Prof. Dr. Britta Kuhn
Hochschule RheinMain, Wiesbaden Business School

Die wirtschaftliche Globalisierung wird oft als Ursache für Arbeitsmarktentwicklungen benannt, die negativ wahrgenommen werden – vor allem in den USA. Empirisch ist diese Kausalität nicht eindeutig belegt, zeigt Britta Kuhn anhand neuerer Studien zum internationalen Handel. Oft ist es vordringlich der technische Fortschritt, der Beschäftigung und Löhne senkt. Die schwierige, weil komplexe Abgrenzung zwischen Automatisierung und ausländischer Konkurrenz als Einflussfaktoren auf den nationalen Arbeitsmarkt öffnet populistischer Wirtschaftspolitik Tür und Tor.

Seit dem Brexit-Referendum und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ist klar: Vielen Menschen in westlichen Industrieländern geht die bisherige wirtschaftliche Globalisierung zu weit. Sie verweisen auf Arbeitsplatzverluste und eine sich öffnende Verteilungsschere zwischen arm und reich. Nicht nur „Billigimporte“ stehen in der Kritik, sondern auch die Zuwanderung von Arbeitskräften und ausländische Direktinvestitionen. Volkswirte wie Dani Rodrik, die vor den negativen Auswirkungen der Globalisierung warnen, haben Hochkonjunktur.1Vgl. Dani Rodrik, The Globalization Paradox. Why Global Markets, States, and Democracy Can’t Coexist, Oxford, New York 2011, vor allem Seiten xviii f. Und tatsächlich zeigen viele empirische Studien, dass der internationale Austausch von Waren, Dienstleistungen, Arbeit und Kapital auch Verlierer produziert, die nicht immer von den Gewinnern entschädigt werden.2Vgl. Überblick bei Britta Kuhn, Globalisierungskritik und Antworten, in: WISU (2017), Heft 3, Seiten 335–339. Richtig ist aber auch, dass neben der wirtschaftlichen Globalisierung der technische Fortschritt die Beschäftigungs- und Lohnstrukturen verändert. Immer mehr empirische Studien belegen dies im internationalen Kontext. Überspitzt formuliert: Nicht jeder deutsche Schulabbrecher wird arbeitslos, weil syrische Einwanderer ihn ersetzen. Und nicht jeder ehemalige Monteur arbeitet wegen chinesischer Importe heute schlechter bezahlt als Paketzusteller.

Automatisierung und der US-Arbeitsmarkt

Besonders die gegenwärtige US-Regierung macht Einwanderung, chinesische Importkonkurrenz und Produktionsverlagerungen ins Ausland für heimische Arbeitsmarktprobleme verantwortlich. In der Volkswirtschaftslehre ist dagegen spätestens seit 2004 bekannt, wie eng technischer Fortschritt und Außenhandel zusammenhängen. Ein stark beachtetes Modell zeigte damals, dass technischer Fortschritt in Ländern wie China Industrieländern wie den USA langfristig schaden kann.3Vgl. Paul A. Samuelson, Where Ricardo and Mill Rebut and Confirm Arguments of Mainstream Economists Supporting Globalization, in: Journal of Economic Perspectives, 18. Jahrgang (2004), Heft 3, Seiten 135–146, Seiten 140 ff.

