Die jüngst gekürte Kanzlerkandidatin der Grünen Annalena Baerbock hat in einer Rede vor der Stiftung Familienunternehmen den Begriff des „regelnden Staates“ verwendet. Sie traut dem Staat viel zu und will wohl mehr Regeln schaffen. Auch dem zurzeit in Berlin geltenden Grundsatz, dass für jede neue Regelung mindestens eine bestehende Vorschrift beseitigt werden muss, will Baerbock nicht folgen.

Was aber soll der „regelnde Staat“ sein? Wenn es um die Unterscheidung zum zahnlosen Nachtwächterstaat ginge oder die ordnende Hand zur Aufrechterhaltung von Recht, Eigentum, Wettbewerb und sozialer Sicherheit gemeint wäre, dann wäre es eine Binsenweisheit. Doch es muss wohl mehr sein. Und in der Tat hören wir immer öfter, dass etwa in der Umweltpolitik nur noch schnelle Verbote das Klima retten können. Da wird schon deutlicher, wozu dieser „regelnde Staat“ führen wird. Es geht dann eben nicht mehr um den Rahmen, sondern es geht um die Detailsteuerung zu höheren Zwecken – seien es Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit oder ein anderes hochwertiges Ziel, dessen Erreichung man der Marktwirtschaft nicht mehr zutraut.

Schauen wir uns auch dies wieder an einem konkreten Beispiel an: Es geht um das Auto. In diesen Tagen wird in Brüssel über die konkreten Maßnahmen zur Erreichung eines um 55 Prozent reduzierten CO2-Ausstoßes (verglichen mit 1990) diskutiert. Neun Länder, alle ohne nennenswerte Automobilproduktion, und auch Europas Grüne verlangen ein festes Datum für das Ende des Verbrennungsmotors. Bei den Jahreszahlen findet dann eine Versteigerung unter Klimarettern statt: Soll es im Jahr 2030, 2032 oder aber spätestens 2035 zum Verbot kommen?

Da zeigt sich der regelnde Staat in seiner vollen Wucht. Aber macht das Sinn? Natürlich müssen die Abgaswerte verbessert werden, natürlich gibt es die CO2-Abgabe auf Treibstoff; und ja, es kann Sinn machen, andere Antriebsformen durch Unterstützung attraktiver zu machen. Aber ist verbieten wirklich sinnvoll, direkt oder indirekt durch unerreichbare Grenzwerte?

„Das Wesen dieser Marktwirtschaft besteht hauptsächlich darin, dass der Wirtschaftsprozess, […] nicht durch obrigkeitlichen Zwang gelenkt, sondern innerhalb eines wirtschaftspolitisch gesetzten Ordnungsrahmens durch die Funktion freier Preise und den Motor eines freien Leistungswettbewerbs selbständig gesteuert wird.“ (Ludwig Erhard, 1956)

In unserem Nachbarland Österreich haben im März alle Vertreter der Automobilwirtschaft an den dortigen Bundeskanzler den eindringlichen Appell gerichtet, nicht eine bestimmte Technologie wie den Verbrenner politisch zu verbieten. Denn der Motor ist ja gar nicht das Problem, sondern der Treibstoff. Es gibt erneuerbare Kraftstoffe von Biofuel bis Wasserstoff. Und diese Kraftstoffe brauchen die technisch modernsten Verbrennungsmotoren!

Schadet das der Umwelt? Nein! Wer eine Verbotsentscheidung zu welchem Jahr auch immer trifft, beendet zugleich die Forschung an klimaneutralen Treibstoffen für Verbrennungsmotoren. Dabei wird es im Jahr 2035 allein bei uns mehr als 50 Millionen Fahrzeuge geben, die diesen Treibstoff brauchen werden. Ohne die Entwicklung neuer Treibstoffe am Markt – eine Folge des Verbots des Verbrennungsmotors – werden also zahlreiche Fahrzeuge 2035 noch Schadstoffe ausstoßen, weil sie nach wie vor auf fossile Treibstoffe angewiesen sind. Nicht ausgeschlossen ist, dass ein Verbot des Verbrennungsmotors zum Anstieg der Zahl von E-Autos führen wird, bei deren Produktion die Umwelt jedoch mehr belastet wird als bei herkömmlichen Autos und die mit Strom fahren, den wir noch nicht ausreichend klimaneutral und preiswert herstellen können.

Die Politik sollte sich diese Fallen ersparen. Wir brauchen kein Verbot von Verbrennungsmotoren – weder in Europa noch in Deutschland! Wir brauchen dagegen klare, aber erreichbare Grenzwerte. Sie sind schmerzhaft und verändern die Industrie massiv. Diese Grenzwerte sind der Rahmen im Erhard’schen Sinne.  Die Ziele müssen ehrgeizig sein und eben genau dadurch den Wettbewerb um die besten technischen Lösungen zur Erreichung der Ziele in Gang setzen. Das führt beim Thema Auto schneller zum Klimaschutz und bewahrt uns gleichzeitig vor technischen und wirtschaftlichen Sackgassen, die uns die nächste Generation ebenso wenig verzeihen würde wie manche Untätigkeit der Vergangenheit.


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