Prof. em. Dr. Alfred Schüller
Philipps-Universität Marburg, Ordnungstheorie und Wirtschaftspolitik

Ludwig Erhard legte in seiner Öffentlichkeitsarbeit Wert darauf, dem Alltagsgeschehen konkret, anschaulich, unbestechlich und verständlich auf den Grund zu gehen, so Alfred Schüller. Erhards zahlreiche Beiträge zur Pathologie und Therapie der deutschen, europäischen und weltwirtschaftlichen Entwicklung seien mit ihrem ordnungspolitischen Gehalt wie für heute geschrieben, wo politisches Wollen und wirtschaftliches Können in unlösbare Widersprüche geraten.

I. Ordnungspolitik wozu?

Ludwig Erhards ordnungspolitisches Wirken deute ich als Antwort auf folgende Fragen: Wie können die Menschen aus der Fesselung des Staates, privater und gesellschaftlicher Mächte mit illegitimen Monopolansprüchen befreit und vor freiheits- und entwicklungsfeindlicher Willkür geschützt werden? Wie kann der Freiheitsgedanke für die Menschen auch in Fragen des wirtschaftlichen und sozialen Wohlergehens umfassend spürbar gemacht und in ihren Herzen verankert werden?

An dieser Aufgabe, das sachlich Notwendige politisch möglich zu machen, hing Erhard mit Herz und Verstand. Dazu gehörte die Einsicht, dass sich mit blindem Aktionismus nichts erreichen lässt, dass es vielmehr unerlässlich ist, sich mit dem Gedanken der Ordnungsbedingtheit menschlichen Handelns in der Wirtschaft vertraut zu machen und die eigenartigen institutionellen Strukturen, Funktionszusammenhänge, Prozessabläufe, wirtschaftlichen Konsequenzen und Interdependenzen alternativer Wirtschaftsordnungen mit allen gesellschaftlichen Lebensbereichen zu beachten.

Mit Blick auf das sachlich Notwendige ist Erhards Ordnungspolitik vom Denken der „Freiburger Schule“ entscheidend geprägt worden. Erhard hat sich selbst zu den Ordoliberalen gezählt und auf die wissenschaftlichen Vorleistungen von Walter Eucken, Franz Böhm, Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow und Alfred Müller-Armack berufen.1Vgl. Ludwig Erhard, Freiheit und Verantwortung. Ansprache vor dem Evangelischen Arbeitskreis der CDU, 2. Juni 1961, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 676–683, hier Seite 680. Ludwig Erhard, Die Alliierten waren dagegen, Die Welt vom 20. Juni 1973. Das Denken in Ordnungen mit Leben zu füllen und ihm in Deutschland und Europa zur Verwirklichung zu verhelfen, ist für Erhards Ordnungspolitik zentral und deckt sich mit der Art und Weise, wie er die wirtschaftspolitischen Einzelbereiche und Einzelmaßnahmen als Teil der Gesamtordnung in Anlehnung an den ORDO-Gedanken in Betracht zu ziehen und zu verankern versucht hat.

Wenn dieses Denken auch nicht jene prägende Wirkung erzielen konnte, wie sie Erhard und seinen Anhängern vorschwebte, so kann darin doch ein Orientierungskonzept gesehen werden, wenn es darum geht, sich in der Praxis über die konstitutiven Aufbau- und regulativen Gestaltungsprinzipien einer funktionsfähigen und menschenwürdigen Marktwirtschaft zu verständigen sowie die Konsequenzen der Missachtung und Entfernung von diesen Prinzipien zu bedenken.

II. Ordnungsdualismus und Elastizitätspessismismus

1. Gegen ein dirigistisches Deutschland-Modell

Erhards Gedanken kreisen um zwei ordnungspolitische Bezugspunkte: Erstens geht es darum, die zweigeteilte Wirtschaftsordnung, die in der Nachkriegszeit vorherrschte, zu überwinden. Der ressourcen- und moralverzehrende Dualismus bestand einerseits in einem legalen Bewirtschaftungssystem, das mächtige Anreize bot, einen möglichst großen Anteil der Produktion von der Rationierung für illegale Geschäfte abzuzweigen und sich dem Produktions- und Ablieferungszwang mit „weichen“ Planen zu entziehen. Andererseits hatte sich eine rasch expandierende illegale Untergrund- und Schattenwirtschaft durchgesetzt. Die Schwarzmärkte wurden zum bevorzugten Koordinator des Wirtschaftsgeschehens. Hier ließen sich die wirklichen Knappheitsverhältnisse erkunden. Hier konnten sich Eigeninitiative und Selbstverantwortung frei von übergeordneten Zwecken entfalten. Hier herrschte angesichts des Zusammenbruchs der Bewirtschaftung Anpassungsoptimismus hinsichtlich der Anstrengungen zur Knappheitsminderung und lohnender Austauschbeziehungen – freilich der Not gehorchend und der demoralisierenden Willkür der Macht des Stärkeren ausgeliefert. Mit der Auflösung der moralischen Konventionen drang der betrügerische und räuberische Gütererwerb vor. Dies legte es nahe, eine weitläufige Wissens- und Arbeitsteilung zu meiden, in unproduktive Formen der Selbstversorgung und einer verrohenden Naturaltauschwirtschaft auszuweichen.

Die politischen Gegner Erhards wollten in Übereinstimmung mit dem sozialistischen Zeitgeist das aus den Fugen geratene Befehls-Zuteilungs-System grundsätzlich beibehalten, die Mangelwirtschaft staatlicherseits wirkungsvoller organisieren, ohne die von oben gesteuerten wirtschaftlichen Zwecke und Preise aufzugeben. Experten der Westalliierten hielten gar die Planwirtschaft für das ohnehin auf lange Sicht unumgängliche, ja das modernere und effizientere System. Auch in Deutschland sollte eine entsprechende Ordnung bestimmenden Einfluss auf Grundrichtung und Umfang der Produktion, auf Stand und Verlauf der Beschäftigung, auf Größe, Zusammensetzung und Verteilung des Sozialprodukts erhalten, wie es das Grundsatzprogramm der SPD von 1949 forderte. Auch in der Wissenschaft war die Meinung verbreitet, für eine arme Volkswirtschaft seien marktwirtschaftliche Lösungen ein Luxus, den man sich nicht leisten könne.2So bestritt Andreas Predöhl (Außenwirtschaft, Weltwirtschaft, Handelspolitik und Währungspolitik, Göttingen 1949, Seite 185) die Vorstellung, „das freie Spiel der Kräfte (könne) je wieder das regulative Prinzip der Wirtschaft werden“. Dies sei keine Frage des politischen, sondern des wissenschaftlichen Urteils. Umso größeren Anklang fanden konkurrenzsozialistische Ideen. Diese kamen in den 1920er Jahren auf und verfolgten das Ziel, auf einem „Dritten Weg“ (Stichwort „Synthese von Plan und Markt“) die tatsächlichen oder vermeintlichen Mängel zentralverwaltungswirtschaftlicher und marktwirtschaftlicher Ordnungen zu beheben.

Dieses ordnungsdualistische Denken beherrschte in der Nachkriegszeit auch das Konzept der französischen Planification, die sozialistischen Wirtschaftsexperimente in England, Schweden, den Niederlanden und in Norwegen. Zu nennen sind auch die gewerkschaftsnahen Ideen von der „planvollen Gemeinwirtschaft“ und der Ausdehnung des Demokratieprinzips auf die Wirtschaft („Wirtschaftsdemokratie“), schließlich die makroökonomische Globalsteuerung im Anschluss an die Keynes‘sche Revolution.3Es wird Erhard nicht entgangen sein, was im Vorwort zur deutschen Ausgabe der „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ (Berlin 1936) steht: „Die Theorie der Produktion als Ganzes, die den Zweck des folgenden Buches bildet, (kann) viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepasst werden als die Theorie der Erzeugung und Verteilung einer gegebenen, unter Bedingungen des freien Wettbewerbs und eines großen Maßes von ‚laissez faire‘ erstellten Produktion. Das ist einer der Gründe, die es rechtfertigen, dass ich meine Theorie eine allgemeine Theorie nenne.“ Für alle diese Konzepte hat sich später die Sammelbezeichnung „Sozialistische Marktwirtschaft“ eingebürgert:4Siehe Alfred Schüller, Soziale Marktwirtschaft und Dritte Wege, ORDO, Band 51, 2000, Seiten 169–202. Gemeinsam ist den vielfältigen Spielarten ein Denken in Kategorien des politischen Protests gegen marktwirtschaftliche Ordnungen, der sich bis heute einer gefühlsbetonten Anklage gegen „den“ Kapitalismus bedient, ohne sich des Fehlers der Hypostasierung und der Erkenntnis bewusst zu sein, dass mit dem Begriff Kapitalismus „nichts Bestimmtes über das Ordnungsgefüge der Wirtschaft ausgesagt werden kann“.5Siehe Walter Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1950, Seiten 60 ff.

Zur gemeinsamen Grundsubstanz sozialistischer Marktwirtschaften gehören egalitäre Verteilungsziele, Maßnahmen der direkten oder indirekten Verstaatlichung des Sozialen und des Kreditapparates, Kollektive als Bezugspunkt des ordnungspolitischen Handelns, Wettbewerbsaversion und Angst vor dem Preismechanismus, Abneigung gegen das mikroökonomische und Präferenz für das makroökonomische Denken. Danach sind Produktionsfaktoren und Ressourcen nicht nach Maßgabe des Preissystems und der daraus hervorgehenden variablen Wirtschaftsrechnung, sondern nach politisch-behördlichem Ermessen mit der Folge eines systematischen oder punktuellen Interventionismus zu verwenden.

Im Gegensatz dazu sah Erhard das sachlich Notwendige in der Beseitigung des Ordnungsdualismus durch den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen einer „sozial orientierten Marktwirtschaft“.6Diese Bezeichnung findet sich in Ludwig Erhards Denkschrift zur Frage der Nachkriegswirtschaftsordnung aus dem Jahr 1943/44, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 48–52. Es müsse alles getan werden, damit diese Ordnung im Prozess des westdeutschen Wiederaufbaus, der europäischen Einigung und der Eingliederung Deutschlands in die Weltwirtschaft vor inneren Widersprüchen aus wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Unverträglichkeiten bewahrt werden könne, die aus dem verhaltensbestimmenden Einfluss konträrer Ordnungen hervorgehen.

Erhards zweiter ordnungspolitischer Bezugspunkt kann darin gesehen werden, den nach dem Zweiten Weltkrieg weithin vorherrschenden Elastizitätspessimismus zu überwinden, wie er dem sozialistischen Menschenbild und Staatsverständnis eigen ist. Ordnungspolitischer Hintergrund des Elastizitätspessimismus war der verbreitete Einfluss der Keynes-Schule: Danach passen sich die Menschen mit ihren Fähigkeiten, Handlungsoptionen und in ihren sozialen Stellungen einerseits, die Märkte mit Kosten und Preisen andererseits höchst unvollkommen an. Marktmacht, starre Kosten und Preise werden als Faktum und Ursache hartnäckiger Arbeitslosigkeit und von Krisenerscheinungen angesehen.

Dabei ist zweierlei übersehen worden: Die Verstaatlichung des Sozialen und der Menschen, die Fesselung des Staates durch mächtige Verbände und Sozialbürokratien sind ebenso wenig schicksalhaft und unabänderlich wie inflexible Lohne und Preise. Private oder staatliche bzw. staatlich tolerierte oder begünstigte Preissetzungen, wettbewerbsfeindliche Marktordnungen, Subventionen, protektionistische Handelshemmnisse und andere Privilegien können durch staatliche Ordnungspolitik verhindert und beseitigt werden.7Vgl. Alfred Schüller, Soziale Marktwirtschaft als ordnungspolitische Baustelle. Die Verbindung von „Freiburger Imperativ“ und „Keynesianischer Botschaft“ – ein nationalökonomischer Irrweg, ORDO, Band 56, 2005, Seiten 61–75. Weiter wurde übersehen, dass sich die Aussichten, allgemeine Kostenerhöhungen an die Käufer weiterzugeben, mit der Eingliederung Deutschlands und Europas in die Weltwirtschaft schon in den frühen 1950er Jahren immer mehr verschlechterten. Den Durchbruch hierfür hat Erhard als entschiedener Freihändler und Verfechter eines freiheitlichen internationalen Zahlungsverkehrs erstritten.

Neben den gewerkschaftlichen und parteipolitischen Anhängern des „demokratischen Sozialismus“8Siehe Hans Willgerodt, Thesen zum „demokratischen Sozialismus“, in: Anton Rauscher (Hrsg.), Selbstinteresse und Gemeinwohl. Beiträge zur Ordnung der Wirtschaftsgesellschaft, Soziale Orientierung. Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission bei der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach, Band 5, Berlin 1985, Seiten 229–277. vertraten viele maßgebliche Persönlichkeiten und Verbände der unternehmerischen Wirtschaft die Position des Elastizitätspessimismus. Die Wirtschaft berief sich unter anderem auf das Phänomen der „anomalen Reaktion der Zahlungsbilanz“, das immer wieder gegen Auf- und Abwertungen vorgebracht wurde, besonders von Anhängern einer staatlich gelenkten „Marktwirtschaft“. Danach wird mit einer Aufwertung oder Abwertung die jeweilige Lage auf dem Devisenmarkt verschlechtert statt verbessert. Diese Erscheinung hat in der Zeit des wirtschafts- und währungspolitischen Nationalismus mit konkurrierenden Abwertungen und Devisenbewirtschaftung nach 1929 eine verhängnisvolle Rolle gespielt.

Seit 1949 konnte davon nicht mehr die Rede sein. Es gab hoffnungsvolle elastizitätsoptimistische Perspektiven, wie etwa von Gottfried von Haberler.9Gottfried von Haberler, The Market for Foreign Exchange and the Stability of the Balance of Payments. A Theoretical Analysis, Kyklos, Volume III, April 1949, Seiten 193–218. Ein Jahr später hat Fritz Machlup10Fritz Machlup, Elasticity Pessimism in International Trade, Economia Internazionale, Volume III, 1950, Seiten 122 ff. die Lehre von der „anomalen Reaktion“ der Zahlungsbilanz vernichtend kritisiert und inhaltlich eine starke Begründung für den Elastizitätsoptimismus und gegen das Marktversagen auf den Devisenmärkten geliefert. Nach 1958/59 verstärkte sich in Deutschland wiederum die Diskussion um eine notwendige Aufwertung. Und in diesem Zusammenhang wurde vor der deutschen Aufwertung vom 3. März 1961, die von der deutschen Exportwirtschaft erbittert bekämpft wurde, erneut das Gespenst der „anomalen Reaktion“ der Devisenmarktbilanz beschworen. Die zusammenfassende Kritik an dieser Position von Wolfgang Albert11Vgl. Wolfgang Albert, Die anomale Reaktion der Zahlungsbilanz, ORDO, Band XI, 1959, Seiten 295–334. hat sich in der Praxis bestätigt.

Dem Elastizitätspessimismus folgend kann nicht auf die Eigenständigkeit und Gestaltungskraft der menschlichen Person vertraut werden, auf ihre Privatinitiative und ihre Fähigkeit, in Freiheit und Verantwortung wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen, gehen und hinreichende Vorkehrungen gegen die Risiken des Daseins treffen zu können. Das steht im Widerspruch zu Erhards liberalem und christlichem Menschenbild und Staatsverständnis.12Siehe Alfred Schüller, Das Menschenbild der christlichen Kirchen aus ordnungsökonomischer Sicht, in: Reinhold Biskup und Rolf Hasse (Hrsg.), Das Menschenbild in Wirtschaft und Gesellschaft, Bern/Stuttgart/Wien 2000, Seiten 79–133. Die Auseinandersetzung zwischen elastizitätsoptimistischen und -pessimistischen Ordnungskräften ist bis heute im Widerstreit konkurrierender Menschenbilder und Staatsverständnisse ein Grundproblem, wenn nicht sogar das Hauptproblem der binnen- und außenwirtschaftlichen Ordnungspolitik.13Siehe Fritz W. Meyer, Elastizitätspessimismus. Die Krankheit in unserer Wirtschaft und Wirtschaftspolitik, Wirtschaftspolitische Chronik, Heft 1, 1959, Seiten 7–18.