Empirisch betrachtet fiel in den USA zwischen 1990 und 2007 jeder vierte Industriejob, der verloren ging, der Konkurrenz mit China zum Opfer.4Vgl. David H. Autor/David Dorn/Gordon H. Hanson, The China Syndrome. Local Labor Market Effects of Import Competition in the United States, in: American Economic Review, 103. Jahrgang (2013), Heft 6, Seiten 2121–2168, Seite 2121. Die restlichen 75 Prozent der Arbeitsplätze verschwanden aber aus anderen Gründen. In absoluten Zahlen baute das verarbeitende Gewerbe der USA von 2000 bis 2011 rund sechs Millionen Arbeitsplätze ab. Davon gingen gesamtwirtschaftlich 2,4 Millionen Stellen auf das Konto chinesischer Importe.5Vgl. Daron Acemoglu/David Autor/David Dorn/Gordon H. Hanson/Brendan Price, Import Competition and the Great US Employment Sag of the 2000s, in: Journal of Labor Economics, 34. Jahrgang (2016), Heft S1, Seiten S141–S198, Seiten 143 und 146 f. Mit den weiteren rund 3,6 Millionen Jobverlusten hatte das Reich der Mitte nichts zu tun. Sie lassen sich auch durch Automatisierungsprozesse erklären. So senkte zwischen 1990 und 2007 jeder neue Roboter je 1.000 Arbeitskräften in der US-Industrie die Beschäftigungsquote um 0,18 bis 0,37 Prozentpunkte und die Löhne bzw. das Lohnwachstum um 0,25 bis 0,73 Prozent. Abhängig davon, wie stark eine Branche der Automatisierung ausgesetzt war, ersetzte demnach ein Roboter drei bis 6,2 Arbeiter. Besonders betroffen waren Männer ohne Collegeausbildung.6Vgl. Daron Acemoglu/Pascual Restrepo, Robots and Jobs: Evidence from US Labor Markets, Working Paper, 17.3.2017, Seiten 4 f.

Prognosen sind naturgemäß schwierig und angreifbar. Eine intensiv diskutierte Studie errechnete schon 2013, dass 47 Prozent der US-Arbeitsplätze dem Computer weichen werden – möglicherweise innerhalb von 10 bis 20 Jahren. Sie quantifizierte das konkrete Digitalisierungsrisiko von 702 Berufen. Insgesamt war dabei das Lohn- und Qualifikationsniveau negativ mit dem Gefährdungspotenzial verknüpft. Erstaunlich viele Dienstleistungen lagen in der Hochrisikogruppe.7Vgl. Carl B. Frey/Michael A. Osborne, The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation?, Working Paper, 17.9.2013, Seiten 44 ff. Umgekehrt fielen längst nicht nur akademische Berufe in die wenig gefährdete Kategorie (vgl. Tabelle 1).

Natürlich lässt sich der Zeithorizont als vage kritisieren oder das Ergebnis als „schlichte Daumenpeilung“8Vgl. Patrick Bernau, Keine Angst vor den Robotern, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 30.4.2017, Seite 22.. Aber eine aktuelle Untersuchung kommt zu ähnlichen Ergebnissen und schöpft methodisch das Mögliche aus. Sie analysiert 2.000 Tätigkeiten in mehr als 800 Berufen, wobei jede Tätigkeit bis zu 18 Fähigkeiten erfordern kann. Danach erreicht das gesamte Automatisierungspotenzial der USA 46 Prozent beziehungsweise 60 Millionen Vollzeitbeschäftigte. Die Bandbreite reicht von 73 Prozent gefährdeten Stellen bei Beherbergungsbetrieben und Lebensmitteldienstleistungen bis zu vergleichsweise niedrigen 27 Prozent im Bildungswesen.9Vgl. James Manyika/Michael Chui/Mehdi Miremadi/Jacques Bughin/Katy George/Paul Willmott/Martin Dewhurst, A Future That Works: Automation, Employment, and Productivity, in: McKinsey Global Institute (2017), Seite 4 (Methodik), Seite 9 (Automatisierungspotenzial) und Seite 7 (Bandbreite).

