Prof. em. Dr. Erich Weede
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Soziologie

Professor Erich Weede sieht große Gefahren im anhaltenden Zustrom von Migranten nach Deutschland und Europa sowie in der „mangelnden Bereitschaft, über langfristige Probleme und Herausforderungen auch nur nachzudenken“. Letztlich sei zu befürchten, „dass die Kombination von Sozialstaat und aus humanitären Gründen offenen Grenzen die Zukunft Deutschlands und Europas erheblich belasten wird“.

Zuwanderung als Chance oder als Problem

Deutschland ist ein alterndes Land. Der Anteil der Menschen im arbeitsfähigen Alter sinkt, der Anteil der Menschen, die Renten oder Pensionen beziehen, steigt.1Die Verdoppelung des Altenquotienten in den nächsten Jahrzehnten ist kaum noch aufzuhalten. Das impliziert entweder eine Halbierung der Versorgungsleistungen oder eine Verdoppelung der Belastung der Beitragszahler oder wesentliche längere Lebensarbeitszeiten. Vgl. Herwig Birg, Die alternde Republik und das Versagen der Politik, Berlin 2015. Da liegt es nahe, mithilfe von Ausländern, die bei uns einwandern, die demografische Lücke zu schließen. Gleichzeitig wollen immer mehr Menschen nach Deutschland kommen: aus den armen Ländern Afrikas, aus Bürgerkriegsländern des Nahen und Mittleren Ostens, aber auch aus den Balkanländern, wo viele Menschen die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz und die Aussicht auf auch nur bescheidenen Wohlstand aufgegeben haben. Optimisten neigen in dieser Situation dazu, auf eine Komplementarität der deutschen und der genannten ausländischen Bedürfnisse zu schließen.2Zur Kritik an der unter Politikern beliebten Neigung, Chancen auch dort zu sehen, wo eher Gefahren lauern, vgl. ebenda, beispielsweise Seite 200. Deutschland öffnet seine Grenzen für Asylanten, Bürgerkriegsflüchtlinge und Menschen, die Armut und Hoffnungslosigkeit entkommen wollen. Zuwanderer und Gastland gewinnen. Die Welt wird besser. Das Asylrecht ist dann ein Instrument zur Verbesserung der Welt. Weil die Folgen dieses Rechts für die eigene Gesellschaft nie durchdacht worden sind oder man implizit immer nur niedrige Bewerberzahlen unterstellt hat, kann man es auch als „Asylbewerberrecht“ oder „Schönwetterrecht“ bezeichnen.3Kay Hailbronner, Asyl in Europa – wenn, wie, wann, wo? Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. Oktober 2015, Seite 6. Es ist auch nicht bedacht worden, dass das humanitäre Völkerrecht (zu Asyl und Flüchtlingen) die Demokratien erpressbar macht durch völkerrechtswidrig handelnde Autokraten. Im letzten halben Jahrhundert sind fast in jedem Jahr mal Flüchtlingsströme als Waffen von meist schwachen Autokratien gegen wesentlich stärkere Demokratien oder Bündnisse von Demokratien eingesetzt worden. Deshalb hatte der britische Premier Tony Blair schon erwogen, die Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht zu relativieren. Vgl. Kelly M. Greenhill, Weapons of Mass Migration, Ithaca, NY 2010, Seiten 271–272.

Die Optimisten haben Einfluss auf die deutsche Politik, denn Deutschland nimmt schon lange mehr Asylanten und Flüchtlinge auf als Großbritannien und Frankreich zusammen.4Frankfurter Allgemeine Zeitung, 43 % aller Asylanträge in der EU werden in Deutschland gestellt, 20. August 2015, Seite 1. Nicht erst im Krisenjahr 2015 hat Deutschland sich durch eine besonders hohe Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen ausgezeichnet. Während der Kriege beim Zerfall Jugoslawiens hatte Deutschland mehr Bosnier (ca. 350.000) aufgenommen als alle anderen EU-Staaten zusammen. Vgl. Kelly M. Greenhill, a. a. O., Seite 143. Relativ zur Kleinheit des Landes (über die Bevölkerung oder das BIP erfasst), hat Schweden 2015 noch mehr Menschen aufgenommen, etwa 190.000; Grenzen einer Großmacht, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Oktober 2015, Seite 4. Trotz der besonders hohen Belastung Deutschlands oder Schwedens durch Flüchtlinge darf man auch nicht vergessen, dass die Masse der Flüchtlinge heimatnah in armen Ländern lebt. Bisher haben nur vier Prozent der syrischen Flüchtlinge Europa erreicht. Vgl. Alexander Betts/Paul Collier, Help Refugees Help Themselves, Froreign Affairs 94 (6), 2015, Seiten 84–92. Dort werden auch Sonderwirtschaftszonen als Möglichkeit diskutiert, um den Flüchtlingen in den Nachbarländern zu helfen. Das lässt sich weder durch die humanitären oder völkerrechtlichen Verpflichtungen erklären, die alle westlichen Demokratien gemeinsam eingegangen sind, noch durch die Größe des Wirtschaftsraums, denn Frankreich und Großbritannien zusammen sind wirtschaftlich größer als Deutschland. Weil Deutschland seine afrikanischen Kolonien viel früher als die Briten oder die Franzosen verloren hatte, weil Deutsch im Gegensatz zu Englisch auch keine Weltsprache ist, kann man die besonders starke Zuwanderung nach Deutschland auch nicht durch etwaige weit verbreitete deutsche Sprachkenntnisse der Zuwanderer erklären und daraus resultierende besonders gute Integrationschancen. Aber die Großzügigkeit staatlicher Zahlungen an Flüchtlinge und Asylanten in Deutschland erklärt, warum so viele Menschen nach Deutschland kommen wollen. In Deutschland erhält ein Flüchtling mehr als viermal so viel wie in Ungarn und mehr als 50 Prozent mehr als in England oder Schweden.5The Economist, Migration in Europe. Looking for a home. Volume 416, No. 8953, 29. August 2015, Seiten 21–23. Trotzdem gibt es bisher in Deutschland an den Wahlurnen weniger Widerstand gegen Massenzuwanderung als etwa in England oder in Frankreich. Vielleicht haben die Deutschen das Gefühl, besser durch die Krisenjahre seit 2008 gekommen zu sein als andere Europäer, und sind deshalb optimistischer.

Was aber, wenn der Massenansturm vom Balkan, vor allem aber aus den armen islamischen und afrikanischen Ländern nach Europa nicht eine vorübergehende Krise ist, sondern erst der Anfang eines langfristigen Trends, der zwar mal zeitweilig nachlassen kann, aber aus demografischen Gründen eher stärker als schwächer werden wird? Im Jahr 2015 hat sich die Zahl der Flüchtlinge und Asylanten gegenüber dem Vorjahr mindestens verfünffacht, von circa 200.000 im Vorjahr auf 1.000.000 oder mehr. Im islamischen und vor allem im afrikanischen Raum wird es noch jahrzehntelang junge, auswanderungswillige Menschen im Überfluss geben. Europas Reichtum wird selbst bei einer wirtschaftlichen Stagnation Europas eine Magnetwirkung behalten.6Migrationsforscher gehen davon aus, dass die gegenwärtige Massenzuwanderung von Flüchtlingen eher der Anfang als der Höhepunkt der Entwicklung ist. Vgl. Im Gespräch: George Borjas: „Eine Million Flüchtlinge sind gewiss zu viel“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Januar 2016, Seite 17. Entwicklungsökonom: Merkel hat Flüchtlinge angelockt. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. Januar 2016, Seite 21. Auch bei optimistischen Annahmen über die Wirtschaftsentwicklung Afrikas, des Nahen und Mittleren Ostens wird das Wohlstandsgefälle noch lange groß bleiben. Dann wird man sich irgendwann den Fragen stellen müssen: Wie viel Zuwanderung vertragen europäische Gesellschaften? Welche Qualität von Zuwanderung vertragen europäische Gesellschaften? Wie verändert die Zuwanderung europäische Gesellschaften? Welche denkbaren Reformen verändern die Absorptionsfähigkeit europäischer Gesellschaften? Mangelnde Bereitschaft, über langfristige Probleme und Herausforderungen auch nur nachzudenken, heißt ja nicht, dass die Probleme sich in Luft auflösen werden.

Für zunehmenden Wanderungsdruck nach Europa spricht zudem das Phänomen der Kettenzuwanderung.7Wenn man die Neigung der Menschen zur Kettenzuwanderung berücksichtigt, dann ist es nicht unproblematisch, dass Deutschland mehr Syrer als jedes andere westliche Land aufnimmt. OECD, International Migration Outlook 2014, Paris, Seite 13. Je mehr Menschen aus einem armen Land schon in ein reiches Land übergesiedelt sind, desto eher denken die Daheimgebliebenen daran, den Pionieren zu folgen. Pakistanis finden in Großbritannien Landsleute, vielleicht sogar Verwandte oder Nachbarn aus dem gleichen Dorf. Das erleichtert den Entschluss zur eigenen Auswanderung. Ähnliches gilt für Algerier in Frankreich oder Türken in Deutschland. Kettenzuwanderung erklärt, warum es Paare von abgebenden und aufnehmenden Ländern gibt, warum Türken so viel seltener nach Frankreich als nach Deutschland wollen, warum für Algerier das Umgekehrte gilt. Kettenzuwanderung impliziert auch, dass die Aufnahme von Zuwanderern aus armen Ländern heute einen Anreiz für Zuwanderung aus denselben armen Ländern morgen schafft. Gleichzeitig verlangsamt die Kettenzuwanderung die Integration, weil die Zuwanderer teils aus Neigung, teils aus ökonomischen Gründen, wie preiswertem Wohnraum, in bestimmten Stadtteilen Parallelgesellschaften bilden können, wo Nichterwerbstätige mit der Muttersprache zurechtkommen. Da die Erwerbsneigung muslimischer Frauen relativ gering ist, und da Kinder das Sprechen nun mal in erster Linie von ihren Müttern lernen, betrifft das nicht nur die erste Generation der Zuwanderer.

Zur Kostenbilanz der Zuwanderung

Im Gedankenexperiment ist es leicht, sich vorzustellen, wie Zuwanderung die Probleme des ergrauenden Sozialstaates Deutschland lösen könnte. Es kommen nur oder weit überwiegend hoch qualifizierte barmherzige Samariter, die gut verdienen und brav die hohe Steuer- und Abgabenlast tragen.8Wie man andere Zuwanderer abwehren könnte, haben ein amerikanischer Nobelpreisträger (Gary S. Becker) und ein hoher amerikanischer Richter (Richard Posner) angedeutet. Der eine denkt an den Verkauf von Zuwanderungsberechtigungen, der andere an Intelligenztests. Gary S. Becker/Richard Posner, Uncommon Sense, Chicago 2009, Seiten 37–42. Aber: Gibt es genug hoch qualifizierte barmherzige Samariter? Aber warum sollten die gerade unseren Wohlfahrtsstaat retten wollen, statt sich – wie früher Albert Schweitzer oder heute Bill Gates – in Afrika dem Kampf gegen Krankheit, Armut und Not zu widmen?