So ist es vielfach bis heute geblieben: Eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die dem wohlfahrtsstaatlichen Kollektivismus zugetan ist, blockiert auch die Weichenstellung für eine breitgestreute eigenverantwortliche Vermögensbildung, die Erhard immer wieder als Teil seiner elastizitätsoptimistischen Ordnungspolitik hervorgehoben hat. Mangelt es daran, neigt die Politik dazu, dem Elastizitätsoptimismus durch Subventionen und andere Interventionen künstlich Beine zu machen. Erhard spricht in diesem Zusammenhang von den Konsequenzen einer „volkswirtschaftlich neutralen und autonomen Sozialpolitik“, die nicht den Grundsätzen der marktwirtschaftlichen Ordnung entspricht und die volkswirtschaftliche Produktivität, die soziale Sicherheit und den gesamten Lebensstandard beeinträchtigt.14Ludwig Erhard, Selbstverantwortliche Vorsorge für die sozialen Lebensrisiken, 1956, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 461–465, hier Seite 462. Ludwig Erhard, Der Arbeit einen Sinn geben, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 490–506.

2. Gegen ein dirigistisches Europa-Modell

Erhard, der sich als „wahrhaft guter Europäer“ verstand,15Ludwig Erhard, Europäische Einigung durch funktionale Integration, Paris, 7. Dezember 1954, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 423. wollte in der Integrationsfrage von Anfang an verhindern, dass die Bürger Opfer von Spannungen und Konflikten einer dualen europäischen Wirtschaftsordnung, konkret eines von Natur aus elastizitätspessimistischen, politisch- bürokratischen Dirigismus werden können und die Pläne von Millionen von Menschen durch zentrale Wirtschaftspläne verformt und dominiert werden. Deshalb stellte Erhard schon 1954 klar: Die europäische Zusammengehörigkeit kann keine ökonomische Achsenbildung Paris–Bonn unter dem Banner eines planifizierenden staatlichen Dirigismus bedeuten.16Vgl. Ludwig Erhard, Europäische Einigung durch funktionale Integration, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 417–424. Noch schärfer und detailreicher hat sich Erhard dann 1962 über die Planification als Modell für Europa geäußert.

Erhard durfte davon ausgegangen sein, dass Frankreich und die dem Land geistig nahestehende EG-Kommission durch Beschränkung des Wettbewerbs der Systeme alles versuchen würden, die Planification auf europäischer Ebene zu etablieren. Die geschieht inzwischen vor allem mithilfe des janusköpfigen Maastrichter Vertrags von 1992, den Deutschland mit unbedingter Priorität ratifiziert hat – allen Warnungen Erhards vor einem europäischen Ordnungsdualismus zum Trotz. Für Erhard galt eine Übereinstimmung mit Frankreich auch und gerade dann als gebotene rücksichtsvolle Zusammenarbeit, wenn gegenseitig reiner Wein eingeschenkt und der Erkenntnis Rechnung getragen wird, dass es angesichts grundlegend verschiedener Positionen und der sich daraus ergebenden Unvereinbarkeiten besser ist, in entsprechenden Fragen nicht übereinzustimmen.

III. Systemvergleichende Ordnungspolitik

1. Deutschland – Zwei widersprüchliche Ordnungsideen

Mit Erhards Ordnungspolitik erhielt die westdeutsche Staats- und Gesellschaftsordnung einen gleichgerichteten freiheitlichen Wirtschaftsrahmen. Das Wissen über die Interdependenz der Ordnungen im Verständnis der „Freiburger Schule“ bewahrte Erhard vor einer engen ökonomischen Erklärung von ordnungspolitischen Aufgaben, von Reform- und Transformationsvorgängen. Immerhin wurde damals von Erhards Gegnern die Vorstellung vertreten, es spräche nichts dagegen, eine Diktatur mit einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie zu verbinden17Kritisch zu dieser Position, wie sie in der SPD von dem einflussreichen Herbert Wehner vertreten wurde, siehe Franz Böhm, Zweierlei Wirtschaftsordnung im wiedervereinigten Deutschland, FAZ vom 6. September 1958, Seite 5. Zu Erhard und die Frage der Wiedervereinigung siehe Kapitel III, 3. – als Beweis für die Funktionsfähigkeit dualer Wirtschaftsordnungen und damit für die Rückständigkeit, die Erhards Ordnungspolitik vorgeworfen wurde.

Erhards Transformationspolitik von 1948 folgte dem Denken in Ordnungen. Immer wieder hat er seine Auffassung über das sachlich Notwendige abwägend aus einer systemvergleichenden Betrachtung hergeleitet und begründet. Was mag ihn dazu bewogen haben? Im anderen Teil Deutschlands, in der SBZ bzw. DDR, war tagtäglich zu beobachten, dass eine Zentralverwaltungswirtschaft mehr schlecht als recht nur überleben kann, wenn sie durch äußerst rigide, menschenfeindliche Schutzwalle und Grenzkontrollen von Marktwirtschaften getrennt gehalten wird. Generell war das Denken in konträren systemlogischen Ordnungsbedingungen, in pathologischen Formen der internationalen Zusammenarbeit unter dem Vorzeichen des Staatsinterventionismus geeignet, das Verständnis für eine marktwirtschaftliche Ordnungspolitik als Voraussetzung für die Wiederherstellung einer freiheitlichen Ordnung zu erleichtern.

Diese Einsicht ist erforderlich, um dem sachlich Notwendigen politische Kraft zu verleihen und zu zeigen, dass bestehende Zustände des Mangels, der Not und der Perspektivlosigkeit in aller Regel ordnungsbedingt, also vermeidbar und überwindbar sind. Die Ordnungen sind es, die Fehlanreize verursachen, die Menschen moralisch überfordern und einer elastizitätspessimistischen Haltung Vorschub leisten können, die für alle schädlich ist. Wer sich der freiheitlichen Wirtschaftsordnung und des Wettbewerbs als einem nichtautoritären System sozialer Anreize und Kontrollen entziehen will, unterwirft sich der staatlichen Willkür und Entmündigung autoritärer und demokratiefeindlicher Anreiz- und Kontrollsysteme und muss sich zudem mit einem niedrigeren Lebensstandard begnügen.

2. Europäische Integration – Das Konzept der kooperativen Planung

Erhard beurteilte den Versuch der EG-Kommission von 1962, die widersprüchliche französische und deutsche Ordnungspolitik im Sinne einer Vereinheitlichung zu verschmelzen, äußerst kritisch.18Vgl. Ludwig Erhard, Planification – kein Modell für Europa. Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, 20. November 1962, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 770–780. Er stimmte dem Kapitel über den Ausbau der Wirtschaftsverfassung des Wettbewerbs und dem, was ein offenes Binnenmarktkonzept auf der Grundlage dezentraler Pläne ausmacht, vollinhaltlich zu. Es gilt bis heute als Glanzstück der europäischen Integration, obwohl der Einfluss der europäischen Wettbewerbsregeln auf das deutsche Recht nach Wernhard Möschel eher bescheiden ausfällt.19Siehe Wernhard Möschel, Einflüsse der europäischen auf die deutsche Wirtschaftsordnung, Jena 1998, Seiten 4 ff.

Zur Idee einer privilegienfreien europäischen Wettbewerbsordnung steht die französische Planification auch dann in einem diametralen Widerspruch, wenn sie nicht (planverbindlich) imperativ, sondern „nur“ indikativ angelegt ist. Erhard sieht das Dualitätsproblem, das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Ordnungsvorstellungen, nicht in der staatlichen Budgetplanung, sondern in der mittel- und langfristigen staatswirtschaftlichen Lenkung der Privatwirtschaft, die künstlich zu einer elastizitätspessimistischen Grundhaltung („warten auf den Staat“) verleitet und im Widerspruch zu den europäischen Wettbewerbsregeln steht.

Frankreich und die Kommission wollten Deutschland und die anderen EWG-Staaten für eine immer weitergehende sektorale staatliche Planung der Investitionen gewinnen in der Annahme, ohne eine gemeinsame Programmierung ließe sich die Wirtschaft nicht sinnvoll gestalten. Das hierfür von der Kommission entwickelte Konzept der „kooperativen Planung“ würde jedoch nach Erhards Vorstellung an den unterschiedlichen ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, wirtschaftspolitischen Zielen und Instrumenten, vor allem an der Realität der Anforderungen einer offenen, ständig im Wandel begriffenen Weltwirtschaft scheitern. Erhard erkannte die Folgen eines zunehmenden Staatsinterventionismus, von punktuellen oder branchenspezifischen zentralverwaltungswirtschaftlichen Infizierungen für das Ordnungsgefüge der Marktwirtschaft, für die individuelle Freiheit und Selbstverantwortung der Menschen. Statt Hindernisse für eine freie Entwicklung zu beseitigen, werden neue geschaffen.

Dies lässt sich an der Entwicklung der Integrationspolitik im Gefolge des Maastrichter Vertrags erkennen, die seitdem noch mehr im Widerspruch zu Erhards Ordnungspolitik steht als vorher. „Je mehr wir planwirtschaftliche Elemente in die Wirtschaftspolitik hineintragen, umso mehr werden wir zwangsläufig dahinkommen, dass nicht mehr die berufenen Organe der Gemeinschaft und nicht mehr die politisch verantwortlichen Regierungen bzw. der Ministerrat die eigentliche Wirtschaftspolitik bestimmen, sondern es wird dies immer von einer Behördenapparatur besorgt werden.“20Ludwig Erhard, Planification – Kein Modell für Europa, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 779. Verantwortung für das ganze Deutschland (14. September 1976), in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 1071.

3. Schutz vor krassen Fehlurteilen und enttäuschten Erwartungen

Mit Ordnungspolitik als Ergebnis einer systemvergleichenden Betrachtung hat sich Erhard vor Fehlurteilen und enttäuschten Erwartungen bewahren können:

  • Erhard wäre nie wie sein Nachfolger Helmut Schmidt Anfang der 1970er Jahre darauf gekommen, sich den polnischen Ministerpräsidenten Edward Gierek als Mitglied seiner Regierung zu wünschen und an dessen sozialistische Reformpolitik („Neue Entwicklungsstrategie“) hohe elastizitätsoptimistische Erwartungen zu knüpfen.21Zum absurden Versuch, im Rahmen dieses Systems Maßnahmen zu ergreifen, die auf den Gedankengängen der Keynes-Schule beruhen, siehe Alfred Schüller, Die Verschuldungskrise Polens als Ordnungsproblem, ORDO, Band 33, 1982, Seite 338. In dieser wie auch in anderer Hinsicht – etwa in Fragen der Reform des Weltwährungssystems und einer engeren europäischen Zusammenarbeit mit dem Ziel der Währungsunion – hat sich Helmut Schmidt zum „Gefangenen seiner eigenen Irrtümer“ oder auch des Versuchs gemacht, „seinen Vorgänger im Amt Lügen zu strafen“.22Ludwig Erhard, Das Weltwirtschaftssystem muss dringend neu geordnet werden, Die Welt vom 3./4. März 1973.
  • Erhard hätte die ungeheure Diskrepanz zwischen dem vermeintlichen Wert des Vermögens der DDR und deren Produktionskraft unter marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht als „eines der größten Täuschungsmanöver des zwanzigsten Jahrhunderts“ bezeichnet.23So Helmut Kohl, Erinnerungen. 1990–1994, München 2007, Seite 87. Erhard bezweifelte schon 1953 den Erkenntniswert der gesammelten Daten über Betriebsvermögen, Rohstoffversorgung, Produktionskapazitäten, Beschäftigung usw., wenn dabei nicht der ordnungsabhängige Bewertungszusammenhang berücksichtigt wird, in dem diese Zahlen stehen.24Vgl. Ludwig Erhard, Wirtschaftliche Probleme der Wiedervereinigung. Wiederabdruck aus dem Bulletin der Bundesregierung vom 12. September 1953. Deshalb erforderten diese Größen mit dem Übergang zu offenen Märkten sowie der preisgesteuerten marktwirtschaftlichen Wirtschaftsrechnung eine totale Umwertung. Andernfalls käme es zu krassen Fehlurteilen und Fehlentwicklungen.

Im Rahmen einer Festrede anlässlich der Einweihung des neuen Hauses der Industrie- und Handelskammer Berlin am 18. Juni 1955 verstärkte Erhard seine Kritik an konstruktivistischen Planen für eine staatlich organisierte Wiedervereinigung. Er sah es beim Zusammenschluss von Ost- und Westdeutschland als Aufgabe der Ordnungspolitik an, den „Geist der Freiheit“ zu entzünden. Dann, so Erhard, wird sich zeigen, „dass alles, was sich die Statistiker und Planer für die Wiedervereinigung Deutschlands vorstellen, zuschanden wird gegenüber der Wirklichkeit. Wenn ich die Aufgabe zu erfüllen hätte, würde ich mir vorher nicht eine einzige Statistik ansehen. Ich würde auch nicht fragen, ob die Rohstoffe oder die Kapazitäten vorhanden sind. Wenn die Menschen etwas von der Freiheit spüren und wenn ihre Sehnsucht, zu uns zu kommen und wir zu ihnen, Erfüllung findet, dann werden Kräfte lebendig, von denen sich unsere Schulweisheit nichts träumen lässt. Im Grunde genommen stehen wir dann vor dem gleichen Problem wie im Jahre 1948 in der Bundesrepublik. Nach allen rationalen Vorstellungen hatte man in Deutschland doch niemals eine Freizügigkeit erwarten können. Die Aufhebung der Bewirtschaftung und die Aufhebung der Preisbindungen sind deutlich genug als ein Verbrechen gebrandmarkt worden, mindestens als eine grobe Leichtfertigkeit. Ich glaube, der historische Beweis ist geliefert, und es wird, wenn wir an die Wiedervereinigung Deutschlands herangehen, sich bestimmt nichts anderes ereignen.“

Tatsächlich hat sich nach 1989 gezeigt, dass besonders von Westdeutschland ausgehend das große Ziel der geistigen und ordnungspolitischen Erneuerung und Gesundung vielfach dem wohlfahrtsstaatlichen Denken der Politiker und der Bevölkerung zum Opfer gefallen war. Typisch ist hierfür, dass die freie Gesellschaft mehr und mehr als „Garantie“, weniger als „Experiment“ betrachtet wird. In dieser zu eng verfassten Gesellschaft besteht nach Michael Novak25Siehe Michael Novak, Die katholische Ethik und der Geist des Kapitalismus, Trier 1996. zu wenig Spielraum für praktische Klugheit, Einfallsreichtum, freiwillige Beteiligung, Bürgersinn und Wagemut – kurz für Unternehmertum.

  • Erhard hätte erkannt, dass der Maastrichter Vertrag von 1992 unter dem Einfluss der planifizierenden Denktradition Frankreichs und der interventionsfreudigen Kommission einen fortschreitenden Drang zur Dualisierung der europäischen Wirtschaftsordnung auslösen wird – in Übereinstimmung mit dem Konzept einer kooperativen Planung, das Erhard dreißig Jahre vorher scharf kritisiert hatte.26Siehe hierzu die Argumente, die Ludwig Erhard 1962 in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament zu der Feststellung veranlasst haben: „Wir brauchen kein Planungsprogramm, wir brauchen ein Ordnungsprogramm für Europa“, Ludwig Erhard, Planification – wir brauchen kein Planungsprogramm, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 770–780.
  • Den Gedanken einer Währungseinheit ohne Preisgabe der Eigenstaatlichkeit bezeichnete Erhard als illusionär.27Vgl. Ludwig Erhard, Deutsche Mark frei konvertierbar, Rundfunkansprache 28. Dezember 1958, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 569. Freilich wäre eine einheitsstaatliche politische Union, was immer damit gemeint sein mag, keine hinreichende Garantie für einen Euro, der sowohl der Binnen- als auch der Außenintegration der EU hätte förderlich sein können. Dazu bedarf es einer einheitlichen stabilitätsorientierten Grundhaltung mit dem Primat der Währungspolitik vor der Fiskalpolitik. Für eine politische Union gab es zu seiner Zeit und gibt es auch heute kein demokratisch und sachlich hinreichend begründetes Konzept. Erhard hätte die Auffassung geteilt, dass eine überhastete Einführung des Euro zu (integrations-)politischen Zerreißproben führen wird. Er hätte deshalb – wie Sachsen unter dem Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf – der Währungsunion niemals zugestimmt und der Bevölkerung keinesfalls versprochen, die Bundesbank-Politik werde Richtschnur der Europäischen Zentralbank (EZB) und der europäischen Währungspolitik sein.28Siehe Helmut Kohl, Erfolgsgeschichte der D-Mark mündet ein in Erfolgsgeschichte des Euro, Deutsche Bundesbank, Festakt „Fünfzig Jahre Deutsche Mark“, Frankfurt am Main, Juni 1998, Seiten 19–34. Erhard hätte bedacht, dass die ordnende Kraft einer Verfassung erst durch deren Gestaltung nach der Logik der tatsächlich gewollten Ordnung entsteht und dass sowohl in Frankreich als auch in Deutschland, aber auch in anderen Euroländern, unübersehbar starke politische Kräfte am Werk waren, aus der EZB ein fiskalpolitisches Finanzierungs- und Lenkungsinstrument zu machen. Erhard hätte daran gedacht, dass schon im Vorfeld der Euro-Einführung die Bundesbank wider besseres Wissen auch in Deutschland als wenig beschäftigungsorientiert und sozialverträglich bezeichnet worden ist. Die Geldpolitik sollte in den Dienst der Beschäftigung und einer rasch fortschreitenden Verstaatlichung des Sozialen gestellt werden. Hierzu wollte man sich mithilfe der EZB das holen, wozu die Bundesbank nicht bereit war, es zu geben. Zur Absicht der französischen wie auch Teilen der deutschen Politik gehörte es jedenfalls, die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank zu überwinden. Inzwischen bescheinigen alle maßgeblichen Parteien in Deutschland und das Bundesverfassungsgericht der EZB, im Rahmen ihres Mandats zu handeln. Es ist schwer vorstellbar, dass Erhard empfohlen hätte, einen solchen Persilschein für eine fiskalpolitische Indienstnahme der EZB auszustellen.

