Unternehmen reagieren auf Signale von Politik und Konsumenten. Für effektiven Klimaschutz müssen die innovativen Fähigkeiten der Unternehmen lediglich in die richtige Richtung gelenkt werden, meinen Andreas Freytag und Matthias Menter.

Wesentliche Akteure der sogenannten Klimabewegung haben bis heute nicht verstanden, dass die Unternehmen ihre natürlichen Verbündeten sind. Ganz im Gegenteil: Sie sehen in der privaten Wirtschaft ihre Gegner im Kampf um ein gutes Klima. Erst kürzlich verkündete Klimaaktivistin Luisa Neubauer, eine der Hauptprotagonisten des Schülerstreiks „Fridays for Future“, in diesem Jahr verstärkt Unternehmen ins Visier nehmen zu wollen.

Sowohl politische Parteien als auch zivilgesellschaftliche Bewegungen bemühen den Klimaschutz regelmäßig auch als Kampf gegen die Marktwirtschaft. Dabei definieren sie Klimaschutz als eine Ansammlung von Geboten und Verboten, also als obrigkeitliche Angelegenheit. Genauso regelmäßig bleibt Klimapolitik wirkungslos. Dabei ist effektiver Klimaschutz nicht schwer zu realisieren. Man muss nur die innovativen Fähigkeiten der Unternehmen sowie ihre Gewinnorientierung in die richtige Richtung, in diesem Fall in klimafreundliche Produktionsweisen beziehungsweise klimafreundliche Produkte lenken.

Diese triviale Einsicht geht mindestens auf Adam Smith zurück und gilt auch für moralisch aufgeladene Dienstleistungen wie den Umwelt- beziehungsweise Klimaschutz. Es geht um die Schaffung der richtigen Anreize, um Änderungen hin zu mehr klimafreundlicher wirtschaftlicher Aktivität zu induzieren. Gelingt dies, kann man sich sogar vorstellen, wesentliche Teile der Wirtschaft, die zugegebenermaßen regelmäßig Lobbying gegen strenge Umwelt- und Klimaauflagen betreiben, zu Klimabewegten zu machen.

Konsumentensignale schwach

Gewinnorientierte Unternehmen sind nicht von Moral getrieben, sondern sie müssen sich im Rahmen der gültigen Gesetze bewegen. Sie sind aber auch nicht genuin unmoralisch. Vielmehr reagieren sie auf Signale, die ihnen von der Politik in Form von Regulierungen und Gesetzen sowie von Marktteilnehmern in Form von Nachfrageänderungen oder neuen Angeboten gesendet werden. Deswegen hängt es von der Politik und den Kunden ab, die richtigen Signale zu senden.

Bislang zeigt sich, dass die Kunden nur schwache Signale in Richtung mehr Klimaschutz aussenden. Signale wären in diesem Zusammenhang ein geändertes Konsumverhalten und eine damit einhergehende erhöhte Zahlungsbereitschaft für klimafreundliche Produkte. Das Nachfrageverhalten ändert sich jedoch nur sehr zögerlich: So ist zum Beispiel der Anteil der Ökostrom-Kunden in Deutschland von 2016 auf 2019 um lediglich 3,9 Prozentpunkte von 14 Prozent auf 17,9 Prozent gestiegen.

Das bedeutet, dass es in der Hand der politischen Entscheidungsträger liegt, ob Unternehmen klimafreundlich produzieren oder nicht. Die wesentlichen Klimakiller sind Treibhausgase, die beim Angebot zentraler Dienste und Güter (zum Beispiel Wärme, Strom, Mobilität, Nahrungsmittel) freigesetzt werden. Solange die Emission von Treibhausgasen kostenfrei möglich ist, das Klima also ein öffentliches Gut darstellt, wird ein gewinnorientiertes Unternehmen es sich nicht erlauben können, auf die kostenlose Freisetzung der Treibhausgase zu verzichten.

Gewinnorientierte Unternehmen sind nicht von Moral getrieben, sondern sie müssen sich im Rahmen der gültigen Gesetze bewegen. Sie sind aber auch nicht genuin unmoralisch.

Hier zeigt sich das enorme Potenzial des Zusammenspiels von Politik und Wirtschaft. Wenn sich die Politik dazu durchringen könnte, die Bepreisung der Treibhausgas-Emissionen ernsthaft voranzubringen, würden die Unternehmen – schon um ökonomisch zu überleben – klimafreundlicher produzieren. Einige Unternehmen, die sich nicht auf emissionsärmere oder -freie Produktion umstellen können, scheiden aus; andere treten erst in die Märkte ein. Die Bepreisung findet entweder durch eine Verknappung der zur Verfügung stehenden Emissionsrechte oder durch eine Emissionssteuer statt. Idealerweise folgt die Politik dabei einer langfristigen Strategie, die das Ausscheiden und Eintreten von Unternehmen auf den Märkten als relativ sanften Prozess ermöglicht.