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Den konkreten Zusammenhang zwischen mexikanischer Einwanderung, Automatisierung und Arbeitsmarkt in den USA beleuchtet eine Analyse des historischen „Bracero“-Programms. Es erlaubte der US-Landwirtschaft zwischen 1942 und 1964, jährlich fast 500.000 mexikanische Saisonarbeiter einzusetzen.10Vgl. Michael A. Clemens/Ethan G. Lewis/Hannah M. Postel, Immigration Restrictions as Active Labor Market Policy: Evidence from the Mexican Bracero Exclusion, in: IZA Discussion Paper Series, Nr. 10512 (2017), Seite 3. Der Einwanderungsstopp übte aber keinen langfristigen Einfluss auf das betroffene Arbeitsmarktsegment der USA aus. Beschäftigung und Löhne entwickelten sich in den untersuchten US-Bundesstaaten fast identisch, obwohl einige das Bracero-Programm zuvor genutzt hatten und andere nicht.11Vgl. ebenda, Seiten 31 und 41 f. Dies lag weder am Einsatz illegaler Migranten, der erst in den 1970er Jahren begann, noch an einer Substitution durch legale Einwanderer aus anderen Ländern. Stattdessen wurden arbeitsintensive Anpflanzungen wie Spargel durch den Anbau von Feldfrüchten wie Tomaten oder Zuckerrüben ersetzt, die sich maschinell ernten lassen.12Vgl. ebenda, Seiten 24 ff. Donald Trump ist also nicht der erste US-Präsident, der fälschlicherweise ausländische Arbeitskräfte für negative Arbeitsmarktentwicklungen verantwortlich macht.

Jenseits der intensiven globalen Verteilungsdebatte13Vgl. z. B. Thomas Piketty, Capital in the Twenty-First Century, Cambridge (Mass.) 2014; vgl. Angus Deaton, The Great Escape. Health, Wealth, and the Origins of Inequality, Princeton 2015; vgl. Branko Milanović, Global Inequality. A New Approach for the Age of Globalization, Cambridge (Mass.) 2016. lässt sich schließlich mit digitalen Großkonzernen wie Facebook erklären, warum die Lohnquote der USA in den letzten Jahrzehnten gesunken ist. Diese „Superstar-Firmen“ stehen für einen Konzentrationsprozess, der aus Netzwerkeffekten resultiert. US-Mikrozensus-Daten von 1982 bis 2012 zeigen, dass die Lohnquote in einer US-Branche umso stärker sank, je mehr Marktmacht sich bei wenigen solcher Firmen bündelte.14Vgl. David Autor/David Dorn/Lawrence F. Katz/Christina Patterson/John van Reenen, The Fall of the Labor Share and the Rise of Superstar Firms, Working Paper, 1.5.2017, Seite 2. Zu Lohnquoten im internationalen Vergleich ebenda, Seite 31. „Superstar-Firmen“ haben auch in den anderen OECD-Ländern die Lohnquote umso stärker gesenkt, je mehr sie ihre Branche dominieren. Allerdings ist die internationale Datenlage weniger umfangreich als für die USA. Ebenda, Seiten 22 und 31. Da Netzwerkeffekte angesichts der Digitalisierung in immer mehr Wirtschaftszweigen eine Rolle spielen, dürfte dieser Erklärungsansatz in Zukunft wichtiger werden.

Sonderfall Deutschland?

