Dr. Sebastian Spiegel
Assoziiertes Mitglied des Schumpeter-Zentrum zur Erforschung des sozialen und ökonomischen Wandels, Jena

Dr. Wolfgang Bretschneider
Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena

Das Bewusstsein für die Notwendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens ist in Deutschland ausgeprägt, doch über den zu beschreitenden Weg zu diesem Ziel wird gestritten. Die Autoren betonen die Bedeutung des Wettbewerbs bei der ökologischen Transformation der Wirtschaft.

Die ökologische Transformation der Wirtschaft gilt zu Recht als eine der politischen und gesellschaftlichen Bewährungsproben des 21. Jahrhunderts. Um Problemen wie dem Klimawandel, der Gewässerverschmutzung oder der Übernutzung der Ressourcen zu begegnen, bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung. Das gilt im globalen Norden wie im globalen Süden, und damit jedenfalls gerade auch für moderne Volkswirtschaften wie die Bundesrepublik. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass in Deutschland ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber besteht, dass entschlossenes politisches Handeln zum Schutz der Umwelt notwendig ist. Weniger Einigkeit allerdings besteht in der Frage, wie man sich diese Transformation vorstellen soll.

Angesichts der ökologischen Herausforderungen wird laute Fundamentalkritik an einem marktwirtschaftlich organisierten System, dem „Kapitalismus“, und teilweise zugleich auch an der konventionellen Wirtschaftswissenschaft geübt. Letztere sei, so der Vorwurf, dem Menschenbild vom Homo oeconomicus verhaftet und akzeptiere das Gewinnerzielungsmotiv. Die Marktwirtschaft werde auf dieser Grundlage durch Gier, Raubbau an Mensch und Natur und nicht zuletzt das „Wachstumsparadigma“ bestimmt. So fällt es offenbar nicht schwer, die moralische Unterlegenheit eines solchen Systems darzustellen.1Beispiele dieser durchaus verbreiteten Perspektive finden sich in dem Sammelband von Wolfgang George (Hrsg.), Laudato Si. Wissenschaftler antworten auf die Enzyklika von Papst Franziskus, Gießen: Psychosozial-Verlag. In den Beiträgen etwa von Hans Peter Klein, Dietmar Kress oder Martina Eick scheint es gerade darum zu gehen, Begriffe wie Markt, Effizienz, „Profitinteresse“ und „Konsumismus“ nur hinreichend abwertend zu konnotieren.

Zu solchen Fundamentalkritikern gehören auch Institutionen des gesellschaftlichen „Establishments“, wie beispielsweise nicht unerhebliche Teile der christlichen Kirchen. Begriffe wie „Suffizienz“ oder „Ethik des Genug“ werden hier – vermeintlich moralisch einleuchtend – in eine Frontstellung gegen „wirtschaftliche Gier“ und „grenzenlosen Wachstumsdrang“ gebracht. Wenn sich das Wirtschaftliche in die Umwelt „hineinfrisst“ – so offenbar die Intuition – sei dem ein Riegel vorzuschieben. Allerdings: Wie dies geschehen soll, ist eine Frage, deren Beantwortung nicht trivial ist.

Zweifellos gilt es, das Wirtschaftsgeschehen auf Nachhaltigkeit hin zu programmieren. Nur fußt eine derartige Fundamentalkritik auf einer unpräzisen Diagnose. Aber gerade in Zeiten von Transformation und Umbruch kommt es darauf an, die Diagnose präzise zu formulieren. Für die Debatte zur ökologischen Transformation kann diese Aufforderung bedeuten, eine Frage in zwei Richtungen zu stellen: Was gilt es am gegenwärtigen Wirtschaften in unserer Gesellschaft zu verändern? Was gilt es umgekehrt zu bewahren?

