Verstaatlichung von Wohnungskonzernen und Mietendeckel, Vergesellschaftung von BMW, Enteignung privater Unternehmen – das sind sozialistische Ideen, die immer lauter und weiter verbreitet werden und die dem freiheitlichen und eigenverantwortlichen Geist der Sozialen Marktwirtschaft diametral widersprechen.

Im Lehrbuch steht, was aktuell zu beobachten ist: Es geht um das Ölflecktheorem, eine ökonomische These über die Wirkung von staatlichen Eingriffen in einen Markt. Sie besagt, dass ein einzelner staatlicher Ersteingriff in den Wirtschaftsprozess sich immer weiter ausdehnende Folgeeingriffe in das Wirtschaftssystem nach sich zieht und letztlich in eine Interventionsspirale mündet, die am Ende alle schlechter stellt. Ludwig von Mises formulierte diesen Zusammenhang erstmals 1929 in seiner Kritik des Interventionismus.

Die Verschmutzung begann mit der von Linken, Grünen und der SPD unterstützten oder betriebenen Verstaatlichung von Wohnungskonzernen in Berlin. Es war klar, dass dadurch nicht eine zusätzliche Wohnung entstehen würde. Aber statt von diesem Vorhaben Abstand zu nehmen, wurde der Unsinn ausgedehnt wie ein verlaufender Ölfleck. Juso-Chef Kevin Kühnert machte das Thema mit Fantasien über eine Verstaatlichung von BMW populär. Der Ölfleck breitet sich aus.

Ruinen schaffen ohne Waffen

Seit 18. Juni 2019 gilt die Absicht des Berliner rot-rot-grünen Senats, generell und ab sofort Mieterhöhungen zu verbieten. Und schon fabulieren Grüne und SPD davon, diese Idee bundesweit umzusetzen. Der Ölfleck wächst, die Umfragen machen Tempo.

Es ist eine Art der Verstaatlichung, wie sie auch die DDR praktizierte: Theoretisch gab es Privateigentum; es konnte nur nicht genutzt werden. Wer eine Wohnung vermietet und mit den Einnahmen nicht einmal die Kosten für notwendige Reparaturen oder die vorgeschriebene Energiesanierung deckt, muss die Hütte langsam verfallen lassen. Der schwedische Nobelpreisträger Assar Lindbeck formulierte: „In many cases rent control appears to be the most efficient technique presently known to destroy a city – except for bombing.“

Der gesamte Prenzlauer Berg in Berlin war damals eine einzige Ruinenlandschaft, und aus den Dachböden machten sich die Folgen des meterhohen Taubenkots in Form von Zecken und nachfolgender Hirnhautentzündung auf den Weg in die unteren Geschosse, bis auch die nicht mehr bewohnbar waren. Aber „Ruinen schaffen ohne Waffen“ – das ist geschichtliche Erfahrung, die vergessen ist.

Andere Möglichkeit: Wenn der Mieter oder der Staat teure Reparaturen erzwingt, bleibt nur, die Wohnungen zu verschenken, wobei als Empfänger der Staat gerne zu Hilfe eilt. Das ist Enteignung, und zwar ohne Entschädigung. Es dauert nur etwas länger als eine sofortige Eigentumsübertragung an den Staat.

Lebensfeindlicher Raum mitten in Berlin

Der Ölfleck versaut also schon ganz schön das Wohnungswesen in Berlin. Und auch die zweite Folge ist zu besichtigen: fehlende private Investitionen in den Wohnungsbau. Schön blöd, wer da noch eine Wohnung baut. So dumm ist nicht einmal das Kapital. Der Berliner Senat musste gerade seine zugesagten Wohnungsbauzahlen korrigieren; statt versprochener 30.000 werden es eher nur 20.000 neue Wohnungen.

Es wiederholt sich das Debakel des Flughafens Berlin-Brandenburg: Sie können es nicht. Also muss enger zusammengerückt werden: auf dem seit zehn Jahren zur Schließung anstehenden Flughafen Tegel, der an Überfüllung erstickt – und jetzt auch auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Dabei hat Berlin noch einen Flughafen, das riesige Tempelhofer Feld. Die Berliner Zeitungen verwöhnen uns gelegentlich mit Bildern von hübschen Schrebergärten, die dort angeblich entstehen. Das ist Berliner Schmäh. Das Feld ist größtenteils betoniert oder sonst wie versiegelt; im Untergrund lauern Schadstoffe aus über 100 Jahren Betrieb mit unerkannt giftigen Stoffen, die am besten saniert werden sollten. Im Sommer herrschen dort Temperaturen von über 40 Grad auf der riesigen Beton-Fläche; ein lebensfeindlicher Raum mitten in einer Stadt, die dringend Wohnraum bräuchte.

