Das Thema Diesel-Fahrverbote ist derzeit brisant. Diesel-Fahrer sind auch Wähler, und zwar nicht wenige. Derart heiße Themen – oder gar tatsächliche Fahrverbote – sollen vor dem Wahltag um jeden Preis vermieden werden. Die hektische Betriebsamkeit vieler Politiker verrät, wie sehr man die Reaktion der Wähler fürchtet.

Doch statt von den eigentlichen Verursachern rasche und konsequente Problemlösungen zu fordern, zum Beispiel wirksame Reparaturen, ordnungsgemäße Ersatz-Fahrzeuge und andere Mobilitätsgarantien, setzen die Politiker wieder einmal auf einen – gar nicht so billigen – Showeffekt mit einem milliardenschweren „Mobilitätsfonds“. Mit dieser überhasteten Aktion sollen die betroffenen Kommunen mit dem Geld des Steuerzahlers zunächst einmal ruhig gestellt werden – zumindest bis zum Wahltag, so hofft man.

Saubere Luft kaufen?

Die finanzielle Beruhigungspille bringt jedoch keine Problemlösung, sondern ist Wähler-Beeinflussung auf Steuerzahlerkosten. So einfach kann man Luft nicht sauberkaufen. Stattdessen offenbart sich auch hier die langjährige Regierungs-Kumpanei mit einem besonders geschützten Industriezweig, der sogar bei Betrugsdelikten und fortgesetzten Verstößen gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit die Staatsräson – bislang jedenfalls – kaum fürchten muss. Im Gegenteil: Täter werden nicht bestraft, sondern obendrein mit „Staatsknete“ für Kaufprämien etc. verwöhnt.

Nicht die Schadensverursacher, sondern die bereits durch Abgase und Wertverluste geschädigten Staatsbürger dürfen als Steuerzahler auch noch den Kakao bezahlen, durch den sie gezogen wurden. Das Muster ist bekannt: Wer „systemrelevant“ ist, darf sich anscheinend alles erlauben, im Schadensfalle springt „das System“ schon ein – koste es, was es wolle. Kurzum: Derartige Schnellschüsse, dazu zählt auch die E-Auto-Kaufprämie, sind nicht nur ordnungspolitisch verwerflich, sondern in ihrer augenfälligen Konzept- und Planlosigkeit auch schlichte Geldverschwendung.

Politiker als Marionetten

Aufgrund teilweise dramatischer Luftverschmutzung in manchen Innenstädten und erster Gerichtsurteile steht die Politik unter hohem Handlungs- und Zeitdruck. Doch das hat sie sich selbst zuzuschreiben. Unsere Politiker haben das Thema „Nachhaltige Mobilitätskonzepte für die Stadt“ seit Jahrzehnten vernachlässigt und weitgehend der Autoindustrie überlassen. Es sei daran erinnert, dass der kalifornische „Clean-Air-Act“ bereits aus dem Jahr 1970 stammt und vor immerhin mehr als einem Vierteljahrhundert zu einem US-Bundesgesetz ausgeweitet und erheblich verschärft wurde.

Da ist es kein Wunder, dass die Betrügereien des Volkswagen-Konzerns – im Politikersprech allzu oft als „Schummel-Software“ verharmlost – zuerst in Kalifornien aufgedeckt wurden und dort weitaus konsequenter als hierzulande geahndet werden. Und es ist auch kein Wunder, dass heute die innovativsten Impulse für zukünftige Mobilität von der US-Westküste kommen und nicht aus dem Land der Autokanzler (siehe hierzu John B. Wills: Government Clean Air Regulations and Tesla-Motors, San Jose State University, 2014).

Es ist eben ein Unterschied, ob Politiker der Industrie mit schärferen Schadstoffgrenzwerten Beine machen oder ob Unternehmen mit willfährigen Politikern so umspringen können, als wären diese ihre Marionetten. Während deutsche Politiker sich noch folgsam um die Entschärfung von Abgasgrenzwerten bemühten und mit Milliardensubventionen für Abwrackprämien sowie Diesel- und Dienstwagen-Privilegien die Techniken von gestern förderten und am Leben erhielten, wurden jenseits des Atlantiks längst neue Zukunftspläne entworfen.

Neues wird behindert

Die vertane Zeit fehlt unserer Autoindustrie heute. Nicht nur im Golden State, sondern auch in China vollziehen sich derzeit innovative Entwicklungen, die unsere bräsigen, weil erfolgsverwöhnten Autokonzernlenker ziemlich alt aussehen lassen. Wieder einmal bestätigt die Phantasielosigkeit der selbstgefälligen Auto-Manager eine alte Erkenntnis aus der Erforschung von Innovationen: Das elektrische Licht wurde nicht durch stetiges Verbessern der Kerzen erfunden. In diesem Sinne sind auch die E-Auto-Kaufprämie und eine E-Auto-Quote nichts anderes als bloße Förderung des bereits Bekannten. So jedenfalls kommt das Neue nicht in die Welt.

Neue Wettbewerber und deren Mobilitätsinnovationen könnten eines Tages Länder mit nur einem industriellen Standbein, wie etwa Niedersachsen, ernsthaft ins Wanken bringen. Zumal diese Basis schon ziemlich in die Jahre gekommen ist – man darf sich durch das Geglitzer auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) nicht blenden lassen. Hybris kommt vor dem Fall. Das Beispiel Nokia und Finnland sollte eigentlich Warnung genug sein. Falls es so kommt, können sich die betroffenen Menschen bei den Auto-Lobbyisten und Politikern bedanken, die jahrzehntelang statt Innovationen stets und vor allem den Erhalt des Status quo im Sinn hatten – und den schlichten Machterhalt durch großzügige Geldgeschenke vor den Wahlen.

Ulrich Klotz, Diplom-Ingenieur, ist Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung.

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