Bisher sieht die Zuwanderungsbilanz ganz anders aus. Einem Bericht der Bundesregierung9Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Zehnter Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Berlin 2014, Seiten 16 f. kann man entnehmen, dass nur 5,4 Prozent der deutschen Schüler, aber 11,6 Prozent der ausländischen Schüler keinen Hauptschulabschluss erreichen, dass in Deutschland 13,5 Prozent der jungen Erwachsenen (20 bis 29 Jahre) ohne berufliche Ausbildung sind, bei Ausländern aber 30,5 Prozent.10Nebenbei bemerkt: Man hätte bei den zuletzt genannten Zahlen einen noch schärferen Kontrast bekommen, wenn man die Prozentsätze der jungen Deutschen und nicht der Gesamtbevölkerung (im Alter von 20 bis 29) mit denen der jungen Ausländer verglichen hätte. Offensichtlich ist berufliche Ausbildung eine Determinante von späteren Einkommen und Steuerzahlungen. Während die Armutsgefährdung bei Nichtmigranten nur 12,3 Prozent der Bevölkerung betraf, war es bei Migranten 26,8 Prozent. Die Arbeitslosenquote war bei Ausländern von 2008 bis 2013 immer mindestens doppelt so hoch wie bei Deutschen.11Op. Cit. (Fn 9), Seiten 30, 102 f. Erste Forschungsergebnisse zu den Flüchtlingen des Jahres 2015 lassen Schlimmes befürchten:12Die meisten Flüchtlinge haben keine Berufsausbildung. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. Oktober 2015, Seite 16. „Die berufliche Qualifikation der Flüchtlinge ist nicht nur deutlich niedriger als bei den Deutschen, sondern auch bei hier lebenden Ausländern.“ Der Psychologe Heiner Rindermann13Heiner Rindermann, Ingenieure auf Realschulniveau. Focus, 43/15, 17. Oktober 2015, Seiten 42–43. stellt zuwandernde „Ingenieure auf Realschulniveau“ in Aussicht. Ob es mehr an den Deutschkenntnissen, sonstigen mitgebrachten Fähigkeiten oder der Hoffnung auf höhere Hilfsarbeiterlöhne liegt, kann offen bleiben, aber: „Viele Flüchtlinge beenden Lehre vorzeitig“.14Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. Oktober 2015, Seite 15. Der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen15Bernd Raffelhüschen, Fatale Asylpolitik bringt Altersarmut. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Oktober 2015, Seite 19. erwartet, „dass 90 Prozent [der jetzt ankommenden Zuwanderer] später mal in die steuerfinanzierte Grundsicherung bei der Rente fallen werden“. Das hört sich nicht nach einem Beitrag der Migranten zur Rettung des deutschen Sozialstaates an.

Vom Steuer- und Sozialstaat gehen Wanderungsanreize aus: Viele Menschen in den ärmsten Ländern Europas, im angrenzenden Mittelmeerraum oder in Afrika wissen, dass die Sozialleistungen in Deutschland und anderen europäischen Ländern immer noch höher sind als das, was man in der Heimat als Geringverdiener oder vielleicht sogar als Durchschnittsverdiener erarbeiten kann.16Das gilt sogar für Balkanländer. Nach Aussage des serbischen Ministerpräsidenten beträgt der serbische Durchschnittsverdienst nur 400 Euro im Monat. Verglichen damit sind deutsche Leistungen für Flüchtlinge in Höhe von 580 Euro recht attraktiv. Im Gespräch: Aleksandar Vučić, Ministerpräsident von Serbien: „Deutschland soll die Bezüge für Flüchtlinge senken“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. August 2015, Seite 15. Viele deutsche Leistungsträger wissen, dass ihre Steuerlast in der Schweiz oder in den USA etwas geringer als in der Heimat wäre. Abwanderung von Leistungsträgern und Zuwanderung in die Sozialsysteme ist nicht das, was ein ergrauendes Land braucht. Die vom Sozialstaat veranlassten Migrationsströme sorgen also dafür, dass sich die Humankapitalbasis von wohlhabenden Sozialstaaten und damit deren Leistungsfähigkeit verschlechtert. Weil Sozialstaaten Zuwanderern schnell Transferleistungen geben, muss jeder Zuwanderer wegen des steigenden Finanzbedarfs des Staates auch die Übergriffe des Staates auf die Früchte der Arbeit der Leistungsträger und Steuerzahler verstärken.

Sozialleistungen für Zuwanderer werden also durch höhere Steuerlasten und damit durch Freiheitsbegrenzungen der Leistungsträger erkauft. Dass in Deutschland nicht irgendwelche Interessen der einheimischen Bevölkerung die Zuwanderung steuern, sondern vorwiegend humanitäre Gesichtspunkte, kann man daran sehen, dass nach dem mehrfach zitierten Bericht der Beauftragten der Bundesregierung17Op. Cit.(Fn 9), Seiten 16, 18, 261. 2014 circa 200.000 Asylanträge gestellt worden sind, dass außerdem der Familiennachzug einen wesentlichen Teil der Zuwanderung ausmacht, dass der Wanderungsgewinn Deutschlands 2013 aber nur 437.000 Menschen betrug.18Familiennachzug spielt nicht nur in jüngster Zeit eine Rolle, sondern schon lange. Klaus F. Zimmermann et al., Immigration Policy and the Labor Market, Heidelberg 2007, Seite 34, beklagten vor Jahren: „a continuously declining share of (non-Western) immigrants is active on the labor market. This is primarily the consequence of policies that failed to select immigrants according to the labor market demand during the last decades, but instead generously awarded entry permits for family reunification or humanitarian reasons.”

Es gibt zwar empirische Studien, die zu dem Schluss kommen, dass Zuwanderung auch im wenig selektiven Deutschland die öffentlichen Kassen entlastet, also für die Einheimischen und Altzuwanderer gut ist, aber mit Hans-Werner Sinn19Hans-Werner Sinn, Ökonomische Effekte der Migration, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. Dezember 2014, Seite 18. möchte ich darauf hinweisen, dass derartige Ergebnisse darauf beruhen, dass man die allgemeinen Staatsausgaben (von der Administration über Justiz und Polizei bis zur Verteidigung) nur den Einheimischen zurechnet, nicht aber den Zuwanderern. Wenn man mit Sinn diese Ausgaben der gesamten Wohnbevölkerung zurechnet, dann kosten Migranten Deutschland je nach Details der Berechnung zwischen 700 und 2.400 Euro pro Jahr, im Leben vielleicht um die 79.000 Euro. Eine Sanierung der Staatsfinanzen und sozialen Sicherungssysteme durch die Art der Zuwanderung, die Deutschland bisher tatsächlich hat, ist also nicht denkbar.20In seiner Besprechung einer OECD-Studie hat der Economist auch darauf hingewiesen, dass die fiskalische Bilanz der Einwanderung in Deutschland schlechter als in jedem anderen dort betrachteten Land ist, vgl. The Economist, Immigration and the public finances. Volume 407, No. 8840, June 15th, 2013, Seiten 64–65. Dazu noch ein Beispiel aus einer älteren Nummer: Während in Großbritannien im Zeitraum 2009 bis 2010 fast jeder zweite Zuwanderer ein Studium absolviert hatte, war es in Deutschland nur jeder fünfte. Während in Großbritannien 10 Prozent der Zuwanderer 2008 zum obersten Einkommensdezil gehörten, waren es in Deutschland nur gut 4 Prozent. Nach diesen Kriterien schnitten auch Frankreichs Zuwanderer etwas besser als die Zuwanderer nach Deutschland ab. The Economist, Immigrants. Better than billed, Volume 405, No. 8816, December 22, 2012, Seite 50.

Bisher spricht nichts dafür, dass die vorhandenen Zuwanderer die kognitiven Fähigkeiten oder das Wissenskapital mitbringen, um zu Wohlstand und Wachstum in der neuen Heimat einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Das ist aus zwei Gründen bedauerlich. Erstens spricht die ökonometrische Forschung dafür, dass kognitive Fähigkeiten eine wesentliche Determinante von Wohlstand und Wachstum sind.21Bei der Erfassung von kognitivem oder Wissenskapital ist es wichtig, dass man das über Testergebnisse und nicht etwa über bloßen Schulbesuch erfasst. Man muss Outputs und nicht etwa Inputs messen. Weniger wichtig scheint es zu sein, ob man Intelligenztests oder Tests der mathematischen oder naturwissenschaftlichen Kenntnisse verwendet. Die Verwendung von Intelligenztests setzt keine Stellungnahme zu der Frage voraus, ob die Leistungsunterschiede angeboren oder erworben sind. In diesem Zusammenhang geht es ausschließlich um die Erfassung der Leistungsfähigkeit und deren Folgen, nicht um deren umstrittene Ursachen. Vgl. Eric A. Hanushek/Ludger Woessmann, The Knowledge Capital of Nations, Cambridge, MA 2015; Erich Weede/Sebastian Kämpf, The Impact of Intelligence and Institutional Improvements on Economic Growth, Kyklos 55(3), 2002, Seiten 361–380. Wenn die Migranten meist wenig kognitives oder Wissenskapital mitbringen, dann müssen sie die aufnehmenden Volkswirtschaften eher belasten als entlasten. Es ist kaum vorstellbar, dass durch Armut und Not, auch durch Unterdrückung oder Bürgerkrieg gekennzeichnete Herkunftsländer der Zuwanderer diese so ausbilden, dass ihnen dadurch in höher entwickelten Volkswirtschaften Chancen vermittelt werden. Vielmehr ist zu befürchten, dass, je ärmer ein Herkunftsland von Migranten ist, es desto unwahrscheinlicher wird, dass die Migranten von dort in reicheren Ländern einen gut bezahlten Arbeitsplatz finden und ausfüllen können. Das gilt verstärkt, wenn der technologische Wandel zunehmend nicht nur Arbeitsplätze niedriger, sondern auch solche mittlerer Qualifikation bedroht, wie manche Beobachter befürchten, wenn es zu einer Art ‚Aus für die Mitte‘ kommt.22Tyler Cowen, Average is Over. Powering America Beyond the Age of the Great Stagnation, New York 2013. Außerdem bedeutet die Migration jedenfalls dann fast immer eine Abwertung des vorhanden Humankapitals der Migranten, wenn diese die Sprache des Ziellandes gar nicht oder nur schlecht sprechen. Das gilt in Deutschland häufiger als in Englisch sprechenden Ländern oder auch in Frankreich.23OECD, op. cit. Fn 7, Seite 51.

Zweitens impliziert eine Zuwanderung, die zumindest teilweise die sozialen Netze und den Fiskus belastet, einen Abbau der wirtschaftlichen Freiheit. Generell gilt, dass das Ausmaß der wirtschaftlichen Freiheit ein Bestimmungsgrund des Wirtschaftswachstums ist.24Vor kurzem habe ich die ökonometrische Literatur dazu diskutiert und zusammengefasst. Erich Weede, Wirtschaftliche Freiheit: Hintergrundbedingungen, Auswirkungen und Gefährdungen, Wirtschaftspolitische Blätter 61(3,4), 2014, Seiten 444–455. Hohe Staatsausgaben und Staatseinnahmen reduzieren die wirtschaftliche Freiheit der Leistungsträger und Steuerzahler und damit das Wachstum.25Das hat der Economist, Northern lights. Special report: Nordic countries, Volume 406, No. 8821, February 2nd (after page 40), Seite 16, kürzlich so zusammengefasst: “An increase in tax revenues as a share of GDP of ten percentage points is usually associated with a drop in annual growth of half to one percentage point.“ Dass die humanitär motivierte Zuwanderungspolitik eine Gefahr für die wirtschaftliche Freiheit der Einheimischen (und der Altzuwanderer) werden kann, wird auch durch den zuerst von einem CDU-Oberbürgermeister gemachten Vorschlag belegt, leer stehende Wohnungen zu beschlagnahmen und zwangsweise an Flüchtlinge zu vermieten.26Zwangsvermietungen an Flüchtlinge? Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. August 2015, Seite 15. Nur wenige Wochen später wird das in den ersten deutschen Städten tatsächlich getan, werden auch langjährige deutsche Mieter oder eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern in kommunalen Wohnungen gekündigt, um Platz für Migranten zu schaffen.27Auch Hamburg bereitet Beschlagnahmungen vor. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Oktober 2015, Seite 17. Bei realistischer Betrachtung kann man der vorhandenen Zuwanderung keinen Beitrag zur Lösung der deutschen Probleme zutrauen, sondern nur hoffen, dass die weitgehend humanitär motivierte Zuwanderungspolitik die Gesellschaft nicht überlastet.