Während sich die fundamental angelegte Kritik naturgemäß auf das Verändern konzentriert, wird die Frage nach dem zu Bewahrenden zu wenig beachtet. Das dürfte seinen Grund auch darin haben, dass sich das zu Bewahrende in vermeintlichen Selbstverständlichkeiten versteckt. Der israelische Historiker Yuval Harari stellt in seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ den Gewöhnungseffekt an ein erreichtes Wohlstandsniveau als ein „eisernes Gesetz der Geschichte“ vor.2“Once people get used to a certain luxury, they take it for granted.” Yuval N. Harari (2014), Sapiens. A Brief History of Humankind, Harper Collins, Seite 98. Umso mehr gilt es für Zeiten von Umbrüchen und Transformationen, Selbstverständlichkeiten aufzudecken. Übersieht man sie, so kommt man nicht selten zu Lösungen, nach deren Umsetzung man sich nachgerade das Problem zurück wünscht.

Zu bewahren: Wettbewerbsmärkte

Verbreitet ist die Auffassung, dass unter den Errungenschaften der Moderne die Demokratie und die Grundrechte, die offene, freie und tolerante Gesellschaft ein Gewinn sind. Mit Blick auf das Wirtschaften aber lautet die Gretchenfrage: „Wie hältst Du es mit Wettbewerbsmärkten?“ Gehört der Wettbewerb zu den gesellschaftlichen Grundfesten, die es zu bewahren gilt? Die Antwort darauf kann nur ein kraftvolles „Ja“ sein. Nur mit Wettbewerbsmärkten sind die Segnungen unseres Alltags überhaupt vorstellbar, von denen heute viele davon ausgehen, sie entstünden von allein.

Die Fähigkeit, Innovationen hervorzubringen, die an der relativen Knappheit von Ressourcen (gleichsam: an der Realität) geprüft wurden, ist eine essenzielle Funktion von Wettbewerbsmärkten. Nur auf dieser Grundlage wird heute das Smartphone ebenso wie zuverlässige Outdoor-Kleidung genutzt, und wird organisch gegessen. Mit guten Gründen – namentlich aufgrund von Marktversagen – obliegt es dem Staat, in eine ganze Reihe von Sektoren einzugreifen. Aber auch in den tief staatlich regulierten Bereichen wie Netzmobilität (Bahn), Gesundheit und Kultur ist das erreichte Versorgungsniveau ohne Wettbewerb, zumal in den vorgelagerten Märkten der Wertschöpfungskette, nicht vorstellbar.

Im Wettbewerb spielt das Gewinnerzielungsmotiv, dessen Berechtigung regelmäßig in Zweifel gezogen wird, in der Tat eine Rolle. In der moralischen Beurteilung von Märkten aber ist dabei gleichsam „über Bande“ zu spielen, denn der Wettbewerb instrumentalisiert das Gewinnerzielungsmotiv, um es in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.3Vgl. Ingo Pies (2017), Unternehmen handeln im öffentlichen Interesse, Diskussionspapier des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Nr. 2017-17, Seiten 2 f.

Die Früchte des Wettbewerbs müssen schwer erarbeitet werden, denn sie fallen eben nicht vom Himmel. Märkte versetzen die Akteure in Spannung, sie prüfen die Produktivkraft der Anbieter und die Konsumdringlichkeiten der Nachfrager. Sie bedeuten für die beteiligten Akteure zuweilen durchaus eine Zumutung, die unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips durch Sozialpolitik aufgefangen werden müssen.

Auch darüber hinaus spielen öffentliche Institutionen im Wettbewerbsgeschehen eine herausragende Rolle, wie spätestens die Ordoliberalen um Walter Eucken erkannten. Ökologische Übernutzungsprobleme finden sich regelmäßig als Marktversagen wieder, zu denen gerade auch externe Effekte zählen. Diese lassen sich nur durch wirksame rechtliche Institutionen auffangen. Einen Markt a priori sich selbst zu überlassen, kommt nicht infrage.4Und nur deswegen übrigens ergibt sich überhaupt eine Aufgabe für Volkswirte.

Wettbewerbsmärkte sind im Übrigen der fundamentale Treiber des Phänomens, das sich makroökonomisch als Wirtschaftswachstum beobachten lässt. Wachstum aber ist gar nicht das Ziel von Märkten. Deren Funktionslogik und ihre gesellschaftliche Begründung sind in der beschriebenen Weise mikroökonomisch, das heißt sie beziehen sich auf Produktivität in einem bestimmten Markt. Wachstum ist vielmehr deren nicht-intendierte Nebenwirkung auf der Ebene einer Volkswirtschaft. Wer Wachstum abschaffen will, muss also Märkte abschaffen.

