Prof. Dr. Dirk Meyer
Institut für Volkswirtschaftslehre, Lehrstuhl für Ordnungsökonomik, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg

In Deutschland werden 78 Prozent der Zahlungen bar abgewickelt. Aus den Reihen des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank dringt nun die Idee, Bargeld mit einer Steuer zu belegen. Dies könnte zwei Preisauszeichnungen im Supermarkt zur Folge haben: die höhere bei Bargeldzahlung, die niedrigere bei Kartenzahlung. – Undenkbar? Keinesfalls!

Die Absenkung der Meldepflicht für Bargeschäfte auf 10.000 Euro, der Ausgabestopp der 500-Euronote und Begrenzungen bei Bargeldzahlungen in vielen Euroländern (Frankreich 1.000 Euro, Italien 3.000 Euro, Österreich 500 Euro bei Bauleistungen, des Weiteren in Portugal, Griechenland, Spanien und Belgien) haben es nicht geschafft, den Bargeldverkehr einzudämmen. Der Anteil des Bargeldes am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat zwischen 2007 und 2017 weltweit zugenommen, im Euroraum um etwas über drei Prozent.1Vgl. Katrin Assenmacher/Signe Krogstrup, Monetary Policy with Negative Interest Rates: Decoupling Cash from Electronic Money, IMF Working Paper, 27. August 2018, https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2018/08/27/Monetary-Policy-with-Negative-Interest-Rates-Decoupling-Cash-from-Electronic-Money-46076 (Abrufdatum 19.02.2019), Seite 7. Ein Rückgang wird nur für Dänemark, Schweden und Norwegen angegeben. Allerdings weicht die Bargeldhaltung in einzelnen Ländern aus unterschiedlichen Gründen voneinander ab. Dies betrifft Zahlungsgewohnheiten, illegale Geschäfte und Schattenarbeit, Wahrung der Anonymität, Sicherheit vor Systemunfällen oder Absicherung bei Bankpleiten.

In Deutschland bleibt das Bargeld nach einer Studie der Bundesbank2Vgl. Johana Cabinakova/Fabio Knümann/Frank Horst, Kosten der Bargeldzahlung im Einzelhandel, Studie zur Ermittlung und Bewertung der Kosten, die durch die Bargeldzahlung im Einzelhandel verursacht werden, Deutsche Bundesbank in Zusammenarbeit mit EHI Retail Institute GmbH, o. O. 2019, https://www.bundesbank.de/resource/blob/776464/7bcafc28a7be62b503fb4c39440f92db/mL/kosten-der-bargeldzahlung-im-einzelhandel-data.pdf (Abrufdatum 18.02.2019). Die Daten zur Zahlungsweise wurden bereits 2017 erhoben. trotz des langfristigen Trends hin zum elektronischen Bezahlen das beliebteste Zahlungsmittel: 78 Prozent der Zahlungsvorgänge werden in bar abgewickelt, während nur 21 Prozent mit Karte erfolgen. Zudem betragen die Kosten (Kassierzeit, Geldtransport, Verwaltung) pro Zahlungsvorgang bei Barzahlung nur 24 Cent, bei Zahlungen mit Girocard oder Lastschrift 33 Cent und mit Kreditkarte circa 1 Euro.

Psychologische Vorbereitung auf negative Sparzinsen oder ernstgemeinter Vorschlag?

Bei abflauender Konjunktur stehen Zentralbanken mit einem Leitzins von Null (Europäische Zentralbank) oder gar einem Negativzins (Schweiz -0,25 bis -1,25 Prozent, Schweden -0,5 Prozent, Japan -0,1 Prozent) vor einem Dilemma. Die notwendige Absenkung des Leitzinses um mehrere Prozentpunkte stößt an eine natürliche Grenze: die Kosten der Bargeldhaltung.3Vgl Hans-Werner Sinn, Wie sich der Einzug des 500-Euro-Scheins rechnet, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. Februar 2016, Seite 20. Der Einlagenzins für Giro- und Sparkonten ist an den negativen Hauptrefinanzierungszins einer Zentralbank gekoppelt. Wenn die „Verwahrgebühr“ bei Banken zu hoch wird, können Kunden ihre Wertaufbewahrung auf Bargeld umstellen. Allerdings fallen hier Transport-, Tresor- und Versicherungskosten an.