Außerhalb der USA wird die wirtschaftliche Globalisierung weniger stigmatisiert. Neue Berufsfelder und Absatzmärkte kompensieren negative Arbeitsmarktfolgen etwa von Importkonkurrenz besser. Dies gilt insbesondere für Deutschland, ein Land, das im Gegensatz zu den USA einen sehr großen Handelsbilanzüberschuss aufweist und mit den aufstrebenden osteuropäischen Märkten noch viel enger verflochten ist als mit China. Gesamtwirtschaftlich entstanden durch den Austausch mit beiden Weltregionen, aber vor allem wegen der Handelsintegration mit Osteuropa, zwischen 1988 und 2008 schätzungsweise 442.000 zusätzliche Stellen in Deutschland.15Vgl. Wolfgang Dauth/Sebastian Findeisen/Jens Suedekum, The Rise of the East and the Far East. German Labor Markets and Trade Integration, in: Journal of the European Economic Association, 12. Jahrgang (2014), Heft 6, Seiten 1643–1675, Abstract. Im gleichnamigen IZA Discussion Paper Nr. 6685 vom Juni 2012 schrieben die Autoren sogar noch von 493.000 deutschen Stellen. Auch zwischen 1993 und 2014 nahm hierzulande die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung über alle Wirtschaftszweige leicht zu. Bei Industriearbeitsplätzen mit Importkonkurrenz brach der Index jedoch von 100 auf rund 65 ein. Selbst in der Exportindustrie finden sich seit 1996 durchweg weniger als 90 Prozent der Vollzeitstellen aus dem Jahr 1993. Der positive Gesamteffekt resultiert aus Dienstleistungen (Indexwert rund 112).16Vgl. Wolfgang Dauth/Sebastian Findeisen/Jens Suedekum, Arbeitnehmer in Deutschland profitieren vom Außenhandel – aber nicht alle, in: IAB Kurzberichte Nr. 15 (2017), Seiten 1–8, Seite 2. Insgesamt nimmt Deutschland damit eine Sonderstellung gegenüber Ländern wie den USA, Frankreich, Dänemark oder Norwegen ein: Der Außenhandel mit Osteuropa und China bremste den Beschäftigungsrückgang im verarbeitenden Gewerbe und steigerte in der Exportindustrie sogar die Löhne. Zwar wurden auch bei uns Beschäftigte in Sektoren mit Importkonkurrenz vorübergehend arbeitslos, konnten danach aber im Dienstleistungssektor arbeiten.17Vgl. ebenda, Seiten 7 f. Ähnlich entwickelte sich die Lage in Spanien. Das krisengeschüttelte Land glich zwischen 1999 und 2007 trotz versechsfachter chinesischer Importe die Stellenverluste im verarbeitenden Gewerbe durch neue Arbeitsplätze in anderen Branchen aus.18Vgl. Vicente Donoso/Víctor Martín/Asier Minondo, Do Differences in the Exposure to Chinese Imports Lead to Differences in Local Labour Market Outcomes? An Analysis for Spanish Provinces, in: Regional Studies, 49. Jahrgang (2015), Heft 10, Seiten 1746–1764, Seite 1746.

Der technische Fortschritt wird aber auch in Deutschland nicht vor Geringqualifizierten haltmachen. Überträgt man die Methodik der oben erwähnten 2013er-Studie von den USA auf die Bundesrepublik, gelten 80 Prozent der Arbeitskräfte, die nicht mindestens die Hauptschule abgeschlossen haben, als „maschinell“ ersetzbar. Demgegenüber sind nur 18 Prozent der promovierten Beschäftigten gefährdet.19Vgl. Holger Bonin/Terry Gregory/Ulrich Zierahn, Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland, in: ZEW Kurzexpertise, Nr. 57 (2015), Seite 16; Frey/Osborne analysierten jedoch nicht die Automatisierung, sondern die Computerisierung. Auch hierzulande arbeiten 42 Prozent der Arbeitskräfte in Berufen, die mit einer Wahrscheinlichkeit von über 70 Prozent binnen 10 bis 20 Jahren von Maschinen ausgeführt werden dürften. Betrachtet man statt ganzer Berufe jedoch Tätigkeitsprofile, sinkt dieser Anteil auf nur noch 12 Prozent.20Vgl. ebenda, Seite i. Die Diskrepanz von immerhin 30 Prozentpunkten verdeutlicht einmal mehr die Binsenwahrheit, dass jede Prognose mit den zugrundeliegenden Annahmen steht und fällt. Sie bestätigt aber auch, wie stark ein hohes Bildungsniveau vor Automatisierung schützt.