IV. Einsichtsfähige Ordnungspolitik für die Bürger

Erhard dürfte davon überzeugt gewesen sein, dass sich nach der nationalsozialistischen Vorgeschichte Deutschlands marktwirtschaftliche Denk- und Handlungsstrukturen nachhaltig nur mit breiter Zustimmung der Bevölkerung entwickeln können. Im Hinblick darauf kann seine Öffentlichkeitsarbeit als Versuch verstanden werden, dem Alltagsgeschehen konkret, anschaulich, unbestechlich und verständlich auf den Grund zu gehen, ohne eine gegebene Lage zu früh als endgültig anzusehen, ohne mit schönen Worten und Versprechungen um die Gunst der Wähler zu buhlen und für den eigenen politischen Prestigegewinn kurzsichtige Problemlösungen zu akzeptieren. Die Korrumpierung der Wählergruppen war für ihn kein politisches Instrument. In der Politik der Wahlgeschenke und im Herrschaftsanspruch der Verbände sah er eine verhängnisvolle Unterhöhlung der politischen Demokratie. Seine zahlreichen Beiträge zur Pathologie und Therapie der deutschen, europäischen und weltwirtschaftlichen Entwicklung sind mit ihrem ordnungspolitischen Gehalt wie für heute geschrieben, wo politisches Wollen und wirtschaftliches Können in unlösbare Widersprüche geraten. In dieser und anderer Hinsicht war seine Ordnungspolitik selbst in der CDU nicht unumstritten, ja für Teile der CDU und CSU nicht annehmbar.

Erst mit seiner ordnungspolitischen Rede vom 28. August 1948 konnte er das gesellschafts- und wirtschaftspolitische Denken Adenauers und der Unionsparteien für seine elastizitätsoptimistische Sicht gewinnen – im Widerspruch zum bis dahin geltenden „Ahlener Programm“, das von sozialistischen Vorstellungen durchdrungen war. Vor allem im ersten Wahlkampf nach der Währungs- und Wirtschaftsreform ist es im Streit um die Dualitätsfrage „Planwirtschaft oder Marktwirtschaft“ gelungen, aus „der Sozialen Marktwirtschaft und der CDU eine Einheit“ zu machen.29Das Bündnis zwischen Adenauer und Erhard wird auf dessen berühmte Rede vor dem 2. Parteikongress der CDU „Marktwirtschaft im Streit der Meinungen“ vom 28. August 1948 (in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 134 ff.) zurückgeführt. Es hat nach Gerhard Stoltenberg in den folgenden zehn Jahren „die politische Entwicklung Deutschlands maßgeblich“ geprägt, nachdem Adenauer am 25. Februar 1949 mit einer für ihn geradezu überschwänglichen Würdigung reagiert hatte. Diese kommt einem politischen Ritterschlag gleich. Adenauer empfand Erhards Vortrag „so klar und lichtvoll und hat namentlich die grundlegenden Wahrheiten so deutlich und überzeugend in Erscheinung treten lassen, dass ich glaube – es mag der eine oder andere von uns in diesem oder jenem Punkt etwas anderer Ansicht sein –, im Prinzip werden wir alle dem beipflichten müssen. Er hat in seiner Rede das Geheimnis jedes Erfolges wirken lassen, die Dinge zurückzuführen auf möglichst einfache und klare Begriffe“ (Siehe Gerhard Stoltenberg, Wendepunkte. Stationen deutscher Politik 1947 bis 1990, Berlin 1997, Seite 20). So konnten die positiven Wirkungen der Währungs- und Wirtschaftsreform von 1948 im Wahlkampf als Erfolge der CDU ausgewiesen werden.

V. „Wettbewerb soweit wie möglich, Planung soweit wie nötig“

Die SPD stand zusammen mit den Gewerkschaften noch lange tief in der Tradition eines systematischen Interventionismus, der durchgängig vom elastizitätspessimistischen Denken bestimmt ist. Erst unter dem Eindruck der überwältigenden Erfolge Erhards, ihrer Anerkennung durch die Mehrheit der Wähler und im internationalen Wettbewerb der Systeme hat sich die SPD 1959 mit dem Godesberger Programm vom Leitbild des planmäßig organisierten Elastizitätspessimismus verabschiedet. Freilich war Karl Schillers Leitgedanke – „Wettbewerb soweit wie möglich, Planung soweit wie nötig“ – offen für eine duale Wirtschaftsordnung, wenn Wettbewerb mit elastizitätsoptimistischen Marktlösungen, Planung mit einem elastizitätspessimistischen Staatsinterventionismus gleichgesetzt werden. Gemessen an Erhards Ordnungspolitik kann Schillers Leitidee die Neigung begünstigen, das ordnungspolitische Handeln von vornherein aufzuweichen, in der Politik den gerade beliebten staatlichen Eingriffen zum Durchbruch zu verhelfen und damit das Gewicht der konträren Ordnungselemente in Richtung eines staats- und verbandspolitischen Interventionismus zu verschieben.

Schillers Leitbild ist zwar dehnbar, enthält jedoch die klare Absage an eine freiheitszerstörende totalitäre Zwangswirtschaft, eine Bejahung der Tarifautonomie, der freien Unternehmerinitiative, der freien Konsum- und Arbeitsplatzwahl, des freien Wettbewerbs und des freien Marktes, „wo immer wirklich Wettbewerb herrscht“. Das Gemeineigentum sei den Fällen vorzubehalten, in denen „mit anderen Mitteln eine gesunde Ordnung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse nicht gewährleistet werden“ könne. Freilich wird aus Erhards ordnungspolitischer Sicht die staatliche Aufgabe ausgeblendet, Monopole zu beseitigen und „wirklich“ Wettbewerb herzustellen und zu erhalten.30Erhard hatte bedacht, dass die Breitenwirkung des wirtschaftlichen Wettbewerbs nicht aus sich selbst heraus entsteht, vielmehr den Abbau nationalstaatlicher Regulierungen (mit einer Vielzahl von wettbewerblichen Ausnahmebereichen), eine aktive staatliche Wettbewerbspolitik und die Liberalisierung des Handelsverkehrs, ganz besonders aber des Kapitalverkehrs auf der Grundlage einer zunehmenden Zahl von prinzipiell konvertiblen Währungen voraussetzt. Auch bleibt die Frage offen, worin eine „gesunde Ordnung“ der wirtschaftlichen Machtverhältnisse bestehen könnte. Für Erhard verwirklicht sich das, was er als soziale Fundierung und Ausrichtung der Ordnungspolitik ansieht, nur in der von Machtpositionen freien Wettbewerbsordnung.

Schiller war Anhänger der Idee, die in den 1960er Jahren „wachstumsorientierte Strukturpolitik“ genannt wurde. Diese war Ausdruck einer interventionistisch-mechanistischen Wachstumsvorstellung. Es gibt hierzu Texte von Schiller, die seinerzeit unter anderem auch als BMWi-Texte und im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung veröffentlicht worden sind. Auch der Übergang von Erhards Entwurf eines Stabilitätsgesetzes zu Schillers Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ist Ausdruck eines janusköpfigen Ordnungsdenkens, das bei Schiller vorherrschte. Freilich hat sich Schiller später – „Es gibt immer eine marktwirtschaftliche Lösung.“31Den Hinweis verdanke ich Christian Watrin. – verstärkt in den Dienst einer grundsatztreuen Ordnungspolitik in Erhards Verständnis gestellt. Er befand sich damit im Widerspruch zu Helmut Schmidt, der zur Expansion der Staatsverschuldung und Ausdehnung des vermeintlich unterentwickelten öffentlichen Sektors neigte und eine europäische Währungsunion um jeden Preis anstrebte.

Ob und inwieweit Schiller seine frühere Wachstumsvorstellung aufgegeben und sich Erhards Position zu eigen gemacht hat, wäre zu prüfen. Immerhin hat sich Schiller seit Ende der 1960er Jahre in den Dienst einer Politik der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsrechnung und Wettbewerbsordnung gestellt, wie sie von Erhard, nicht aber von der CDU/CSU vertreten wurde. Davon zeugt einmal Schillers überzeugendes Eintreten für die Aufwertung der D-Mark, das vielfach als ausschlaggebender Faktor für den Wahlausgang des Jahres 1969 zugunsten der ersten sozial-liberalen Koalition angesehen wird. Schiller hat mit Korrektur eines falschen Wechselkurses dem Missbrauch von Währungen für Zwecke der nationalen Handelspolitik eine Absage erteilt – ganz im Sinne von Erhard. Zum anderen ist Schillers erfolgreiches Wirken für die Abschaffung der wettbewerbsbeschränkenden Preisbindung der Zweiten Hand im Jahre 1973 zu nennen.

VI. Erhards Ordnungspolitik und der organisierte Elastizitätspessimismus

Elastizitätspessimisten neigen dazu, die Vorteile marktwirtschaftlicher Lösungen nach dem Niederstwertprinzip zu beurteilen, den Nutzen planwirtschaftlich-interventionistischer Maßnahmen dagegen nach dem Höchstwertprinzip. Mit immer neuen Anläufen wurde versucht, Erhard mit seiner Ordnungspolitik zu isolieren und zum Scheitern zu bringen – sehr früh schon mit einem Zehn-Punkte-Programm, dem Beschluss eines Generalstreiks und der Forderung nach staatlicher Verkündigung eines „Wirtschaftsnotstands“ seitens der Gewerkschaften am 12. November 1948, so in der Korea-Krise. Erhard ist dem Versuch der Gewerkschaften, die bisherigen Erfolge seiner neuen Wirtschaftspolitik zu torpedieren, mit marktwirtschaftlichen Argumenten und dem bis heute aktuellen Einwand entgegengetreten, dass eine von der parlamentarischen Mehrheit getragene Wirtschaftspolitik, „wenn die Demokratie nicht zur Farce werden will, nicht dem Diktat sozialer, wirtschaftlicher oder politischer Gruppen unterliegen darf“.32Ludwig Erhard, Generalstreik zur Rettung eines unhaltbaren Dogmas. Rundfunkansprache vom 11. November 1948, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 162–165.

Der Koreakrieg brach am 25. Juni 1950 aus. Durch die direkte oder indirekte Beteiligung der Hauptakteure USA, China und UdSSR kam es weltweit zu politischen Instabilitäten, Kaufpsychosen und Verknappungserscheinungen. Angesichts der öffentlichen Unruhen kamen selbst dem amerikanischen Hochkommissar John J. McCloy und Bundeskanzler Adenauer Zweifel an Erhards Ordnungspolitik: Man dürfe das marktwirtschaftliche Prinzip nicht zu Tode reiten. Auch die USA hatten unter Präsident Harry S. Truman einen Lohn- und Preisstopp eingeführt. Was für die „reichen“ USA gelte, müsse erst recht für die „arme“ Bundesrepublik Deutschland angemahnt werden. Es entsprach der verbreiteten Meinung, marktwirtschaftliche Lösungen seien ein Luxus für wenige, den sich „arme“ Volkswirtschaften nicht leisten könnten.

Erhard zögerte nicht, die Einführung des Lohn- und Preisstopps in den USA Anfang 1951 sachlich als falsch und nicht erfolgversprechend zurückzuweisen. Beharrlich schenkte er reinen Wein ein und legte im gleichen Jahr wiederum in einer Rundfunkansprache verständlich dar, „warum die Nachahmung bei uns in kürzester Frist zum wirtschaftlichen und sozialen Chaos führen müsste“.33Ludwig Erhard, Zum amerikanischen Lohn- und Preisstopp, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 274.

So sehr solche Zweifel aus den eigenen Reihen den innenpolitischen Gegnern, die den freiheitlichen Kurs grundsätzlich bekämpften, entgegen kam – Erhard blieb im Kern dabei, freien Preisen und weltoffenen Märkten, einseitigen Zollzugeständnissen und einer stabilen D-Mark den Vorzug zu geben. Wieder auf ein systemvergleichendes Argument zurückgreifend, verwies er darauf, dass die Spannungen und Störungen nachweislich dort am größten seien, wo ein wettbewerbsfeindlicher Staatskapitalismus mit zwangswirtschaftlichen Fesseln herrsche, also das, was seine Widersacher unter Berufung auf vermeintlich soziale Zwecke auf breiter Front anstrebten.34Dies galt nicht nur für die Grundstoffindustrien (Kohle, Eisen und Stahl), sondern für viele spätere Bereichsausnahmen vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – vorgeblich zum Schutz der Verbraucher, tatsächlich zum Schutz der Produzenten vor Konkurrenz.

Insgesamt dienten die nach der Wirtschafts- und Währungsreform und in der Korea-Krise allseits beklagten Preissteigerungen als Vorwand, um Erhards Ordnungspolitik und damit die marktwirtschaftliche Ordnung schlechthin angreifen und in Misskredit bringen zu können. Ähnliches hat sich in den 1970er Jahren im Gefolge der Mineralölpreisexplosionen wiederholt und jeweils die verbands- und parteipolitischen Anhänger des Elastizitätspessimismus mit Bewirtschaftungsforderungen auf den Plan gerufen. Die jederzeit marktfeindliche Sprung- und Gefechtsbereitschaft der Gegner von Erhards Ordnungspolitik war immer mehr darauf gerichtet, einen wohlfahrtsstaatlichen Interventionismus zu etablieren, mit dessen inhärenter Systemlogik und Systementfaltung sich der Staat immer starker dem Elastizitätspessimismus hätte verschreiben müssen.35Siehe etwa die Rede Erhards vor dem Deutschen Bundestag vom 14. März 1951 „Im Schatten des Korea-Konfliktes“, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 278 ff. Dieselben Kritiker, die die Geldentwertung brandmarkten und dazu aufriefen, zum Preisstopp und zur Rationierung zurückzukehren, forderten zugleich im Interesse der Vollbeschäftigung, mit einer lockeren Geldpolitik für mehr Nachfrage zu sorgen, ohne Rücksicht auf die negativen Allokations- und Verteilungswirkungen.

Gegen alle Widerstände blieb Erhard hart und kämpfte weiter für freie Preise und offene Märkte, für einseitige (unilaterale) Zollzugeständnisse und damit für den Verzicht auf das merkantilistische Prinzip der Reziprozität, schließlich für eine stabile und konvertible D-Mark – alles im Widerspruch zur elastizitätspessimistischen Sicht. Mit Erhards Bereitschaft zur unilateralen Liberalisierung hat er anderen Ländern ein Beispiel zur Nachahmung und ein Signal für offenen Systemwettbewerb zwischen Regierungen gegeben, in dem sie sich an die Spitze des Prozesses der weltwirtschaftlichen Öffnung setzen können.36Nach Razeen Sally überragt die autonome (unilaterale) Liberalisierung die anderen Formen um ein Mehrfaches. Vgl. Razeen Sally, Trade Policy, New Century. The WTO, FTAs and Asia Rising, London 2008, Seite 151. Dasselbe gilt für die Vorteilhaftigkeit einer unilateralen Wettbewerbspolitik in Verbindung mit dem Gedanken der Erweiterung der vorpreschenden Kräfte zu einer Entwicklung des Wettbewerbs auf breiter Front.

