Rupert Pritzl analysiert und kritisiert das geplante „Energieeffizienzgesetz“ der Bundesregierung. Er konstatiert unter anderem, dass schon der Begriff der „Energieeffizienz“ ein Etikettenschwindel ist. Tatsächlich gehe es um „Energieeinsparung“ und in der Folge um sinkenden Wohlstand.

Die Bundesregierung hat mit dem am 19. April 2023 vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für ein Energieeffizienzgesetz (EnEfG) ambitionierte Energieeffizienz-, respektive: Energieeinsparziele für Bund und Länder festgeschrieben und zum Teil einschneidende Regulierungen für Rechenzentren und für die Abwärme emittierende Industrie festgelegt. Diese Regulierungsmaßnahmen – und noch mehr die dahinterstehenden gesamtgesellschaftlichen Steuerungsvorstellungen – weisen eine neue Qualität in den dirigistischen Staatseingriffen in unsere Soziale Marktwirtschaft auf, die die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten zu ignorieren und die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse völlig zu verkennen scheinen: Sie stellen – zusammen mit dem zeitgleich beschlossenen Öl- und Gasheizungsverbot des Gebäudeenergiegesetzes (vgl. Pritzl 2023) – einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einer „Klima-Planwirtschaft“ in Deutschland dar. Auch in diesem – vorgeblich klimapolitisch motivierten – Gesetz ignoriert der Bund wieder einmal die Ermahnungen des Bundesrechnungshofes, der von der Politik eindringlich gefordert hat, dass alle Klimaschutzmaßnahmen auf „wirksame und wirtschaftliche Treibhausgas-Minderung“ ausgerichtet werden müssen“ (vgl. BRH 2022, S. 6-8). Dieses dirigistische Energieeffizienzgesetz stellt eine vollständige Abkehr von der bisherigen kooperativen Energieeffizienzpolitik zwischen Bund und Ländern dar, die seit dem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz im Jahr 2014 gemeinsam, lösungsorientiert und unideologisch betrieben wurde (u.a. im Rahmen der „Plattform Energieeffizienz“).

1 Hintergrund: EU-Energieeffizienz-Richtlinie

Am 10. März 2023 wurde eine vorläufige politische Einigung über eine Neufassung der EU-Energieeffizienz-Richtlinie (EED) erzielt. Demnach müssen die Mitgliedstaaten bis 2030 gemeinsam den Endenergieverbrauch um mindestens 11,7 Prozent gegenüber dem 2020 geschätzten Wert senken. Dies entspricht einem maximalen EU-Endenergieverbrauch von 763 Mio. t Rohöläquivalent. Dazu müssen die Mitgliedstaaten indikative nationale Beiträge und Zielpfade festlegen. Falls diese Beiträge zusammen zur Erreichung des 11,7 Prozent-Einsparziels nicht genügen, wird die Kommission diese nach einer vorab festgelegten Methode anpassen. Die Mitgliedstaaten müssen bis 2025 jährlich 1,3 Prozent des Endenergieverbrauchs einsparen – danach ansteigend bis 1,9 Prozent Ende 2030. Hierfür können Maßnahmen bei der Gebäudeenergieeffizienz und im Rahmen der beiden Emissionshandelssysteme sowie Notmaßnahmen im Energiebereich angerechnet werden. Jährlich muss der öffentliche Sektor 1,9 Prozent Endenergie einsparen, um seiner Vorbildfunktion gerecht zu werden.

2 Das Energieeffizienzgesetz (EnEfG)

Am 17. Oktober 2022 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz – im Zuge der ins Auge gefassten Abschaltung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke zum 16.4.2023 – ein ambitioniertes Energieeffizienzgesetz angekündigt. Mit dem Energieeffizienzgesetz (EnEfG) werden ambitionierte Energieeffizienzziele detailliert festgeschrieben: Es werden konkrete Energieeffizienzziele – tatsächlich sind es aber Energieeinsparziele – für den Endenergie- und den Primärenergieverbrauch für die Zeiträume bis 2030, bis 2040 und bis 2045 festgelegt. Diese betreffen sowohl den Bund (mit minus 45 Terawattstunden, TWh, bis 2030) als auch die Länder (mit minus 5 TWh bis 2030) sowie eine verbindliche Länderaufteilung (in Anlage 1 zum EnEfG), die dann den einzelnen Bundesländern einen fixen Anteil an dieser Länderverpflichtung zuweist (so beträgt dieser Anteil für Bayern 15,78 Prozent und für NRW 22,94 Prozent).