Drittens sollte man mit dem britischen Afrika-, Armuts- und Migrationsforscher Paul Collier28Paul Collier, Exodus. How Migration Is Changing Our World, Oxford 2013. die Frage stellen, inwieweit die Massenzuwanderung aus nicht-westlichen Gesellschaften die institutionelle Basis von westlichen Gesellschaften verändert.29Zur institutionellen Basis von westlichen Gesellschaften gibt es eine umfangreiche Literatur. Eine kurze Darstellung meiner eigenen Auffassungen dazu: Erich Weede, Freiheit und Verantwortung, Aufstieg und Niedergang, Tübingen 2012. Man muss die westliche Zivilisation nicht für höherwertig als andere Zivilisationen halten, um zuzugeben, dass diese Zivilisation jedenfalls gegenwärtig unter dem Gesichtspunkt der Einkommensmaximierung den anderen Zivilisationen überlegen ist – mit Ausnahme vielleicht des konfuzianischen Kulturkreises, aus dem nur wenige, aber überdurchschnittlich erfolgreiche Zuwanderer nach Deutschland kommen. Wenn sich Verhaltenserwartungen, Gewohnheiten und informelle Normen von Inländern und zuwandernden Ausländern unterscheiden, dann muss man die Frage stellen, wie viel Fremdheit ein Land verträgt. Ein Hauptmerkmal von Fremden ist, dass sie die sozialen Normen des Aufnahmelandes nicht so gut kennen können wie die Einheimischen, dass sie manchmal aus der Heimat mit Normen vertraut sind, die den Normen des Aufnahmelandes widersprechen. Die Normen zur Regelung des Verhältnisses von Männern und Frauen, die viele islamische Zuwanderer mitbringen, haben vielleicht eine Ähnlichkeit mit den bei uns vor hundert Jahren noch üblichen Normen, aber weniger mit den heute bei uns geltenden. Oder: Wer in der Heimat unter der Erfahrung gelitten hat, dass Beamte nur dann ihre Pflicht tun, wenn man sie vorher bestochen hat, braucht Zeit, um zu glauben, dass es im Aufnahmeland anders sein könnte.

Wie weit ein Zuwanderer die Aufnahmegesellschaft in dieser Beziehung belastet, hängt von der Ähnlichkeit der sozialen Normen des Herkunftslandes und denen des Aufnahmelandes ab. Soziale Normen sind oft vom religiösen Erbe von Gesellschaften beeinflusst – vermutlich sogar dann noch, wenn viele Menschen Agnostiker geworden sind. Deshalb liegt die Hypothese nahe, dass die Zuwanderung von Christen unsere Gesellschaft weniger als die von Muslimen belastet. Merkwürdigerweise wagen Christen in Deutschland nicht daraus abzuleiten, dass wir eher christliche als muslimische Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen sollten.30Um Missverständnisse zu vermeiden: Als Agnostiker habe ich kein Interesse an einer Stärkung des Christentums, als Bürger eines Staates allerdings ein Integrationsinteresse.

Kulturelle Heterogenität ist grundsätzlich eine gesellschaftliche Belastung. Aber man muss zwischen den Zuwanderern unterscheiden. Bei einer European Public Choice-Konferenz 2003 in Dänemark wurde auf die unterschiedlichen Erfahrungen mit drei dort für statistische Zwecke hinreichend zahlreichen Zuwanderergruppen verwiesen. Die Polen waren am besten in den Arbeitsmarkt integriert, die Vietnamesen etwas schlechter, die Somalis viel schlechter.31Neuere Daten zu polnischen Zuwanderern nach Dänemark sind mir nicht bekannt. Aber die Vietnamesen haben im Zeitraum 1998 bis 2008 ihre Teilnahme am Arbeitsmarkt von etwas über 50 auf ca. 70 Prozent der Altersgruppe 25 bis 54 gesteigert, die Somalis von 10 auf knapp 40 Prozent. Der dänische Vergleichswert ist in der Nähe von 80 Prozent. Vgl. Pieter Bevelander et al., Scandinavia’s Population Groups Originating from Developing Countries, Copenhagen 2013, Seite 77. Das passt zu zwei verallgemeinernden Hypothesen, die ich vorschlagen möchte: Je fremder die Kultur des Herkunftslandes der Kultur des Aufnahmelandes ist, desto größer sind die Integrationsprobleme. Der Unterschied zwischen protestantischen Dänen und katholischen Polen ist also nicht so wichtig. Außerdem: Je ärmer und weniger entwickelt das Herkunftsland ist, je weniger es zu nachholendem Wachstum in der Lage ist, desto größer sind die Integrationsschwierigkeiten. Deshalb haben die Vietnamesen weniger Probleme als die Somalis.

Nach Presseberichten ist es oft so, dass Vietnamesen in der Schule besser als einheimische Deutsche sind, weil vietnamesische Eltern größten Wert auf die Ausbildung ihrer Kinder legen, dass diese deshalb auch besonders gute Berufsaussichten haben. Zuwanderer können also durchaus eine Bereicherung sein. Inder oder Chinesen in den USA zeichnen sich durch eher bessere Bildung und höheres Einkommen als weiße Amerikaner aus.32Vgl. Briefing Asian-Americans. The model minority is losing patience. The Economist, Volume 417, No. 8958, Seiten 23–26. Man kann von Zuwanderung profitieren, wenn man die voraussichtlich Erfolgreichen hereinlässt, aber nicht die Anderen. Das erfordert Mut zur Auswahl. In Deutschland gilt offensichtlich, dass allein die Zuwanderer das Zielland aussuchen und niemand die Frage zu stellen wagt, wie diese Zuwanderer Deutschland verändern: seine Institutionen und die individuelle Freiheit,33Wenn Zuwanderung die kulturelle Heterogenität erhöht, führt das den Staat in Versuchung, die daraus resultierenden Probleme mithilfe von Antidiskriminierungsgesetzen in den Griff zu bekommen. Weil diese nicht nur für Amtspersonen, sondern auch für private Bürger auf Arbeits- oder Wohnungsmärkten gelten, läuft das unvermeidlich auf eine Einschränkung der Vertragsfreiheit hinaus. Wohlstand und Wachstum.

Viertens ist auch der Zusammenhang zwischen kultureller Heterogenität, die durch Massenzuwanderung erzeugt wird, einerseits und politischer Stabilität oder gar Bürgerkrieg andererseits zu berücksichtigen. Man denke etwa an das ehemalige Jugoslawien mit seinen katholischen Kroaten, orthodoxen Serben und muslimischen Kosovaren oder Bosniern, oder an Syrien mit seinen Sunniten, Alawiten, Christen und Jeziden, oder an den Irak mit Sunniten, Schiiten und ebenfalls Jeziden, mit Arabern und Kurden, oder an Nigeria mit Haussas, Ibos, Yorubas und vielen kleineren Gruppen, Muslimen im Norden und Christen im Süden des Landes, oder an Pakistan mit seinen politisch dominierenden Pandschabis und vor 1971 den Bengalen im Osten oder heute den aufständischen Belutschen im Westen. Sogar die anhaltenden Probleme im Zusammenleben von Weiß und Schwarz in den USA oder die Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland sind nicht zu übersehen. Kann man es verantworten, durch Massenzuwanderung bei uns eine explosive Heterogenität herzustellen,34Vgl. dazu Nathan Fiala/Stergios Skaperdas, Economic perspectives on civil wars, in Christopher J. Coyne/Rachel L. Mathers (eds.), The Handbook on the Political Economy of War, Cheltenham (UK) 2011, Seiten 177–194; Joshua R. Gubler/Joel Sawat Selway, Horizontal Inequality, Crosscutting Cleavages, and Civil War, Journal of Conflict Resolution 56(2), 2012, Seiten 206–232; Peter T. Leeson/Claudia R. Williamson, Can’t we all just get along? Fractionanization, institutions and economic consequences. Seiten 58–71 in Christopher J. Coyne/Rachel L. Mathers (eds.), The Handbook on the Political Economy of War, Cheltenham (UK) 2011, Seiten 58–71; Fred R. von der Mehden, Comparative Political Violence, Englewood Cliffs, NJ 1973. vor deren Folgen mancher Zuwanderer geflohen ist? Es ist ja nicht so, dass die Bevölkerungsmehrheit in westlichen Demokratien die Massenzuwanderung aus armen Gesellschaften weit überwiegend begrüßt. Ganz im Gegenteil: Oft ergeben sich bei Umfragen zuwanderungskritische Mehrheiten.35Vgl. Greenhill, op. cit. (Fn 3), Seiten 43–44, 141. Das hängt auch damit zusammen, dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen der Einheimischen von der Zuwanderung unterschiedlich betroffen sind, ob durch Wettbewerbsdruck auf den Wohnungs- und Arbeitsmärkten oder durch räumliche Nähe zu den Unterkünften der Asylanten und anderen Zuwanderern.

Um das sich abzeichnende Ausmaß der Heterogenität in unserer Gesellschaft abzuschätzen, sollte man auf die Kinder, nicht auf die Gesamtbevölkerung gucken. Bei den unter Zehnjährigen machen Kinder mit Migrationshintergrund schon heute circa ein Drittel aus.36Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Zehnter Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Berlin 2014, Seite 364. Auch ohne die sich gerade abzeichnende Beschleunigung der Masseneinwanderung ist klar, dass Deutschland sich verändern wird. Der Economist fasste das schon vor der jetzigen Flüchtlingswelle nach Deutschland so zusammen: „The newcomers are not as well educated as the native Germans, but they have more babies. … In some towns in the Ruhr region the share of the underfives with migrant backgrounds tops 60 %. Overall, they account for a third of the youngest children. By mid-century half of the population will have non-German origins … By then Germany will be a different sort of place.”37The Economist, Older and wiser. A special report of Germany, Volume 394, No. 8673, March 13th (after page 50), 2010, Seite 4. Dieses Zitat erinnert durchaus an Thilo Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, München 2010. Man sollte aber nicht nur auf Deutschland sehen. Das ist mindestens ein west- und mitteleuropäisches Problem, denn für Großbritannien kommt der Economist zu einer ähnlichen Prognose wie für Deutschland. Mitte des 21. Jahrhunderts könnte jeder dritte Brite ‚nicht weiß‘ sein. The Economist, Bagehot. David Cameron’s many mansions, Volume 414, No. 8926, 2015, Seite 31. Man darf auch nicht so tun, als ob mit einer Million Flüchtlingen der Zustrom beendet wäre. Buschkowsky38Die Muslime werden Parteien gründen. Die Welt vom 10. Oktober 2015, Seiten 4 und 5. schätzt, dass jeder Flüchtling drei bis vier Personen nachziehen möchte, dass Deutschland schon 2020 mindestens 15 Prozent Muslime haben könnte und dass die Muslime sich dann auch parteipolitisch organisieren würden.

Expansion des Staates durch humanitäre Bestrebungen?