Automatisierung und Arbeitsmärkte in weiteren Industrie- und Schwellenländern

Internationale Vergleichsstudien für sämtliche Industrieländer belegen gravierende Arbeitsmarkteffekte des zunehmenden Technikeinsatzes. So entstanden zwischen 1995 und 2015 in fast allen OECD-Staaten mehr Stellen im Hoch- und Niedriglohnsektor, während mittlere Qualifikationen deutlich verloren. Rund ein Drittel dieser Polarisierung ging darauf zurück, dass Industrietätigkeiten abgebaut wurden und einfache, schlechter bezahlte Dienstleistungen zunahmen. Die OECD hebt ausdrücklich hervor, dass die öffentliche Wahrnehmung die Rolle des internationalen Handels bei der Stellenpolarisierung überbewertet und den Einfluss neuer Technologien unterschätzt.21Vgl. OECD Employment Outlook 2017, in: OECD Publishing, Paris 2017, Seite 10. In den nächsten 10 bis 20 Jahren sind über alle erfassten Industrieländer 34 Prozent der Stellen gefährdet oder werden sich stark verändern (vgl. Tabelle 2). Auch dieser Rechnung liegen Tätigkeitsprofile statt ganzer Berufe zugrunde. Die Bandbreite der 21 betrachteten Industrieländer ist dabei groß.22Vgl. Melanie Arntz/Terry Gregory/Ulrich Zierahn, The Risk of Automation Jobs in OECD Countries: A comparative analysis, in: OECD Social, Employment and Migration Working Papers, No. 189 (2016), zum Beispiel Seite 4: nur sechs Prozent stark gefährdete Tätigkeitsprofile in Korea versus zwölf Prozent in Österreich. Alle 21 untersuchten Länder: ebenda, Seite 16. Und auch im OECD-Durchschnitt befinden sich rund 40 Prozent der Hauptschulabsolventen beziehungsweise die untersten 25 Prozent der Einkommensbezieher in der Hochrisikogruppe, während die Automatisierungsgefahr für Akademiker beziehungsweise die obersten 25 Prozent Einkommensempfänger nahe Null liegt.23Vgl. ebenda, Seite 20. Hauptschulabsolventen: „Lower secondary education“. Bei „Primary or less education“ liegt der Hochrisikoanteil deutlich über 50 Prozent.

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Erweitert man den Blick von traditionellen Industrieländern auf die 25 wichtigsten Exportnationen der Welt, verändern sich vor allem Südostasiens Arbeitsmärkte rasant. In der dynamischsten Ländergruppe werden Roboter bereits im Jahr 2025 bis zu 40 Prozent der Produktionsleistung repräsentieren. Schon fünf bis zehn Jahre später wird dort ein Sättigungsgrad von fast 60 Prozent erreicht sein. Wesentlich langsamer dürfte dieser Prozess in großen Schwellenländern wie Indien und Brasilien verlaufen, aber auch in vielen europäischen Volkswirtschaften. Das liegt unter anderem an unflexiblen, stark regulierten Arbeitsmärkten. Die weltweit größten Volkswirtschaften USA, China und Japan befinden sich in der zweitschnellsten Anwendergruppe (vgl. Tabelle 3). Speziell in einigen Entwicklungsländern werden Roboter bis 2025 sogar rund die Hälfte der Produktion übernehmen.24Vgl. Harold L. Sirkin/Michael Zinser/Justin R. Rose, The Robotics Revolution: The Next Great Leap in Manufacturing, in: The Boston Consulting Group 2015, Seiten 16–19. Weltweit dürfte der Anteil maschineller Helfer im verarbeitenden Gewerbe zwischen 2015 und 2025 von 10 Prozent auf 25 Prozent steigen.25Vgl. ebenda, Seite 4.

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Das gesamte Automatisierungspotenzial von immerhin 46 Volkswirtschaften könnte durchschnittlich 50 Prozent bis 2055 erreichen. Der länderspezifische Umsetzungszeitraum liegt bis zu 20 Jahre darüber oder darunter.26Vgl. James Manyika et al., a. a. O., Seite ii. In absoluten Zahlen stehen weltweit 1,1 Milliarden Vollzeitstellen und 15,8 Billionen US-Dollar Lohn zur Disposition. 394 Millionen Arbeitsplätze werden allein in China ersetzt, 233 Millionen in Indien (vgl. Tabelle 4).27Vgl. ebenda, Seite 9. Globalisierung und Automatisierung verändern also in den nächsten Jahrzehnten keineswegs nur die Arbeitsmärkte westlicher Industrieländer.