Diese Energiesparziele entsprechen den ambitionierten Einsparzielen des deutschen Klimaschutzgesetzes und gehen daher weit über die Ziele der EU-Energieeffizienz-Richtlinie hinaus. Danach muss der Endenergieverbrauch um mehr als 550 Terawattstunden bis 2030 (im Vergleich zu 2008) reduziert werden. Die Länder sollen im Rahmen dieses EnEfG verpflichtet werden, Energie- oder Umweltmanagementsysteme einzuführen, Einsparmaßnahmen zu erlassen und hierzu Berichte in einem Energieverbrauchsregister zu erfassen sowie die Kommunen zu veranlassen, ebensolches einzuführen und umzusetzen.

Gleichzeitig werden Anforderungen aus der laufenden EED-Novelle (Umsetzung der Vorbildfunktion und Einführung einer Energieeinsparpflicht für die öffentliche Hand, Pflicht für Unternehmen ein Energie-Management-System einzuführen sowie Nutzungs- und Auskunftspflicht zu Abwärme, Festlegung von Effizienz- und Wärmeanforderungen für Rechenzentren sowie Aufbau eines öffentlichen Registers) national umgesetzt. Die Industrie wird verpflichtet, die wirtschaftlich identifizierten Energieeinsparmaßnahmen innerhalb von drei Jahren zu planen und diese Pläne zu veröffentlichen und bei der Bundesstelle für Energieeffizienz (respektive Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA) zu hinterlegen.

Es werden sehr umfangreiche und detaillierte Energieeffizienz- und Energieeinsparverpflichtungen für Rechenzentren aufgestellt, die z.B. die Mindesttemperatur für die Luftkühlung (ab 1. Januar 2024 bis zu 27 Grad Celsius) und den Stromverbrauch aus „ungefördertem Strom“ (also nicht aus durch EEG geförderten Anlagen) aus erneuerbaren Energie zu regulieren. Die Rechenzentren müssen zudem einer Informations- und Dokumentationspflicht sowie einer Eintragungspflicht in ein öffentliches Energieeffizienzregister bei dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) nachkommen. Für Unternehmen, die Abwärme emittieren, sind auch umfangreiche Informations- und Berichtspflichten gegenüber der Bundesstelle für Energieeffizienz (respektive BAFA) enthalten. Sogenannte „klimaneutrale Unternehmen“ (§ 18) sind von vielen dieser Informations- und Berichtspflichten befreit. Verstöße gegen Bestimmungen des EnEfG werden als Ordnungswidrigkeit eingestuft und mit bis zu 100.000 Euro bestraft.

3 Länder- und Verbändeanhörung – im Grunde genommen unerwünscht

Die Länder und Verbände haben über die Osterfeiertage Gelegenheit bekommen, zum Gesetzesentwurf bis zum 12. April 2023 schriftlich Stellung zu nehmen. Diese Länder- und Verbändeanhörung erfolgte wie so oft in äußerst knapper Frist (fünf Arbeitstage) und überschnitt sich zeitlich mit der Anhörung zu dem umfangreichen und ebenfalls sehr wichtigen Gebäudeenergiegesetz, das ein Öl- und Gasheizungsverbot zum 1. Januar 2024 vorsieht. Verschiedene Verbände haben sich über die knappe und gedrängte Frist beklagt und im Grundsatz sowie in zahlreichen Einzelaspekten kritisch geäußert.