Ökologischer Lebensstil und Staatswirtschaft: Auswege oder Irrwege?

Welche Ideen zur ökologischen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft werden im fundamentalkritischen Milieu nun vorgebracht? Das ist nicht leicht herauszufiltern, weil oft nur die Negation („gegen Kapitalismus“) deutlich zu vernehmen ist, nicht aber, wodurch denn nun die Zukunft umsetzbar charakterisiert sein soll. Zwei Überlegungen schwingen hier regelmäßig mit: eine ökologisch orientierte Änderung der individuellen Lebensstile und eine stärkere wirtschaftliche Aktivität durch den Staat.

Mit der Hoffnung auf eine individuelle Änderung des Lebensstils, wie es etwa „Ethiker des Genug“ fordern, wird man diesen Planeten beim besten Willen nicht retten. Das hat insbesondere die folgenden beiden Gründe:

  • Erstens gibt es empirisch keine Korrelation zwischen ökologischer Gesinnung und individuellem Verbrauch natürlicher Ressourcen, jedenfalls nicht, wie es dieser Forderung zugrunde gelegt wird. Eine durch das Umweltbundesamt in Auftrag gegebene Studie unterstreicht, was bereits bekannt ist: dass in sozialen Milieusegmenten mit positiven Umwelteinstellungen der individuelle Verbrauch natürlicher Ressourcen besonders hoch ist und eben nicht besonders gering.5Vgl. Silke Kleinhückelkotten et al. (2016), Repräsentative Erhebung von Pro-Kopf-Verbräuchen natürlicher Ressourcen in Deutschland (nach Bevölkerungsgruppen), UBA-Texte 39/2016, Dessau-Roßlau. Zur Problematik mit weiteren Nachweisen auch Ulrich Smeddinck (2011), Regulieren durch Anstoßen. Nachhaltiger Konsum durch gemeinwohlverträgliche Gestaltung von Entscheidungssituationen?, Die Verwaltung 44 (3), Seiten 375–395, Seite 379. In der Umweltpsychologie ist dieses Phänomen als Diskrepanz zwischen Umweltbewusstsein und Umwelthandeln bekannt und wird seit Jahren diskutiert.6Bereits etwa in Birgit Neugebauer (2004), Die Erfassung von Umweltbewusstsein und Umweltverhalten, ZUMA-Methodenbericht 2004/07. Nicht so sehr die Gesinnung, sondern in erster Linie das (Real-)Einkommen ist für den Verbrauch auch ökologischer Ressourcen maßgeblich: Je höher das Einkommen, umso höher der Verbrauch. Das heißt im Durchschnitt auch, dass die Inanspruchnahme ökologischer Ressourcen mit dem Bildungsniveau steigt. So kommt es zu dem kontraintuitiven Ergebnis, dass etwa die Nutzung von Flugzeugen bei Wählerinnen und Wählern der Partei Die Grünen den höchsten Anteil aufweist.7Vgl. Heinrich-Böll-Stiftung und Airbus Group (2016), Oben. Ihr Flugbegleiter, Berlin, Seite 15. Es ist gerade nicht eine „Kultur des Konsumismus“, die zu hohen Verbräuchen natürlicher Ressourcen führt. Vielmehr konsumieren diejenigen gesellschaftlichen Gruppen besonders viel, die einen inneren Abstand zum Konsum haben und ihm sogar kritisch gegenüberstehen. Konsum ist also etwas anderes als „Konsumismus“. Die Umwelt ist aber nicht vom „Konsumismus“, sondern vom tatsächlichen Konsum betroffen.

Dieser Befund zeigt, dass es notwendig ist, Konsumverhalten illusionsfrei und von den Alltagsbedingungen eines Individuums her zu denken, unter denen dem ökologischen Nachhaltigkeitsinteresse immer wieder konkurrierende Interessen gegenüberstehen. Dann wird deutlich, dass dort, wo die Geld- und Zeitkosten, die Mühen im Alltag zu groß werden, die „ökologischere Entscheidungsalternative“ zurückgestellt wird; auch dann, wenn man mit ihr sympathisiert.