Exklusive Eigentumsrechte, ob individuelle oder gemeinschaftliche, sind eine ganz wichtige zivilisatorische Errungenschaft. Ohne Eigentumsrechte gibt es keine Arbeitsanreize, keine Marktpreise, keine dezentrale Wissensmobilisierung.39Ausführlicher habe ich meine Auffassung anderswo dargelegt. Op. Cit. Fn 29. Institutionenökonomische Erklärungen der industriellen Revolution und der Überwindung der Massenarmut im Westen durch Verbesserung der Eigentumsrechte und Anreize sind von McCloskey einer gründlichen Kritik unterzogen worden. Vgl. Deirdre N. McCloskey, Bourgeois Dignity. Why Economics Can’t Explain the Modern World, Chicago 2010. Ähnlich wie Tocqueville hält auch McCloskey formale Institutionen für weniger wichtig als „sentiments, beliefs, ideas, habits of the heart“, vor allem die Anerkennung von Würde und Freiheit aller Menschen, die nach McCloskey Voraussetzung für den Innovationsschub war, der die Massenarmut im Westen überwunden hat. Unabhängig davon, ob man primär die Institutionen oder die Ideen des Westens für unseren Wohlstand verantwortlich macht, stellt sich die Frage, ob diese Errungenschaften eine Massenzuwanderung von Menschen aus ärmeren Kulturkreisen mit einem anderen institutionellen und ideellen Hintergrund überleben können. Eigentumsrechte sind mehr als bloße Ansprüche oder Besitznahme. Eigentumsrechte zeichnen sich dadurch aus, dass sie von anderen anerkannt werden, von der Allgemeinheit und von den Herrschenden. Allgemeine Anerkennung von Eigentumsrechten wie generell von Recht setzt die Verankerung des Rechts in den Gewohnheiten und Erwartungen der Bevölkerung voraus, in der Tradition.40Vgl. dazu Friedrich August von Hayek, Die Verfassung der Freiheit, Tübingen 1971; derselbe, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Landsberg/Lech 1980/81. Massenzuwanderung muss Traditionen gefährden – mit zunehmender kultureller Distanz immer mehr. Eine Gesellschaft, die jedem Aufenthaltsrechte und später Bürgerrechte gibt, der in Not ist und sie haben möchte, gibt sich durch das Zulassen von Massenzuwanderung selbst auf.

Wie andere Rechte kommen auch Freiheitsrechte ohne Exklusion nicht aus. Sogar das Recht auf Selbsteigentum ist nur dann mehr als ein nutzloser Anspruch, wenn es von anderen Mitgliedern der Gesellschaft anerkannt wird. Ohne Selbsteigentum kann es keine Freiheit geben, ohne normative oder Rechtsgemeinschaft kein Selbsteigentum. Auch die Demokratie bzw. die Wahl von Legislative und Regierung durch das Volk setzt voraus, dass das Volk bzw. die Staatsbürgerschaft definiert oder abgegrenzt ist.41Auch die freiheitlich-demokratische Ordnung selbst kann vom Ausmaß der ethnischen Homogenität abhängen. Ohne gefestigte nationale Identität, die fast immer eine ethnische Basis hat, ist Selbstregierung des Volkes kaum vorstellbar. Vgl. John Stuart Mill, (1862/1977) The Collected Works of John Stuart Mill, Vol. XIX. Essays on Politics and Society. Part II. London, Seite 547; Azar Gat with Alexander Yakobson, Nations. The Long History and Deep Roots of Political Ethnicity and Nationalism. Cambridge 2013, Seite 249. Was ist die Selbstregierung des – wie auch immer definierten – Staatsvolkes noch wert, wenn die Regierung den Interessen von in Not befindlichen Ausländern ein Primat vor den Interessen der eigenen Bevölkerung zusprechen darf? Um nicht missverstanden zu werden: Mir geht es hier nicht um Kritik an Hilfe für Menschen in Not oder an humanitärem Handeln. Dass private Mildtätigkeit bewunderungswert ist, versteht sich von selbst. Wenn Inländer die größere Not von Ausländern und nicht die in Deutschland viel kleinere Not von wenigen Inländern durch humanitäres Engagement lindern wollen, finde ich das richtig und gut. Das gilt natürlich auch für diejenigen, die – wie ein brandenburgischer Christdemokrat – zwei Flüchtlinge aus Eritrea in ihr eigenes Haus aufgenommen haben. Das kann man nur bewundern.

Mir geht es – ähnlich wie Friedrich August von Hayek oder Ludwig Erhard – um das Ausmaß legitimer Staatstätigkeit, um Grenzen der Staatstätigkeit. Man muss kein Fremdenfeind sein, um die Massenzuwanderung von Not leidenden Menschen in den eigenen Staat skeptisch zu betrachten. Auch die Sorge um die Freiheit, die vielleicht die wichtigste Errungenschaft der westlichen Zivilisation ist, kann diese Skepsis motivieren. Indem westliche Sozialstaaten die Zuständigkeit für die Wohlfahrt von Inländern übernommen haben, hat sich überall im Westen das Ausmaß der Staatstätigkeit und der Staatsverschuldung gewaltig aufgebläht.42Vito Tanzi, Dollars, Euros, and Debt. How We Got into the Fiscal Crisis and How We Get Out of It. Basingstoke, Hampshire 2013. Erhard versprach sich vom Markt und nicht von Staatseingriffen Gerechtigkeit.43Vgl. Gerd Habermann (Hrsg.), Vision und Tat. Ein Ludwig-Erhard-Brevier, Thun 2000, Seite 38. Oder das Zitat von Seite 106: „Nichts ist darum in der Regel unsozialer als der sogenannte ‚Wohlfahrtsstaat‘, der die menschliche Verantwortung erschlaffen und die individuelle Leistung absinken lässt.“ Wenn jetzt einige westliche Sozialstaaten auch noch die Zuständigkeit für die Linderung der Not von Ausländern übernehmen, was schon mit der staatlichen Entwicklungshilfe begonnen hatte, dann muss das die Staatstätigkeit weiter aufblähen und die wirtschaftliche Freiheit reduzieren. Erhard hatte noch vor einer „blindwütigen Planungsbürokratie“ gewarnt und wollte das deutsche Volk davor schützen.44Vgl. ebenda, Seite 54. Von Hayek inspiriert muss man daran Zweifel haben, ob die Regierungen genug wissen, um der Aufgabe der weltweiten Linderung von Elend und Not gerecht werden zu können.45Vgl. William Easterly, The Tyranny of Experts. Economists, Dictators, and the Forgotten Rights of the Poor, New York 2014. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Regierungen immer das Geld anderer, der Steuerzahler – oder im Falle hoher und steigender Staatsverschuldung sogar das Geld minderjähriger oder ungeborener Steuerzahler – ausgeben. Wer Regierungen die Freiheit gibt, für Fremde Gutes zu tun, muss notwendigerweise den Bürgern Freiheit und Eigentum wegnehmen.

Allzu oft wird zweierlei übersehen. Erstens nimmt dank der Globalisierung, die man auch als Export der wirtschaftlichen Freiheit in den Rest der Welt ansehen kann, die Armut in der Welt und sogar die Ungleichheit unter den Menschen auf Erden ab.46Erich Weede, Wachstum und Verteilung in einer globalisierten Welt, in Tilman Mayer et al. (Hrsg.), Globalisierung im Fokus von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Wiesbaden 2011, Seiten 51–76; Francois Bourguignon, The Globalization of Inequality, Princeton 2015. Zweitens spielen dabei die Vorteile der Rückständigkeit eine entscheidende Rolle, das heißt, je ärmer ein Land ist, desto schneller kann seine Wirtschaft wachsen. Das ist ein ökonometrisch ungewöhnlich gut abgesicherter Befund.47Michael Bleaney/Akira Nishiyama, Explaining Growth: A Contest between Models, Journal of Economic Growth 7(1), 2002, Seiten 43–56; Xavier Sala-i-Martin/Gernot Doppelhofer/Ronald I. Miller, Determinants of Long-Term Growth: A Bayesian Averaging of Classical Estimates (BACE) Approach. American Economic Review 94(4), 2004, Seiten 813–835. Arme Länder können von fortgeschrittenen Ländern Technologien und Organisationsmodelle übernehmen. Sie finden dort kaufkräftige Märkte für ihre Exporte. Über die Vorteile der Rückständigkeit profitieren sogar die ausgesperrten Armen von funktionierenden freiheitlichen und wohlhabenden Gesellschaften im Westen. Sie können auch von der medizinischen Forschung im Westen profitieren, weshalb die Menschen heute schon in halbwegs gut regierten Ländern (wie China oder Vietnam, nicht aber Nordkorea) wesentlich älter werden als die Europäer früher bei gleichem kaufkraftbereinigten Einkommen. Die Lebenserwartung der Menschen hat sich wegen der Diffusion medizinischer Kenntnisse vom Westen her in den Rest der Welt zunehmend angenähert.

Wenn nicht die westlichen Länder zuerst sichere Eigentumsrechte und wirtschaftliche Freiheit – man könnte auch sagen: den Kapitalismus – durchgesetzt hätten, dann gäbe es nirgendwo Vorteile der Rückständigkeit. Diese Vorteile für die Entwicklungsländer kann man als externen Effekt der wirtschaftlichen Freiheit im Westen ansehen. Genauso wie eine freiheitliche Wirtschaftsordnung nur die Einkommenschancen der Menschen verbessert, aber ohne eigene Anstrengung keine hohen Einkommen verspricht, ist es mit den Vorteilen der Rückständigkeit. Das sind potenzielle Vorteile, die eigene Anstrengungen erfordern. In der Vergangenheit waren Ostasiaten erfolgreicher dabei, diese Chancen zu nutzen, als die Armen in anderen Regionen der Welt. Wenn es den westlichen Ländern gelingt, ihre wirtschaftliche Freiheit und Dynamik zu erhalten, dann leisten sie damit automatisch auch einen Beitrag zur Entwicklung ärmerer Gesellschaften, der im Gegensatz zu positiven Effekten der staatlichen Entwicklungshilfe auch robust statt umstritten ist. Obwohl die Eingliederung von Migranten in reiche Gesellschaften diesen Migranten nützt, ist unklar, ob eine westliche Gesellschaften vielleicht einmal überfordernde und destabilisierende Zuwanderungspolitik der – global betrachtet – effizienteste Weg zur Überwindung der Armut ist.

Die Zweifel an einer vorwiegend humanitär motivierten Zuwanderungspolitik wie in Deutschland, soll keine Ablehnung jeder Öffnung der deutschen oder europäischer Grenzen für ausländische Zuwanderer implizieren. Michael Stürmer48Warum wir Angst haben, Die Welt vom 10. Oktober 2015, Seite 5. hat mit folgender These sicher Recht: „Fremdheit kann bereichern, wenn sie in homöopathischen Dosen kommt.“ Bei einer Million oder mehr Flüchtlingen im Jahr ist die Dosis aber massiv, sodass zumindest eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt sichergestellt werden muss. Mit Stürmer kann man auch da Zweifel anmelden: „Die Vorstellung der Arbeitsmarktexperten, Sozialpolitiker und Arbeitsplaner, Menschen, woher auch immer, seien nach kurzer Anlernzeit austauschbar, ist Technokratie und funktioniert nicht.“ Bei der Zuwanderung sollte es grundsätzlich nicht wie in einem politischen Kampf um Macht zugehen, wo die einen den Kampf gewinnen, etwa Migranten, die sogar mit Sozialleistungen ihren Lebensstandard erheblich steigern können, und andere verlieren, etwa die deutschen Steuerzahler. Wie auf gut funktionierenden Märkten, wo Käufer und Verkäufer sich durch den Tausch bzw. Verkauf und Kauf besser stellen können als ohne, sollte es auch bei der Migration sein.

