Felix Eigel
Operatives Garantiemanagement, Daimler Truck AG

Im Dezember 2021 hat die Ludwig-Erhard-Stiftung den Dr.-Herbert-B.-Schmidt-Preis für wissenschaftliche Arbeiten zur Sozialen Marktwirtschaft vergeben. Den 3. Preis hat die Jury Felix Eigel zugesprochen. Ausgezeichnet wurde seine Master Thesis zum Thema „The German Healthcare Insurance System – An Economic and Political Critique“. Der Autor fasst nachfolgend zentrale Überlegungen und Ergebnisse seiner Arbeit zusammen.

Aktuell zahlen rund 88 Prozent der Deutschen in die gesetzliche Krankenkasse ein. Dafür werden in der Regel monatliche Beitragszahlungen in Höhe von 14,6 Prozent des jeweiligen Einkommens aufgewendet, welche hälftig vom Arbeitgeber gezahlt werden. Um eine hohe Qualität der gesundheitlichen Versorgung aller Bürger sicherzustellen, wurde in Deutschland bereits 1883 eine Krankenversicherungspflicht eingeführt. Gerechtfertigt wird dies bis heute häufig mit den sehr spezifischen Eigenschaften und Rahmenbedingungen des Gesundheitsmarktes.

Diesen zeichnet vor allem ein hohes Maß an Informationsasymmetrien zwischen den verschiedenen Marktseiten aus. Dadurch kann es zu Ineffizienzen sowie zu Unter- oder Überbehandlung kommen, was sich als Marktversagen klassifizieren lassen könnte. Die immensen staatlichen Eingriffe werden damit gerechtfertigt, diesem Zustand präventiv entgegenzuwirken und Marktteilnehmer vor potenziellem opportunistischem Verhalten anderer zu schützen.

Tiefgreifende Probleme prägen das System

Trotz der umfassenden staatlichen Maßnahmen erweist sich das deutsche Krankenkassensystem als defizitär. Vor allem die nicht vorhandene Immunität gegen Wirtschaftskrisen und der demografische Wandel setzen das umlagefinanzierte System massiv unter Druck. Sinkende Einnahmen durch das rasch steigende Durchschnittsalter der Gesellschaft sowie steigende Kosten – vor allem für moderne Medizintechnik – belasten das System gleich doppelt. Außerdem orientieren sich die gesetzlichen Krankenkassenprämien ausschließlich am Einkommen des Versicherungsnehmers, ohne das individuelle Krankheitsrisiko zu berücksichtigen. Diese vom Arbeitgeber hälftig mitfinanzierten Pflichtbeiträge führen zu immensen indirekten Lohnkosten, was den Wirtschaftsstandort Deutschland stark belastet.

Des Weiteren kann es bei der Kosten-Nutzen-Analyse von medizinischen Leistungen durch die Patienten zu einem moralischen Risiko (Moral Hazard) kommen. Da die gesetzliche Krankenversicherung alle Kosten deckt, stehen für Patienten lediglich der Aufwand und die benötigte Zeit eines Arztbesuches auf der Kostenseite. Folglich besteht ein erhöhter Anreiz, Leistungen in Anspruch zu nehmen. Durch die stimulierte Nachfrage entstehen höhere Preise, welche direkt von den Ärzten bei den Krankenkassen abgerechnet werden. Zusätzlich resultiert aus der Verankerung der Krankenkassen im öffentlichen Sektor ein erhöhter bürokratischer und damit meist kostenintensiverer Aufwand.

Ein weiteres Problem ist, dass die lohngebundenen Versicherungsbeiträge eine effektive und freie Allokation finanzieller Mittel bei den Beitragszahlern verhindern. Diese haben zudem kaum Zugang zu den stark regulierten Preisen und erhalten dadurch keine oder falsche Signale. Ursprünglich soll der mangelnde Zugang zu Preisinformationen den Versicherungsnehmern eine geldunabhängige Entscheidungsfindung ermöglichen. Stattdessen sind sie nicht in der Lage, rationale Kaufentscheidungen zu treffen und das Preis-Leistungsverhältnis der Dienstleistung ex-post adäquat zu bewerten. Dies fördert die Existenz leistungsschwacher Anbieter, die sich normalerweise verbessern oder den Markt verlassen müssten.