4 Bewertung

4.1 Ambitionierte Energieeinsparziele – überambitionierte Vorwegnahme der EU-Energieeffizienz-Richtlinie

Mit dem vorliegenden Gesetz legt der Bund ambitionierte Energieeffizienzziele (tatsächlich sind dies aber: Energieeinsparziele) für den Primärenergie- und Endenergieverbrauch für den Bund und für die Länder fest. Das Energieeffizienzgesetz soll auch der Umsetzung der Vorgaben der geplanten EU-Energieeffizienz-Richtlinie dienen, deren Überarbeitungsprozess jedoch noch gar nicht abgeschlossen ist. Gerade für die Planungssicherheit für Wirtschaft und Verbraucher sollten alle Maßnahmen in einem einzigen Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden. Dies würde auch die Akzeptanz in der Bevölkerung stärken.

Die überambitionierte Formulierung der nationalen Energieeinsparziele über das Zielniveau der EU hinaus stehen im Widerspruch zur Umsetzung ambitionierter Klimaschutzziele im Industriesektor und sind letztlich kontraproduktiv. Denn diese können oftmals nur durch innovative Maßnahmen oder technische Verfahren erreicht werden, die mit einem gesteigerten Energieverbrauch einhergehen. Hierzu zählen die Substitution von fossilen Grundstoffen, wie etwa Ammoniak oder Methanol durch wasserstoffbasierte Produkte oder Biomasse, die zunehmende Elektrifizierung von Prozessen sowie die Nutzung von Brennstoffzellen im Verkehrsbereich (vgl. VCI 2023, S. 2).

Die Bundesregierung demonstriert einmal mehr, dass sie kein Vertrauen in Preissignale und in eine marktwirtschaftliche Allokation hat und damit auch kein Zutrauen in den CO2-Preis als zentrales Lenkungsinstrument für einen wirksamen und effizienten Klimaschutz besitzt. In der Gesetzesbegründung werden daher auch keine Alternativen zu diesen staatlichen Regulierungen und Vorschriften gesehen. Und weiter heißt es: „Insbesondere reicht das Kohlendioxid-Preissignal durch den Emissionshandel bei vielen Unternehmen allein nicht aus, um die bestehenden Effizienzpotenziale zu realisieren.“

4.2 Irreführende Begrifflichkeit – Energieverknappungspolitik führt zu De-Industrialisierung

Das Gesetz geht am eigentlichen Ziel (und Namen) der Effizienzsteigerung vorbei, denn ex definitionem ist Energieeffizienz eine Input-Output-Relation, die logischerweise auf einen Output-Bezug in einem Jahresvergleich abstellt (z.B. Bruttoproduktionswert, Industrieproduktion). Energieeffizienz ist daher immer eine relative und keine absolute Größe, es geht stets um den spezifischen Energieverbrauch (vgl. EID 2023, S. 1-2). Denn über die einfache Verringerung des Inputs (z.B. durch stillgelegte Produktion oder Verlagerung ins Ausland) wird zwar der Energieverbrauch gesenkt, nicht aber die Energieeffizienz gesteigert. Der staatlich verordnete Energieeinsparpfad von rd. 2.500 TWh (= relativ konstanter Jahresdurchschnitt in den vergangenen drei Jahrzehnten trotz Wirtschaftswachstums) auf knapp 1.900 TWh (im Jahr 2030), auf gut 1.500 TWh (2040) und exakt 1.400 TWh (2045) wird die Industrie bei allen wirtschaftlichen Effizienzanstrengungen in Deutschland nur durch Herunterfahren oder Verlagerung ins Ausland von (energieintensiver) Wertschöpfung erreichen können. Genau das empfiehlt schon jetzt der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Patrick Graichen, der energieintensiven Industrie in Deutschland in klaren und deutlichen Worten (vgl. Habecks Staatssekretär Graichen: Energieintensive Firmen sollen auswandern). Und perspektivisch wird das politisch gezielt verknappte Gut Energie für die Unternehmen immer wichtiger und so die eigentliche unternehmerische Tätigkeit (d.h. die Produktion von Waren und Dienstleistungen) immer mehr in den Hintergrund treten lassen.

