In unseren Großstädten herrscht ein Mangel an Wohnraum, vor allem, wie man sagt, an „bezahlbarem“.

Aber was heißt „bezahlbar“? Es gibt tatsächlich keine einheitliche Definition des Begriffs. Für die einen heißt „bezahlbar“, dass die Warmmiete nicht mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens betragen darf. Für andere, dass nach Abzug der Kaltmiete der Hartz-4-Regelsatz übrigbleiben muss. Wieder andere Quellen machen es abhängig von der im Haushalt wohnenden Personenzahl. Fest steht: Viele Haushalte zahlen recht hohe Mieten. Das liegt vor allem daran, dass die Nachfrage das Angebot an Wohnungen übersteigt.

Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) sieht den jährlichen Neubedarf bei 308.000 Wohnungen in den nächsten vier Jahren. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) schätzt, dass sogar mehr als 350.000 Wohnungen pro Jahr notwendig sind. Insofern ist das von der Ampel-Koalition anvisierte Ziel, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, darunter 100.000 öffentlich geförderte, durchaus lobenswert.

Aber nicht alles, was glänzt, ist Gold. Neubauten sollen nach dem Koalitionsvertrag klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und bezahlbar sein. Diese Wunschliste kommt von den Schreibtischen der Bürokratie und klingt eher nach einer Quadratur des Kreises! Schließlich fragt man sich, wer diese Ziele umsetzen und vor allem finanzieren soll. Bauen ist so teuer wie nie. Die Preise für Bauholz und Stahl beispielsweise, sind drastisch angestiegen, und natürlich die Energiepreise. Dazu kommt die zwischenzeitlich veränderte Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die nur teures Bauen bezuschusst. Denn zum 1. Januar 2025 soll z. B. jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Bei Bestandsimmobilien müssen Aus- und Umbauten sowie Erweiterungen dem Standard EH-70 entsprechen. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) hat errechnet, dass dadurch rund 300.000 Wohnungen in Deutschland nicht wie geplant gebaut oder modernisiert werden können. Viele – auch sozial orientierte – werden verschoben oder gar nicht erst realisiert. Jetzt müssen Neubauprojekte und Sanierungen aufwendig und kostenintensiv umgeplant werden.

Doch das ist nicht genug der Regulierung. Auch die sogenannte EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden hat es in sich. Danach sind ab 2030 nur noch emissionsfreie Neubauten zulässig und es besteht auch ein Sanierungszwang für die schlechtesten Bestandsbauten. In Deutschland betrifft das etwa drei Millionen Gebäude. Darunter werden viele sein, für die eine Sanierung keine Option ist – sei es aus technischen, zeitlichen, Rentabilitäts- oder Kostengründen. Der Haus & Grund-Verband beziffert die Kosten für den Ersatzneubau auf 1,2 Billionen Euro!

Unter diesen Umständen ist es dann unwahrscheinlich, das Ziel des Baus von 400.000 neuen Wohnungen zu erreichen. Der grüne Regulierungswahn macht zudem den privaten Wohnungsbau fast unerschwinglich. Der geringe Stellenwert von Wohneigentum ist ein großer Fehler. Es ist aber „ein bedeutsames politisches Ziel, möglichst vielen Menschen die Eigentumsbildung in eigener freier Verfügung zu ermöglichen.“ (Ludwig Erhard)

Möglicherweise hat die Ampel-Koalition geahnt, dass es zu diesen Unstimmigkeiten kommen könnte. Jedenfalls stellt sie fast nach Lehrbuchart richtig fest: „Solange nicht genug bezahlbare Wohnungen gebaut werden, verhindert die Wohnungsknappheit vor allem in den Ballungsgebieten, dass sich angemessene Mieten am Wohnungsmarkt bilden können.“

Überraschend sind die Schlüsse, die sie daraus zieht: So soll etwa die Mietpreisbremse verlängert werden. Damit verzerrt und verunsichert man den Markt. Die Menschen, die die Mietpreisbremse eigentlich schützen soll, finden deshalb unter Umständen gar keine Wohnung.

Ein Paradebeispiel für kommunalen Regulierungswahn in der Wohnungspolitik ist Frankfurt am Main. Der städtische Baulandbeschluss sieht seit Anfang 2020 verbindliche Quoten für „bezahlbaren“ Wohnraum vor. Das heißt, in der gesamten Stadt muss bei allen Wohnbauprojekten ein strikter Wohnmix eingehalten werden. Konkret bedeutet das: 30 Prozent des Wohnraums müssen aus gefördertem Wohnraum bestehen, 10 Prozent müssen preisreduzierter Wohnraum sein und jeweils 15% verfallen auf genossenschaftlichen und frei finanzierten Wohnungsbau.

Heute sind die Kommunen kaum noch die Herren der Entwicklung. Baugebiete auszuweisen, verbietet häufig die Umweltgesetzgebung. Damit ist der Markt ausgehebelt und das eingeschränkte Angebot führt zu absurden Grundstückspreisen.

Wir haben zu viel geregelt, und die Kollateralschäden der einzelnen Maßnahmen sind allzu oft bedeutender als die erwünschten Ergebnisse der Regulierung. Aber wer bemerkt das? Wer blickt über die Grenzen der jeweiligen regulatorischen Insel?

Leider setzt die Ampel-Koalition an all diesen Stellen falsche Akzente. Die Koalition hätte sich, um den Wohnungsmangel zu bekämpfen, besser darauf konzentrieren sollen, dass möglichst viele Wohnraumsuchende „die Möglichkeit gewinnen, Eigentum zu erwerben und dadurch unabhängig zu werden […].“ (Ludwig Erhard, Wohlstand für Alle, 1957)


Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

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