Die aus diesen Schwierigkeiten resultierenden Ineffizienzen schwächen das System und geben dem Staat Anlass, wieder und wieder zu intervenieren. Diese Folgeeingriffe können letztlich eine Interventionsspirale nach sich ziehen.

Implikationen und Ideen für politische Entscheidungsträger

Der inhärenten Problematik der Informationsasymmetrien lässt sich entgegensetzen, dass Leistungsempfängern oftmals doch genügend Informationen zur Verfügung stehen, um opportunistischem Verhalten der Leistungserbringer entgegenzuwirken. Denn viele Patienten können dank gesammelter Erfahrungswerte und hoher Transparenz (beispielsweise durch Internetbewertungen oder öffentlich zugängliche Fachinformationen) effiziente Entscheidungen treffen. Das Vorhandensein von Informationsasymmetrien allein ist demnach nicht ausreichend, um die immensen staatlichen Eingriffe zu rechtfertigen. Und auch der Blick auf andere Märkte zeigt: Die Existenz von effizienten Transaktionen, bei welchen ein weniger informierter Akteur einen besser informierten für dessen Fachwissen bezahlt, ist nicht selten.

Ein wichtiger erster Schritt zur Bewältigung der angesprochenen finanziellen Probleme wäre, den gesetzlichen Krankenkassen Wettbewerb und die Erzielung von Gewinn zu ermöglichen. Dies würde schnell zu niedrigeren Gesamtausgaben und höherer Versorgungsqualität führen. Darüber hinaus würde die mit der Privatisierung einhergehende Internalisierung der Verwaltungsbehörden zu einer Reduktion bürokratischer Strukturen und damit auch der Kosten führen. Außerdem würde ein Verzicht auf die Preisregulierung für Gesundheitsgüter und Dienstleistungen zur Entstehung von realen Marktpreisen führen. Leistungsempfänger würden dadurch Anreize erhalten, Preise zu vergleichen und ihre Gesundheitskosten gering zu halten. Ärzte hingegen hätten ein gesteigertes Interesse daran, eine gute Reputation und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu etablieren. Das zeigt, in einem marktbasierten Versicherungssystem würden die Leistungserbringer die von den Patienten geforderten Leistungen zu einem möglichst niedrigen Preis anbieten. Andernfalls wären sie zum Marktaustritt oder zur Adaption gezwungen. Außerdem würde die Einführung risikoadjustierter Versicherungsbeiträge zu einer Reduzierung des moralischen Risikos (Moral-Hazard) führen, weil Patienten mehr Verantwortung für ihre eigene Gesundheit übernehmen würden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die tiefgreifenden staatlichen Eingriffe oftmals der Ursprung der oben beschriebenen Probleme sind. Entgegen der ursprünglichen Intention, eine möglichst hohe Versorgungsqualität für die Bevölkerung zu gewährleisten, entstehen tiefgreifende Ineffizienzen und der ständige Bedarf nach weiteren staatlichen Eingriffen. Die Transformation zu einem marktbasierten Versicherungssystem würde viele dieser Probleme lösen und eine hohe Versorgungsqualität sicherstellen.

Felix Eigel war zum Zeitpunkt der Fertigstellung seiner Master Thesis Student der Universität Bayreuth.

Der Dr.-Herbert-B.-Schmidt-Preis wurde im Jahr 2021 von der Ludwig-Erhard-Stiftung zu Ehren ihres Gründungs- und Ehrenmitglieds Dr. Herbert B. Schmidt ausgelobt und richtete sich an Hochschulabsolventen der wirtschaftswissenschaftlichen und historischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum.

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, herausgegeben von der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn, ISSN 2366-021X

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