Der Migrant darf auf Verbesserung seiner materiellen Lebensumstände hoffen. Wenn er besser oder billiger oder zu für die Einheimischen unbequemen Zeiten arbeitet, wenn er das tut, was Einheimische nicht wollen oder nicht können, dann haben auch die Einheimischen etwas davon. Je schwächer die Magnetwirkung westlicher Sozialstaaten auf Migranten ist, desto eher wird Migration zu einem Spiel, bei dem Einheimische und Zuwanderer gleichzeitig gewinnen können. Dazu müsste Deutschland den USA ähnlicher werden: Die Bevölkerung würde ethnisch heterogener, der Sozialstaat weniger großzügig. Das könnte funktionieren. Von den Afroamerikanern abgesehen, die ursprünglich nicht freiwillig eingewandert, sondern als Sklaven in die USA gebracht worden sind, scheint der amerikanische ‚melting pot‘ zu funktionieren. Wer je an der amerikanisch-mexikanischen Grenze war, weiß allerdings, dass die USA nach wie vor das Recht beanspruchen, unerwünschte Zuwanderer zurückzuweisen.49Obamas Behörden schieben jährlich annähernd 400.000 illegale Einwanderer aus den USA ab. Das reicht vielen Amerikanern nicht. Vgl. Wahlkämpfer Trump will illegale Immigranten loswerden, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. August 2015, Seite 16. Im Gegensatz dazu konnte man kürzlich lesen: „Nach Angaben der EU-Kommission ist Deutschland der einzige EU-Staat, der Flüchtlinge aus Syrien nicht systematisch in Einreiseländer wie Italien oder Griechenland zurückschickt.“ Vgl. Wolfgang Schäuble, Kosten für Flüchtlinge überlasten die Haushalte nicht, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. August 2015, Seite 1.

Auch wenn die deutsche Regierung unter Angela Merkel nichts davon wissen will: Grenzbefestigungen zur Abwehr von Infiltranten und Immigranten sind in den letzten Jahrzehnten immer häufiger geworden, vor allem an Grenzen, wo ein beachtlicher Wohlstandsunterschied vorliegt und auf der anderen Seite der Grenze Muslime wohnen.50Ron E. Hassner/Jason Wittenberg, Barriers to Entry: Who Builds Fortified Boundaries and Why? International Security 40(1), 2015, Seiten 157–190. Ein Nachweis der Effektivität der Befestigungen ist aus methodologischen Gründen schwierig. Aber die von der Europäischen Union finanzierten Befestigungen der spanischen Grenzen um die Exklavenstädte Ceuta und Melilla und der Vorher-Nachher-Vergleich bei der Zahl illegaler Grenzübertritte spricht für eine gewisse Wirksamkeit.51Vgl. dazu auch: How Spain deals with migrants. Forward defence. The Economist 417, Number 8960, 17. Oktober 2015, Seite 34. Auch Deutschland wird die Kontrolle über seine Grenze nur wiedergewinnen können, wenn es Grenzbefestigungen finanziert. Die müssen nicht an der deutschen Grenze stehen. Victor Orban und Ungarn, vermutlich alle östlichen Nachbarstaaten Deutschlands, wären wohl erleichtert, wenn Deutschland von einer Politik der offenen Tür für alle Mühseligen und Beladenen dieser Welt zu einer Politik der Grenzbefestigung und Zuwanderungskontrolle überginge. Von den USA und Israel könnte man lernen, wie man es macht.52Zur defensiven Haltung der USA gegenüber der gegenwärtigen Flüchtlingswelle, vgl. Refugees in America. Yearning to breathe free. The Economist 417, Number 8960, 17. Oktober 2015, Seiten 49 f.

Es ist zu befürchten, dass ein der demografischen und fiskalischen Situation alternder Sozialstaaten ohnehin angemessener Rückbau des Sozialstaates in Deutschland politisch nicht leichter als in Griechenland durchsetzbar ist, dass die Kombination von Sozialstaat und aus humanitären Gründen offenen Grenzen die Zukunft Deutschlands und Europas erheblich belasten wird.53Eine ähnliche Befürchtung hat kürzlich Jasper von Altenbockum formuliert: „Doch so wie [die Einwanderung] Deutschland jetzt überwältigt, lässt sich das kein Einwanderungsland bieten, das den Namen verdient – ungeordnet, ohne Rücksicht auf geltendes Recht, ohne Rücksicht auf tatsächliche Bedürfnisse, überhöht durch tugendreiche Appelle, zulasten von Errungenschaften, die es zu dem Magneten gemacht haben, der es ist.“ Vgl. Scherbenhaufen der Asylpolitik, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. August 2015, Seite 1. Von Stefan Aust wird in einem Aufsatz folgender Untertitel verwendet: „Moralisch verbrämt wird hier Nichtstun als Politik ausgegeben.“ Vgl. Kanzlerin ohne Grenzen, Die Welt vom 10. Oktober 2015, Seite 1. Dass Deutschland nicht aus rechtlichen Gründen eine Politik der offenen Tür betreiben muss, erläutert der Staatsrechtler Rupert Scholz, Kein Asylrecht ohne Grenzen, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Oktober 2015, Seite 8. Mit Reinhard Müller kann man auch so sagen: „Vor allem aber wäre es ein Zeichen der Aufrichtigkeit, den Bürgern zu sagen, dass es nach geltendem Recht durchaus möglich wäre, fast alle der Tausenden, die Tag für Tag nach Deutschland kommen, wieder abzuweisen, weil sie über sichere Drittstaaten einreisen.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Oktober 2015, Seite 1. Weder das Recht noch die öffentliche Meinung sind das Problem, sondern nur die Politik, vor allem die Kanzlerin. Die öffentliche Meinung wird von der Demoskopin Renate Köcher so zusammengefasst: „57 Prozent der Bürger sind davon überzeugt, dass Deutschland jegliche Kontrolle darüber verloren hat, wie viele Flüchtlinge ins Land kommen. Ebenso viele haben den Eindruck, dass die Politik gleich welcher Coleur völlig ratlos ist, wie sie mit der Flüchtlingssituation umgehen soll. Jeder Zweite unterstellt der Politik auch Realitätsverlust. Knapp die Hälfte der Bevölkerung wirft der Politik vor, sie denke zu wenig an die Interessen der deutschen Bevölkerung.“ Kontrollverlust – die Besorgnis der Bevölkerung wächst, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Oktober 2015, Seite 8.

