Deutschland geht es wirtschaftlich gut. Dennoch schwindet in der Öffentlichkeit das Vertrauen in die Marktwirtschaft. Wettbewerbliche Lösungen und eine „Ökonomisierung“ aller Lebensbereiche werden vielfach kritisiert.

Gleichzeitig setzt die Politik zunehmend Maßnahmen um, die marktwirtschaftlichen Prinzipien klar widersprechen. Beispiele sind Eingriffe in den Preismechanismus wie Mindestlöhne, Mietpreisbremse und -deckel. Fallen die Resultate anschließend unbefriedigend aus, wird dies häufig nicht dem Eingriff angelastet, sondern es werden weitere Interventionen gefordert. Auch gewinnen alternative Wirtschaftsformen wie Gemeinwohlökonomie oder Instrumente mit problematischen Anreizwirkungen wie ein bedingungsloses Grundeinkommen an Zuspruch.

Je mehr marktwidrige Maßnahmen umgesetzt werden, desto stärker erodieren die Grundlagen unseres Wohlstands und werden individuelle Freiheit und Solidarität eingeschränkt. Um das Vertrauen in die Marktwirtschaft zurückzugewinnen, ist ein starkes und verständliches Narrativ notwendig, das die ökonomischen und moralischen Vorteile der Marktwirtschaft erklärt und sich im öffentlichen Diskurs gegenüber anderen Narrativen durchsetzen kann.

Misstrauen gegenüber der Marktwirtschaft durch Unkenntnis

Globalisierung und Digitalisierung werden von vielen Menschen eher als Gefahr für ihr persönliches Leben denn als Chance wahrgenommen. Ökonomische, technologische und politische Prozesse sind immer schwieriger zu verstehen, und die zunehmend komplexer werdende Welt mit Problemen wie Flucht, Klimawandel oder hohen Wohnkosten führt zu Unsicherheit und Frustration. Die Sehnsucht nach Komplexitätsreduktion und Identität wird für viele wichtiger als rein ökonomische Faktoren. Politik und Medien fällt es jedoch immer schwerer, Orientierung zu bieten.

Ein großer Teil der öffentlichen Diskussion findet inzwischen in den sozialen Medien statt, die praktisch für jeden zugänglich sind. Ohne eine vertrauenswürdige Instanz, die die Qualität der Beiträge bewertet, sie einordnet und Zusammenhänge erklärt, wird es für den Einzelnen immer schwieriger, sich zu orientieren. Eingängige Erklärungen und einfache Lösungen, wie sie insbesondere Populisten vorbringen, fallen so auf fruchtbaren Boden. Staatliches Handeln in Form von Eingriffen in den Preismechanismus oder Verboten erscheinen vielen als angemessene Lösung für die identifizierten Probleme, auch, weil sie vielfach auf den ersten Blick intuitiv einleuchtend klingen. Beispiele für solche einfachen Narrative sind „die Armen werden immer Ärmer, die Reichen immer reicher, daher sollten die Reichen stärker besteuert werden“ oder „private Wohnungsmärkte führen zu steigenden Mieten, daher ist eine Mietpreisbremse notwendig“.

Marktwirtschaftlichen Lösungen begegnen viele dagegen mit Misstrauen. So werden Markt und Wettbewerb oft – auch aufgrund mangelnden Verständnisses für wirtschaftliche Zusammenhänge – mit Egoismus und Gier, Ökonomisierung des Lebens und Zerstörung von Solidarität sowie der Dominanz der Wirtschaft über die Politik verbunden. Zusätzlich schüren Interessenvertreter, die von Eingriffen profitieren, oftmals Misstrauen.

Marktwirtschaft braucht heute mehr Fürsprecher denn je

Sowohl in der Politik als auch in den Medien sind marktwirtschaftskritische und interventionistische Narrative weit verbreitet. Vernehmbare Stimmen für die Marktwirtschaft finden kaum Gehör. Um das Vertrauen in die Marktwirtschaft zurückzugewinnen, ist daher ein eingängiges und verständliches Narrativ für Markt und Wettbewerb notwendig. So richtig Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“ nach wie vor ist, sind heute weitere Aspekte zu adressieren. Angesichts eines weit verbreiteten Gefühls von Unsicherheit und mangelnder Solidarität sollte betont werden, dass marktwirtschaftliche Systeme, sofern sie geeigneten Regeln unterliegen, besser als alle anderen Systeme auch dazu in der Lage sind, für sozialen Ausgleich zu sorgen.

Der oftmals verteufelte Wettbewerb ist zentral dafür, Machtpositionen und Ausbeutung zu verhindern und damit ein Höchstmaß an individueller Freiheit zu sichern. Dies gilt in der Wirtschaft genauso wie im politischen Prozess. Er treibt zudem den technischen und gesellschaftlichen Fortschritt an. Er wirkt gleichzeitig als Entmachtungs- und Entdeckungsinstrument. Damit trägt er wesentlich besser als andere Systeme zu mehr Wohlstand, mehr Klimaschutz, besserem und längerem Leben etc. bei. Indem er in den Preisen alles notwendige Wissen zusammenführt, kann er Probleme deutlich effizienter lösen als die Politik. Damit Markt und Wettbewerb ihre positiven Wirkungen entfalten, müssen sie in geeigneter Weise geregelt sein. Diesen Regelrahmen muss der Staat setzen und durchsetzen. Markt und Staat bedingen sich also.

Trotz aller Erfolge, die wir unserer Marktwirtschaft verdanken, braucht sie heute mehr Fürsprecher denn je. Denn das Verständnis für Marktprozesse ist gering und ihnen wird mit Misstrauen begegnet. Notwendig ist ein eingängiges und verständliches Narrativ, das in der öffentlichen Diskussion vernehmbar ist. Wissenschaftliche Politikberatung kann diese Diskussion begleiten, indem sie anhand empirischer Evidenz aufzeigt, wie marktwirtschaftliche Lösungen wirken und welche negativen Konsequenzen politische Eingriffe in Marktprozesse haben können.

Dr. Susanne Cassel ist Vorsitzende von ECONWATCH – Gesellschaft für Politikanalyse e.V., Dr. Michael Zibrowius ist stellvertretender Vorsitzender. Der Beitrag ist zuerst als ECONWATCH-Policy Brief im Februar 2020 erschienen.

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