  • Zweitens kommt es für eine ökologische Transformation darauf an, dass faktische Verhaltensänderungen zu einer effektiven Ressourcenschonung führen. Verhaltensänderungen müssen entsprechend ausgerichtet sein. Angesichts komplexer Wertschöpfungsketten und der Notwendigkeit gradueller Verhaltensänderung, stößt hier eine intrinsisch gesteuerte Modifikation schnell an ihre kognitiven Grenzen. Es kann etwa nicht darum gehen, gar nicht mehr zu fliegen, sondern in einem bestimmten Ausmaß nicht mehr zu fliegen. Dabei kann man unmöglich wissen, welcher Konsum bzw. welches Konsumausmaß aus dem gesamten Bündel des Alltags wann und wo und in welchem Ausmaß welche ökologischen Auswirkungen hat, zumal neben ökologischen ja auch soziale Produktionsbedingungen zu bedenken wären.

Eine individuell wirksame Umweltschonung lässt sich vor diesem Hintergrund allenfalls durch Einkommensverzicht herbeiführen. Man müsste also um eine Gehaltsreduktion bitten. Es ist nichts darüber bekannt, dass sich mit diesem Anliegen eine breite Bewegung ergeben hätte.

Sucht man jenseits einer individuellen Lebensstiländerung nach nicht-marktwirtschaftlichen Konzepten, so stößt man auf eine alte Lösung: die Steuerung wirtschaftlicher Entscheidungen durch den Staat. Dieser Ansatz firmiert etwa unter dem Titel „verpflichtende Suffizienz“.8Vgl. etwa Manfred Linz (2016), Wie Suffizienzpolitiken gelingen. Eine Handreichung, Wuppertal Spezial Nr. 52. Hier aber drohen nicht nur umfangreiche Effizienz-, sondern auch Freiheitsverluste. Das ist mit der freien und offenen Gesellschaft, die typischerweise auch Kapitalismuskritiker bewahrt sehen wollen, unvereinbar.

Und was ist hinsichtlich der ökologischen Nachhaltigkeit zu erwarten? Natürlich kann man mit einer staatlich gesteuerten Wirtschaft das Wachstum drosseln. Aber eine Entlastung für die Umwelt kann hiervon nicht automatisch erwartet werden. Auch hier müsste eine wirksame Politik ökologischer Nachhaltigkeit erst implementiert werden, was mindestens genauso gut in Wettbewerbswirtschaften vorgenommen werden kann. Tatsächlich gehörten und gehören Nationen mit einer staatlich dominierten bzw. gelenkten Wirtschaft zu jenen mit den geringsten Umweltschutzmaßnahmen. Man erinnere sich: Die DDR hatte ein geringeres Wachstum und mehr Umweltzerstörung als die Bundesrepublik. Ein Grund dafür mag sein, dass sich eine Art Gewaltenteilung zwischen privater Wirtschaft und regulierendem Staat für eine effektive Umweltpolitik gerade positiv auswirken mag. Hinzu kommt, dass moderne ökologische Technologien, beispielsweise Elektroantriebe, effizientere und kleinere Windräder oder Wasseraufbereitungsanlagen, technischen Fortschritt und Innovation, mithin Strukturwandel voraussetzen – Phänomene, die in einer Wettbewerbswirtschaft ungleich stärker ausgeprägt sind.

Schließlich sei in diesem Zusammenhang ein historisches Argument gegen eine Staatswirtschaft vorgebracht, das als Frage formuliert werden kann: Lässt sich eine Demokratie zusammen mit einer Staatswirtschaft organisieren? Mit dem Verweis auf China wird gelegentlich zu belegen versucht, dass zwischen Demokratie und Marktwirtschaft kein strikter Zusammenhang bestünde. Doch dieser Beleg ist trügerisch, beweist er doch nur, dass sich eine Diktatur auch nach der partiellen Öffnung der Wirtschaft noch erhalten kann. Über den umgekehrten Fall – Demokratie ohne Marktwirtschaft – sagt dieses Beispiel nichts. Für die Unabhängigkeit zwischen Staats- und Wirtschaftssystem gibt es keinen eindeutigen Nachweis.