VII. Erhard als Elastizitätsoptimist

Als Elastizitätsoptimist strebte Erhard eine knappheitsgerechte variable Wirtschaftsrechnung mit unbegrenzter binnen- und außenwirtschaftlicher Reichweite an. Dies tat er mit dem Verständnis einer Integration, die aus der Wissens- und Arbeitsteilung im Rahmen einer internationalen Tausch-, Preis-, Zahlungsgemeinschaft entsteht. Freilich ließen sich in der historischen Situation von 1948 keine vollständige Preisfreigabe37Das Ergebnis war ein gemischtes Preissystem: Der Anteil der Branchen am Bruttoinlandsprodukt mit freien Preisen wird auf 63 Prozent, der mit gebundenen Preisen auf 29 Prozent geschätzt. 8 Prozent waren Staatsanteil. Siehe die Nachweise bei Hans Willgerodt, Westdeutschland auf dem Wege zu „richtigen“ Preisen nach der Reform von 1948, in: Hans-Jürgen Wagener (Hrsg.), Anpassung durch Wandel: Revolution und Transformation von Wirtschaftssystemen, Berlin 1991, Seiten 175–208. und Aufhebung der Bewirtschaftung erreichen. Doch konnten sich die weiterhin staatlich regulierten Preise und Leistungsbereiche nicht der Integrationskraft des wettbewerblichen Marktsystems entziehen, jedenfalls nicht in dem Maße, wie dies bei umfassender Preisregulierung und Bewirtschaftung der Fall gewesen wäre.

Auch Staatsbetriebe verändern eine marktwirtschaftliche Ordnung nicht vollständig. Denn sie haben es auf dem Markt für Inputfaktoren und im Wettbewerb um die Nachfrager mit kosten- und preisempfindlichen privaten Akteuren und mit einer insgesamt meist preiselastischen Auslandsnachfrage zu tun. Bis heute scheint sich in den Köpfen der Deutschen die Bedeutung des Außenhandels und weltoffener Wirtschaftsbeziehungen als eine im Vergleich zu anderen Ländern lebendige Erfahrung etabliert zu haben, wenn vielleicht auch nicht so weitgehend, wie Erhard das Wirtschaften als weltweiten Kooperationsprozess auffasste – „als eine geistige Ausrichtung, als Niederschlag einer großen Konzeption freiheitlicher Verbundenheit mit allen Märkten und Kaufleuten der Welt. Dahinter steht nicht mehr die Scheindynamik des wirtschaftlichen Nationalismus, sondern das Bewusstsein, dass wir unseren gesunden nationalen Interessen umso besser dienen, je internationaler wir denken und unsere Wirtschaft gestalten.“38Ludwig Erhard, Die geistigen Grundlagen gesunden Außenhandels, 1953, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 339–342, hier Seite 340.

Manches spricht dafür, dass Erhards Wirken für eine weltoffene Ordnungspolitik, vor allem die von ihm seit den 1950er Jahren erfolgreich angestrebte unbegrenzte Umtauschbarkeit der D-Mark in fremde Währungen (Konvertibilität), den Elastizitätsoptimismus gegenüber binnenwirtschaftlichen Neigungen zu elastizitätspessimistischen Einstellungen gezügelt und bis heute in der Vorhand gehalten hat, ebenso sein Festhalten am Primat der Währungspolitik. Schon ab 1950 war er sich mit Finanzminister Fritz Schäffer und Wilhelm Vocke, dem Präsidenten der Bank deutscher Länder, darin einig, das Land nicht erneut in die Staatsverschuldung zu führen, nachdem es gerade gelungen war, zwischen der Rolle des Staates und dem Handlungsspielraum der Bürger eine angemessene Grenze zu ziehen und die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates wiederherzustellen. Es galt die Erkenntnis, dass es im Kern keine haltbare Begründung für eine kontinuierlich zunehmende Staatsverschuldung gibt und dass Schulden von heute Steuern von morgen sind.

Hier tun sich Welten auf zur heutigen Praxis der Staatsverschuldung, dem aktuellen Verständnis der EZB als größtem Gläubiger von Staaten und zur Gewohnheit, in der Eurozone die marktmäßigen Kredite durch politische Kredite zu ersetzen, die dem marktwirtschaftlichen Funktions-, Wettbewerbs- und Rechnungszusammenhang, in dem alle Größen stehen, entzogen sind.

VIII. Ordnungspolitik – Aus der Not eine Tugend machen

Erhard verstand es, aus der Not eine Tugend zu machen. Deutschlands Weg zur wirtschaftlichen Gesundung wurde 1948 durch eine aufgezwungene massive Überbewertung der D-Mark erschwert. Um trotz dieser Behinderung die Exportkraft steigern und damit Anschluss an die existenzwichtige Integration in die Weltwirtschaft gewinnen zu können, setzte sich Erhard – im Widerspruch zu den Empfehlungen der in- und ausländischen Vertreter des Keynesianismus – für eine relativ bessere Erhaltung des Geldwertes und für die Stärkung des Marktpreismechanismus ein.

So konnte der Nachteil der Überbewertung der D-Mark, die den Import begünstigte und den Export hemmte, durch innere Anpassung ausgeglichen und dem Export auf eine solide, beschäftigungswirksame Weise der Weg geebnet werden. Schon 1952 zeigte sich, dass es möglich ist, selbst in ein zunächst nicht marktgerechtes Wechselkursregime hineinzuwachsen, wenn mit der inneren Ordnungspolitik die Weichen für eine entsprechende Anpassung gestellt werden und kreditpolitisch streng nach dem Grundsatz „Anpassung geht vor Finanzierung“ verfahren wird. Dieses Prinzip galt seinerzeit noch für die Auflagenpolitik des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Der Gedanke des selbst auferlegten Reformzwangs ist immer und überall innenpolitisch unbequem. Erhard widerstand der Forderung, seine Ordnungspolitik einem binnenwirtschaftlich orientierten geld- und fiskalpolitischen Treibhausklima für seine sehr wohl auf Vollbeschäftigung angelegte Politik auszusetzen. Seine ordnungspolitische Standhaftigkeit durfte eine maßvolle Lohnpolitik und eine beschäftigungswirksame Anpassungspolitik der Unternehmen begünstigt haben.

Die Fähigkeit, aus der Not eine Tugend zu machen, hat in dem Maße an Überzeugungskraft verloren, wie es im Rahmen des Bretton-Woods-Systems seit den frühen 1960er Jahren, des Europäischen Währungssystems seit 1978 und in extremer Form im Rahmen der Europäischen Währungsunion nach 1999 möglich geworden ist, marktmäßige Kredite durch politische Kredite willfähriger Art zu ersetzen – nach dem Grundsatz „Finanzierung geht vor Anpassung“.39Vgl. Alfred Schüller, Das Eurosystem zwischen realwirtschaftlicher Anpassung und kollektiver Finanzierung, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Heft 133 (3) 2012, Seiten 21–29. Hierbei arbeiten die Akteure und Institutionen in einem haftungsfreien Raum. In diesem können die Schuldnerländer sich mit dem Argument Gehör verschaffen, sie seien zu finanzpolitischen Seitensprüngen verleitet und durch die Gläubiger schuldensüchtig gemacht worden.

Das marktfeindliche Privileg politischer Kredite erlaubt den Regierungen ein vergleichsweise bequemes Schuldenmanagement. Wahlgeschenke und kostspielige Programme können fortgesetzt finanziert werden. Notwendige Reformen und Anpassungsanstrengungen können verschleppt werden oder unterbleiben. Erhard dürfte in einer solchen Währungsunion ein Beispiel für das Versäumnis gesehen haben, die politische Willensbildung von ökonomischen Ordnungszusammenhängen zu scheiden.40Vgl. Ludwig Erhard, Deutsche Mark frei konvertierbar, 1958, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 569.

IX. Ordnungspolitik und Wachstumspolitik

Wachstumsraten waren für Erhard Ex-post-Ergebnis dezentraler Pläne und Entscheidungen der Wirtschaftseinheiten, begünstigt durch eine anreizstarke Ordnungspolitik. Mit dem Hinweis auf Steigerungsraten der Produktion in Deutschland, die sich im internationalen Vergleich sehen lassen konnten, hat Erhard ganz gezielt für seine wachstumsbeflügelnde Ordnungspolitik geworben, auch um seine Widersacher in Politik und Publizistik zu widerlegen und die Bevölkerung von der Richtigkeit seiner Ordnungspolitik zu überzeugen. Davon zeugt sein leidenschaftliches Eintreten für einen hohen Stellenwert des Bildungssystems, der Wettbewerbspolitik, marktgerechter Wechselkurse, einer stabilen Währung, eines leistungs- und wettbewerbsfördernden Steuersystems, solider Staatsfinanzen, für die Beseitigung von staatlich verursachten Wachstumsschranken sowie für die Liberalisierung des Handels- und Kapitalverkehrs.

Angesichts dieser und anderer Triebkräfte seines elastizitätsoptimistischen Ordnungsdenkens war Erhard nicht für einen Staat zu gewinnen, der mit seinen Ausgaben und Einnahmen vorausschauend den Wirtschaftsprozess steuern und für ein ständig aufgeputschtes numerisches Wachstum sorgen will. Erhard hatte sich nicht angemaßt, in der Vielzahl der privatwirtschaftlichen Investitionsmöglichkeiten diejenigen identifizieren zu können, durch die die volkswirtschaftliche Gesamtleistung eines Jahres, also das Bruttosozialprodukt, besonders schnell und nachhaltig hätte zum Steigen gebracht werden können.

Zusammengefasst: Der Westen Deutschlands ist durch Erhards Ordnungspolitik zur stärksten Wirtschaftskraft des Kontinents aufgestiegen. Die gigantischen Versorgungs-, Wiederaufbau- und Beschäftigungsprobleme der Nachkriegszeit wurden ohne nennenswerte Staatsverschuldung und Inflation gelöst. Erhard widerlegte das populäre Vorurteil, die marktwirtschaftliche Ordnung neige strukturell zu Unterbeschäftigung, Depression, monetärer Instabilität und sozialer Vergiftung des Gesellschaftslebens, bedürfe deshalb einer umfassenden staatlichen Daseinsvorsorge mithilfe planmäßiger staatlicher Interventionen und strukturbestimmender Programme. Die beispiellosen wirtschaftlichen und sozialen Erfolge der Nachkriegszeit konnten freilich nicht durch einen dringend erforderlichen Ausbau der marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung gesichert und belebt werden.

X. Erhards Ordnungspolitik im Niedergang

1. Die verhängnisvolle Wechselkursfrage

Eine noch so erfolgreiche Binnenwirtschaftspolitik ist gefährdet, wenn zentrale Elemente der internationalen Währungsordnung (Wechselkurs- und Kreditpolitik) im Widerspruch zu ihr stehen. Erhards Bemühen, seinem elastizitätsoptimistischen Programm in einer Welt des von Sonderinteressen bestimmten Elastizitätspessimismus zum Durchbruch zu verhelfen, wurde seit Mitte der 1950er Jahre durch den massiven (verbands-)politischen Widerstand gegen die rechtzeitige und hinreichende Aufwertung der D-Mark erschwert.

Erhard sah die D-Mark-Aufwertung aus Gründen der Geldwertsicherung und des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts bei nicht zu vereinbarender Ordnungspolitik im In- und Ausland schon 1956 geboten. Doch erst im März 1961 konnte er gegen eine politisch mächtige Industrielobby viel zu spät und in geringerem Umfang, als er es für angezeigt hielt, aufwerten. Vorher und nachher wurde er immer wieder, nun auch seitens der Deutschen Bundesbank, mit der Forderung konfrontiert, den Kapitalverkehr zu reglementieren und damit den Weg des Ordnungsdualismus zu beschreiten.

Mit unbeugsamer Energie hat Erhard auf der 1958 erreichten vollständigen Währungskonvertibilität bestanden und der monetären Disziplin den Vorzug gegeben. Wie Wilhelm Röpke und andere „Freiburger“ setzte er Konvertibilität mit der Vorstellung einer internationalen Ordnung ohne Beschränkungen des Handels- und Kapitalverkehrs gleich. Den erreichten Konvertibilitätsfortschritt mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, war unverzichtbar, um – nicht zuletzt der kriegsfolgenbedingten größeren Außenhandelsabhängigkeit Deutschlands wegen – eine höhere Verflechtung der internationalen Arbeitsteilung zu erreichen. Die Bedeutung dieses Zusammenhangs kann nicht überschätzt werden.

Bis zur Währungs- und Wirtschaftsreform von 1948 stellte die Zuwanderung41In den Westzonen ist die Bevölkerung nach 1945 von 39,3 auf über 50 Millionen angestiegen, und zwar ausschließlich durch Zuwanderung von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen aus den abgetrennten Ostgebieten, von Volksdeutschen und Zonenflüchtlingen. für die Versorgung und den Arbeitsmarkt eine viel beklagte Belastung dar. Erst mit Erhards Ordnungspolitik konnte es in Verbindung mit der rasch vorankommenden internationalen Preisvernetzung zu jener weit entfalteten Arbeitsteilung kommen, in der nicht mehr gefragt wurde „Woher kommst Du?“, sondern „Was kannst Du?“. Die Offenheit der neuen Ordnung war die entscheidende Voraussetzung für die wirtschaftliche und soziale Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie deren Bereitschaft, Integration in eigenständiger Verantwortung als Bringschuld zu verstehen. Dieses Prinzip dürfte sich als eine äußerst starke Triebkraft für den wirtschaftlichen Wiederaufbau und den sozialen Fortschritt in Westdeutschland erwiesen haben, was bis heute vielfach verkannt, ja als Mythos abgetan wird.42Siehe Andreas Kossert, Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945, 4. Auflage, München 2009.

Die Konsequenz der permanenten wechselkursbedingten außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte mit einer monetären Überversorgung der deutschen Wirtschaft und einem ebenfalls wechselkursbedingten marktwidrigen Gewinnboom in der Exportwirtschaft hat die Wirkungsweise des Selbststeuerungssystems, den Einfluss der Anpassungsfähigkeit des Marktsystems eingeschränkt. Der Ruf nach „sozialer Symmetrie“ ist Ausdruck eines Stilwandels der bis dahin praktizierten Lohnpolitik. Nun wurde es möglich, die Tarifautonomie für eine marktwidrige Umverteilung zu missbrauchen. Wirtschaftliche Erkrankungen, die bisher als selbstausheilend galten, wurden Gegenstand staatlicher Interventionen.

Dadurch wurden das präventive Anpassungspotenzial der Unternehmen und deren Überlebensfähigkeit in kritischen Beschäftigungslagen geschwächt. Es wurde schwieriger, konjunkturelle Schlaglöcher und strukturelle Richtungsänderungen der Wirtschaftsentwicklung aus dem eigenen Handlungs- und Anpassungsvermögen der Unternehmen heraus abzufedern und zu bewältigen. Erhard bemerkte dazu: „Wir schicken uns an, Fehler zu machen, die anderen Völkern zum Verhängnis geworden sind.“43Ludwig Erhard, Maßhalten (1962), in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 729–737, hier Seite 734. Seine weitere ordnungspolitische Saat fiel dem Hagel des vordringenden Interventionismus zum Opfer – mit einer zunehmenden Fesselung des Staates durch Wirtschafts- und Sozialverbände. Am meisten beklagte Erhard den ungezügelten pluralistisch-feudalistischen Machtkampf der Verbände und den Versuch, diesen als Ausdruck der Wahrnehmung demokratischer Rechte zu verharmlosen.