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Fazit und Ausblick

Automatisierung und Globalisierung hängen eng zusammen. Eine isolierte Analyse der jeweiligen Auswirkungen ist schon kompliziert, wenn man empirische – sprich: historische – Daten auswertet; noch schwieriger und naturgemäß weniger belastbar ist die Auswertung, wenn es um künftige Entwicklungen geht. Die Literatur zu den Beschäftigungseffekten des technischen Fortschritts ist umfangreich und kontrovers. Ähnliches gilt für die belegbaren Folgen der internationalen Arbeitsteilung. Die oben vorgestellten Studien zeigen aber, dass die aktuelle Globalisierungskritik mehr Technikkritik beinhalten müsste. Es lohnt sich, diese wissenschaftliche Erkenntnis stärker in die Öffentlichkeit zu tragen: Erstens werden technische Neuerungen in weiten Bevölkerungsteilen geschätzt und begrüßt. Zweitens ist es für populistisch argumentierende Politiker dann viel schwieriger, wirtschaftliche Offenheit und internationalen Handel für Verteilungsprobleme verantwortlich zu machen, die tatsächlich andere Ursachen haben. Schließlich dürfte sich die Aufmerksamkeit dadurch intensiver auf die eigentliche Herausforderung der Zukunft richten: Die Menschheit optimal aus- und fortzubilden.

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, herausgegeben von der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn, ISSN 2366-021X

