitgliedstaaten dazu verpflichten kann, EU-Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Wie sich das auswirkt, bekommen die Bürger der EU zunehmend zu spüren. Die Einführung der Datenschutzgrundverordnung, der A1-Bescheinigung im Rahmen der Entsenderichtlinie oder der Bon-Pflicht zeigen, dass die Kommission dabei wenig Rücksicht auf die Belange von Unternehmen nimmt und auch vor realitätsfernen Anforderungen nicht zurückschreckt. Mit dem „Green Deal“ dürfte sich dies verschärfen.

Klimapolitische Eingriffe zur Verbesserung der Klimabilanz haben unweigerlich zur Folge, dass sich die Kosten der Produktion erst einmal erhöhen, sei es durch eine EEG-Umlage, eine CO2-Steuer oder das Verbot zur Verwendung bestimmter Materialien. Es mag den betroffenen Unternehmen noch gelingen, die Preiserhöhungen auf die Endpreise überzuwälzen, aber dann kommt es bei den Konsumenten zu Budgetbeschränkungen, die deren Konsummöglichkeiten einschränken. Gesamtwirtschaftlich schlägt sich dies in einer allgemeinen Reduzierung der Nachfrage nach Gütern nieder.

Stärkung der Kreislaufwirtschaft

Gelingt es den betroffenen Unternehmen nicht, die Preiserhöhungen auf die Endpreise überzuwälzen, reduzieren sich ihre Gewinnmargen, was auf die ein oder andere Weise ebenfalls negativ auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durchschlägt. Zusammen genommen wirkt sich dies negativ auf den Arbeitsmarkt aus, weil bei sinkender Nachfrage weniger Menschen gebraucht werden, um die Güter herzustellen. Das ist auch der Grund, warum gesamtwirtschaftliche Simulationsrechnungen stets zu dem Ergebnis kommen, dass die Beschäftigungseffekte der Klimapolitik bei ansonsten gleicher Technologie negativ sind.

Anders sähe es hingegen aus, wenn die klimapolitischen Eingriffe einen Technologieschub auslösen würden, der eine effizientere Produktion ermöglichen würde. Wenn bei gleichem Ressourcen-Einsatz mehr oder Besseres produziert werden kann als vorher, setzt das Ressourcen frei, die unterm Strich den materiellen Wohlstand erhöhen. Produkte verbilligen sich, und wir können uns Dingen zuwenden, für die wir vorher keine Zeit hatten. Das schafft Spielraum für Neues und damit auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten.

Technische Neuerungen sind die Quelle unseres stetig steigenden Wohlstands. Sie entstehen vor allem dort, wo ein hoher finanzieller Ertrag winkt. Planen oder erzwingen lassen sie sich nicht. Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet stets auch eine gehörige Portion Entdeckungszufall. Dass die denkbaren Eingriffe durch ein Klimaschutzgesetz die gewünschten Innovationen auslösen werden, kann daher niemand versprechen. Der Dieselskandal ist ein warnendes Beispiel dafür, dass politische Vorgaben, die die technischen Möglichkeiten überfordern, fatale wirtschaftliche Folgen haben können.

Die Kommission wäre gut beraten, in erster Linie die Forschung zu effizienter und umweltgerechter Energiegewinnung und zum effizienteren Energieverbrauch zu stärken. Richtig ist in diesem Zusammenhang auch der Vorstoß zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Mehr und mehr Unternehmen bauen ihr Geschäftsmodell auf einer künstlichen Verkürzung der Gebrauchsdauer ihrer Produkte auf. Das hilft zwar der Absatzsteigerung, gesamtwirtschaftlich aber handelt es sich um willkürlich herbeigeführte Ineffizienzen. Vorgaben zu entwickeln, wie Produkte haltbarer, einfacher reparierbar, Upgrade-fähiger, wiederverwertbarer und recyclingfähiger gemacht werden können, sind daher ein unerlässlicher Schritt hin zu mehr Wachstum und Wohlstand – und damit mehr Beschäftigung.

Prof. Dr. Hilmar Schneider ist Vorsitzender der Geschäftsführung des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn.


Dieser Beitrag ist zuerst im Heft „Wohlstand für Alle – Klimaschutz und Marktwirtschaft“ aus dem Jahr 2020 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

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