Mit dem derzeit von der Europäischen Zentralbank (EZB) und einigen Geldhäusern erhobenen Strafzins von – 0,4 Prozent p.a. scheint die Schwelle erreicht, denn einige vermögende Privatkunden horten bereits erhebliche Bargeldbestände; dies zumeist in Form von 500-Euronoten, die nach ihrem von der EZB beschlossenen schrittweisen Einzug zukünftig durch den 200-Euroschein ersetzt werden müssten. Infolge der dann knapp 2,5-fachen Kosten der Bargeldhaltung hätte die EZB einen kleinen Spielraum bis hin zu minus einem Prozent gewonnen. Doch dieser dürfte bei einer tiefen Rezession nicht ausreichen.

Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EZB haben deshalb kürzlich die Idee präsentiert, Bargeld mit einer Steuer zu belegen.4Vgl. Ruchir Agarwal/Signe Krogstrup, Cashing In: How to Make Negative Interest Rates Work, International Monetary Fund Blog vom 5. Februar 2019, https://blogs.imf.org/2019/02/05/cashing-in-how-to-make-negative-interest-rates-work/ (Abrufdatum 18.02.2019) sowie Katrin Assenmacher/Signe Krogstrup, Monetary Policy with Negative Interest Rates: Decoupling Cash from Electronic Money, IMF Working Paper, 27. August 2018, https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2018/08/27/Monetary-Policy-with-Negative-Interest-Rates-Decoupling-Cash-from-Electronic-Money-46076 (Abrufdatum 19.02.2019). Sie knüpft an das sogenannte Schwundgeld nach Silvio Gesell an.5Vgl. Silvio Gesell, Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld, Berlin 1916. Etwas vereinfacht schlagen sie Euro-Bargeld und Euro-E-Reserven als zwei Währungen mit festem Umtauschkurs vor. Das Euro-Bargeld würde in Höhe des negativen Leitzinses beziehungsweise Tagesgeldsatzes EONIA gegenüber den Euro-E-Reserven abgewertet. Beträgt der Leitzins beispielsweise minus fünf Prozent, wären Scheine und Münzen gegenüber dem E-Geld pro Jahr fünf Prozent weniger wert. Bei Konstanz des Leitzinses/EONIA von minus 500 Basispunkten würde die tägliche Abwertung des Bargeldes minus 1,4 Basispunkte (500 Basispunkte/360 Zinstage) betragen.

Die EZB würde diesen administrativ-regelgebundenen Wechselkurs täglich veröffentlichen. Über den Zinskanal würden Geschäftsbanken ihren negativen Guthabenzins für Sicht- und Spareinlagen anpassen. Damit wäre das Halten von abgewertetem Bargeld genauso (un)attraktiv wie eine Einzahlung auf das Girokonto mit negativem Einlagenzins. Die Möglichkeit, einer Quasi-Enteignung durch Euro-Bargeldhaltung zu entgehen, wäre fortan versperrt, und die EZB hätte Handlungsspielraum zurückgewonnen. Über eine Feinsteuerung des Wechselkurses könnte die Zentralbank die Attraktivität der Bargeldhaltung direkt beeinflussen und beispielsweise etwaige Kosten der Bargeldhaltung berücksichtigen oder aber im Falle eines von Illiquidität bedrohten Bankensektors die Bargeldhaltung stark verteuern, um so einen Bank Run zu verhindern.

Euro-Parallelwährung zur Entkopplung von Bargeld und Sichtguthaben

Abstrahiert man von Zins- und Wechselkursänderungserwartungen sowie von Tausch- und Kurssicherungskosten, so könnte ein Ausweichen auf Noten in Fremdwährungen insbesondere dann Vorteile bieten, wenn (a) der negative Valuta-Einlagenzins oberhalb des negativen Euro-Einlagenzinses verbleibt und (b) auf Valuta-Noten keine Abwertung gegenüber den Valuta-Depositen erfolgt. Bei anhaltendem Vertrauensverlust in das Eurosystem könnte die Fremdwährung neben der Wertaufbewahrung/des Hortens mittelfristig auch als Zahlungsmittel Verwendung finden.