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Fussnoten

  • 1
    Die Verdoppelung des Altenquotienten in den nächsten Jahrzehnten ist kaum noch aufzuhalten. Das impliziert entweder eine Halbierung der Versorgungsleistungen oder eine Verdoppelung der Belastung der Beitragszahler oder wesentliche längere Lebensarbeitszeiten. Vgl. Herwig Birg, Die alternde Republik und das Versagen der Politik, Berlin 2015.
  • 2
    Zur Kritik an der unter Politikern beliebten Neigung, Chancen auch dort zu sehen, wo eher Gefahren lauern, vgl. ebenda, beispielsweise Seite 200.
  • 3
    Kay Hailbronner, Asyl in Europa – wenn, wie, wann, wo? Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. Oktober 2015, Seite 6. Es ist auch nicht bedacht worden, dass das humanitäre Völkerrecht (zu Asyl und Flüchtlingen) die Demokratien erpressbar macht durch völkerrechtswidrig handelnde Autokraten. Im letzten halben Jahrhundert sind fast in jedem Jahr mal Flüchtlingsströme als Waffen von meist schwachen Autokratien gegen wesentlich stärkere Demokratien oder Bündnisse von Demokratien eingesetzt worden. Deshalb hatte der britische Premier Tony Blair schon erwogen, die Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht zu relativieren. Vgl. Kelly M. Greenhill, Weapons of Mass Migration, Ithaca, NY 2010, Seiten 271–272.
  • 4
    Frankfurter Allgemeine Zeitung, 43 % aller Asylanträge in der EU werden in Deutschland gestellt, 20. August 2015, Seite 1. Nicht erst im Krisenjahr 2015 hat Deutschland sich durch eine besonders hohe Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen ausgezeichnet. Während der Kriege beim Zerfall Jugoslawiens hatte Deutschland mehr Bosnier (ca. 350.000) aufgenommen als alle anderen EU-Staaten zusammen. Vgl. Kelly M. Greenhill, a. a. O., Seite 143. Relativ zur Kleinheit des Landes (über die Bevölkerung oder das BIP erfasst), hat Schweden 2015 noch mehr Menschen aufgenommen, etwa 190.000; Grenzen einer Großmacht, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Oktober 2015, Seite 4. Trotz der besonders hohen Belastung Deutschlands oder Schwedens durch Flüchtlinge darf man auch nicht vergessen, dass die Masse der Flüchtlinge heimatnah in armen Ländern lebt. Bisher haben nur vier Prozent der syrischen Flüchtlinge Europa erreicht. Vgl. Alexander Betts/Paul Collier, Help Refugees Help Themselves, Froreign Affairs 94 (6), 2015, Seiten 84–92. Dort werden auch Sonderwirtschaftszonen als Möglichkeit diskutiert, um den Flüchtlingen in den Nachbarländern zu helfen.
  • 5
    The Economist, Migration in Europe. Looking for a home. Volume 416, No. 8953, 29. August 2015, Seiten 21–23.
  • 6
    Migrationsforscher gehen davon aus, dass die gegenwärtige Massenzuwanderung von Flüchtlingen eher der Anfang als der Höhepunkt der Entwicklung ist. Vgl. Im Gespräch: George Borjas: „Eine Million Flüchtlinge sind gewiss zu viel“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Januar 2016, Seite 17. Entwicklungsökonom: Merkel hat Flüchtlinge angelockt. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. Januar 2016, Seite 21.
  • 7
    Wenn man die Neigung der Menschen zur Kettenzuwanderung berücksichtigt, dann ist es nicht unproblematisch, dass Deutschland mehr Syrer als jedes andere westliche Land aufnimmt. OECD, International Migration Outlook 2014, Paris, Seite 13.
  • 8
    Wie man andere Zuwanderer abwehren könnte, haben ein amerikanischer Nobelpreisträger (Gary S. Becker) und ein hoher amerikanischer Richter (Richard Posner) angedeutet. Der eine denkt an den Verkauf von Zuwanderungsberechtigungen, der andere an Intelligenztests. Gary S. Becker/Richard Posner, Uncommon Sense, Chicago 2009, Seiten 37–42.
  • 9
    Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Zehnter Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Berlin 2014, Seiten 16 f.
  • 10
    Nebenbei bemerkt: Man hätte bei den zuletzt genannten Zahlen einen noch schärferen Kontrast bekommen, wenn man die Prozentsätze der jungen Deutschen und nicht der Gesamtbevölkerung (im Alter von 20 bis 29) mit denen der jungen Ausländer verglichen hätte.
  • 11
    Op. Cit. (Fn 9), Seiten 30, 102 f.
  • 12
    Die meisten Flüchtlinge haben keine Berufsausbildung. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. Oktober 2015, Seite 16.
  • 13
    Heiner Rindermann, Ingenieure auf Realschulniveau. Focus, 43/15, 17. Oktober 2015, Seiten 42–43.
  • 14
    Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. Oktober 2015, Seite 15.
  • 15
    Bernd Raffelhüschen, Fatale Asylpolitik bringt Altersarmut. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Oktober 2015, Seite 19.
  • 16
    Das gilt sogar für Balkanländer. Nach Aussage des serbischen Ministerpräsidenten beträgt der serbische Durchschnittsverdienst nur 400 Euro im Monat. Verglichen damit sind deutsche Leistungen für Flüchtlinge in Höhe von 580 Euro recht attraktiv. Im Gespräch: Aleksandar Vučić, Ministerpräsident von Serbien: „Deutschland soll die Bezüge für Flüchtlinge senken“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. August 2015, Seite 15.
  • 17
    Op. Cit.(Fn 9), Seiten 16, 18, 261.
  • 18
    Familiennachzug spielt nicht nur in jüngster Zeit eine Rolle, sondern schon lange. Klaus F. Zimmermann et al., Immigration Policy and the Labor Market, Heidelberg 2007, Seite 34, beklagten vor Jahren: „a continuously declining share of (non-Western) immigrants is active on the labor market. This is primarily the consequence of policies that failed to select immigrants according to the labor market demand during the last decades, but instead generously awarded entry permits for family reunification or humanitarian reasons.”
  • 19
    Hans-Werner Sinn, Ökonomische Effekte der Migration, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. Dezember 2014, Seite 18.
  • 20
    In seiner Besprechung einer OECD-Studie hat der Economist auch darauf hingewiesen, dass die fiskalische Bilanz der Einwanderung in Deutschland schlechter als in jedem anderen dort betrachteten Land ist, vgl. The Economist, Immigration and the public finances. Volume 407, No. 8840, June 15th, 2013, Seiten 64–65. Dazu noch ein Beispiel aus einer älteren Nummer: Während in Großbritannien im Zeitraum 2009 bis 2010 fast jeder zweite Zuwanderer ein Studium absolviert hatte, war es in Deutschland nur jeder fünfte. Während in Großbritannien 10 Prozent der Zuwanderer 2008 zum obersten Einkommensdezil gehörten, waren es in Deutschland nur gut 4 Prozent. Nach diesen Kriterien schnitten auch Frankreichs Zuwanderer etwas besser als die Zuwanderer nach Deutschland ab. The Economist, Immigrants. Better than billed, Volume 405, No. 8816, December 22, 2012, Seite 50.
  • 21
    Bei der Erfassung von kognitivem oder Wissenskapital ist es wichtig, dass man das über Testergebnisse und nicht etwa über bloßen Schulbesuch erfasst. Man muss Outputs und nicht etwa Inputs messen. Weniger wichtig scheint es zu sein, ob man Intelligenztests oder Tests der mathematischen oder naturwissenschaftlichen Kenntnisse verwendet. Die Verwendung von Intelligenztests setzt keine Stellungnahme zu der Frage voraus, ob die Leistungsunterschiede angeboren oder erworben sind. In diesem Zusammenhang geht es ausschließlich um die Erfassung der Leistungsfähigkeit und deren Folgen, nicht um deren umstrittene Ursachen. Vgl. Eric A. Hanushek/Ludger Woessmann, The Knowledge Capital of Nations, Cambridge, MA 2015; Erich Weede/Sebastian Kämpf, The Impact of Intelligence and Institutional Improvements on Economic Growth, Kyklos 55(3), 2002, Seiten 361–380.
  • 22
    Tyler Cowen, Average is Over. Powering America Beyond the Age of the Great Stagnation, New York 2013.
  • 23
    OECD, op. cit. Fn 7, Seite 51.
  • 24
    Vor kurzem habe ich die ökonometrische Literatur dazu diskutiert und zusammengefasst. Erich Weede, Wirtschaftliche Freiheit: Hintergrundbedingungen, Auswirkungen und Gefährdungen, Wirtschaftspolitische Blätter 61(3,4), 2014, Seiten 444–455.
  • 25
    Das hat der Economist, Northern lights. Special report: Nordic countries, Volume 406, No. 8821, February 2nd (after page 40), Seite 16, kürzlich so zusammengefasst: “An increase in tax revenues as a share of GDP of ten percentage points is usually associated with a drop in annual growth of half to one percentage point.“
  • 26
    Zwangsvermietungen an Flüchtlinge? Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. August 2015, Seite 15.
  • 27
    Auch Hamburg bereitet Beschlagnahmungen vor. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Oktober 2015, Seite 17.
  • 28
    Paul Collier, Exodus. How Migration Is Changing Our World, Oxford 2013.
  • 29
    Zur institutionellen Basis von westlichen Gesellschaften gibt es eine umfangreiche Literatur. Eine kurze Darstellung meiner eigenen Auffassungen dazu: Erich Weede, Freiheit und Verantwortung, Aufstieg und Niedergang, Tübingen 2012.
  • 30
    Um Missverständnisse zu vermeiden: Als Agnostiker habe ich kein Interesse an einer Stärkung des Christentums, als Bürger eines Staates allerdings ein Integrationsinteresse.
  • 31
