Ein Jahr nach dem Start in Berlin fühlt sich das Ludwig-Erhard-Forum gut aufgestellt. Ein neues Kuratorium soll die wissenschaftliche Expertise ergänzen.

„Man muss den Kapitalismus nicht mögen, aber man muss ihn verstehen“, ist Nils Goldschmidt, Vorsitzender des neuen Kuratoriums des Ludwig Erhard Forums (LEF), überzeugt. Eines der Ziele der LEF-Arbeit ist es, junge Menschen für die Soziale Marktwirtschaft zu gewinnen. „Wir brauchen mehr ökonomische Bildung“, konstatierte Goldschmidt vor der Presse in Berlin und verwies auf einen der Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft, Alfred Müller-Armack. Die Marktwirtschaft sei eine evolutionäre Ordnung, die von Menschen weiterentwickelt werde.

Ein Jahr nach dem Schritt der Ludwig-Erhard-Stiftung nach Berlin hat sie dem LEF ein prominent besetztes Kuratorium an die Seite gestellt. Goldschmidt ist Professor an der Universität Siegen sowie Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft. In Siegen lehrt er Kontextuale Ökonomik und Ökonomische Bildung. Weitere Mitglieder des fünfköpfigen Kuratoriums sind die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, die an der Universität Erlangen-Nürnberg lehrt, und der frühere Bundesbankpräsident Jens Weidmann, heute Frankfurt School of Finance & Management. Der Brückenschlag in die USA gelingt mit dem Wirtschaftshistoriker Harold James von der Princeton University und in die Publizistik mit der Wirtschaftsreporterin und Moderatorin der Welt-Gruppe Inga Michler. Das Kuratorium soll die Arbeit des LEF begleiten und weitere Expertise einbringen.

Schritt nach Berlin

Vor einem Jahr hatte die Stiftung das Forum in Berlin ins Leben gerufen. „Es war richtig, nach Berlin zu kommen“, unterstrich der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung und frühere Ministerpräsident Hessens, Roland Koch. Der Diskurs, den das LEF mit Politik und Gesellschaft sucht, bedürfe eines seriösen wissenschaftlichen Hintergrunds mit nationaler und internationaler Reputation. Die Stiftung wolle Teil der Ordnungspolitik und der Ordnungsökonomie sein in einer Zeit, in der die Zahl der Lehrstühle zurückgegangen und auch Veröffentlichungen schwieriger geworden seien. Die Debatte müsse fundiert, unpolemisch und jenseits von Parteipolitik geführt werden, betonte Koch. Schon bei Amtsanritt im November 2020 hatte er angekündigt, die Arbeit der von Erhard 1967 selbst gegründeten Stiftung sichtbarer machen zu wollen. Es bleibe eine der Aufgaben der Stiftung, international zu wirken. Das deutsche Modell der Sozialen Marktwirtschaft sei in anderen Ländern weniger perzipiert, als es dies verdiene. Gerade die Rolle im globalen Wettbewerb der Systeme fordere globale Sichtbarkeit.

Für den wissenschaftlichen Leiter des LEF, Stefan Kolev, muss die Story der Sozialen Marktwirtschaft überzeugend sein. Er beklagte einen „Ökonomismus“, der sich zu stark auf rein ökonomische Fragen konzentriere. Es bedürfe eines neuen Narrativs der gesellschaftlichen Ordnung. Der Ökonom Kolev hatte – bevor er zum LEF stieß – eine Professur an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Der LEF ist nach einem Jahr personell komplettiert und auf die Größe eines Lehrstuhls an der Universität dimensioniert. Bis 2024 unterstützt der Bund das Forum mit eine Anschubfinanzierung von bis zu 800.000 Euro. Es soll aber nicht dauerhaft von staatlichen Mitteln abhängen.

Zwei inhaltliche Schwerpunkte

Zwei zentrale Themen hat sich Kolev für das zweite Jahr mit dem LEF vorgenommen. National geht es um die Ordnung der Innovationen: Menschen bringen Wirtschaft und Gesellschaft durch neuen Ideen in Schwung. International geht es um die neue Globalisierung. Die neue Ordnung verschiebe sich weg von der liberalen Globalisierung. Die Zeiten würden schwieriger. Kolev geht von einer Spaltung der Welt aus, bei der Second-best-Lösungen gefragt sind. Beim Handel oder bei Investitionen werde es zu einer Abkehr von bestehenden Prinzipien und Regeln kommen, etwa solchen, wie sie in der Welthandelsorganisation WTO gelten. Es sei eine komplizierte Gradwanderung, sich davon möglich nicht zu weit zu entfernen. Freunde sowie Gegner müssten identifiziert und Abhängigkeiten gelöst werden.

Mit zivilisierter Provokation will das LEF in Berlin Gehör finden, also auch mit Menschen sprechen, die Ökonomisches weniger mögen. Das LEF plant im Herbst eine Reihe von Gesprächen, etwa mit Joachim Gauck, dem früheren Bundespräsidenten. Diese Woche steht eine Konferenz mit dem fordernden Titel „Quellen des deutschen Antikapitalismus – Neue Wege zu einem Versöhnungswunder mit der Marktwirtschaft“ an. Denn es ist für das LEF ein Phänomen, dass Menschen, die die Marktwirtschaft nutzen, ihr gleichwohl ablehnend gegenüberstehen.

Quelle: Wefers, Angela: Neues Kuratorium für das Ludwig-Erhard-Forum, in: Börsenzeitung, 5. September 2023

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