Vor allem führt das Gesetz und die Festlegung maximaler Endenergieverbräuche zu negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung. Bei gegebener Endenergieproduktivität führt ein reduzierter Energieeinsatz zwangsläufig zu einer verringerten Wirtschaftsleistung. Eine politisch normierte Begrenzung des Endenergieeinsatzes hat daher gesamtwirtschaftlich eine Reduktion des Bruttoinlandsproduktes und somit eine Verringerung des Wohlstandes zur Folge – sofern nicht die Endenergieproduktivität extrem zunimmt. Der DIHK veranschaulicht dies anhand von vier unterschiedlichen Szenarien: Das absolute Endenergieeinsparziel führt in allen vier Szenarien zu einem Wohlstandsverlust (vgl. DIHK 2023). Das EnEfG könnte sich so als das „zentrale Schrumpfungsgesetz für Wirtschaft und Wohlstand“ in Deutschland herausstellen, urteilt der Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern Manfred Gößl.

Die staatliche Verpflichtung zur Verringerung des Energieverbrauchs scheint daher das eigentliche Ziel zu sein, denn die Bundesregierung setzt ja in allen Bereichen ihre systematische Energieverknappungspolitik unbeirrt fort. Vor allem die Vertreter der Grünen haben frühzeitig erkannt, dass die Energieversorgung das Rückgrat von Industrie und Wohlstand in Deutschland bilden und setzen daher auch weiterhin gezielt auf politische Verknappung der Energie.

4.3 „Konditionierte“ unternehmerische Handlungsfreiheit und faktische Unerfüllbarkeit der staatlichen Vorgaben

Im Normalfall sind alle Unternehmensentscheidungen eng an die jeweilige Unternehmensstrategie gebunden; sie bildet die Grundlage für alle unternehmerischen Entscheidungen. Das Gesetz greift nun – aus Gründen der Energieeinsparung – massiv und einseitig in die unternehmerische Handlungs- und Entscheidungsfreiheit ein und verzerrt die unternehmerischen Entscheidungen und verlangt tatsächlich nicht erfüllbare Vorgaben (vgl. bitkom 2023, S. 2-3): So wird z.B. die Errichtung von neuen Rechenzentren an die Vorbedingung von (aufnahmefähigen) Wärmenetzen geknüpft. Die (meist beschränkte) Anschlussleistung des lokalen Wärmeabnehmers, wenn dieser überhaupt existiert, begrenzt dann unmittelbar die maximale Größe bzw. Leistungsfähigkeit des Rechenzentrums. Für ein Rechenzentrum sind aber auch andere Standortfaktoren wichtig (z.B. ausreichende und leistungsfähige Stromversorgung, Internetkosten, geologische Stabilität und geografische Lage sowie Fachkräfteangebot), die energiepolitisch nicht priorisiert werden. Wo keine derartigen Wärmenetze vorhanden sind, kommt es einem faktischen Verbot von neuen Rechenzentren gleich. Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit wird energiepolitisch konditioniert, die Unternehmen ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit beraubt und der Digitalstandort Deutschland gefährdet.

Dauerhafte Energieeffizienzverbesserungen und Energieeinsparungen sind aber in unternehmerische Transformationspläne zur Klimaneutralität eingebunden und müssen in der Gesamtperspektive des Unternehmens betrachtet und entschieden werden. Die Sinnhaftigkeit von Energieeffizienzmaßnahmen ergibt sich nur aus dem Gesamtkontext und darf nicht losgelöst davon oder einseitig politisch priorisiert werden. Es besteht zudem die Gefahr, die erheblichen Transformationsanstrengungen der Industrie auszubremsen, da diese oft mit einem höheren, aber weniger klimaschädlichen Energieverbrauch verbunden sind (z.B. Elektrifizierungsmaßnahmen, CCU/CCS-Technologien, Einsatz von Wasserstoff). Wenn aber die Energieeinsparung einseitig priorisiert wird, können sich unerwünschte Fehlallokation von Investitionsmitteln einstellen (vgl. VCI 2023, S. 1)