Mit anderen Worten: Es gibt in der Geschichte kein Beispiel einer freiheitlichen Demokratie ohne Wettbewerbswirtschaft. Hingegen gibt es eine ganze Reihe von Ländern, zum Beispiel England und die Niederlande, in denen dynamische Märkte und dynamischer Handel die Demokratisierung vorangetrieben haben. Also: Wer die Wettbewerbswirtschaft für verzichtbar hält, gefährdet eine freie und demokratische Gesellschaft.

Zu verändern: Durchsetzung ökologisch kostenechter Preise

Selbstverständlich benötigt der Schutz natürlicher Ressourcen maximale gesellschaftliche und politische Anstrengung. Die entscheidende Frage ist aber, wo es anzusetzen gilt, um sodann ebendarauf die gesellschaftliche und politische Energie zu fokussieren. Das große Ziel der ökologischen Transformationsbemühungen sollte lauten: Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen, also ökologisch kostenecht sein. Hintergrund bei Problemen ökologischer Nachhaltigkeit sind unterschiedliche Tatbestände des Marktversagens, wie externe Effekte, die durch staatliche Regulierung einzufangen sind. Das zugrunde liegende Problem ist, dass ohne Umweltabgaben die Leistungen der Natur in keiner Unternehmensbilanz auftauchen und derart betriebswirtschaftlich nicht berücksichtigt werden.

Hier ist der Staat als ordnende Instanz – nicht als Lenker wirtschaftlicher Entscheidungen – gefordert. Er fasst den Wettbewerb in die ökologischen Bedingungen, mithin die planetarischen Grenzen ein. Als Haushälter und Treuhänder der Umwelt erhebt er Abgaben auf Umweltnutzung von den Unternehmen. Damit steigen für sie die Kosten für jede Nutzungseinheit, womit die Nutzung begrenzt wird. Für den Endnutzer tauchen die Umweltabgaben dann als ein Preisbestandteil auf. Damit würde eine ganze Reihe von Gütern für den Konsumenten zunächst teurer werden. Innovation und Strukturwandel aber sorgen dafür, dass mit den so spürbar werdenden neuen Knappheiten kreativ und produktiv umgegangen wird.

Mit ökologisch kostenechten Preisen ändert sich in der Tat der Lebensstil. Allerdings nicht durch „Bewusstseinsänderung“, also intrinsisch, sondern extrinsisch – gleichsam durch den „Schmerz“, den der Verbraucher bei der Umweltnutzung zu spüren bekommt. Und derartige Preise ermöglichen umgekehrt Konsum, insoweit dies bei gegebenen Zahlungsbereitschaften ökologisch vertretbar ist. Natürlich ändert sich etwa das Flugverhalten, wenn der Preis höher ist. Aber das heißt nicht, dass man gar nicht mehr fliegen kann. Es würde vielmehr auf ein umweltverträgliches Maß justiert.

Ökologisch kostenechte Preise sorgen für effektive Ressourcenschonung. Bei einem anderen als „ökonomisch“ bekannten Konzept ökologischer Transformation, der zu steigernden Ressourceneffizienz, liegt die Sache anders. In diesem Konzept sind eben derartige Innovationen der Ansatzpunkt. Allerdings ist hier wegen des möglichen Rebound-Effekts eine effektive Ressourcenschonung nicht abgesichert. Bei diesem Effekt führt die infolge größerer technologischer Effizienz eintretende Preissenkung zu einer Mehrnutzung, die die ökologische Entlastung wieder auffrisst. Das Konzept der Ressourceneffizienz hat den vermeintlichen Charme, dass ein ökologischeres Leben durch Preissenkungen zu erhalten ist, durch eine „Entspannungsanpassung“. Für Konsumenten entsteht so womöglich der Eindruck, man könne, wenn „die Wirtschaft“ nur nachhaltiger produziere, ökologischer und nebenbei komfortabler leben. So bequem wird es leider nicht, jedenfalls nicht zu Beginn.