2. Von der Ordnungspolitik zum wirtschaftspolitischen Punktualismus

Der Wandel im Verständnis der Sozialen Marktwirtschaft äußerte sich seit Anfang, vor allem aber seit Mitte der 1960er Jahre, einerseits in einer Weiterentwicklung des Sozialstaats hin zum Wohlfahrtsstaat, in einem Verzicht auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die persönliche Vermögensbildung und auf den dringend erforderlichen Ausbau der Wettbewerbsordnung, andererseits in der Entscheidung für eine Politik der makro- und mikroökonomischen Steuerung durch staatlich-bürokratische Eingriffe. Gemessen an Erhards Ordnungsverständnis, das auf eine lange Sicht und die Bereitschaft zu freier und eigenverantwortlicher Bewältigung der Lebensrisiken ausgerichtet war, ist Karl Schillers Konzeption der „aufgeklärten Marktwirtschaft“ vom Denken in Interventionen geprägt, verbunden mit einer rasch fortschreitenden Präferenz für einen allgemeinen versorgungsstaatlichen „Zwangsschutz“, der nach Erhard der marktwirtschaftlichen Ordnung widerspricht.44Vgl. Ludwig Erhard, Selbstverantwortliche Vorsorge für die sozialen Lebensrisiken, 1956, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 461–465. Und aus dem Denken in abgegrenzten Bereichen mit dem Anspruch, die jeweiligen Handlungsfelder eigenständig zu gestalten,45Dazu gehört wohl auch die Gründung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit am 14. November 1961 – mit dem Anspruch, die Entwicklungspolitik als „eigenständiges politisches Handlungsfeld“ anzusehen. Direkt oder indirekt durfte die Gründung des Ministeriums auf Drängen der USA zurückgehen, mit dem Ziel, die vermeintliche Gefahr einer Spaltung der internationalen Gemeinschaft in Defizit- und Überschussländer zu vermeiden oder zu mildern, die freilich durch einen Federstrich, die Freigabe oder marktgerechte Anpassung der Wechselkurse im Bretton-Woods-System, ohne Fortsetzung der Interventionskette hätte behoben werden können. So mussten auf anderen Wegen die hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse „versorgt“ werden, hier durch Umwandlung in langfristige Kapitalexporte zugunsten der Dritten Welt. Bei einem Vorgehen dieser Art, die typisch für eine Betrachtung der Leistungsbilanz ohne den ursprünglichen Zusammenhang mit der Kapitalbilanz ist, wird übersehen, dass ein Überschussland in Höhe seiner Reserven und Forderungen bereits den Defizitländern Kredite eingeräumt hat. Dafür soll es nun noch einmal zur Kasse gebeten werden. Tatsächlich waren diese Palliativmittel vom Wunsch bestimmt, die herrschende Politik der Nichtaufwertung fortzusetzen. Erhard hat auf diesen eklatanten Widerspruch zu seinen währungs- und entwicklungspolitischen Vorstellungen teils zurückhaltend kritisch, teils duldend reagiert (siehe Ludwig Erhard, Gedanken zum Aufbau Afrikas, 21. Oktober 1960, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 641 f.). ist ein wirtschaftspolitischer Punktualismus entstanden.

Damit hat die Wirtschaftspolitik in Deutschland die übergeordnete Idee und eine eindeutige Haltung zur marktwirtschaftlichen Ordnung im Allgemeinen und zur Wirtschaftsverfassung des Wettbewerbs im Besonderen verloren. Der Verlust an kohäsivem Ordnungsdenken äußert sich in der Zunahme der Staatsausgabenquote und der immer weitergehenden Zuständigkeit des Staates für die Behandlung von wirtschaftlichen Beschwerden, die nach Erhards ordnungspolitischem Verständnis Gegenstand der Selbstheilung hätten sein können.

3. Versagen der „Freiburger“?

Es gibt die Meinung, die „Freiburger“ hätten Erhard in anmaßender Weise für sich vereinnahmt und ihn schließlich mit seiner Ordnungspolitik allein gelassen.46Vgl. Horst Friedrich Wünsche, Ludwig Erhards Soziale Marktwirtschaft. Wissenschaftliche Grundlagen und politische Fehldeutungen, Reinbek/München 2015, Seiten 59 ff. Doch habe das nicht geschadet. Erhard habe ja eine eigene Konzeption gehabt, sei nicht auf Wissenschaftler wie Walter Eucken, Franz Böhm, Wilhelm Röpke, Alfred Müller-Armack angewiesen gewesen. Ohnehin hätten Eucken und Müller-Armack Erhards politische Absichten nicht verstanden.

Wenn man sich die Texte Erhards genauer ansieht, darf weiterhin von einer großen Schnittmenge an gemeinsamen ordnungsökonomischen Überzeugungen ausgegangen werden – trotz aller Streitereien über Einzelfragen einer freien Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Wer sonst hat eindeutig die großen Verdienste Erhards anerkannt?47Zu nennen ist auch ein großer Kreis von ordnungspolitisch geschulten Journalisten des Rundfunks und der Printmedien, vor allem der NZZ und der FAZ. Vor allem die FAZ trat entschieden für ein hartes Kartellgesetz ein, unter Inkaufnahme eines existenzbedrohenden Anzeigenboykotts durch den BDI. Siehe Philip Plickert, Als die F.A.Z. der Hauptfeind des BDI war, FAZ, Nr. 258 vom 6. November 2015, Seite 17. Dabei wurde der grundsatztreue Erhard gegen den Erhard der unvermeidlichen politischen Konzessionen und die dahinter stehenden Wirtschaftsverbände und Politiker in Schutz genommen – so etwa 1953, als Franz Böhm meinte, in der Kartellrechtsfrage gehe ihm Erhards Kompromissbereitschaft gegenüber den Wirtschaftsverbänden zu weit, zumal die SPD ein härteres Verbotsgesetz unterstützt hatte. Wenn Erhard gegenüber protektionistischen und kollektivistischen Konzepten Konzessionen gemacht hat, dann hatte er dabei ein offen eingestandenes schlechtes Gewissen. Das gilt etwa für die Rentenreform von 1957, die durch ein Gemisch widersprüchlicher Ordnungsprinzipien und weiterer Geburtsfehler gekennzeichnet ist: Die Prinzipien der versicherungswirtschaftlichen Äquivalenz und der Selbstverwaltung wurden unter der Herrschaft der Politik mehr und mehr durch wohlfahrtsstaatliche Interventionen ausgehöhlt – aktuell bis hin zum Plan für eine Grundrente. Der Vollbeschäftigungsillusion der „Keynes‘schen Botschaft“ ist inzwischen die Versorgungsillusion des Generationenvertrags gefolgt. Wir haben es mit Lasten verfehlter Theorien zu tun, die Erhard frühzeitig in seiner scharfen Kritik des Wohlfahrtsstaates als Sozialisierung der Einkommensverwendung und Weg zum „sozialen Untertan“ benannt hat.48Ludwig Erhard, Selbstverantwortliche Vorsorge für die sozialen Lebensrisiken, 1956, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 465.

Erhard ist im Kern seines Wesens immer Wissenschaftler geblieben.49Vgl. Alfred Müller-Armack, Welt am Sonntag vom 30. Januar 1977. Als solcher wusste er, dass die ihm nahestehenden Wissenschaftler nicht der Meinung waren, ja nicht der Meinung sein durften, das als richtig Erkannte von vornherein aufweichen zu dürfen, sondern für dessen Durchsetzung kämpfen zu müssen. „Wenn vernünftige Vorschläge nur deshalb nicht gemacht werden, weil man die ihnen entgegenstehenden politischen Widerstände für unverrückbar gegeben und zu groß hält, werden die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten der Unvernunft unbekannt bleiben.“50Hans Willgerodt im Anschluss an Wilhelm Röpke (siehe ORDO, Band 50, 1999, Seite 67).

Und was meint Erhard selbst? Er hat immer wieder freimütig bekannt, „dass ohne Walter Eucken, Franz Böhm, Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow, F. A. von Hayek, Alfred Müller-Armack und viele andere, die mitdachten und mitstritten, mein eigener Beitrag […] zur Grundlegung unserer freiheitlichen, sozialverpflichteten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft […] kaum möglich gewesen wäre. In jenen anderthalb Jahrzehnten westdeutscher Nachkriegsentwicklung zwischen 1945 und 1959, in denen wir die Kampagnen mit den Planungsideologen erfolgreich ausgetragen haben, leiteten uns Überzeugungen, die nicht zuletzt in den Verlautbarungen dieser hervorragenden Gelehrten, in ihren Büchern, Reden und Kampfschriften beredten Ausdruck fanden.“51Ludwig Erhard, Franz Böhms Einfluss auf die Politik, in: Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung. Festschrift für Franz Böhm zum 80. Geburtstag, Heinz Sauermann und Ernst-Joachim Mestmäcker (Hrsg.), Tübingen 1975, Seiten 15–21, hier Seiten 15 f. „Ich käme mir geradezu verlogen vor, wenn ich behaupten wollte, dass die geistige Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft allein meinem Kopf entsprang.“52Ludwig Erhard, Erbe und Auftrag. Aussagen und Zeugnisse, Düsseldorf und Wien 1978, Seite 297.

In Erhards Kampf um die Bewahrung und Fortführung der marktwirtschaftlichen Politik waren „industrielle Kreise“ seit Anfang der 1950er Jahre bis in die 1960er Jahre hinein alles andere als zuverlässige Mitstreiter und Stützen. Im Gegenteil: Allein der verbandsmächtige Widerstand gegen rechtzeitige und hinreichende Aufwertungen der D-Mark zwischen 1956 und 1973 hatte eine Fülle von marktwidrigen Interventionen zur Folge.53Heute ist die europäische Wechselkurs- und Gläubigerfalle, in der sich (gemessen an den enormen Leistungsbilanzüberschüssen) Länder wie Deutschland befinden, geeignet, das marktwirtschaftliche Ordnungsbewusstsein durch ein interventionistisches Durcheinander fortschreitend zu verdunkeln – zumal seitens der deutschen Industrie wiederum, ähnlich wie zwischen den 1950er Jahren und 1973, versucht wird, das merkantilistische Privileg, das die deutsche Exportwirtschaft in Gestalt eines falschen Wechselkurses genießt, aus der Position des Elastizitätspessimismus zu legitimieren – unter Inkaufnahme von reichlich dotierten Unterstützungs- und Ausgleichsfonds. Pläne der Kommission für die Beseitigung der extremen Leistungsbilanzsalden in der Eurozone erinnern an den „Innereuropäischen Zahlungs- und Kompensationsplan“, der Ende der 1940er Jahre im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsrates (OEEC) entwickelt worden ist. Die zugrunde liegende planwirtschaftliche Konstruktion („geplanter Multilateralismus“, Fritz W. Meyer) wäre einem Dirigismus in höchster Perfektion auf internationaler Ebene gleichgekommen. Politisch einflussreiche Unternehmerverbände hatten zu Erhards Zeit vielfach wenig Sinn für die Anforderungen einer Wirtschaftsverfassung des Wettbewerbs. Teilweise distanzierten sie sich sogar mit dem Vorwurf des „interventionistisch-sozialistischen“ Einschlags dieser Lehre.54Franz Böhm, Freiburger Schule und Nationalsozialismus, FAZ vom 24. Mai 1955. Zur Absurdität der Beschuldigung der „Freiburger“ siehe Ernst-Joachim Mestmäcker, Über die Rolle der Politik in der Marktwirtschaft, ORDO, Band 29, 1978, Seiten 3–13, hier Seiten 4 und 5. Hinzu kamen an Keynes orientierte Ökonomen, die vielfach auch aus den Reihen der CDU und FDP kamen.

Auch von Adenauer fühlte sich Erhard bisweilen im Stich gelassen: erstmals in der Korea-Krise und dann in Fragen der D-Mark-Aufwertung. Besonders spektakulär war die sogenannte Gürzenich-Kontroverse, als Adenauer am 23. Mai 1956 in einer Rede vor der Mitgliederversammlung des traditionell zweckpessimistisch gestimmten BDI in der Festhalle des Kölner Gürzenich die stabilitätsorientierte Geldpolitik von Erhard, Schäffer und der Bundesbank in einer Weise kritisierte, „dass eine harmonische Zusammenarbeit mit Adenauer kaum noch vorstellbar war“.55Gerhard Stoltenberg, Wendepunkte. Stationen deutscher Politik 1947 bis 1990, Berlin 1997, Seite 101.

XI. Ordnungspolitik – Ideologie ohne empirischen Gehalt?

Nachdrücklich verwahrte sich Erhard gegen den Vorwurf, der auch gegenüber Röpke erhoben worden ist, das Denken in Ordnungen entbehre der wissenschaftlichen Basis.56Vgl. Ludwig Erhard, Wilhelm Röpke zum Gedächtnis. Rede vor der Universität Marburg, 17. Juni 1967, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 1026 ff. Es sei doktrinär und versuche, mit ausschließlich ideologisch-normativen Botschaften zu missionieren. Werturteile hätten in der Wissenschaft nichts zu suchen.

Tatsächlich beruht Erhards Ordnungspolitik zum einen auf historisch und theoretisch gestutzten Einsichten in die Sach- und Funktionslogik alternativer Wirtschaftsordnungen. Zum anderen geht es darum, nach Rahmenbedingungen des Wirtschaftens zu suchen, die dem Menschen gemäß sind. Dies beruht auf einer Wertung, die es verdient, zum Gegenstand der Forschung gemacht zu werden. Aus leidvollen Erfahrungen stellt Erhard fest: „Ich möchte […] jenes historische und praktizierte Beispiel einer mittel- und langfristigen Planung (kennen), das jemals funktioniert hätte.“57Ludwig Erhard, Planification – kein Modell für Europa, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 770. Deshalb folgerte er mit starker Überzeugungskraft, man könne von einem Wirtschaftsminister nicht verlangen, absichtlich schlechte Wirtschaftspolitik zu betreiben und damit die Menschen auch moralisch in Versuchung zu führen. Auch könne mit einer schlechten Ordnungspolitik keine erfolgreiche Politik, kein Staat gemacht und erst recht kein internationales Vertrauen (zurück) gewonnen werden. Die wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Beeinträchtigungen, die etwa mit dem Preis- und Bewirtschaftungsdirigismus in Deutschland bis 1948 tagtäglich mit Händen zu greifen waren, lassen auf eine auch sozialethisch begründete Überlegenheit von Wettbewerbspreisen58Siehe hierzu grundlegend Joseph Kardinal Höffner, Wirtschaftsethik und Monopole im 15. und 16. Jahrhundert, 2. Auflage, Darmstadt 1969. und auf die Aufgabe schließen, die Menschen vor politisch-bürokratischen Ersatzverfahren der Koordination zu bewahren, aber auch vor Unternehmen und Verbänden, die versuchen, zu einem wettbewerbsfeindlichen laissez faire zurückzukehren und daraus Vorteile zulasten Dritter zu ziehen.59Vgl. Ludwig Erhard, Was uns trennte, was uns einte. Zu Konrad Adenauers 100. Geburtstag, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 1053–1059. Franz Böhm, Freiburger Schule und Nationalsozialismus, FAZ vom 24. Mai 1955. Zur Absurdität dieses Vorwurfs siehe Ernst-Joachim Mestmäcker, Über die Rolle der Politik in der Marktwirtschaft, ORDO, Band 29, 1978, Seiten 3–13, hier Seiten 4 und 5.

Freilich dachte Erhard dabei an eine der jeweiligen Ausgangslage angepasste Ordnungspolitik mit dem Ergebnis einer Vielzahl internationaler sozialer Marktwirtschaften. Damit ist schon deshalb zu rechnen, weil besonders nach Umbrüchen mit der praktischen Aufgabe, eine Wirtschaftsordnung zu transformieren, zweckmäßigerweise zwischen dem theoretisch richtig erkannten „Prinzip“ und dem politischen Handeln in Abhängigkeit vom historischen „Moment“ zu unterscheiden ist. Erhard war in der Beachtung dieses Klugheitsgedankens von Walter Eucken ein wahrer Meister, ohne die unverzichtbaren Voraussetzungen einer Sozialen Marktwirtschaft aus den Augen zu verlieren: Rechtsstaat, stabiler Geldwert, Vertragsfreiheit, Wettbewerb, Privateigentum, Haftung, systemkonforme Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Sozialpolitik.

Für Erhard versteht sich von selbst, dass es im Zusammenhang mit diesen grundlegenden Gesetzen, Institutionen und Organisationen ständiger Begründungen und Anpassungen bedarf – allein schon wegen des Wandels der wirtschaftlichen Knappheitsverhältnisse in einer ständig weiter greifenden Umwelt, in der sich das Wirtschaftsleben vollzieht und die im Rahmen der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft strengere nationale und internationale Normen erfordert.60Siehe Ludwig Erhard, Wirtschaftspolitik als Teil der Gesellschaftspolitik, Rede vor dem 9. Bundesparteitag der CDU, Karlsruhe 1960, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 607 ff. Diese Prinzipien ermöglichen es,61Siehe hierzu grundlegend und kontrovers Lothar Wegehenkel (Hrsg.), Marktwirtschaft und Umwelt, Tübingen 1981. den unternehmerischen Erfindungsgeist in einem offenen wettbewerblichen Handelssystem herauszufordern und unbewusst dafür zu belohnen, den Schutz knapper Umweltgüter vergleichsweise systematisch und flexibel in den marktwirtschaftlichen Rechnungszusammenhang einzubeziehen. Es ist deshalb aus der Sicht von Erhards Ordnungspolitik das beste Verfahren, um freies unternehmerisches Handeln und Umweltschutz vergleichsweise kostengünstig und knappheitsgerecht in Einklang zu bringen.

