Reiner Holznagel hält den 1991 eingeführten Solidaritätszuschlag für nicht mehr mit dem Grundgesetz vereinbar und fordert deshalb: „Schluss mit dem Soli!“ Die von der Großen Koalition geplante Abschaffung für 90 Prozent der Zahler der Ergänzungsabgabe hält er für halbherzig.

Was hat Ludwig Erhard mit dem Solidaritätszuschlag zu tun? Erst einmal nicht viel, denn der Solidaritätszuschlag wurde 1991 eingeführt, also lange nach Erhards Zeit. Die Grundlage für die heutige Ergänzungsabgabe stammt allerdings aus dem Jahr 1955, als Erhard Bundeswirtschaftsminister war. Seitdem erwähnt das Grundgesetz eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, die allein dem Bund zusteht.

Nach dem Gesetz war sie dazu bestimmt, „Bedarfsspitzen“ im Bundeshaushalt zu decken, die anderweitig nicht ausgeglichen werden können. Zugleich sollte sie dem Bund „im begrenzten Rahmen eine elastische, der jeweiligen Konjunkturlage und dem jeweiligen Haushaltsbedarf angepasste Finanzpolitik“ ermöglichen. Nähere Angaben, etwa zu Höhe und Dauer der Abgabe, enthält das Grundgesetz nicht. Mit Sicherheit hatte sich die damalige Bundesregierung nicht träumen lassen, dass ihre Nachfolger ein solches Instrument als dauerhafte Einnahmequelle nutzen.

Der sogenannte Soli wurde 1991 befristet für ein Jahr eingeführt. Er sollte zur Finanzierung für den Golfkrieg, für die Unterstützung der Länder in Mittel-, Ost- und Südeuropa sowie für die Kosten der Deutschen Einheit dienen. Ab 1995 wurde er zur Finanzierung des „Aufbau Ost“ erneut installiert – und besteht bis heute. Eine Zeit ohne den Solidaritätszuschlag kennen nur noch die älteren Arbeitnehmer und Unternehmer. Knapp 20 Milliarden Euro bringt er dem Bund jährlich ein.

Die Sympathie, die der eine oder andere Steuerzahler in den Anfangsjahren für die Ergänzungsabgabe gehabt haben mag, ist längst verflogen. Auch juristisch steht die Abgabe auf wackeligen Füßen: Inzwischen gibt es triftige Argumente, dass der Solidaritätszuschlag nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Drei Argumente gegen den Soli

■ Eine Ergänzungsabgabe darf nur zur Deckung vorübergehender Bedarfsspitzen erhoben werden! Die dauerhafte Erhebung widerspricht jenem Ausnahmecharakter, den der Gesetzgeber damals vor Augen hatte. Allein die Tatsache, dass der Solidaritätszuschlag seit 1995 ohne Unterbrechung erhoben wird, belegt, dass der Bund damit dauerhaft sein Budget aufbessert.

■ Eine Ergänzungsabgabe ist gerechtfertigt, wenn sie als letztes Mittel in außergewöhnlichen Haushaltssituationen eingesetzt wird. Das heißt, dass die Notlage nur durch die Abgabe vermieden werden könnte. Doch vor allem zuletzt ging es der deutschen Wirtschaft und damit dem Fiskus prächtig, solide Verdienste und Gewinne ließen die Einkommen- und Körperschaftsteuer ansteigen. Von einer Haushaltsnotlage kann keine Rede sein.

■ Bund und Ländern steht das Aufkommen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie die Einkommensteuer auch den Gemeinden zu. Das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag fließt hingegen nur in den Bundeshaushalt.

Diese Argumente überzeugten vor einigen Jahren das Niedersächsische Finanzgericht. Es legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob der Solidaritätszuschlag noch mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Entschieden ist die Sache bisher nicht, den Druck auf die Politik erhöht das Verfahren allemal. Spätestens, wenn die Aufbauhilfen für die neuen Bundesländer Ende 2019 auslaufen, muss der Soli enden! Schließlich hatte ihn die Politik stets mit diesen Hilfen verknüpft.

Die im Koalitionsvertrag versprochene Abschaffung der Abgabe für 90 Prozent der Zahler ist halbherzig! Die Politik muss ihr Versprechen halten: Schluss mit dem Soli!


Reiner Holznagel ist Präsident des Bundes der Steuerzahler Deutschland e. V.

Dieser Beitrag ist zuerst im Sonderheft „Wohlstand für Alle – 70 Jahre Grundgesetz“ aus dem Jahr 2019 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

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