De facto handelte es sich um zwei Euro-Parallelwährungen. Diese Währungsreform müsste durch eine Änderung der EU-Verträge einstimmig beschlossen werden – was bei einigen Ländern auf Widerstand stoßen dürfte. Sodann wären in einer EU-Verordnung zu regeln: die Frage des gesetzlichen Zahlungsmittels; die Festlegung des Wechsel-/Umtauschkurses zwischen Bargeld und E-Geld; Regelungen für Altverträge sowie für Verträge, die den schuldbefreienden Euro nicht spezifizieren; sodann Regelungen für Verträge in fremder Währung, für die auch zwei Wechselkurse mit festen Differenzen bestehen.6Siehe Katrin Assenmacher/Signe Krogstrup, Monetary Policy with Negative Interest Rates: Decoupling Cash from Electronic Money, IMF Working Paper, 27. August 2018, https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2018/08/27/Monetary-Policy-with-Negative-Interest-Rates-Decoupling-Cash-from-Electronic-Money-46076 (Abrufdatum 19.02.2019), die eine ungedeckte Zinsparität unterstellen. Allein die rechtliche Komplexität erforderte viel Aufklärungsarbeit, soll das Vertrauen in die Währung nicht (weiter) erschüttert werden.

Im Regelfall fallen die drei Geldfunktionen Recheneinheit, Zahlungsmittel und Wertaufbewahrungsmittel zusammen. Bei Parallelwährungen wird diese Einheit jedoch häufig durchbrochen. Fortan würde der E-Euro als Recheneinheit und Vertragswährung, insbesondere bei wiederkehrenden Leistungen dominieren. Der Verbraucher würde deshalb beim täglichen Einkauf voraussichtlich nur noch den E-Preis in der Warenauszeichnung auffinden. Da jedoch in Deutschland die Barzahlung dominiert, würden spätestens an der Kasse die aufaddierten Abwertungen des Bargeldes sichtbar. Dieser psychologische Effekt führt zu einem generellen Vertrauensverlust in die Euro-Währung und/oder würde die Tendenz zur bargeldlosen Zahlungsweise verstärken. In jedem Fall benötigte die EZB enorme Kommunikationsanstrengungen, um Akzeptanz für diesen Vorschlag zu erreichen.

Hinzu kommt die Problematik, welche Währung als schuldbefreiendes gesetzliches Zahlungsmittel (Legal Tender) anerkannt wird. Gemeinhin könnte dieses Merkmal als Wettbewerbs- und Verwendungsvorteil einer Währung gelten, wenngleich die Vertragspartner aus Gründen der Praktikabilität abweichende Vereinbarungen treffen könnten.7Siehe hierzu auch Miles S. Kimball, Negative Interest Rate Policy as Conventional Monetary Policy, in: Confessions of a Supply-Side Liberal, 29. Februar 2016, https://blog.supplysideliberal.com/post/140196195627/negative-interest-rate-policy-as-conventional (Abrufdatum 01.03.2019), Seite 9; abweichend Katrin Assenmacher/Signe Krogstrup, Monetary Policy with Negative Interest Rates: Decoupling Cash from Electronic Money, IMF Working Paper, 27. August 2018, https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2018/08/27/Monetary-Policy-with-Negative-Interest-Rates-Decoupling-Cash-from-Electronic-Money-46076 (Abrufdatum 19.02.2019), Seiten 16 ff., die die Legal-Tender-Funktion von Depositen als wesentlich für Funktionsfähigkeit der Währungsdualität darstellen. So werden in Geldordnungen mit Kreditgeldschöpfung der Geschäftsbanken (Kreditgeldsystem) häufig nur Banknoten als unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel festgelegt – nicht hingegen die (mehr oder weniger) unsicheren Depositen-Guthaben der Geschäftsbanken.8„Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“ (§ 14 Absatz 1 Gesetz über die Deutsche Bundesbank). Abweichend Artikel 128 Absatz 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union: „Die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.“ Um die Funktionen des E-Geldes zu fördern, könnte man Nicht-Banken (Unternehmen und private Haushalte) den Zugang zu Zentralbank-Depositen ermöglichen.9Vgl. Dirk Niepelt, Kosten und Nutzen eines Vollgeldsystems, in: Wirtschaftsdienst, 99. Jahrgang, 2018, Seiten 3–5, Seite 5, sowie Alexander Rathke/Jan-Egbert Sturm/Klaus Abberger, Die Schweizer Vollgeldinitiative. Gefahren eines Systemwechsels überwiegen die Chancen, in: Wirtschaftsdienst, 99. Jahrgang, 2018, Seiten 9–12, Seite 12. Die EZB müsste dann Konten für Nicht-Banken führen. Da dieses sogenannte Vollgeld gegenüber dem Kreditgeld sicherer wäre, könnte der Negativzins auf diese Einlagen – als Absolutbetrag – höher sein.10Sogenanntes Vollgeld (Geld, das die Zentralbank emittiert) würde die Zentralbank durch den direkten Ankauf von zins- und tilgungsfreien Staatsanleihen gegen Gutschreibung eines Geldbetrages auf ein Regierungskonto zugunsten der öffentlichen Hand in den Geldkreislauf bringen können. Vollgeld liegt im Bereich der Emission von (Scheide-)Münzen bereits seit Jahrhunderten und auch bei den Euro-Münzen vor. Zum Vollgeld und dessen Emission vgl. Joseph Huber, Monetäre Modernisierung – Zur Zukunft der Geldordnung: Vollgeld und Monetative, 3., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage, Marburg 2013, Seiten 126 ff.