50.000 oder noch mehr Wohnungen wären kein Problem, auch die Lücken im öffentlichen Verkehrsnetz könnten per Direktverbindung geschlossen werden: wenn man Wohnungen wirklich wollte. Wohnungsmangel in Berlin ist ein Produkt eines Senats, der aus der Not der Wohnungssuchenden politisches Kapital schlagen will – übrigens das einzige Kapital, das niemals Früchte trägt, sondern nur Pöstchen für Funktionäre und Parteimitglieder erzeugt. Politik kann es nicht, aber macht den Markt für ihr Versagen haftbar. Der Ölfleck wächst, alle werden ärmer.

Die Lenkungsfunktion der Preise

Auch andere Sachverhalte werden unterschlagen: Es ist schön, wenn viele Leute aus dem gesamten Bundesgebiet in die Hauptstadt ziehen wollen, um auf ihrer Partymeile zu feiern; und es ist schön, wenn Zuzügler aus Osteuropa und sogenannte Flüchtlinge ihre früheren Nachbarn und Freunde in Berlin treffen wollen – in der Millionenstadt eher möglich als auf dem Brandenburger Dorf. Alles gut, Freizügigkeit ist ein hoher Wert – aber der Anspruch auf eine billige Wohnung am Ort ihrer Träume ist damit nicht verbunden.

Hohe Mietpreise haben eine ausgleichende Wirkung: Sie bremsen die Abwanderung vom Land und sorgen dafür, dass die Unternehmen in der Provinz, dem Stammsitz der Hidden Champions, Mitarbeiter finden, denen das Leben in den Metropolen zu teuer wird. Steigende Mietpreise haben eine Lenkungsfunktion. Das gilt auch für andere Gruppen: Muss man wirklich in Berlin (oder München, oder Frankfurt, oder…) Studentenwohnheime bauen, solange in kleineren Universitätsorten Studienplätze frei sind und Studentenwohnungen deutlich billiger sind? Ist Studium in erster Linie Party-Time oder Wissenserwerb? Müssen wir Steuerzahler dazu beitragen, die Ortswahl der Zeitgeistumzügler in die Metropolen zu subventionieren und anschließend teure wie wirkungslose Programme aufzulegen, um abgehängte Landstriche wieder zu besiedeln?

Auch billige Busse müssen wieder weg für die teure Bahn

So werden eben alle ärmer: Mieter und Gesellschaft. Aber der Ölfleck weitet sich immer noch weiter aus. Sebastian Walter, Spitzenkandidat der Linkspartei für die Brandenburger Landtagswahl, fordert die Enteignung privater Bus-, Bahn- und Telekomfirmen sowie Kliniken und Wohnungsunternehmen. Wir wissen, wie das dann kommt: Telefonieren muss wieder unerschwinglich werden wie zur Zeit der Deutschen Bundespost. Billige Busse müssen weg, damit die Staatsbahn weiter ungehemmt für ihre überteuerten Verspätungszüge abkassieren kann. Kliniken müssen zurück auf 6-Bett-Zimmer; damit man Bürger billiger und besser unterbringen und mit größerem Erfolg operieren kann, wie private Kliniken vormachen – Kappes, wenn örtlicher Juso-Boss als Qualifikation ausreicht, um Klinikchef werden zu können.

Übrigens: Dutzende Gewerkschaftsfunktionäre applaudierten dem Linken-Politiker. SPD-Ministerpräsident von Brandenburg Dietmar Woidke widersprach ihm nicht, sondern sagte: „Öffentlicher Boden muss in öffentlicher Hand bleiben.“ Klar, ohne Boden kein Geschäft und keine Wirtschaft.

Und so breitet sich der schillernde Ölfleck immer weiter aus. Es klingt ja gut, wenn man sich seine Welt mit Worten schönredet. Dass Realität entscheidend ist, das zählt nicht in einer Gesellschaft, die in Sprachbilder verliebt ist und die Folgen ihres Handelns nicht mehr sehen mag, weil sie glaubt, hüpfende Kinder am Freitag könnten Energie produzieren, die eine Gesellschaft nun mal braucht.

Die Warnung kann nicht deutlich genug sein: Eine Gesellschaft, die immer tiefer in die Interventionsspirale läuft, ist auf dem besten Wege, ihren Reichtum zu verspielen. „Wohlstand für alle“ wird durch Freiheit und Wettbewerb erreicht, nicht durch Entmündigung. „Was sind das für Reformen, die uns Wände voll neuer Gesetze, Novellen und Durchführungsverordnungen bringen?“, fragte Ludwig Erhard einst, und in seiner Frage schillert ungut der allwissende Interventionsstaat so wie der beschriebene Ölfleck. Erhard lieferte die alarmierende Antwort gleich mit: „Liberale Reformen sind es jedenfalls nicht. Es sind Reformen, die in immer ausgeklügelterer Form Bürger in neue Abhängigkeiten von staatlichen Organen bringen, wenn nicht sogar zwingen.“

Roland Tichy ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.

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