Es ist mittlerweile bekannt, dass sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nicht auf die liberalen Überzeugungen und Argumentationen eines Ludwig Erhard, sondern vielmehr auf die Positionen der italienisch-amerikanischen Wissenschaftlerin Marina Mazzucato setzt, die ja dem Staat eine aktive und gestaltende Rolle in der wirtschaftlichen Entwicklung beimisst und ihn zu einem zentralen Akteur in der gesellschaftlichen Transformationspolitik macht. Demnach soll der Staat gezielt in politisch ausgewählte Bereiche von Forschung und Entwicklung investieren und die Verbreitung von politisch gewünschten Technologien in der Wirtschaft durchsetzen. Pauschale Technologievorgaben und umfangreiche und detaillierte staatliche Vorschriften werden jedoch naturgemäß nicht dem jeweiligen unternehmerischen Umfeld gerecht, greifen in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ein und zerstören den marktwirtschaftlichen Leistungswettbewerb. Sie führen in vielen Fällen zu Ungerechtigkeiten und eben nicht zu sinnvollen Entscheidungen, im schlechtesten Fall können sie der Optimierung aller unternehmerischen Entscheidungen sogar entgegenstehen.

4.4 Dirigistische Eingriffe in die Soziale Marktwirtschaft – paternalistische Bevormundung und bürokratisch-administrative Bewertungen

Man muss die Historie des ersten Entwurfs dieses Gesetzesvorhaben im Hinterkopf haben, der vom 18. Oktober 2022 datiert. Vor wenigen Monaten war es noch die bekundete Absicht der Regierung, die Unternehmen zur Umsetzung von wirtschaftlich identifizierten Energieeffizienzmaßnahmen unmittelbar gesetzlich zu verpflichten.

Aus ordnungspolitischen Überlegungen heraus erscheint es höchst fragwürdig, warum wirtschaftlich handelnde Akteure per Gesetz zu etwas gezwungen werden sollen (Einschränkung der unternehmerischen Handlungs-, Dispositions- und Vertragsfreiheit), was gerade angesichts der hohen Energiepreise ohnehin wirtschaftlich sinnvoll ist und in ihrem wohlverstandenen wirtschaftlichen Eigeninteresse liegt. Eine Verpflichtung der Unternehmen, Umsetzungspläne für alle wirtschaftlich identifizierten Energieeinsparmaßnahmen zu erstellen und zu veröffentlichen, ist mit der unternehmerischen Freiheit in unserer Sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar und daher strikt abzulehnen. Die Erfüllung des Kriteriums „Wirtschaftlichkeit“ soll „bürokratisch“ bewertet werden (DIN EN 17463), denn die ISO 50001 hatte bisher keine Kapitalwertberechnung für Energieeffizienzmaßnahmen erforderlich gemacht (vgl. VCI 2023, S. 5). War bisher die Erbringung von Nachweisen gegenüber Bundesbehörden nur im Falle von Gegenleistungen gefordert (z.B. wenn ein Förderprogramm in Anspruch genommen wurde), so sollen jetzt die staatlichen Behörden über alle unternehmerischen Energieeinspar- und Energieeffizienzaktivitäten laufend informiert werden (vgl. EID 2023, S. 3). Eine Pflicht zur Erstellung eines zusätzlichen Planes bedeutet für die Unternehmen letztlich nur einen administrativen Mehraufwand parallel zu den bisherigen Verfahren. – Aber wer garantiert dafür, dass bei einer Novellierung des EnEfG in vielleicht wenigen Jahren nicht auch noch die Umsetzungsverpflichtung hinzukommt oder dass die vorgelegten Einsparpläne von den Behörden für gut befunden werden müssen?

Es ist nicht ersichtlich, warum sich die Bundesregierung darüber beklaget, dass der CO2-Preis bisher keine ausreichende Lenkungswirkung für die Unternehmer entfaltet habe. Liegt dies nicht vielleicht daran, dass die politischen Akteure dem marktwirtschaftlichen System nur wenig Vertrauen entgegenbringen und dem CO2-Preis daher eben nicht die zentrale Funktion als Leitprinzip für den Klimaschutz einräumen, wie es der Sachverständigenrat beim Bundeswirtschaftsministerium im Jahr 2019 in seinem Sondergutachten eindringlich gefordert hatte (vgl. SVR 2019)? Paternalistisches Verbieten durch kleinteiliges Ordnungsrecht wird in den meisten Fällen eben nicht der Lebensrealität gerecht und fördert nicht die Akzeptanz für sinnvolle klimapolitische Weichenstellungen.