Analyse und Kritik

Die Initiatoren betonen die Wirksamkeit von Negativzinsen in der Annahme symmetrisch wirkender Effekte einer Zinssenkung.11Vgl. Miles S. Kimball, Negative Interest Rate Policy as Conventional Monetary Policy, in: Confessions of a Supply-Side Liberal, 29. Februar 2016, https://blog.supplysideliberal.com/post/140196195627/negative-interest-rate-policy-as-conventional (Abrufdatum 01.03.2019), Seite 9. Etwas vorsichtiger formulieren Katrin Assenmacher/Signe Krogstrup, Monetary Policy with Negative Interest Rates: Decoupling Cash from Electronic Money, IMF Working Paper, 27. August 2018, https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2018/08/27/Monetary-Policy-with-Negative-Interest-Rates-Decoupling-Cash-from-Electronic-Money-46076 (Abrufdatum 19.02.2019), Seite 11. Zweifel sind angebracht. So haben Vorholeffekte bei Verbrauchern ihre Grenzen, denn Konsum lässt sich nicht unbegrenzt in die Gegenwart vorziehen. Zudem wird infolge der durch Niedrigzinsen unsicheren Altersvorsorge die Sparneigung gefördert, was gegenteilige konjunkturelle Effekte auslöst. Der Vorschlag sieht zwar vor, dass bei Leitzinsen über Null eine entsprechende Bargeld-Aufwertung erfolgt.12Vgl. Miles S. Kimball, Negative Interest Rate Policy as Conventional Monetary Policy, in: Confessions of a Supply-Side Liberal, 29. Februar 2016, https://blog.supplysideliberal.com/post/140196195627/negative-interest-rate-policy-as-conventional (Abrufdatum 01.03.2019), Seite 6, sowie Katrin Assenmacher/Signe Krogstrup, Monetary Policy with Negative Interest Rates: Decoupling Cash from Electronic Money, IMF Working Paper, 27. August 2018, https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2018/08/27/Monetary-Policy-with-Negative-Interest-Rates-Decoupling-Cash-from-Electronic-Money-46076 (Abrufdatum 19.02.2019), Seiten 20 ff. mit einer graphischen Darstellung von im Zeitablauf wechselnden Zinssätzen. Doch gerade wegen der Schwierigkeiten einer Zinsanhebung entstand überhaupt erst die Idee einer Bargeldabwertung. Der Niedrigzins hat wenig wettbewerbsfähige „Grenzanbieter“ überleben lassen, die Qualität des Kapitalstocks ist gesunken und der Anstieg der Arbeitsproduktivität stagniert. Bei Leitzinsen nahe Null kann eine Anhebung je nach durchschnittlicher Restlaufzeit der Staatsschuld den Zinsanteil am BIP mittelfristig schnell verdoppeln. Zudem beträgt die Überschussreserve der Banken über 1,2 Billionen Euro (Dezember 2018). Damit steht der Zins als monetärer Indikator grundsätzlich infrage: Er zeigt nicht in jedem Fall an, ob eine bestimmte geldpolitische Maßnahme expansiv oder restriktiv wirkt. Da die EZB mit Blick auf die Krisenstaaten die Macht über eine Zinserhöhung verloren hat, wirkt der Negativzins als Sperrklinke. Jede Rezession/Krise schafft ein neues Negativzinsniveau, das als Basis für zukünftige Zinssenkungen dienen muss, damit hochverschuldete Staaten und Unternehmen nicht zusammenbrechen. Allein die Annahme eines dauerhaften Leitzinses von minus fünf Prozent würde – ohne jegliche Inflation, die zur Abwertung noch hinzukäme – alle 14 Jahre eine Halbierung des Bargeld-Eurokurses bewirken.