Der Weg in eine hinreichend umwelt- und ressourcenschonende Wirtschaft muss ein Weg der „Anspannungsanpassung“ sein, bei der dem gesellschaftlichen Wirtschaften zunächst (preislich) die ökologischen Grenzen aufgezeigt werden: eine Anpassung mit prinzipiell steigenden Preisen für natürliche Ressourcen und in der Folge steigenden Preisen bei den umweltrelevanten Konsumgütern. Die Realeinkommen werden durch steigende Preise sinken, mit dem Effekt einer Ressourcenmindernutzung. Das führt dann zu weniger Wachstum, weil – und nicht: damit – die ökologischen Ressourcen geschont werden. Allerdings gilt das nur für die Phase der ökologischen Transformation. Langfristig werden effizientere Technologien Wohlstandsdefizite wieder aufholen. Insofern ist Ressourceneffizienz als eine Folge ökologisch kostenechter Preise zu betrachten.

In der öffentlichen Debatte hat diese Leitidee vor allem eines: ein Marketing-Problem. Gegenüber einer skandalisierenden Fundamentalkritik wirken diese Lösungen langweilig und bürokratisch. Aber es hilft nichts: Sachdebatten und -lösungen müssen sich auf die Mühen der Ebene einstellen.

Fazit

Für die notwendige ökologische Transformation braucht man keine neuen Wirtschaftssysteme zu erfinden, die den Weg weisen. Vielmehr gilt es, die politischen Konsequenzen aus Erkenntnissen der konventionellen Umweltökonomie, freilich in Verbindung mit der ökologischen Ökonomik, zu ziehen: Die Nutzung natürlicher Ressourcen muss in vollem Umfang eingepreist werden.

Dieser Weg ist unbequem, denn einerseits hat man es mit ganz unterschiedlichen Politikfeldern und Branchen zu tun. So geht es um Abgaben auf Pflanzenschutzmittel und Wasserentnahmen, auf Kerosin und Diesel. Andererseits ist mit Widerstand der jeweiligen Branchenlobby zu rechnen, die sich entsprechenden Gesetzen und Regelungen entgegenstellen dürfte, da mit Umweltabgaben zusätzliche betriebswirtschaftliche Kosten entstehen. Hilfreich wäre es, wenn sich in diesen Verbänden Verständnis Bahn brechen würde. Jedenfalls wäre das auch in deren wohlverstandenem Eigeninteresse, um Legitimität und gesellschaftliche Akzeptanz für das Wirtschaften nicht zu verlieren. Freilich kann man sich nicht darauf verlassen, dass diese Einsicht kommt.

Umso mehr kommt es auf eine andere gesellschaftliche Gruppe an: die Bürger. Soweit uns an ökologischer Nachhaltigkeit gelegen ist, ist es unsere vornehmste Aufgabe, Umweltabgaben, die uns als Endverbraucher in gewissem Ausmaß treffen dürften, nicht nur hinzunehmen, sondern vehement einzufordern. Dabei ist nötig, dass wir in der Rolle als Konsumenten unsere Zahlungsunlust und in der Rolle als Arbeitnehmer und Unternehmer die Sorge vor dem Strukturwandel überwinden. Beides kann schmerzen. Klar ist, dass Profiteure des weniger nachhaltigen Status quo versuchen werden, in diesen Bereichen Ängste zu schüren. Hier ist Unbeirrbarkeit gefordert. Umso hoffnungsvoller stimmt, wie stark bereits das Bewusstsein für die Notwendigkeit ökologischer Nachhaltigkeit in Deutschland ausgeprägt ist. Das ist das Kapital, das für die ökologische Transformation einzusetzen ist.9Für wertvolle Hinweise danken wir Prof. Dr. Andreas Freytag und Dr. Alexandra Purkus.