Zum Vorurteil gegen Erhards Ordnungspolitik gehört die Meinung, er würde wie die „Freiburger“ auf den starken Staat setzen, ähnlich wie die Kameralisten und Merkantilisten in ihrer Zeit. Ihnen ging es bekanntlich aber um die Füllung der fürstlichen Schatzkammer, also um den Wohlstand der Obrigkeiten. Sie beanspruchten einen großen Spielraum für willkürliche Staatseingriffe und Institutionen mit geringem Freiheitsgehalt der Menschen. Ausdruck hierfür sind die monetären, budgetären, handels- und wachstumspolitischen Instrumente des Merkantilsystems. Diese lassen sich in vielen Varianten seit Bismarcks Politik des Staatsinterventionismus auch mit dem heutigen Denken in Interventionen in Verbindung bringen.

Erhards ordnungspolitisches Staatsverständnis war dagegen darauf gerichtet, die Möglichkeiten der politisch-bürokratischen Beeinflussung des konkreten Wirtschaftsgeschehens von Willkür und menschlicher Entmündigung freizuhalten, umso mehr für die Aufrechterhaltung der Freiheit durch Ordnung zu sorgen – im Rahmen einer Zivilrechtsgesellschaft mit hohem Freiheitsgehalt und günstigen Wohlstandsperspektiven für alle.

Das Nachdenken über den Freiheitsgehalt und die Wohlstandsaussichten einer Politik, die sich in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion auch der tieferliegenden Ursachen von Fehlentwicklungen und Möglichkeiten bewusst wird, um auf diese ordnungspolitisch zu reagieren, steht freilich in Konkurrenz zu einer weniger mühsamen und langwierigen Praxis der „von oben“ in Aussicht gestellten schnellen Erfolge einer geld- und fiskalpolitischen Praxis, von der viele meinen, schon gute Motive, energisches Wollen und das Votum parlamentarischer Mehrheiten garantierten eine „gute“ Politik.

XII. Ordnungspolitik, Demokratie und Publizistik

Erhard räumte ein, dass die Reformen von 1948 auch deshalb so erfolgreich waren, weil es „nur“ eines Beschlusses bedurfte und nicht einer parlamentarischen Mehrheitsentscheidung. Die gesetzliche Grundlage der Prinzipien der Preisfreigabe hatte 1949 mit einfacher Mehrheit im Parlament aufgehoben werden können. Seine politischen Gegner haben damit ständig gedroht, wenn es etwa um den Schutz der Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank vor politischer Einmischung ging. Bei seinem ordnungspolitischen Handeln hat er bei allem, was er unternommen hat, die politischen Gegner nicht vorsorglich mit Kompromissangeboten einzubeziehen versucht.

Um nicht selbst dem Ordnungsdualismus zu verfallen und den Erfolg des elastizitätsoptimistischen Weges zu gefährden, hat Erhard die Fallstricke vorschneller Konsenslösungen gemieden. Umso mehr lag ihm daran, die Bürger unmittelbar ins Spiel zu bringen, ja diese zu seinen Verbündeten zu machen. Wenn Erhard mit seiner Wettbewerbspolitik letztlich das Ziel verfolgte, die Menschen aus den Fängen des Staates sowie privater und gesellschaftlicher Mächte mit illegitimen Monopolansprüchen und einem freiheitswidrigen Sicherheitsversprechen zu befreien, dann ging es ihm darum, den Freiheitsgedanken für die Menschen ganz konkret in Verbindung mit einer elastizitätsoptimistischen Haltung erlebbar zu machen.

Die erlahmende Selbstheilungskraft des Marktsystems, die dringende Reformbedürftigkeit des Währungssystems, der Sozialsysteme, des Staatskredits, der Banken und Finanzmärkte kann als Begleiterscheinungen eines vom „Sicherheitsstreben diktierten Zweckpessimismus“ in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik angesehen werden. Wird nicht erkannt, dass der wohlfahrtsstaatliche Interventionismus die Leistungsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft beeinträchtigt und schwächt und wird dies dem Marktsystem als Versagen angelastet, steigt die Neigung, unter dem Druck enttäuschter Erwartungen die Interventionsintensität zu verstärken. Wenn die Menschen mehrheitlich in wirtschaftlichen und sozialen Fragen einer elastizitätspessimistischen Grundhaltung zuneigen und freiwillig dem Weg der Unmündigkeit folgen, dann erscheint das aus der Perspektive von Erhards Konzept höchst unbefriedigend.

Was bleibt also zu tun?

  • Nach James Buchanan bleibt die Möglichkeit, auf das Potenzial von Ideen zu setzen, Realist zu sein und zu hoffen, dass die Ansammlung von unerfreulichen und nicht kompensierbaren Ergebnissen des Interventionismus (einschließlich der Kosten des Ausweichens in die Schattenwirtschaft) dem Liberalen in die Hände arbeitet.62Siehe James M. Buchanan, Why I, too, am not a Conservative: the normative vision of classical liberalism, Cheltenham 2005. Das kommt der Auffassung der Österreichischen Schule nahe, nach der es in der Wissenschaft nur ein sicheres Mittel für den endgültigen Sieg einer Idee gibt: dass man jede gegnerische Richtung sich vollständig ausleben lässt, so Carl Menger. Und Ludwig von Mises meinte, das Wahre werde sich schon durch seinen eigenen Gehalt durchsetzen.
  • Erhard würde auch heute die Ordnungsaufgabe nicht dem Zufall überlassen. Er würde nicht allein auf die sich selbst durchsetzende Kraft wissenschaftlicher Argumente in der Öffentlichkeit vertrauen. Auch würde er die ordnungspolitische Gestaltung nicht dem Belieben und Gutdünken gesellschaftlicher und politischer Kräfte überlassen und damit die Wirtschaft zu einem „Übungsplatz für Dilettanten“63Ludwig Erhard, Die Wirtschaft ist kein Übungsplatz für Dilettanten, 1960, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 603–606. machen. Er würde versuchen, problematischen Entwicklungen als Teil einer Gesamtordnung auf den Grund zu gehen und die Zustimmung und Mithilfe breiter Bevölkerungsschichten für jene Lösungen zu bekommen, die allen nachhaltig zu einem besseren Leben verhelfen können. Als Politiker würde er nicht zu Kompromissen neigen, die einem Ordnungsdualismus den Boden bereiten, aus dem sich der Elastizitätspessimismus nährt.
  • Wie können die Bürger wieder nachhaltig zur bestimmenden Kraft einer Politik gemacht werden, die ihren wohlverstandenen eigenen Interessen und Bedürfnissen dient? Bei dieser staatsbürgerlich-pädagogischen Aufgabe geht es darum, die Urteilskraft der Menschen zu stärken und ihre Fähigkeit zu verbessern, die Vor- und Nachteile elastizitätsoptimistischer bzw. -pessimistischer Lösungen abwägen und dem Wettbewerb der hohlen Wahlversprechen widerstehen zu können. Franz Böhm hat diesem Gedanken am 30. Oktober 1969 in einem Brief an Ernst-Joachim Mestmäcker lebhaften Ausdruck verliehen: Der Verteidigung von Rechtsstaat und Marktwirtschaft erwachsen Gefahren durch die große Versuchung, parlamentarische Mehrheiten durch Wahlgeschenke zu gewinnen. Deshalb würden sich Demokratie und Ordnungspolitik nicht ausschließen, doch „ohne die Einsicht der Bürger in ihre Strukturprinzipien auf Dauer nicht lebensfähig sein“.64Ernst-Joachim Mestmäcker, Über die Rolle der Politik in der Marktwirtschaft. Dargestellt anhand eines unveröffentlichten Briefes von Franz Böhm, ORDO, Band 29, 1978, Seiten 3–13, hier Seiten 7 ff. Dass es unter ungünstigsten Bedingungen notwendig und möglich war, diesen Gedanken mit Leben zu erfüllen und damit die Zustimmung der Wähler zu erreichen, war ein Glücksfall für unser Land und die Welt.

Freilich ist daran zu denken, dass Erhard 1948 bei seiner Transformationspolitik weder von politischen Apparaten noch vom Wählerstimmenmarkt unmittelbar abhängig war. Ihm zur Seite standen starke, mit dem Freiburger Denken vertraute publizistische Kommentatoren und weithin sichtbare Multiplikatoren in den führenden Printmedien,65Siehe hierzu Willy Linder, Liberale Wirtschaftspresse und Ordnungspolitik. Ist die Transformation tatsächlich ohne historische Vorbilder? Deutsche Lehren und Erfahrungen zwischen 1948 und 1957, NZZ, Nr. 253 vom 1. November 1993, Seite 31. in den Rundfunk- und auch in den Fernsehanstalten. So fand Erhards Ordnungspolitik ein breites Echo in der Öffentlichkeit. Es stärkte die Erkenntnis, dass Umbrüche, Transformationsaufgaben und Krisen nur dann zu Sternstunden des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts werden können, wenn auf sie aus einer elastizitätsoptimistischen Perspektive heraus mit einer glaubwürdigen marktwirtschaftlichen Ordnungspolitik reagiert wird.

Heute verfügen die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland im Wettbewerb mit privaten Anbietern und Printmedien über einen politisch gewollten, höchstrichterlich garantierten Sonderstatus – mit dem Recht, den Grundversorgungsauftrag in einer kaum zu überbietenden Weise missbräuchlich als Mandat für ein Vollversorgungsrecht auszulegen. Im Hinblick auf die damit verbundenen Privilegien ist der Medienbereich durch einen tiefgreifenden Ordnungsdualismus gekennzeichnet. Die „Öffentlich-Rechtlichen“ können sich bei der Gestaltung und Finanzierung der Programme und Ausgaben auf ein komfortables Finanzierungsdenken stützen – mit garantierten Zwangsgebühren, wohlfeilen Werbeeinnahmen und einem umfassenden Bestands- und Entwicklungsschutz.

Die privatwirtschaftlichen Fernsehanstalten, Verlags- und Zeitungshäuser sind dadurch in ihrer Finanzierungskraft erheblich eingeschränkt und jederzeit der Konkursgefahr ausgesetzt. Der freie, unabhängige und verantwortungsbewusste Journalismus ist bedroht, jedenfalls der Versuchung ausgesetzt, billige Zugeständnisse an den Massengeschmack zu machen und sich ohne unbequeme ordnungspolitische Orientierung in den Dienst der Auflage zu stellen, etwa nach dem Motto: Wenn die Bevölkerung – von den Massenmedien angetrieben – meint, der Staat müsse maßlos von Einzelfall zu Einzelfall ins Wirtschaftsgeschehen eingreifen, alles richten, egalisieren und finanzieren, befassen sich auch die Printmedien aus einer Position der entschiedenen Unentschiedenheit mit dem, was die Bürger wollen, ohne schreibend gegen die Folgen des Verfalls des ordnungspolitischen Denkens anzugehen.

In den Privilegien der öffentlich-rechtlichen Anbieter spiegelt sich ein hochgradiger paternalistisch-versorgungsstaatlicher Interventionismus wider. Dieser zeugt von einem strukturellen, elastizitätspessimistischen Misstrauen in die Mündigkeit der Bürger. Dabei beruhen die grundgesetzlich gewährleistete Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film (Artikel 5, Abs. 1 GG) auf einem „gleichrangigen“ und „symmetrischen“ Anspruch. In der Logik des ordnungspolitischen Denkens Ludwig Erhards wäre es naheliegend, die bestehende privatwirtschaftliche Ordnung des Zeitungsmarktes als Orientierungsnorm für eine Neuordnung des Fernsehens und des Rundfunks heranzuziehen.66Siehe Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung, Berlin 2014, 40 Seiten.

Der Autor dankt Dr. Paul Jansen für wertvolle Anregungen und Hinweise.

Der vorliegende Beitrag beruht auf einem Referat von Prof. Dr. Alfred Schüller beim gemeinsamen Kolloquium der Ludwig-Erhard-Stiftung und Konrad-Adenauer-Stiftung am 25. Juli 2017 in Berlin. Der Text ist erstmals erschienen in: Christian Müller, Elmar Nass und Johannes Zabel (Hrsg.), „Soziale Marktwirtschaft – Ordnung der Zukunft“, Veröffentlichungen der Joseph-Höffner-Gesellschaft, Band 9, Aschendorff Verlag, 2020, Seiten 41 ff.

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, herausgegeben von der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn, ISSN 2366-021X

