Die Ludwig-Erhard-Stiftung fragt ihre Mitglieder und andere ihr nahe stehende Persönlichkeiten nach ihrem Standpunkt zum Thema Asylpolitik. Letzte Woche hat Frank Schäffler seine Position dargelegt und zur Bewältigung der Flüchtlingskrise in Deutschland mehr Markt gefordert. Oswald Metzger, Vorstandsmitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung, plädiert im aktuellen Standpunkt für mehr Realitätssinn in der Asylpolitik.

Das Flüchtlingsdrama beschäftigt die Menschen im Land wie selten ein anderes. Nicht nur die Medien und die Politik sind davon seit Wochen beherrscht. Kein Gespräch im Familien- und Freundeskreis, im Verein oder unterwegs, das sich nicht alsbald um das Für und Wider der Masseneinwanderung dreht. Ganz schnell gehen die Emotionen hoch. Wer auf die Zwischentöne achtet, entdeckt die ganze Bandbreite von den Heidenauer Hasstiraden bis zur Münchner Willkommenskultur. Ein kleines Schlaglicht auf das medial derzeit ausgeblendete Radikalisierungspotenzial zeigt sich in der aktuellen Sonntagsumfrage in Sachsen. Die extrem ausländerkritische AfD unter ihrer Fraktions- und Bundesvorsitzenden Frauke Petry steigert sich auf 13 Prozent und liegt damit gleichauf mit der SPD im Freistaat. Ganz nebenbei ist auch die NPD mit 5 Prozent wieder dabei.

Ich will einige Pflöcke für eine realistische Sicht der Thematik einschlagen:

1.    Das Asylrecht in unserer Verfassung ist eine zivilisatorische Errungenschaft, die es zu verteidigen gilt. Das nationalsozialistische Deutschland hat mit Brachialgewalt und mit klammheimlicher und offener Billigung vieler seiner Bürger millionenfache Vertreibung und Vernichtung betrieben. Daraus resultiert für mich eine moralische Verpflichtung für das andere Deutschland, verfolgten Menschen Schutz zu bieten.

2.    Weil sich ein Asylantrag für Hunderttausende von Menschen als „einfacher“ Zugangsweg ins Chancen bietende Deutschland herauskristallisiert hat, nutzen ihn immer mehr Menschen. Viele suchen nicht Zuflucht vor akuter Gefahr für Leib und Leben, sondern Arbeit und Wohlstand für sich und ihre Familien. Das ist zwar individuell verständlich, aber so war das grundgesetzlich garantierte Asylrecht nie gemeint. Ganz nebenbei überfordert die schiere Masse Behörden und Justiz administrativ. Hunderttausende von Asylanträgen sind immer noch unbearbeitet. Die Zahl wird derzeit nicht kleiner, sondern wächst weiter.

3.    Hunderttausende nicht anerkannte Asylbewerber leben – oft seit Jahren – mit behördlicher Tolerierung im Land. Nur 10 Prozent aller abgelehnten Asylbewerber werden tatsächlich abgeschoben. Für diesen „Großmut“ sind vor allem die Länder politisch verantwortlich. Er scheint mir mitursächlich zu sein für die per Smartphone in alle Welt versandte Erkenntnis, dass man auf Asylantragsticket mit einiger Wahrscheinlichkeit in Deutschland bleiben kann, auch wenn der Antrag letztendlich abgelehnt wird. Auch geduldete abgelehnte Asylbewerber und Ausländer, die vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sind, erhalten übrigens Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wer das Asylrecht und seine gesellschaftliche Akzeptanz erhalten will, muss abgelehnte Bewerber konsequent abschieben.

4.    Einwanderung über das Asylrecht wird das demografische Problem Deutschlands nicht lindern. Hier machen sich Wirtschaft, Politik und Medien ganz viel vor. Wer gezielt qualifizierte Arbeitskräfte anwerben will, kann sich nicht aus dem sehr heterogenen Pool der Asylantragsteller bedienen wollen. Nur jeden zehnten Antragsteller hält die Bundesarbeitsministerin für befähigt, direkt in Arbeit oder Ausbildung zu kommen. Laut Bundesinnenminister kann jeder fünfte Flüchtling nicht schreiben und lesen. Deutschland braucht ein klares und transparentes Einwanderungsgesetz, das vor allem auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes abstellt. Die CDU scheint sich hier zu bewegen, auch wenn sie das Wort im Leitantrag für den nächsten Bundesparteitag noch scheut. Die CSU wird es erst noch begreifen müssen.

Wer die Augen vor diesen Realitäten verschließt, riskiert den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Die „Angst vor Überfremdung und Masseneinwanderung in die Sozialsysteme“ bieten genügend Verhetzungspotenzial. Derzeit ist die ökonomische Lage unseres Landes stabil. Wir sollten deshalb dieses Zeitfenster dringend für eine fundamentale Neuorientierung beim Asylverfahren und bei der gesetzlichen Steuerung der Einwanderung nutzen.

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