Als weiteren Vorteil heben die Ökonomen hervor, dass die Zentralbank über die Abwertungsrate die Attraktivität des Bargeldes steuern könnte.13Vgl. Katrin Assenmacher/Signe Krogstrup, Monetary Policy with Negative Interest Rates: Decoupling Cash from Electronic Money, IMF Working Paper, 27. August 2018, https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2018/08/27/Monetary-Policy-with-Negative-Interest-Rates-Decoupling-Cash-from-Electronic-Money-46076 (Abrufdatum 19.02.2019), Seiten 22 ff. Ein Rückgang der Bargeldquote würde einen kollektiven Bank Run bei einer Bankenkrise weniger wahrscheinlich machen und damit die Finanzstabilität erhöhen. Jedoch dürfte sich lediglich die Erscheinungsweise eines Bank Runs ändern: Statt Barabhebungen kommt es zu (Auslands-)Überweisungen in sichere Länder – und entweder gehen die Zentralbankreserven schnell zur Neige oder die Notenbank trägt die Verluste. Allerdings kann es bei Negativzinsen nicht zur Zahlungsunfähigkeit eines Kreditnehmers wegen nicht geleisteter Zinszahlungen kommen. Diese wäre auf den Zeitpunkt einer möglichen Prolongation verschoben.

Die EZB könnte mit dieser Währungsreform von einem Anstieg des Zentralbankgewinns (Seigniorage) profitieren. Dieser hängt vorrangig von der Zinsdifferenz zwischen dem ausgegebenen Zentralbankgeld (Passiva) und den Anlagen (Aktiva) ab. Die nachgefragte Geldmenge könnte zwar bei abnehmender Bargeldnutzung und dem „Strafzins“ auf Depositen sinken.14Vgl. Katrin Assenmacher/Signe Krogstrup, Monetary Policy with Negative Interest Rates: Decoupling Cash from Electronic Money, IMF Working Paper, 27. August 2018, https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2018/08/27/Monetary-Policy-with-Negative-Interest-Rates-Decoupling-Cash-from-Electronic-Money-46076 (Abrufdatum 19.02.2019), Seite 25. Aber die Abwertung der Banknoten führt zu sinkenden Verbindlichkeiten und zu einem „Entwertungsgewinn“ der Notenbank. Die Einführung von Zentralbankgeldkonten für Nicht-Banken würde einen weiteren Zusatzgewinn ermöglichen.

Der bessere Weg: nationale Parallelwährungen mit flexiblen Wechselkursen

Die Kollateralschäden einer fortgeführten Negativzinspolitik für Sparer sowie für die Geschäftsmodelle von Lebensversicherungen und Banken bleiben in diesem kreativen, aber kaum innovativen Ansatz zukünftiger Währungspolitik unbeachtet. Banken würden zunehmend Kredite mit längerer Laufzeit vergeben, während die Einlagen kurzfristig kündbar wären. Ein Zinsanstieg würde den Bankensektor infolge der zunehmenden Fristeninkongruenz in eine instabile Lage bringen. Zur Wahrung ihrer Attraktivität müssten die Kapitalanlagegesellschaften in riskantere Anlagen ausweichen. Weitaus schwerer noch wiegen die Auswirkungen negativer Anleihezinsen auf Unternehmen und Staaten. Zwar gab es bereits vor der Euro-Einführung Perioden negativer Realzinsen von bis zu minus zwei Prozent, doch führten die Risikoprämien den Anleihezins zurück ins Plus. Nun drohen Kapitalvernichtung durch Investitionen mit negativer Wertschöpfung und ein ausufernder schuldenfinanzierte Sozialstaat.

Um die Europäische Währungsunion in ihrer jetzigen Zusammensetzung zu erhalten, wären nationale Parallelwährungen mit flexiblen Wechselkursen der bessere Weg. Sie entlasteten die EZB in ihrer Aufgabe, für alle 19 Euro-Mitgliedstaaten die passende Geldpolitik schneidern zu müssen, und ermöglichten den Euro-Staaten eine eigenständige Anpassung an ihre jeweilige Situation.

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