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Fussnoten

  • 1
    Vgl. Ludwig Erhard, Freiheit und Verantwortung. Ansprache vor dem Evangelischen Arbeitskreis der CDU, 2. Juni 1961, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 676–683, hier Seite 680. Ludwig Erhard, Die Alliierten waren dagegen, Die Welt vom 20. Juni 1973.
  • 2
    So bestritt Andreas Predöhl (Außenwirtschaft, Weltwirtschaft, Handelspolitik und Währungspolitik, Göttingen 1949, Seite 185) die Vorstellung, „das freie Spiel der Kräfte (könne) je wieder das regulative Prinzip der Wirtschaft werden“. Dies sei keine Frage des politischen, sondern des wissenschaftlichen Urteils.
  • 3
    Es wird Erhard nicht entgangen sein, was im Vorwort zur deutschen Ausgabe der „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ (Berlin 1936) steht: „Die Theorie der Produktion als Ganzes, die den Zweck des folgenden Buches bildet, (kann) viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepasst werden als die Theorie der Erzeugung und Verteilung einer gegebenen, unter Bedingungen des freien Wettbewerbs und eines großen Maßes von ‚laissez faire‘ erstellten Produktion. Das ist einer der Gründe, die es rechtfertigen, dass ich meine Theorie eine allgemeine Theorie nenne.“
  • 4
    Siehe Alfred Schüller, Soziale Marktwirtschaft und Dritte Wege, ORDO, Band 51, 2000, Seiten 169–202.
  • 5
    Siehe Walter Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1950, Seiten 60 ff.
  • 6
    Diese Bezeichnung findet sich in Ludwig Erhards Denkschrift zur Frage der Nachkriegswirtschaftsordnung aus dem Jahr 1943/44, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 48–52.
  • 7
    Vgl. Alfred Schüller, Soziale Marktwirtschaft als ordnungspolitische Baustelle. Die Verbindung von „Freiburger Imperativ“ und „Keynesianischer Botschaft“ – ein nationalökonomischer Irrweg, ORDO, Band 56, 2005, Seiten 61–75.
  • 8
    Siehe Hans Willgerodt, Thesen zum „demokratischen Sozialismus“, in: Anton Rauscher (Hrsg.), Selbstinteresse und Gemeinwohl. Beiträge zur Ordnung der Wirtschaftsgesellschaft, Soziale Orientierung. Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission bei der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach, Band 5, Berlin 1985, Seiten 229–277.
  • 9
    Gottfried von Haberler, The Market for Foreign Exchange and the Stability of the Balance of Payments. A Theoretical Analysis, Kyklos, Volume III, April 1949, Seiten 193–218.
  • 10
    Fritz Machlup, Elasticity Pessimism in International Trade, Economia Internazionale, Volume III, 1950, Seiten 122 ff.
  • 11
    Vgl. Wolfgang Albert, Die anomale Reaktion der Zahlungsbilanz, ORDO, Band XI, 1959, Seiten 295–334.
  • 12
    Siehe Alfred Schüller, Das Menschenbild der christlichen Kirchen aus ordnungsökonomischer Sicht, in: Reinhold Biskup und Rolf Hasse (Hrsg.), Das Menschenbild in Wirtschaft und Gesellschaft, Bern/Stuttgart/Wien 2000, Seiten 79–133.
  • 13
    Siehe Fritz W. Meyer, Elastizitätspessimismus. Die Krankheit in unserer Wirtschaft und Wirtschaftspolitik, Wirtschaftspolitische Chronik, Heft 1, 1959, Seiten 7–18.
  • 14
    Ludwig Erhard, Selbstverantwortliche Vorsorge für die sozialen Lebensrisiken, 1956, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 461–465, hier Seite 462. Ludwig Erhard, Der Arbeit einen Sinn geben, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 490–506.
  • 15
    Ludwig Erhard, Europäische Einigung durch funktionale Integration, Paris, 7. Dezember 1954, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 423.
  • 16
    Vgl. Ludwig Erhard, Europäische Einigung durch funktionale Integration, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 417–424.
  • 17
    Kritisch zu dieser Position, wie sie in der SPD von dem einflussreichen Herbert Wehner vertreten wurde, siehe Franz Böhm, Zweierlei Wirtschaftsordnung im wiedervereinigten Deutschland, FAZ vom 6. September 1958, Seite 5. Zu Erhard und die Frage der Wiedervereinigung siehe Kapitel III, 3.
  • 18
    Vgl. Ludwig Erhard, Planification – kein Modell für Europa. Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, 20. November 1962, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 770–780.
  • 19
    Siehe Wernhard Möschel, Einflüsse der europäischen auf die deutsche Wirtschaftsordnung, Jena 1998, Seiten 4 ff.
  • 20
    Ludwig Erhard, Planification – Kein Modell für Europa, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 779. Verantwortung für das ganze Deutschland (14. September 1976), in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 1071.
  • 21
    Zum absurden Versuch, im Rahmen dieses Systems Maßnahmen zu ergreifen, die auf den Gedankengängen der Keynes-Schule beruhen, siehe Alfred Schüller, Die Verschuldungskrise Polens als Ordnungsproblem, ORDO, Band 33, 1982, Seite 338.
  • 22
    Ludwig Erhard, Das Weltwirtschaftssystem muss dringend neu geordnet werden, Die Welt vom 3./4. März 1973.
  • 23
    So Helmut Kohl, Erinnerungen. 1990–1994, München 2007, Seite 87.
  • 24
    Vgl. Ludwig Erhard, Wirtschaftliche Probleme der Wiedervereinigung. Wiederabdruck aus dem Bulletin der Bundesregierung vom 12. September 1953.
  • 25
    Siehe Michael Novak, Die katholische Ethik und der Geist des Kapitalismus, Trier 1996.
  • 26
    Siehe hierzu die Argumente, die Ludwig Erhard 1962 in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament zu der Feststellung veranlasst haben: „Wir brauchen kein Planungsprogramm, wir brauchen ein Ordnungsprogramm für Europa“, Ludwig Erhard, Planification – wir brauchen kein Planungsprogramm, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 770–780.
  • 27
    Vgl. Ludwig Erhard, Deutsche Mark frei konvertierbar, Rundfunkansprache 28. Dezember 1958, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 569. Freilich wäre eine einheitsstaatliche politische Union, was immer damit gemeint sein mag, keine hinreichende Garantie für einen Euro, der sowohl der Binnen- als auch der Außenintegration der EU hätte förderlich sein können. Dazu bedarf es einer einheitlichen stabilitätsorientierten Grundhaltung mit dem Primat der Währungspolitik vor der Fiskalpolitik.
  • 28
    Siehe Helmut Kohl, Erfolgsgeschichte der D-Mark mündet ein in Erfolgsgeschichte des Euro, Deutsche Bundesbank, Festakt „Fünfzig Jahre Deutsche Mark“, Frankfurt am Main, Juni 1998, Seiten 19–34.
  • 29
    Das Bündnis zwischen Adenauer und Erhard wird auf dessen berühmte Rede vor dem 2. Parteikongress der CDU „Marktwirtschaft im Streit der Meinungen“ vom 28. August 1948 (in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 134 ff.) zurückgeführt. Es hat nach Gerhard Stoltenberg in den folgenden zehn Jahren „die politische Entwicklung Deutschlands maßgeblich“ geprägt, nachdem Adenauer am 25. Februar 1949 mit einer für ihn geradezu überschwänglichen Würdigung reagiert hatte. Diese kommt einem politischen Ritterschlag gleich. Adenauer empfand Erhards Vortrag „so klar und lichtvoll und hat namentlich die grundlegenden Wahrheiten so deutlich und überzeugend in Erscheinung treten lassen, dass ich glaube – es mag der eine oder andere von uns in diesem oder jenem Punkt etwas anderer Ansicht sein –, im Prinzip werden wir alle dem beipflichten müssen. Er hat in seiner Rede das Geheimnis jedes Erfolges wirken lassen, die Dinge zurückzuführen auf möglichst einfache und klare Begriffe“ (Siehe Gerhard Stoltenberg, Wendepunkte. Stationen deutscher Politik 1947 bis 1990, Berlin 1997, Seite 20).
  • 30
    Erhard hatte bedacht, dass die Breitenwirkung des wirtschaftlichen Wettbewerbs nicht aus sich selbst heraus entsteht, vielmehr den Abbau nationalstaatlicher Regulierungen (mit einer Vielzahl von wettbewerblichen Ausnahmebereichen), eine aktive staatliche Wettbewerbspolitik und die Liberalisierung des Handelsverkehrs, ganz besonders aber des Kapitalverkehrs auf der Grundlage einer zunehmenden Zahl von prinzipiell konvertiblen Währungen voraussetzt.
  • 31
    Den Hinweis verdanke ich Christian Watrin.
  • 32
    Ludwig Erhard, Generalstreik zur Rettung eines unhaltbaren Dogmas. Rundfunkansprache vom 11. November 1948, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 162–165.
  • 33
    Ludwig Erhard, Zum amerikanischen Lohn- und Preisstopp, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 274.
  • 34
    Dies galt nicht nur für die Grundstoffindustrien (Kohle, Eisen und Stahl), sondern für viele spätere Bereichsausnahmen vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – vorgeblich zum Schutz der Verbraucher, tatsächlich zum Schutz der Produzenten vor Konkurrenz.
  • 35
    Siehe etwa die Rede Erhards vor dem Deutschen Bundestag vom 14. März 1951 „Im Schatten des Korea-Konfliktes“, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 278 ff.
  • 36
    Nach Razeen Sally überragt die autonome (unilaterale) Liberalisierung die anderen Formen um ein Mehrfaches. Vgl. Razeen Sally, Trade Policy, New Century. The WTO, FTAs and Asia Rising, London 2008, Seite 151.
  • 37
    Das Ergebnis war ein gemischtes Preissystem: Der Anteil der Branchen am Bruttoinlandsprodukt mit freien Preisen wird auf 63 Prozent, der mit gebundenen Preisen auf 29 Prozent geschätzt. 8 Prozent waren Staatsanteil. Siehe die Nachweise bei Hans Willgerodt, Westdeutschland auf dem Wege zu „richtigen“ Preisen nach der Reform von 1948, in: Hans-Jürgen Wagener (Hrsg.), Anpassung durch Wandel: Revolution und Transformation von Wirtschaftssystemen, Berlin 1991, Seiten 175–208.
  • 38
    Ludwig Erhard, Die geistigen Grundlagen gesunden Außenhandels, 1953, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 339–342, hier Seite 340.
  • 39
    Vgl. Alfred Schüller, Das Eurosystem zwischen realwirtschaftlicher Anpassung und kollektiver Finanzierung, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Heft 133 (3) 2012, Seiten 21–29.
  • 40
    Vgl. Ludwig Erhard, Deutsche Mark frei konvertierbar, 1958, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 569.
  • 41
    In den Westzonen ist die Bevölkerung nach 1945 von 39,3 auf über 50 Millionen angestiegen, und zwar ausschließlich durch Zuwanderung von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen aus den abgetrennten Ostgebieten, von Volksdeutschen und Zonenflüchtlingen.
  • 42
    Siehe Andreas Kossert, Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945, 4. Auflage, München 2009.
  • 43
    Ludwig Erhard, Maßhalten (1962), in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 729–737, hier Seite 734.
  • 44
    Vgl. Ludwig Erhard, Selbstverantwortliche Vorsorge für die sozialen Lebensrisiken, 1956, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 461–465.
  • 45
    Dazu gehört wohl auch die Gründung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit am 14. November 1961 – mit dem Anspruch, die Entwicklungspolitik als „eigenständiges politisches Handlungsfeld“ anzusehen. Direkt oder indirekt durfte die Gründung des Ministeriums auf Drängen der USA zurückgehen, mit dem Ziel, die vermeintliche Gefahr einer Spaltung der internationalen Gemeinschaft in Defizit- und Überschussländer zu vermeiden oder zu mildern, die freilich durch einen Federstrich, die Freigabe oder marktgerechte Anpassung der Wechselkurse im Bretton-Woods-System, ohne Fortsetzung der Interventionskette hätte behoben werden können. So mussten auf anderen Wegen die hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse „versorgt“ werden, hier durch Umwandlung in langfristige Kapitalexporte zugunsten der Dritten Welt. Bei einem Vorgehen dieser Art, die typisch für eine Betrachtung der Leistungsbilanz ohne den ursprünglichen Zusammenhang mit der Kapitalbilanz ist, wird übersehen, dass ein Überschussland in Höhe seiner Reserven und Forderungen bereits den Defizitländern Kredite eingeräumt hat. Dafür soll es nun noch einmal zur Kasse gebeten werden. Tatsächlich waren diese Palliativmittel vom Wunsch bestimmt, die herrschende Politik der Nichtaufwertung fortzusetzen. Erhard hat auf diesen eklatanten Widerspruch zu seinen währungs- und entwicklungspolitischen Vorstellungen teils zurückhaltend kritisch, teils duldend reagiert (siehe Ludwig Erhard, Gedanken zum Aufbau Afrikas, 21. Oktober 1960, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 641 f.).
  • 46
    Vgl. Horst Friedrich Wünsche, Ludwig Erhards Soziale Marktwirtschaft. Wissenschaftliche Grundlagen und politische Fehldeutungen, Reinbek/München 2015, Seiten 59 ff.
  • 47
    Zu nennen ist auch ein großer Kreis von ordnungspolitisch geschulten Journalisten des Rundfunks und der Printmedien, vor allem der NZZ und der FAZ. Vor allem die FAZ trat entschieden für ein hartes Kartellgesetz ein, unter Inkaufnahme eines existenzbedrohenden Anzeigenboykotts durch den BDI. Siehe Philip Plickert, Als die F.A.Z. der Hauptfeind des BDI war, FAZ, Nr. 258 vom 6. November 2015, Seite 17.
  • 48
    Ludwig Erhard, Selbstverantwortliche Vorsorge für die sozialen Lebensrisiken, 1956, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 465.
  • 49
    Vgl. Alfred Müller-Armack, Welt am Sonntag vom 30. Januar 1977.
  • 50
    Hans Willgerodt im Anschluss an Wilhelm Röpke (siehe ORDO, Band 50, 1999, Seite 67).
  • 51
    Ludwig Erhard, Franz Böhms Einfluss auf die Politik, in: Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung. Festschrift für Franz Böhm zum 80. Geburtstag, Heinz Sauermann und Ernst-Joachim Mestmäcker (Hrsg.), Tübingen 1975, Seiten 15–21, hier Seiten 15 f.
  • 52
    Ludwig Erhard, Erbe und Auftrag. Aussagen und Zeugnisse, Düsseldorf und Wien 1978, Seite 297.
  • 53
    Heute ist die europäische Wechselkurs- und Gläubigerfalle, in der sich (gemessen an den enormen Leistungsbilanzüberschüssen) Länder wie Deutschland befinden, geeignet, das marktwirtschaftliche Ordnungsbewusstsein durch ein interventionistisches Durcheinander fortschreitend zu verdunkeln – zumal seitens der deutschen Industrie wiederum, ähnlich wie zwischen den 1950er Jahren und 1973, versucht wird, das merkantilistische Privileg, das die deutsche Exportwirtschaft in Gestalt eines falschen Wechselkurses genießt, aus der Position des Elastizitätspessimismus zu legitimieren – unter Inkaufnahme von reichlich dotierten Unterstützungs- und Ausgleichsfonds. Pläne der Kommission für die Beseitigung der extremen Leistungsbilanzsalden in der Eurozone erinnern an den „Innereuropäischen Zahlungs- und Kompensationsplan“, der Ende der 1940er Jahre im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsrates (OEEC) entwickelt worden ist. Die zugrunde liegende planwirtschaftliche Konstruktion („geplanter Multilateralismus“, Fritz W. Meyer) wäre einem Dirigismus in höchster Perfektion auf internationaler Ebene gleichgekommen.
  • 54
    Franz Böhm, Freiburger Schule und Nationalsozialismus, FAZ vom 24. Mai 1955. Zur Absurdität der Beschuldigung der „Freiburger“ siehe Ernst-Joachim Mestmäcker, Über die Rolle der Politik in der Marktwirtschaft, ORDO, Band 29, 1978, Seiten 3–13, hier Seiten 4 und 5.
  • 55
    Gerhard Stoltenberg, Wendepunkte. Stationen deutscher Politik 1947 bis 1990, Berlin 1997, Seite 101.
  • 56
    Vgl. Ludwig Erhard, Wilhelm Röpke zum Gedächtnis. Rede vor der Universität Marburg, 17. Juni 1967, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 1026 ff.
  • 57
    Ludwig Erhard, Planification – kein Modell für Europa, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 770.
  • 58
    Siehe hierzu grundlegend Joseph Kardinal Höffner, Wirtschaftsethik und Monopole im 15. und 16. Jahrhundert, 2. Auflage, Darmstadt 1969.
  • 59
    Vgl. Ludwig Erhard, Was uns trennte, was uns einte. Zu Konrad Adenauers 100. Geburtstag, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 1053–1059. Franz Böhm, Freiburger Schule und Nationalsozialismus, FAZ vom 24. Mai 1955. Zur Absurdität dieses Vorwurfs siehe Ernst-Joachim Mestmäcker, Über die Rolle der Politik in der Marktwirtschaft, ORDO, Band 29, 1978, Seiten 3–13, hier Seiten 4 und 5.
  • 60
    Siehe Ludwig Erhard, Wirtschaftspolitik als Teil der Gesellschaftspolitik, Rede vor dem 9. Bundesparteitag der CDU, Karlsruhe 1960, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 607 ff.
  • 61
    Siehe hierzu grundlegend und kontrovers Lothar Wegehenkel (Hrsg.), Marktwirtschaft und Umwelt, Tübingen 1981.
  • 62
    Siehe James M. Buchanan, Why I, too, am not a Conservative: the normative vision of classical liberalism, Cheltenham 2005.
  • 63
    Ludwig Erhard, Die Wirtschaft ist kein Übungsplatz für Dilettanten, 1960, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 603–606.
  • 64
    Ernst-Joachim Mestmäcker, Über die Rolle der Politik in der Marktwirtschaft. Dargestellt anhand eines unveröffentlichten Briefes von Franz Böhm, ORDO, Band 29, 1978, Seiten 3–13, hier Seiten 7 ff.
  • 65
    Siehe hierzu Willy Linder, Liberale Wirtschaftspresse und Ordnungspolitik. Ist die Transformation tatsächlich ohne historische Vorbilder? Deutsche Lehren und Erfahrungen zwischen 1948 und 1957, NZZ, Nr. 253 vom 1. November 1993, Seite 31.
  • 66
    Siehe Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung, Berlin 2014, 40 Seiten.
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Fussnoten