Das Klima kann am Ende nur dadurch geschützt werden, dass es eine globale Koordination gibt. Dennoch kann ein Land wie Deutschland auch im Alleingang und im Rahmen seiner internationalen Verpflichtungen den Strukturwandel hin zu klimafreundlicher Produktion vorantreiben. Grundsätzlich bieten sich hierfür zwei Lösungsansätze an, die den Marktmechanismus als Koordinierungsinstrument nutzen: handelbare CO2-Emissionszertifikate oder eine CO2-Steuer.

Die Grundidee einer Zertifikatslösung für CO2-Emissionen ist simpel. Der Staat legt eine maximale Emissionsmenge fest und regelt die Ausgabemodalitäten der Zertifikate. Wollen Produzenten CO2 emittieren, so müssen sie für die beabsichtigte Menge Zertifikate erwerben. Klimafreundliche Produktionsweisen bedürfen weniger Zertifikate und sind dadurch günstiger. Somit begünstigt der Zertifikatehandel den Umstieg auf neue Technologien und Verfahren. Der große Vorteil des CO2-Emissionszertifikatehandels liegt in der Steuerbarkeit der Gesamtemissionsmenge. Schwieriger ist hingegen eine Preisfestsetzung, um den Handel in Gang zu bringen, zumal der Zertifikatehandel vor spekulativen Aktivitäten nicht gefeit ist.

Innovation durch Wettbewerb

Eine CO2-Steuer versucht, die Schwachstellen des Zertifikatehandels zu adressieren. So wird dabei der Preis vom Staat festgelegt. Nachteil dieser Lösung ist, dass die ausgestoßene Emissionsmenge schwer prognostizierbar ist, weil ungewiss ist, wie sich das Verhalten von Produzenten und Konsumenten ändert. Unter der Annahme, dass die Bundesregierung eine CO2-Steuer einführt, wäre die richtige Strategie, den Steuersatz über einen langen Zeitraum stetig zu erhöhen. Nehmen wir an, die Bundesregierung folgt der Ankündigung, im Jahr 2021 eine Steuer von zehn Euro pro Tonne CO2 einzuführen. Wenn diese (abweichend vom Plan des Klimapakets 2019) jedes Jahr um 25 Prozent stiege, betrüge die Steuer 2030 etwas über 93 Euro pro Tonne; 2038 läge sie schon bei 444 Euro.

Eine solche Ausgestaltung der CO2- Steuer bedeutet, dass die Stromproduktion mit Braunkohle lange vor 2038 nicht mehr attraktiv wäre, ohne dass es einer Abschaltungsverfügung bedürfte. Es bedeutet aber auch, dass jeder Anbieter alternativer Energien weiß, ab wann sein Angebot attraktiv ist. Es wird dann vermutlich schnell zu einem stärkeren Wettbewerb um die Wärme- und Stromkunden kommen. Es würde auch völlig neue Ideen geben, wie die Menschen ohne fossile Brennstoffe mobil bleiben.

Egal, welche politische Lösung man forciert, käme es zu einem politikinduzierten Wettbewerb unter Unternehmen, mit dem Parameter „Klimafreundlichkeit“. Unternehmen hätten die Wahl, entweder „Strafzahlungen“ (in Form der CO2-Steuer oder des Erwerbs von Zertifikaten) in Kauf zu nehmen oder ihre Produktion klimafreundlich zu ändern. Langfristig würden die innovativeren Unternehmen am Markt bestehen bleiben. Das Faszinierende an diesem Prozess ist, dass niemand heute wissen kann, wie genau das Angebot an Wärme, Strom und Mobilität in der Zukunft aussehen wird. Vielmehr hängt dieses Angebot von der Kreativität der Unternehmen und ihrer Beschäftigten ab, der bei einer marktwirtschaftlichen Lösung keine Grenzen gesetzt sind.

Prof. Dr. Andreas Freytag ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Prof. Dr. Matthias Menter ist dort Juniorprofessor für Unternehmensentwicklung, Innovation und wirtschaftlichen Wandel. 

Dieser Beitrag ist zuerst im Heft „Wohlstand für Alle – Klimaschutz und Marktwirtschaft“ aus dem Jahr 2020 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

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