    Neuere Daten zu polnischen Zuwanderern nach Dänemark sind mir nicht bekannt. Aber die Vietnamesen haben im Zeitraum 1998 bis 2008 ihre Teilnahme am Arbeitsmarkt von etwas über 50 auf ca. 70 Prozent der Altersgruppe 25 bis 54 gesteigert, die Somalis von 10 auf knapp 40 Prozent. Der dänische Vergleichswert ist in der Nähe von 80 Prozent. Vgl. Pieter Bevelander et al., Scandinavia’s Population Groups Originating from Developing Countries, Copenhagen 2013, Seite 77.
  • 32
    Vgl. Briefing Asian-Americans. The model minority is losing patience. The Economist, Volume 417, No. 8958, Seiten 23–26.
  • 33
    Wenn Zuwanderung die kulturelle Heterogenität erhöht, führt das den Staat in Versuchung, die daraus resultierenden Probleme mithilfe von Antidiskriminierungsgesetzen in den Griff zu bekommen. Weil diese nicht nur für Amtspersonen, sondern auch für private Bürger auf Arbeits- oder Wohnungsmärkten gelten, läuft das unvermeidlich auf eine Einschränkung der Vertragsfreiheit hinaus.
  • 34
    Vgl. dazu Nathan Fiala/Stergios Skaperdas, Economic perspectives on civil wars, in Christopher J. Coyne/Rachel L. Mathers (eds.), The Handbook on the Political Economy of War, Cheltenham (UK) 2011, Seiten 177–194; Joshua R. Gubler/Joel Sawat Selway, Horizontal Inequality, Crosscutting Cleavages, and Civil War, Journal of Conflict Resolution 56(2), 2012, Seiten 206–232; Peter T. Leeson/Claudia R. Williamson, Can’t we all just get along? Fractionanization, institutions and economic consequences. Seiten 58–71 in Christopher J. Coyne/Rachel L. Mathers (eds.), The Handbook on the Political Economy of War, Cheltenham (UK) 2011, Seiten 58–71; Fred R. von der Mehden, Comparative Political Violence, Englewood Cliffs, NJ 1973.
  • 35
    Vgl. Greenhill, op. cit. (Fn 3), Seiten 43–44, 141.
  • 36
    Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Zehnter Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Berlin 2014, Seite 364.
  • 37
    The Economist, Older and wiser. A special report of Germany, Volume 394, No. 8673, March 13th (after page 50), 2010, Seite 4. Dieses Zitat erinnert durchaus an Thilo Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, München 2010. Man sollte aber nicht nur auf Deutschland sehen. Das ist mindestens ein west- und mitteleuropäisches Problem, denn für Großbritannien kommt der Economist zu einer ähnlichen Prognose wie für Deutschland. Mitte des 21. Jahrhunderts könnte jeder dritte Brite ‚nicht weiß‘ sein. The Economist, Bagehot. David Cameron’s many mansions, Volume 414, No. 8926, 2015, Seite 31.
  • 38
    Die Muslime werden Parteien gründen. Die Welt vom 10. Oktober 2015, Seiten 4 und 5.
  • 39
    Ausführlicher habe ich meine Auffassung anderswo dargelegt. Op. Cit. Fn 29. Institutionenökonomische Erklärungen der industriellen Revolution und der Überwindung der Massenarmut im Westen durch Verbesserung der Eigentumsrechte und Anreize sind von McCloskey einer gründlichen Kritik unterzogen worden. Vgl. Deirdre N. McCloskey, Bourgeois Dignity. Why Economics Can’t Explain the Modern World, Chicago 2010. Ähnlich wie Tocqueville hält auch McCloskey formale Institutionen für weniger wichtig als „sentiments, beliefs, ideas, habits of the heart“, vor allem die Anerkennung von Würde und Freiheit aller Menschen, die nach McCloskey Voraussetzung für den Innovationsschub war, der die Massenarmut im Westen überwunden hat. Unabhängig davon, ob man primär die Institutionen oder die Ideen des Westens für unseren Wohlstand verantwortlich macht, stellt sich die Frage, ob diese Errungenschaften eine Massenzuwanderung von Menschen aus ärmeren Kulturkreisen mit einem anderen institutionellen und ideellen Hintergrund überleben können.
  • 40
    Vgl. dazu Friedrich August von Hayek, Die Verfassung der Freiheit, Tübingen 1971; derselbe, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Landsberg/Lech 1980/81.
  • 41
    Auch die freiheitlich-demokratische Ordnung selbst kann vom Ausmaß der ethnischen Homogenität abhängen. Ohne gefestigte nationale Identität, die fast immer eine ethnische Basis hat, ist Selbstregierung des Volkes kaum vorstellbar. Vgl. John Stuart Mill, (1862/1977) The Collected Works of John Stuart Mill, Vol. XIX. Essays on Politics and Society. Part II. London, Seite 547; Azar Gat with Alexander Yakobson, Nations. The Long History and Deep Roots of Political Ethnicity and Nationalism. Cambridge 2013, Seite 249.
  • 42
    Vito Tanzi, Dollars, Euros, and Debt. How We Got into the Fiscal Crisis and How We Get Out of It. Basingstoke, Hampshire 2013.
  • 43
    Vgl. Gerd Habermann (Hrsg.), Vision und Tat. Ein Ludwig-Erhard-Brevier, Thun 2000, Seite 38. Oder das Zitat von Seite 106: „Nichts ist darum in der Regel unsozialer als der sogenannte ‚Wohlfahrtsstaat‘, der die menschliche Verantwortung erschlaffen und die individuelle Leistung absinken lässt.“
  • 44
    Vgl. ebenda, Seite 54.
  • 45
    Vgl. William Easterly, The Tyranny of Experts. Economists, Dictators, and the Forgotten Rights of the Poor, New York 2014.
  • 46
    Erich Weede, Wachstum und Verteilung in einer globalisierten Welt, in Tilman Mayer et al. (Hrsg.), Globalisierung im Fokus von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Wiesbaden 2011, Seiten 51–76; Francois Bourguignon, The Globalization of Inequality, Princeton 2015.
  • 47
    Michael Bleaney/Akira Nishiyama, Explaining Growth: A Contest between Models, Journal of Economic Growth 7(1), 2002, Seiten 43–56; Xavier Sala-i-Martin/Gernot Doppelhofer/Ronald I. Miller, Determinants of Long-Term Growth: A Bayesian Averaging of Classical Estimates (BACE) Approach. American Economic Review 94(4), 2004, Seiten 813–835.
  • 48
    Warum wir Angst haben, Die Welt vom 10. Oktober 2015, Seite 5.
  • 49
    Obamas Behörden schieben jährlich annähernd 400.000 illegale Einwanderer aus den USA ab. Das reicht vielen Amerikanern nicht. Vgl. Wahlkämpfer Trump will illegale Immigranten loswerden, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. August 2015, Seite 16. Im Gegensatz dazu konnte man kürzlich lesen: „Nach Angaben der EU-Kommission ist Deutschland der einzige EU-Staat, der Flüchtlinge aus Syrien nicht systematisch in Einreiseländer wie Italien oder Griechenland zurückschickt.“ Vgl. Wolfgang Schäuble, Kosten für Flüchtlinge überlasten die Haushalte nicht, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. August 2015, Seite 1.
  • 50
    Ron E. Hassner/Jason Wittenberg, Barriers to Entry: Who Builds Fortified Boundaries and Why? International Security 40(1), 2015, Seiten 157–190.
  • 51
    Vgl. dazu auch: How Spain deals with migrants. Forward defence. The Economist 417, Number 8960, 17. Oktober 2015, Seite 34.
  • 52
    Zur defensiven Haltung der USA gegenüber der gegenwärtigen Flüchtlingswelle, vgl. Refugees in America. Yearning to breathe free. The Economist 417, Number 8960, 17. Oktober 2015, Seiten 49 f.
  • 53
    Eine ähnliche Befürchtung hat kürzlich Jasper von Altenbockum formuliert: „Doch so wie [die Einwanderung] Deutschland jetzt überwältigt, lässt sich das kein Einwanderungsland bieten, das den Namen verdient – ungeordnet, ohne Rücksicht auf geltendes Recht, ohne Rücksicht auf tatsächliche Bedürfnisse, überhöht durch tugendreiche Appelle, zulasten von Errungenschaften, die es zu dem Magneten gemacht haben, der es ist.“ Vgl. Scherbenhaufen der Asylpolitik, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. August 2015, Seite 1. Von Stefan Aust wird in einem Aufsatz folgender Untertitel verwendet: „Moralisch verbrämt wird hier Nichtstun als Politik ausgegeben.“ Vgl. Kanzlerin ohne Grenzen, Die Welt vom 10. Oktober 2015, Seite 1. Dass Deutschland nicht aus rechtlichen Gründen eine Politik der offenen Tür betreiben muss, erläutert der Staatsrechtler Rupert Scholz, Kein Asylrecht ohne Grenzen, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Oktober 2015, Seite 8. Mit Reinhard Müller kann man auch so sagen: „Vor allem aber wäre es ein Zeichen der Aufrichtigkeit, den Bürgern zu sagen, dass es nach geltendem Recht durchaus möglich wäre, fast alle der Tausenden, die Tag für Tag nach Deutschland kommen, wieder abzuweisen, weil sie über sichere Drittstaaten einreisen.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Oktober 2015, Seite 1. Weder das Recht noch die öffentliche Meinung sind das Problem, sondern nur die Politik, vor allem die Kanzlerin. Die öffentliche Meinung wird von der Demoskopin Renate Köcher so zusammengefasst: „57 Prozent der Bürger sind davon überzeugt, dass Deutschland jegliche Kontrolle darüber verloren hat, wie viele Flüchtlinge ins Land kommen. Ebenso viele haben den Eindruck, dass die Politik gleich welcher Coleur völlig ratlos ist, wie sie mit der Flüchtlingssituation umgehen soll. Jeder Zweite unterstellt der Politik auch Realitätsverlust. Knapp die Hälfte der Bevölkerung wirft der Politik vor, sie denke zu wenig an die Interessen der deutschen Bevölkerung.“ Kontrollverlust – die Besorgnis der Bevölkerung wächst, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Oktober 2015, Seite 8.
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Fussnoten