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, herausgegeben von der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn, ISSN 2366-021X

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Fussnoten

  • 1
    Beispiele dieser durchaus verbreiteten Perspektive finden sich in dem Sammelband von Wolfgang George (Hrsg.), Laudato Si. Wissenschaftler antworten auf die Enzyklika von Papst Franziskus, Gießen: Psychosozial-Verlag. In den Beiträgen etwa von Hans Peter Klein, Dietmar Kress oder Martina Eick scheint es gerade darum zu gehen, Begriffe wie Markt, Effizienz, „Profitinteresse“ und „Konsumismus“ nur hinreichend abwertend zu konnotieren.
  • 2
    “Once people get used to a certain luxury, they take it for granted.” Yuval N. Harari (2014), Sapiens. A Brief History of Humankind, Harper Collins, Seite 98.
  • 3
    Vgl. Ingo Pies (2017), Unternehmen handeln im öffentlichen Interesse, Diskussionspapier des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Nr. 2017-17, Seiten 2 f.
  • 4
    Und nur deswegen übrigens ergibt sich überhaupt eine Aufgabe für Volkswirte.
  • 5
    Vgl. Silke Kleinhückelkotten et al. (2016), Repräsentative Erhebung von Pro-Kopf-Verbräuchen natürlicher Ressourcen in Deutschland (nach Bevölkerungsgruppen), UBA-Texte 39/2016, Dessau-Roßlau. Zur Problematik mit weiteren Nachweisen auch Ulrich Smeddinck (2011), Regulieren durch Anstoßen. Nachhaltiger Konsum durch gemeinwohlverträgliche Gestaltung von Entscheidungssituationen?, Die Verwaltung 44 (3), Seiten 375–395, Seite 379.
  • 6
    Bereits etwa in Birgit Neugebauer (2004), Die Erfassung von Umweltbewusstsein und Umweltverhalten, ZUMA-Methodenbericht 2004/07.
  • 7
    Vgl. Heinrich-Böll-Stiftung und Airbus Group (2016), Oben. Ihr Flugbegleiter, Berlin, Seite 15.
  • 8
    Vgl. etwa Manfred Linz (2016), Wie Suffizienzpolitiken gelingen. Eine Handreichung, Wuppertal Spezial Nr. 52.
  • 9
    Für wertvolle Hinweise danken wir Prof. Dr. Andreas Freytag und Dr. Alexandra Purkus.
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Fussnoten

  • 1
    Beispiele dieser durchaus verbreiteten Perspektive finden sich in dem Sammelband von Wolfgang George (Hrsg.), Laudato Si. Wissenschaftler antworten auf die Enzyklika von Papst Franziskus, Gießen: Psychosozial-Verlag. In den Beiträgen etwa von Hans Peter Klein, Dietmar Kress oder Martina Eick scheint es gerade darum zu gehen, Begriffe wie Markt, Effizienz, „Profitinteresse“ und „Konsumismus“ nur hinreichend abwertend zu konnotieren.
  • 2
    “Once people get used to a certain luxury, they take it for granted.” Yuval N. Harari (2014), Sapiens. A Brief History of Humankind, Harper Collins, Seite 98.
  • 3
    Vgl. Ingo Pies (2017), Unternehmen handeln im öffentlichen Interesse, Diskussionspapier des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Nr. 2017-17, Seiten 2 f.
  • 4
    Und nur deswegen übrigens ergibt sich überhaupt eine Aufgabe für Volkswirte.
  • 5
    Vgl. Silke Kleinhückelkotten et al. (2016), Repräsentative Erhebung von Pro-Kopf-Verbräuchen natürlicher Ressourcen in Deutschland (nach Bevölkerungsgruppen), UBA-Texte 39/2016, Dessau-Roßlau. Zur Problematik mit weiteren Nachweisen auch Ulrich Smeddinck (2011), Regulieren durch Anstoßen. Nachhaltiger Konsum durch gemeinwohlverträgliche Gestaltung von Entscheidungssituationen?, Die Verwaltung 44 (3), Seiten 375–395, Seite 379.
  • 6
    Bereits etwa in Birgit Neugebauer (2004), Die Erfassung von Umweltbewusstsein und Umweltverhalten, ZUMA-Methodenbericht 2004/07.
  • 7
    Vgl. Heinrich-Böll-Stiftung und Airbus Group (2016), Oben. Ihr Flugbegleiter, Berlin, Seite 15.
  • 8
    Vgl. etwa Manfred Linz (2016), Wie Suffizienzpolitiken gelingen. Eine Handreichung, Wuppertal Spezial Nr. 52.
  • 9
    Für wertvolle Hinweise danken wir Prof. Dr. Andreas Freytag und Dr. Alexandra Purkus.