  • 1
    Vgl. Ludwig Erhard, Freiheit und Verantwortung. Ansprache vor dem Evangelischen Arbeitskreis der CDU, 2. Juni 1961, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 676–683, hier Seite 680. Ludwig Erhard, Die Alliierten waren dagegen, Die Welt vom 20. Juni 1973.
  • 2
    So bestritt Andreas Predöhl (Außenwirtschaft, Weltwirtschaft, Handelspolitik und Währungspolitik, Göttingen 1949, Seite 185) die Vorstellung, „das freie Spiel der Kräfte (könne) je wieder das regulative Prinzip der Wirtschaft werden“. Dies sei keine Frage des politischen, sondern des wissenschaftlichen Urteils.
  • 3
    Es wird Erhard nicht entgangen sein, was im Vorwort zur deutschen Ausgabe der „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ (Berlin 1936) steht: „Die Theorie der Produktion als Ganzes, die den Zweck des folgenden Buches bildet, (kann) viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepasst werden als die Theorie der Erzeugung und Verteilung einer gegebenen, unter Bedingungen des freien Wettbewerbs und eines großen Maßes von ‚laissez faire‘ erstellten Produktion. Das ist einer der Gründe, die es rechtfertigen, dass ich meine Theorie eine allgemeine Theorie nenne.“
  • 4
    Siehe Alfred Schüller, Soziale Marktwirtschaft und Dritte Wege, ORDO, Band 51, 2000, Seiten 169–202.
  • 5
    Siehe Walter Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1950, Seiten 60 ff.
  • 6
    Diese Bezeichnung findet sich in Ludwig Erhards Denkschrift zur Frage der Nachkriegswirtschaftsordnung aus dem Jahr 1943/44, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 48–52.
  • 7
    Vgl. Alfred Schüller, Soziale Marktwirtschaft als ordnungspolitische Baustelle. Die Verbindung von „Freiburger Imperativ“ und „Keynesianischer Botschaft“ – ein nationalökonomischer Irrweg, ORDO, Band 56, 2005, Seiten 61–75.
  • 8
    Siehe Hans Willgerodt, Thesen zum „demokratischen Sozialismus“, in: Anton Rauscher (Hrsg.), Selbstinteresse und Gemeinwohl. Beiträge zur Ordnung der Wirtschaftsgesellschaft, Soziale Orientierung. Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission bei der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach, Band 5, Berlin 1985, Seiten 229–277.
  • 9
    Gottfried von Haberler, The Market for Foreign Exchange and the Stability of the Balance of Payments. A Theoretical Analysis, Kyklos, Volume III, April 1949, Seiten 193–218.
  • 10
    Fritz Machlup, Elasticity Pessimism in International Trade, Economia Internazionale, Volume III, 1950, Seiten 122 ff.
  • 11
    Vgl. Wolfgang Albert, Die anomale Reaktion der Zahlungsbilanz, ORDO, Band XI, 1959, Seiten 295–334.
  • 12
    Siehe Alfred Schüller, Das Menschenbild der christlichen Kirchen aus ordnungsökonomischer Sicht, in: Reinhold Biskup und Rolf Hasse (Hrsg.), Das Menschenbild in Wirtschaft und Gesellschaft, Bern/Stuttgart/Wien 2000, Seiten 79–133.
  • 13
    Siehe Fritz W. Meyer, Elastizitätspessimismus. Die Krankheit in unserer Wirtschaft und Wirtschaftspolitik, Wirtschaftspolitische Chronik, Heft 1, 1959, Seiten 7–18.
  • 14
    Ludwig Erhard, Selbstverantwortliche Vorsorge für die sozialen Lebensrisiken, 1956, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 461–465, hier Seite 462. Ludwig Erhard, Der Arbeit einen Sinn geben, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 490–506.
  • 15
    Ludwig Erhard, Europäische Einigung durch funktionale Integration, Paris, 7. Dezember 1954, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 423.
  • 16
    Vgl. Ludwig Erhard, Europäische Einigung durch funktionale Integration, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 417–424.
  • 17
    Kritisch zu dieser Position, wie sie in der SPD von dem einflussreichen Herbert Wehner vertreten wurde, siehe Franz Böhm, Zweierlei Wirtschaftsordnung im wiedervereinigten Deutschland, FAZ vom 6. September 1958, Seite 5. Zu Erhard und die Frage der Wiedervereinigung siehe Kapitel III, 3.
  • 18
    Vgl. Ludwig Erhard, Planification – kein Modell für Europa. Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, 20. November 1962, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 770–780.
  • 19
    Siehe Wernhard Möschel, Einflüsse der europäischen auf die deutsche Wirtschaftsordnung, Jena 1998, Seiten 4 ff.
  • 20
    Ludwig Erhard, Planification – Kein Modell für Europa, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 779. Verantwortung für das ganze Deutschland (14. September 1976), in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 1071.
  • 21
    Zum absurden Versuch, im Rahmen dieses Systems Maßnahmen zu ergreifen, die auf den Gedankengängen der Keynes-Schule beruhen, siehe Alfred Schüller, Die Verschuldungskrise Polens als Ordnungsproblem, ORDO, Band 33, 1982, Seite 338.
  • 22
    Ludwig Erhard, Das Weltwirtschaftssystem muss dringend neu geordnet werden, Die Welt vom 3./4. März 1973.
  • 23
    So Helmut Kohl, Erinnerungen. 1990–1994, München 2007, Seite 87.
  • 24
    Vgl. Ludwig Erhard, Wirtschaftliche Probleme der Wiedervereinigung. Wiederabdruck aus dem Bulletin der Bundesregierung vom 12. September 1953.
  • 25
    Siehe Michael Novak, Die katholische Ethik und der Geist des Kapitalismus, Trier 1996.
  • 26
    Siehe hierzu die Argumente, die Ludwig Erhard 1962 in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament zu der Feststellung veranlasst haben: „Wir brauchen kein Planungsprogramm, wir brauchen ein Ordnungsprogramm für Europa“, Ludwig Erhard, Planification – wir brauchen kein Planungsprogramm, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 770–780.
  • 27
    Vgl. Ludwig Erhard, Deutsche Mark frei konvertierbar, Rundfunkansprache 28. Dezember 1958, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 569. Freilich wäre eine einheitsstaatliche politische Union, was immer damit gemeint sein mag, keine hinreichende Garantie für einen Euro, der sowohl der Binnen- als auch der Außenintegration der EU hätte förderlich sein können. Dazu bedarf es einer einheitlichen stabilitätsorientierten Grundhaltung mit dem Primat der Währungspolitik vor der Fiskalpolitik.
  • 28
    Siehe Helmut Kohl, Erfolgsgeschichte der D-Mark mündet ein in Erfolgsgeschichte des Euro, Deutsche Bundesbank, Festakt „Fünfzig Jahre Deutsche Mark“, Frankfurt am Main, Juni 1998, Seiten 19–34.
  • 29
    Das Bündnis zwischen Adenauer und Erhard wird auf dessen berühmte Rede vor dem 2. Parteikongress der CDU „Marktwirtschaft im Streit der Meinungen“ vom 28. August 1948 (in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 134 ff.) zurückgeführt. Es hat nach Gerhard Stoltenberg in den folgenden zehn Jahren „die politische Entwicklung Deutschlands maßgeblich“ geprägt, nachdem Adenauer am 25. Februar 1949 mit einer für ihn geradezu überschwänglichen Würdigung reagiert hatte. Diese kommt einem politischen Ritterschlag gleich. Adenauer empfand Erhards Vortrag „so klar und lichtvoll und hat namentlich die grundlegenden Wahrheiten so deutlich und überzeugend in Erscheinung treten lassen, dass ich glaube – es mag der eine oder andere von uns in diesem oder jenem Punkt etwas anderer Ansicht sein –, im Prinzip werden wir alle dem beipflichten müssen. Er hat in seiner Rede das Geheimnis jedes Erfolges wirken lassen, die Dinge zurückzuführen auf möglichst einfache und klare Begriffe“ (Siehe Gerhard Stoltenberg, Wendepunkte. Stationen deutscher Politik 1947 bis 1990, Berlin 1997, Seite 20).
  • 30
    Erhard hatte bedacht, dass die Breitenwirkung des wirtschaftlichen Wettbewerbs nicht aus sich selbst heraus entsteht, vielmehr den Abbau nationalstaatlicher Regulierungen (mit einer Vielzahl von wettbewerblichen Ausnahmebereichen), eine aktive staatliche Wettbewerbspolitik und die Liberalisierung des Handelsverkehrs, ganz besonders aber des Kapitalverkehrs auf der Grundlage einer zunehmenden Zahl von prinzipiell konvertiblen Währungen voraussetzt.
  • 31
    Den Hinweis verdanke ich Christian Watrin.
  • 32
    Ludwig Erhard, Generalstreik zur Rettung eines unhaltbaren Dogmas. Rundfunkansprache vom 11. November 1948, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 162–165.
  • 33
    Ludwig Erhard, Zum amerikanischen Lohn- und Preisstopp, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 274.
  • 34
    Dies galt nicht nur für die Grundstoffindustrien (Kohle, Eisen und Stahl), sondern für viele spätere Bereichsausnahmen vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – vorgeblich zum Schutz der Verbraucher, tatsächlich zum Schutz der Produzenten vor Konkurrenz.
  • 35
    Siehe etwa die Rede Erhards vor dem Deutschen Bundestag vom 14. März 1951 „Im Schatten des Korea-Konfliktes“, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 278 ff.
  • 36
    Nach Razeen Sally überragt die autonome (unilaterale) Liberalisierung die anderen Formen um ein Mehrfaches. Vgl. Razeen Sally, Trade Policy, New Century. The WTO, FTAs and Asia Rising, London 2008, Seite 151.
  • 37
    Das Ergebnis war ein gemischtes Preissystem: Der Anteil der Branchen am Bruttoinlandsprodukt mit freien Preisen wird auf 63 Prozent, der mit gebundenen Preisen auf 29 Prozent geschätzt. 8 Prozent waren Staatsanteil. Siehe die Nachweise bei Hans Willgerodt, Westdeutschland auf dem Wege zu „richtigen“ Preisen nach der Reform von 1948, in: Hans-Jürgen Wagener (Hrsg.), Anpassung durch Wandel: Revolution und Transformation von Wirtschaftssystemen, Berlin 1991, Seiten 175–208.
  • 38
    Ludwig Erhard, Die geistigen Grundlagen gesunden Außenhandels, 1953, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 339–342, hier Seite 340.
  • 39
    Vgl. Alfred Schüller, Das Eurosystem zwischen realwirtschaftlicher Anpassung und kollektiver Finanzierung, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Heft 133 (3) 2012, Seiten 21–29.
  • 40
    Vgl. Ludwig Erhard, Deutsche Mark frei konvertierbar, 1958, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 569.
  • 41
    In den Westzonen ist die Bevölkerung nach 1945 von 39,3 auf über 50 Millionen angestiegen, und zwar ausschließlich durch Zuwanderung von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen aus den abgetrennten Ostgebieten, von Volksdeutschen und Zonenflüchtlingen.
  • 42
    Siehe Andreas Kossert, Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945, 4. Auflage, München 2009.
  • 43
    Ludwig Erhard, Maßhalten (1962), in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 729–737, hier Seite 734.
  • 44
    Vgl. Ludwig Erhard, Selbstverantwortliche Vorsorge für die sozialen Lebensrisiken, 1956, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 461–465.
  • 45
    Dazu gehört wohl auch die Gründung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit am 14. November 1961 – mit dem Anspruch, die Entwicklungspolitik als „eigenständiges politisches Handlungsfeld“ anzusehen. Direkt oder indirekt durfte die Gründung des Ministeriums auf Drängen der USA zurückgehen, mit dem Ziel, die vermeintliche Gefahr einer Spaltung der internationalen Gemeinschaft in Defizit- und Überschussländer zu vermeiden oder zu mildern, die freilich durch einen Federstrich, die Freigabe oder marktgerechte Anpassung der Wechselkurse im Bretton-Woods-System, ohne Fortsetzung der Interventionskette hätte behoben werden können. So mussten auf anderen Wegen die hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse „versorgt“ werden, hier durch Umwandlung in langfristige Kapitalexporte zugunsten der Dritten Welt. Bei einem Vorgehen dieser Art, die typisch für eine Betrachtung der Leistungsbilanz ohne den ursprünglichen Zusammenhang mit der Kapitalbilanz ist, wird übersehen, dass ein Überschussland in Höhe seiner Reserven und Forderungen bereits den Defizitländern Kredite eingeräumt hat. Dafür soll es nun noch einmal zur Kasse gebeten werden. Tatsächlich waren diese Palliativmittel vom Wunsch bestimmt, die herrschende Politik der Nichtaufwertung fortzusetzen. Erhard hat auf diesen eklatanten Widerspruch zu seinen währungs- und entwicklungspolitischen Vorstellungen teils zurückhaltend kritisch, teils duldend reagiert (siehe Ludwig Erhard, Gedanken zum Aufbau Afrikas, 21. Oktober 1960, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 641 f.).
  • 46
    Vgl. Horst Friedrich Wünsche, Ludwig Erhards Soziale Marktwirtschaft. Wissenschaftliche Grundlagen und politische Fehldeutungen, Reinbek/München 2015, Seiten 59 ff.
  • 47
    Zu nennen ist auch ein großer Kreis von ordnungspolitisch geschulten Journalisten des Rundfunks und der Printmedien, vor allem der NZZ und der FAZ. Vor allem die FAZ trat entschieden für ein hartes Kartellgesetz ein, unter Inkaufnahme eines existenzbedrohenden Anzeigenboykotts durch den BDI. Siehe Philip Plickert, Als die F.A.Z. der Hauptfeind des BDI war, FAZ, Nr. 258 vom 6. November 2015, Seite 17.
  • 48
    Ludwig Erhard, Selbstverantwortliche Vorsorge für die sozialen Lebensrisiken, 1956, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 465.
  • 49
    Vgl. Alfred Müller-Armack, Welt am Sonntag vom 30. Januar 1977.
  • 50
    Hans Willgerodt im Anschluss an Wilhelm Röpke (siehe ORDO, Band 50, 1999, Seite 67).
  • 51
    Ludwig Erhard, Franz Böhms Einfluss auf die Politik, in: Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung. Festschrift für Franz Böhm zum 80. Geburtstag, Heinz Sauermann und Ernst-Joachim Mestmäcker (Hrsg.), Tübingen 1975, Seiten 15–21, hier Seiten 15 f.
  • 52
    Ludwig Erhard, Erbe und Auftrag. Aussagen und Zeugnisse, Düsseldorf und Wien 1978, Seite 297.
  • 53
    Heute ist die europäische Wechselkurs- und Gläubigerfalle, in der sich (gemessen an den enormen Leistungsbilanzüberschüssen) Länder wie Deutschland befinden, geeignet, das marktwirtschaftliche Ordnungsbewusstsein durch ein interventionistisches Durcheinander fortschreitend zu verdunkeln – zumal seitens der deutschen Industrie wiederum, ähnlich wie zwischen den 1950er Jahren und 1973, versucht wird, das merkantilistische Privileg, das die deutsche Exportwirtschaft in Gestalt eines falschen Wechselkurses genießt, aus der Position des Elastizitätspessimismus zu legitimieren – unter Inkaufnahme von reichlich dotierten Unterstützungs- und Ausgleichsfonds. Pläne der Kommission für die Beseitigung der extremen Leistungsbilanzsalden in der Eurozone erinnern an den „Innereuropäischen Zahlungs- und Kompensationsplan“, der Ende der 1940er Jahre im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsrates (OEEC) entwickelt worden ist. Die zugrunde liegende planwirtschaftliche Konstruktion („geplanter Multilateralismus“, Fritz W. Meyer) wäre einem Dirigismus in höchster Perfektion auf internationaler Ebene gleichgekommen.
  • 54
    Franz Böhm, Freiburger Schule und Nationalsozialismus, FAZ vom 24. Mai 1955. Zur Absurdität der Beschuldigung der „Freiburger“ siehe Ernst-Joachim Mestmäcker, Über die Rolle der Politik in der Marktwirtschaft, ORDO, Band 29, 1978, Seiten 3–13, hier Seiten 4 und 5.
  • 55
    Gerhard Stoltenberg, Wendepunkte. Stationen deutscher Politik 1947 bis 1990, Berlin 1997, Seite 101.
  • 56
    Vgl. Ludwig Erhard, Wilhelm Röpke zum Gedächtnis. Rede vor der Universität Marburg, 17. Juni 1967, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 1026 ff.
  • 57
    Ludwig Erhard, Planification – kein Modell für Europa, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seite 770.
  • 58
    Siehe hierzu grundlegend Joseph Kardinal Höffner, Wirtschaftsethik und Monopole im 15. und 16. Jahrhundert, 2. Auflage, Darmstadt 1969.
  • 59
    Vgl. Ludwig Erhard, Was uns trennte, was uns einte. Zu Konrad Adenauers 100. Geburtstag, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 1053–1059. Franz Böhm, Freiburger Schule und Nationalsozialismus, FAZ vom 24. Mai 1955. Zur Absurdität dieses Vorwurfs siehe Ernst-Joachim Mestmäcker, Über die Rolle der Politik in der Marktwirtschaft, ORDO, Band 29, 1978, Seiten 3–13, hier Seiten 4 und 5.
  • 60
    Siehe Ludwig Erhard, Wirtschaftspolitik als Teil der Gesellschaftspolitik, Rede vor dem 9. Bundesparteitag der CDU, Karlsruhe 1960, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 607 ff.
  • 61
    Siehe hierzu grundlegend und kontrovers Lothar Wegehenkel (Hrsg.), Marktwirtschaft und Umwelt, Tübingen 1981.
  • 62
    Siehe James M. Buchanan, Why I, too, am not a Conservative: the normative vision of classical liberalism, Cheltenham 2005.
  • 63
    Ludwig Erhard, Die Wirtschaft ist kein Übungsplatz für Dilettanten, 1960, in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Seiten 603–606.
  • 64
    Ernst-Joachim Mestmäcker, Über die Rolle der Politik in der Marktwirtschaft. Dargestellt anhand eines unveröffentlichten Briefes von Franz Böhm, ORDO, Band 29, 1978, Seiten 3–13, hier Seiten 7 ff.
  • 65
    Siehe hierzu Willy Linder, Liberale Wirtschaftspresse und Ordnungspolitik. Ist die Transformation tatsächlich ohne historische Vorbilder? Deutsche Lehren und Erfahrungen zwischen 1948 und 1957, NZZ, Nr. 253 vom 1. November 1993, Seite 31.
  • 66
    Siehe Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung, Berlin 2014, 40 Seiten.