Und es ist auch nicht ersichtlich, warum sich die Bundesregierung anmaßt, paternalistisch über die Köpfe der Menschen hinweg zu entscheiden und zu behaupten, dass sie damit die Interessen der Verbraucher besser berücksichtigt als die Menschen dies für sich selbst tun können. Denn auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der beiden Effizienzgesetze (GEG und EnEfG) am 19. April 2023 hat BM‘in Klara Geywitz die harten ordnungsrechtlichen Eingriffe damit verteidigt, dass sie die Preisentwicklung der verschiedenen Energieträger und die technologische Entwicklung in den nächsten Jahren besser vorhersehen kann, als dies den Millionen von Produzenten und Konsumenten möglich wäre. Um daher die Verbraucher in Zukunft (vor hohen Energiepreisen) zu schützen, bedarf es nach ihrer Ansicht jetzt dieser umfangreichen dirigistischen Staatseingriffe. Ein transformativer Umbruch sei marktwirtschaftlich nicht zu machen, ist BM‘in Geywitz überzeugt und plädiert daher für staatliche Lenkung. Die Politik scheint die Menschen nur noch als unmündige Befehlsempfänger zu sehen und so behandeln zu wollen.

4.5 Umfangreiche Regulierungen – widerspricht diametral den Forderungen nach Bürokratieabbau und Beschleunigung von Verwaltungsverfahren

Die umfangreichen Verpflichtungen zur Information und Veröffentlichung detaillierter Unternehmensdaten (v.a. zum Energieverbrauch) für Rechenzentren, Industrieunternehmen und Abwärme emittierender Unternehmen belasten die Unternehmer finanziell und administrativ und schränken deren unternehmerische Freiheit ein. Eine erweiterte Auskunfts- und noch mehr: Veröffentlichungspflicht gefährdet darüber hinaus Betriebsgeheimnisse, greift in sensible, wettbewerbsrelevante Unternehmensbereiche ein und gefährdet letztlich sogar den Industriestandort Deutschland. Vor allem dann, wenn Unternehmen fürchten müssen, dass diese sensiblen unternehmensspezifischen Daten von den Regierungsbehörden veröffentlicht werden.

Die umfangreiche Dokumentation (Energie-/Umweltmanagementsystem) der Einsparmaßnahmen erfordert einen hohen finanziellen, administrativen und personellen Personal- und Mittelbedarf sowohl in der Wirtschaft als auch in der öffentlichen Verwaltung und verlangsamt bzw. verunmöglicht weitere unternehmerische oder administrative Aktivitäten. Es ist höchst überraschend, dass hier weitere Bürokratie- und Verwaltungslasten neu geschaffen werden, wo an vielen Stellen in der Gesellschaft die Überbürokratisierung und der gesellschaftliche Stillstand allseits beklagt wird und wo es doch darum geht, Genehmigungsprozesse zu beschleunigen und die Wirtschafts- und Innovationskraft in Deutschland zu erhalten. – Oder dient dies vielleicht nur der Arbeitsplatzbeschaffung für die bereits jetzt schon ausufernde und aufgeblähte klimaadministrative Dokumentations-, Monitoring- und Kontrollbürokratie?

5 Schlussbemerkungen

Die amtierende Bundesregierung hat einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik eingeläutet, der in der Abkehr von der bisher kooperativen hin zu einer interventionistisch-dirigistischen Energieeffizienzpolitik zum Ausdruck kommt. Es scheint, als ob eine ideologisch motivierte Klimapolitik zur alleinigen Richtschnur des wirtschaftspolitischen Handelns in Deutschland avanciert, die – mit einer sozialkonstruktivistischen Denkweise und staatsoptimistischen Haltung – wenig realistische Klimaschutzziele mittels politisch gewünschter Technologien und um jeden Preis zu erreichen versucht. Die Politik – und nicht die Wirtschaft – entscheidet maßgeblich, wie die Klimaschutzziele erreicht werden sollen. Die Bundesregierung setzt dazu einseitig und ideologiefixiert auf batterieelektrische Fahrzeuge im Verkehrsbereich, Wärmepumpen im Gebäudebereich und Photovoltaik und Windkraft in der Energieerzeugung.