  • 1
    Die Verdoppelung des Altenquotienten in den nächsten Jahrzehnten ist kaum noch aufzuhalten. Das impliziert entweder eine Halbierung der Versorgungsleistungen oder eine Verdoppelung der Belastung der Beitragszahler oder wesentliche längere Lebensarbeitszeiten. Vgl. Herwig Birg, Die alternde Republik und das Versagen der Politik, Berlin 2015.
  • 2
    Zur Kritik an der unter Politikern beliebten Neigung, Chancen auch dort zu sehen, wo eher Gefahren lauern, vgl. ebenda, beispielsweise Seite 200.
  • 3
    Kay Hailbronner, Asyl in Europa – wenn, wie, wann, wo? Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. Oktober 2015, Seite 6. Es ist auch nicht bedacht worden, dass das humanitäre Völkerrecht (zu Asyl und Flüchtlingen) die Demokratien erpressbar macht durch völkerrechtswidrig handelnde Autokraten. Im letzten halben Jahrhundert sind fast in jedem Jahr mal Flüchtlingsströme als Waffen von meist schwachen Autokratien gegen wesentlich stärkere Demokratien oder Bündnisse von Demokratien eingesetzt worden. Deshalb hatte der britische Premier Tony Blair schon erwogen, die Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht zu relativieren. Vgl. Kelly M. Greenhill, Weapons of Mass Migration, Ithaca, NY 2010, Seiten 271–272.
  • 4
    Frankfurter Allgemeine Zeitung, 43 % aller Asylanträge in der EU werden in Deutschland gestellt, 20. August 2015, Seite 1. Nicht erst im Krisenjahr 2015 hat Deutschland sich durch eine besonders hohe Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen ausgezeichnet. Während der Kriege beim Zerfall Jugoslawiens hatte Deutschland mehr Bosnier (ca. 350.000) aufgenommen als alle anderen EU-Staaten zusammen. Vgl. Kelly M. Greenhill, a. a. O., Seite 143. Relativ zur Kleinheit des Landes (über die Bevölkerung oder das BIP erfasst), hat Schweden 2015 noch mehr Menschen aufgenommen, etwa 190.000; Grenzen einer Großmacht, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Oktober 2015, Seite 4. Trotz der besonders hohen Belastung Deutschlands oder Schwedens durch Flüchtlinge darf man auch nicht vergessen, dass die Masse der Flüchtlinge heimatnah in armen Ländern lebt. Bisher haben nur vier Prozent der syrischen Flüchtlinge Europa erreicht. Vgl. Alexander Betts/Paul Collier, Help Refugees Help Themselves, Froreign Affairs 94 (6), 2015, Seiten 84–92. Dort werden auch Sonderwirtschaftszonen als Möglichkeit diskutiert, um den Flüchtlingen in den Nachbarländern zu helfen.
  • 5
    The Economist, Migration in Europe. Looking for a home. Volume 416, No. 8953, 29. August 2015, Seiten 21–23.
  • 6
    Migrationsforscher gehen davon aus, dass die gegenwärtige Massenzuwanderung von Flüchtlingen eher der Anfang als der Höhepunkt der Entwicklung ist. Vgl. Im Gespräch: George Borjas: „Eine Million Flüchtlinge sind gewiss zu viel“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Januar 2016, Seite 17. Entwicklungsökonom: Merkel hat Flüchtlinge angelockt. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. Januar 2016, Seite 21.
  • 7
    Wenn man die Neigung der Menschen zur Kettenzuwanderung berücksichtigt, dann ist es nicht unproblematisch, dass Deutschland mehr Syrer als jedes andere westliche Land aufnimmt. OECD, International Migration Outlook 2014, Paris, Seite 13.
  • 8
    Wie man andere Zuwanderer abwehren könnte, haben ein amerikanischer Nobelpreisträger (Gary S. Becker) und ein hoher amerikanischer Richter (Richard Posner) angedeutet. Der eine denkt an den Verkauf von Zuwanderungsberechtigungen, der andere an Intelligenztests. Gary S. Becker/Richard Posner, Uncommon Sense, Chicago 2009, Seiten 37–42.
  • 9
    Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Zehnter Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Berlin 2014, Seiten 16 f.
  • 10
    Nebenbei bemerkt: Man hätte bei den zuletzt genannten Zahlen einen noch schärferen Kontrast bekommen, wenn man die Prozentsätze der jungen Deutschen und nicht der Gesamtbevölkerung (im Alter von 20 bis 29) mit denen der jungen Ausländer verglichen hätte.
  • 11
    Op. Cit. (Fn 9), Seiten 30, 102 f.
  • 12
    Die meisten Flüchtlinge haben keine Berufsausbildung. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. Oktober 2015, Seite 16.
  • 13
    Heiner Rindermann, Ingenieure auf Realschulniveau. Focus, 43/15, 17. Oktober 2015, Seiten 42–43.
  • 14
    Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. Oktober 2015, Seite 15.
  • 15
    Bernd Raffelhüschen, Fatale Asylpolitik bringt Altersarmut. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Oktober 2015, Seite 19.
  • 16
    Das gilt sogar für Balkanländer. Nach Aussage des serbischen Ministerpräsidenten beträgt der serbische Durchschnittsverdienst nur 400 Euro im Monat. Verglichen damit sind deutsche Leistungen für Flüchtlinge in Höhe von 580 Euro recht attraktiv. Im Gespräch: Aleksandar Vučić, Ministerpräsident von Serbien: „Deutschland soll die Bezüge für Flüchtlinge senken“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. August 2015, Seite 15.
  • 17
    Op. Cit.(Fn 9), Seiten 16, 18, 261.
  • 18
    Familiennachzug spielt nicht nur in jüngster Zeit eine Rolle, sondern schon lange. Klaus F. Zimmermann et al., Immigration Policy and the Labor Market, Heidelberg 2007, Seite 34, beklagten vor Jahren: „a continuously declining share of (non-Western) immigrants is active on the labor market. This is primarily the consequence of policies that failed to select immigrants according to the labor market demand during the last decades, but instead generously awarded entry permits for family reunification or humanitarian reasons.”
  • 19
    Hans-Werner Sinn, Ökonomische Effekte der Migration, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. Dezember 2014, Seite 18.
  • 20
    In seiner Besprechung einer OECD-Studie hat der Economist auch darauf hingewiesen, dass die fiskalische Bilanz der Einwanderung in Deutschland schlechter als in jedem anderen dort betrachteten Land ist, vgl. The Economist, Immigration and the public finances. Volume 407, No. 8840, June 15th, 2013, Seiten 64–65. Dazu noch ein Beispiel aus einer älteren Nummer: Während in Großbritannien im Zeitraum 2009 bis 2010 fast jeder zweite Zuwanderer ein Studium absolviert hatte, war es in Deutschland nur jeder fünfte. Während in Großbritannien 10 Prozent der Zuwanderer 2008 zum obersten Einkommensdezil gehörten, waren es in Deutschland nur gut 4 Prozent. Nach diesen Kriterien schnitten auch Frankreichs Zuwanderer etwas besser als die Zuwanderer nach Deutschland ab. The Economist, Immigrants. Better than billed, Volume 405, No. 8816, December 22, 2012, Seite 50.
  • 21
    Bei der Erfassung von kognitivem oder Wissenskapital ist es wichtig, dass man das über Testergebnisse und nicht etwa über bloßen Schulbesuch erfasst. Man muss Outputs und nicht etwa Inputs messen. Weniger wichtig scheint es zu sein, ob man Intelligenztests oder Tests der mathematischen oder naturwissenschaftlichen Kenntnisse verwendet. Die Verwendung von Intelligenztests setzt keine Stellungnahme zu der Frage voraus, ob die Leistungsunterschiede angeboren oder erworben sind. In diesem Zusammenhang geht es ausschließlich um die Erfassung der Leistungsfähigkeit und deren Folgen, nicht um deren umstrittene Ursachen. Vgl. Eric A. Hanushek/Ludger Woessmann, The Knowledge Capital of Nations, Cambridge, MA 2015; Erich Weede/Sebastian Kämpf, The Impact of Intelligence and Institutional Improvements on Economic Growth, Kyklos 55(3), 2002, Seiten 361–380.
  • 22
    Tyler Cowen, Average is Over. Powering America Beyond the Age of the Great Stagnation, New York 2013.
  • 23
    OECD, op. cit. Fn 7, Seite 51.
  • 24
    Vor kurzem habe ich die ökonometrische Literatur dazu diskutiert und zusammengefasst. Erich Weede, Wirtschaftliche Freiheit: Hintergrundbedingungen, Auswirkungen und Gefährdungen, Wirtschaftspolitische Blätter 61(3,4), 2014, Seiten 444–455.
  • 25
    Das hat der Economist, Northern lights. Special report: Nordic countries, Volume 406, No. 8821, February 2nd (after page 40), Seite 16, kürzlich so zusammengefasst: “An increase in tax revenues as a share of GDP of ten percentage points is usually associated with a drop in annual growth of half to one percentage point.“
  • 26
    Zwangsvermietungen an Flüchtlinge? Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. August 2015, Seite 15.
  • 27
    Auch Hamburg bereitet Beschlagnahmungen vor. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Oktober 2015, Seite 17.
  • 28
    Paul Collier, Exodus. How Migration Is Changing Our World, Oxford 2013.
  • 29
    Zur institutionellen Basis von westlichen Gesellschaften gibt es eine umfangreiche Literatur. Eine kurze Darstellung meiner eigenen Auffassungen dazu: Erich Weede, Freiheit und Verantwortung, Aufstieg und Niedergang, Tübingen 2012.
  • 30
    Um Missverständnisse zu vermeiden: Als Agnostiker habe ich kein Interesse an einer Stärkung des Christentums, als Bürger eines Staates allerdings ein Integrationsinteresse.
  • 31
    Neuere Daten zu polnischen Zuwanderern nach Dänemark sind mir nicht bekannt. Aber die Vietnamesen haben im Zeitraum 1998 bis 2008 ihre Teilnahme am Arbeitsmarkt von etwas über 50 auf ca. 70 Prozent der Altersgruppe 25 bis 54 gesteigert, die Somalis von 10 auf knapp 40 Prozent. Der dänische Vergleichswert ist in der Nähe von 80 Prozent. Vgl. Pieter Bevelander et al., Scandinavia’s Population Groups Originating from Developing Countries, Copenhagen 2013, Seite 77.
  • 32
    Vgl. Briefing Asian-Americans. The model minority is losing patience. The Economist, Volume 417, No. 8958, Seiten 23–26.
  • 33
    Wenn Zuwanderung die kulturelle Heterogenität erhöht, führt das den Staat in Versuchung, die daraus resultierenden Probleme mithilfe von Antidiskriminierungsgesetzen in den Griff zu bekommen. Weil diese nicht nur für Amtspersonen, sondern auch für private Bürger auf Arbeits- oder Wohnungsmärkten gelten, läuft das unvermeidlich auf eine Einschränkung der Vertragsfreiheit hinaus.
  • 34
    Vgl. dazu Nathan Fiala/Stergios Skaperdas, Economic perspectives on civil wars, in Christopher J. Coyne/Rachel L. Mathers (eds.), The Handbook on the Political Economy of War, Cheltenham (UK) 2011, Seiten 177–194; Joshua R. Gubler/Joel Sawat Selway, Horizontal Inequality, Crosscutting Cleavages, and Civil War, Journal of Conflict Resolution 56(2), 2012, Seiten 206–232; Peter T. Leeson/Claudia R. Williamson, Can’t we all just get along? Fractionanization, institutions and economic consequences. Seiten 58–71 in Christopher J. Coyne/Rachel L. Mathers (eds.), The Handbook on the Political Economy of War, Cheltenham (UK) 2011, Seiten 58–71; Fred R. von der Mehden, Comparative Political Violence, Englewood Cliffs, NJ 1973.
  • 35
    Vgl. Greenhill, op. cit. (Fn 3), Seiten 43–44, 141.
  • 36
    Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Zehnter Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Berlin 2014, Seite 364.
  • 37
    The Economist, Older and wiser. A special report of Germany, Volume 394, No. 8673, March 13th (after page 50), 2010, Seite 4. Dieses Zitat erinnert durchaus an Thilo Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, München 2010. Man sollte aber nicht nur auf Deutschland sehen. Das ist mindestens ein west- und mitteleuropäisches Problem, denn für Großbritannien kommt der Economist zu einer ähnlichen Prognose wie für Deutschland. Mitte des 21. Jahrhunderts könnte jeder dritte Brite ‚nicht weiß‘ sein. The Economist, Bagehot. David Cameron’s many mansions, Volume 414, No. 8926, 2015, Seite 31.
  • 38
    Die Muslime werden Parteien gründen. Die Welt vom 10. Oktober 2015, Seiten 4 und 5.
  • 39
    Ausführlicher habe ich meine Auffassung anderswo dargelegt. Op. Cit. Fn 29. Institutionenökonomische Erklärungen der industriellen Revolution und der Überwindung der Massenarmut im Westen durch Verbesserung der Eigentumsrechte und Anreize sind von McCloskey einer gründlichen Kritik unterzogen worden. Vgl. Deirdre N. McCloskey, Bourgeois Dignity. Why Economics Can’t Explain the Modern World, Chicago 2010. Ähnlich wie Tocqueville hält auch McCloskey formale Institutionen für weniger wichtig als „sentiments, beliefs, ideas, habits of the heart“, vor allem die Anerkennung von Würde und Freiheit aller Menschen, die nach McCloskey Voraussetzung für den Innovationsschub war, der die Massenarmut im Westen überwunden hat. Unabhängig davon, ob man primär die Institutionen oder die Ideen des Westens für unseren Wohlstand verantwortlich macht, stellt sich die Frage, ob diese Errungenschaften eine Massenzuwanderung von Menschen aus ärmeren Kulturkreisen mit einem anderen institutionellen und ideellen Hintergrund überleben können.
  • 40
    Vgl. dazu Friedrich August von Hayek, Die Verfassung der Freiheit, Tübingen 1971; derselbe, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Landsberg/Lech 1980/81.
  • 41
    Auch die freiheitlich-demokratische Ordnung selbst kann vom Ausmaß der ethnischen Homogenität abhängen. Ohne gefestigte nationale Identität, die fast immer eine ethnische Basis hat, ist Selbstregierung des Volkes kaum vorstellbar. Vgl. John Stuart Mill, (1862/1977) The Collected Works of John Stuart Mill, Vol. XIX. Essays on Politics and Society. Part II. London, Seite 547; Azar Gat with Alexander Yakobson, Nations. The Long History and Deep Roots of Political Ethnicity and Nationalism. Cambridge 2013, Seite 249.
  • 42
    Vito Tanzi, Dollars, Euros, and Debt. How We Got into the Fiscal Crisis and How We Get Out of It. Basingstoke, Hampshire 2013.
  • 43
    Vgl. Gerd Habermann (Hrsg.), Vision und Tat. Ein Ludwig-Erhard-Brevier, Thun 2000, Seite 38. Oder das Zitat von Seite 106: „Nichts ist darum in der Regel unsozialer als der sogenannte ‚Wohlfahrtsstaat‘, der die menschliche Verantwortung erschlaffen und die individuelle Leistung absinken lässt.“
  • 44
    Vgl. ebenda, Seite 54.
  • 45
    Vgl. William Easterly, The Tyranny of Experts. Economists, Dictators, and the Forgotten Rights of the Poor, New York 2014.
  • 46
    Erich Weede, Wachstum und Verteilung in einer globalisierten Welt, in Tilman Mayer et al. (Hrsg.), Globalisierung im Fokus von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Wiesbaden 2011, Seiten 51–76; Francois Bourguignon, The Globalization of Inequality, Princeton 2015.
  • 47
    Michael Bleaney/Akira Nishiyama, Explaining Growth: A Contest between Models, Journal of Economic Growth 7(1), 2002, Seiten 43–56; Xavier Sala-i-Martin/Gernot Doppelhofer/Ronald I. Miller, Determinants of Long-Term Growth: A Bayesian Averaging of Classical Estimates (BACE) Approach. American Economic Review 94(4), 2004, Seiten 813–835.
  • 48
    Warum wir Angst haben, Die Welt vom 10. Oktober 2015, Seite 5.
  • 49
    Obamas Behörden schieben jährlich annähernd 400.000 illegale Einwanderer aus den USA ab. Das reicht vielen Amerikanern nicht. Vgl. Wahlkämpfer Trump will illegale Immigranten loswerden, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. August 2015, Seite 16. Im Gegensatz dazu konnte man kürzlich lesen: „Nach Angaben der EU-Kommission ist Deutschland der einzige EU-Staat, der Flüchtlinge aus Syrien nicht systematisch in Einreiseländer wie Italien oder Griechenland zurückschickt.“ Vgl. Wolfgang Schäuble, Kosten für Flüchtlinge überlasten die Haushalte nicht, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. August 2015, Seite 1.
  • 50
    Ron E. Hassner/Jason Wittenberg, Barriers to Entry: Who Builds Fortified Boundaries and Why? International Security 40(1), 2015, Seiten 157–190.
  • 51
    Vgl. dazu auch: How Spain deals with migrants. Forward defence. The Economist 417, Number 8960, 17. Oktober 2015, Seite 34.
  • 52
    Zur defensiven Haltung der USA gegenüber der gegenwärtigen Flüchtlingswelle, vgl. Refugees in America. Yearning to breathe free. The Economist 417, Number 8960, 17. Oktober 2015, Seiten 49 f.
  • 53
    Eine ähnliche Befürchtung hat kürzlich Jasper von Altenbockum formuliert: „Doch so wie [die Einwanderung] Deutschland jetzt überwältigt, lässt sich das kein Einwanderungsland bieten, das den Namen verdient – ungeordnet, ohne Rücksicht auf geltendes Recht, ohne Rücksicht auf tatsächliche Bedürfnisse, überhöht durch tugendreiche Appelle, zulasten von Errungenschaften, die es zu dem Magneten gemacht haben, der es ist.“ Vgl. Scherbenhaufen der Asylpolitik, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. August 2015, Seite 1. Von Stefan Aust wird in einem Aufsatz folgender Untertitel verwendet: „Moralisch verbrämt wird hier Nichtstun als Politik ausgegeben.“ Vgl. Kanzlerin ohne Grenzen, Die Welt vom 10. Oktober 2015, Seite 1. Dass Deutschland nicht aus rechtlichen Gründen eine Politik der offenen Tür betreiben muss, erläutert der Staatsrechtler Rupert Scholz, Kein Asylrecht ohne Grenzen, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Oktober 2015, Seite 8. Mit Reinhard Müller kann man auch so sagen: „Vor allem aber wäre es ein Zeichen der Aufrichtigkeit, den Bürgern zu sagen, dass es nach geltendem Recht durchaus möglich wäre, fast alle der Tausenden, die Tag für Tag nach Deutschland kommen, wieder abzuweisen, weil sie über sichere Drittstaaten einreisen.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Oktober 2015, Seite 1. Weder das Recht noch die öffentliche Meinung sind das Problem, sondern nur die Politik, vor allem die Kanzlerin. Die öffentliche Meinung wird von der Demoskopin Renate Köcher so zusammengefasst: „57 Prozent der Bürger sind davon überzeugt, dass Deutschland jegliche Kontrolle darüber verloren hat, wie viele Flüchtlinge ins Land kommen. Ebenso viele haben den Eindruck, dass die Politik gleich welcher Coleur völlig ratlos ist, wie sie mit der Flüchtlingssituation umgehen soll. Jeder Zweite unterstellt der Politik auch Realitätsverlust. Knapp die Hälfte der Bevölkerung wirft der Politik vor, sie denke zu wenig an die Interessen der deutschen Bevölkerung.“ Kontrollverlust – die Besorgnis der Bevölkerung wächst, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Oktober 2015, Seite 8.