Die politischen Akteure setzen gezielt auf politisch erwünschte Technologieeinseitigkeit und umfangreiche Privilegierung der wirtschaftlichen Akteure, die diese politisch auserkorenen Technologien in die Praxis umsetzen (z.B. Erneuerbare Energien-Anlagenbesitzer, Wärmepumpenhersteller, E-Autohersteller). Die unternehmerischen Freiheiten werden stark eingeschränkt oder nur unter staatlichen Auflagen gewährt. Ureigene unternehmerische Entscheidungen werden zu administrativ-bürokratischen Vorgängen, wenn Entscheidungskriterien wie z.B. „wirtschaftlich“ und „zumutbar“ von staatlichen Stellen bewertet werden. Die politisch Verantwortlichen scheinen an technischen Alternativen nicht interessiert zu sein und kritische Stimmen nicht zu dulden.

Die Politik nimmt die Sorgen und weitverbreitete Verunsicherung der Menschen nicht Ernst, sondern bevormundet und entmündigt die Menschen, verweist sie auf staatliche Transfers und gefällt sich vorwiegend im Schönreden und Gesundbeten. Schönreden und Gesundbeten ändert aber nichts an marktwidrigen dirigistischen Staatsinterventionen und umfangreichen Regulierungsauflagen und immer weiter steigenden Bürokratieerfordernissen. Angesichts dieses Paradigmenwechsels würde sich Ludwig Erhard im Grabe umdrehen.

Literatur

Bitkom (2023): Energieeffizienz von Rechenzentren zukunftsfähig gestalten. Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Energieeffizienzgesetz, Berlin.

Bundesrechnungshof/ BRH (2022): Bericht nach §99 BHO zur Steuerung des Klimaschutzes in Deutschland, 24.3.2022, Bonn

Bundesregierung (2023): Entwurf eines Gesetzes zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes (Kabinettsache/ Datenblatt Nr.: 20/09016), Berlin.

Die Energieintensiven Industrien in Deutschland/EID (2023): EID-Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes, 11. März 2023, Berlin.

DIHK (2023): Wohlstandsverluste durch das geplante Energieeffizienzgesetz? Gesetzlich festgelegte Einsparziele könnten laut DIHK das BIP schrumpfen lassen, online unter: Wohlstandsverluste durch das geplante Energieeffizienzgesetz? (dihk.de)

Mazzucato, Mariana (2014): Das Kapital des Staates. Eine andere Geschichte von Innovation und Wachstum, München.

Pritzl, Rupert (2023): Ideologische Verbotspolitik im Gebäudebereich. Wo bleiben individuelle Freiheit und soziale Ausgewogenheit bei der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes?, in: Ludwig-Erhard-Stiftung (hrsg.), vom 11.3.2023, online unter: Ideologische Verbotspolitik im Gebäudebereich » Ludwig Erhard Stiftung – Ludwig Erhard Stiftung (ludwig-erhard.de)

Sachverständigenrat/ SVR (2019): Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik, Sondergutachten, Berlin.

TichysEinblick vom 18. April 2023, „Habecks Staatssekretär Graichen: Energieintensive Firmen sollen auswandern“.

Verband der Chemischen Industrie/ VCI (2023): Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes, Berlin, vom 11.4.2023, Frankfurt.

Dr. Rupert Pritzl hat Volkswirtschaftslehre, Romanistik und Philosophie an den Universitäten Münster, Sevilla und Freiburg studiert. Er ist seit 1997 im Bayerischen Wirtschaftsministerium tätig und seit 2021 Lehrbeauftragter an der FOM Hochschule München. Er gibt seine persönliche Meinung wieder.

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