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Fussnoten

  • 1
    Vgl. Dani Rodrik, The Globalization Paradox. Why Global Markets, States, and Democracy Can’t Coexist, Oxford, New York 2011, vor allem Seiten xviii f.
  • 2
    Vgl. Überblick bei Britta Kuhn, Globalisierungskritik und Antworten, in: WISU (2017), Heft 3, Seiten 335–339.
  • 3
    Vgl. Paul A. Samuelson, Where Ricardo and Mill Rebut and Confirm Arguments of Mainstream Economists Supporting Globalization, in: Journal of Economic Perspectives, 18. Jahrgang (2004), Heft 3, Seiten 135–146, Seiten 140 ff.
  • 4
    Vgl. David H. Autor/David Dorn/Gordon H. Hanson, The China Syndrome. Local Labor Market Effects of Import Competition in the United States, in: American Economic Review, 103. Jahrgang (2013), Heft 6, Seiten 2121–2168, Seite 2121.
  • 5
    Vgl. Daron Acemoglu/David Autor/David Dorn/Gordon H. Hanson/Brendan Price, Import Competition and the Great US Employment Sag of the 2000s, in: Journal of Labor Economics, 34. Jahrgang (2016), Heft S1, Seiten S141–S198, Seiten 143 und 146 f.
  • 6
    Vgl. Daron Acemoglu/Pascual Restrepo, Robots and Jobs: Evidence from US Labor Markets, Working Paper, 17.3.2017, Seiten 4 f.
  • 7
    Vgl. Carl B. Frey/Michael A. Osborne, The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation?, Working Paper, 17.9.2013, Seiten 44 ff.
  • 8
    Vgl. Patrick Bernau, Keine Angst vor den Robotern, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 30.4.2017, Seite 22.
  • 9
    Vgl. James Manyika/Michael Chui/Mehdi Miremadi/Jacques Bughin/Katy George/Paul Willmott/Martin Dewhurst, A Future That Works: Automation, Employment, and Productivity, in: McKinsey Global Institute (2017), Seite 4 (Methodik), Seite 9 (Automatisierungspotenzial) und Seite 7 (Bandbreite).
  • 10
    Vgl. Michael A. Clemens/Ethan G. Lewis/Hannah M. Postel, Immigration Restrictions as Active Labor Market Policy: Evidence from the Mexican Bracero Exclusion, in: IZA Discussion Paper Series, Nr. 10512 (2017), Seite 3.
  • 11
    Vgl. ebenda, Seiten 31 und 41 f.
  • 12
    Vgl. ebenda, Seiten 24 ff.
  • 13
    Vgl. z. B. Thomas Piketty, Capital in the Twenty-First Century, Cambridge (Mass.) 2014; vgl. Angus Deaton, The Great Escape. Health, Wealth, and the Origins of Inequality, Princeton 2015; vgl. Branko Milanović, Global Inequality. A New Approach for the Age of Globalization, Cambridge (Mass.) 2016.
  • 14
    Vgl. David Autor/David Dorn/Lawrence F. Katz/Christina Patterson/John van Reenen, The Fall of the Labor Share and the Rise of Superstar Firms, Working Paper, 1.5.2017, Seite 2. Zu Lohnquoten im internationalen Vergleich ebenda, Seite 31. „Superstar-Firmen“ haben auch in den anderen OECD-Ländern die Lohnquote umso stärker gesenkt, je mehr sie ihre Branche dominieren. Allerdings ist die internationale Datenlage weniger umfangreich als für die USA. Ebenda, Seiten 22 und 31.
  • 15
    Vgl. Wolfgang Dauth/Sebastian Findeisen/Jens Suedekum, The Rise of the East and the Far East. German Labor Markets and Trade Integration, in: Journal of the European Economic Association, 12. Jahrgang (2014), Heft 6, Seiten 1643–1675, Abstract. Im gleichnamigen IZA Discussion Paper Nr. 6685 vom Juni 2012 schrieben die Autoren sogar noch von 493.000 deutschen Stellen.
  • 16
    Vgl. Wolfgang Dauth/Sebastian Findeisen/Jens Suedekum, Arbeitnehmer in Deutschland profitieren vom Außenhandel – aber nicht alle, in: IAB Kurzberichte Nr. 15 (2017), Seiten 1–8, Seite 2.
  • 17
    Vgl. ebenda, Seiten 7 f.
  • 18
    Vgl. Vicente Donoso/Víctor Martín/Asier Minondo, Do Differences in the Exposure to Chinese Imports Lead to Differences in Local Labour Market Outcomes? An Analysis for Spanish Provinces, in: Regional Studies, 49. Jahrgang (2015), Heft 10, Seiten 1746–1764, Seite 1746.
  • 19
    Vgl. Holger Bonin/Terry Gregory/Ulrich Zierahn, Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland, in: ZEW Kurzexpertise, Nr. 57 (2015), Seite 16; Frey/Osborne analysierten jedoch nicht die Automatisierung, sondern die Computerisierung.
  • 20
    Vgl. ebenda, Seite i.
  • 21
    Vgl. OECD Employment Outlook 2017, in: OECD Publishing, Paris 2017, Seite 10.
  • 22
    Vgl. Melanie Arntz/Terry Gregory/Ulrich Zierahn, The Risk of Automation Jobs in OECD Countries: A comparative analysis, in: OECD Social, Employment and Migration Working Papers, No. 189 (2016), zum Beispiel Seite 4: nur sechs Prozent stark gefährdete Tätigkeitsprofile in Korea versus zwölf Prozent in Österreich. Alle 21 untersuchten Länder: ebenda, Seite 16.
  • 23
    Vgl. ebenda, Seite 20. Hauptschulabsolventen: „Lower secondary education“. Bei „Primary or less education“ liegt der Hochrisikoanteil deutlich über 50 Prozent.
  • 24
    Vgl. Harold L. Sirkin/Michael Zinser/Justin R. Rose, The Robotics Revolution: The Next Great Leap in Manufacturing, in: The Boston Consulting Group 2015, Seiten 16–19.
  • 25
    Vgl. ebenda, Seite 4.
  • 26
    Vgl. James Manyika et al., a. a. O., Seite ii.
  • 27
    Vgl. ebenda, Seite 9.
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Fussnoten

  • 1
    Vgl. Dani Rodrik, The Globalization Paradox. Why Global Markets, States, and Democracy Can’t Coexist, Oxford, New York 2011, vor allem Seiten xviii f.
  • 2
    Vgl. Überblick bei Britta Kuhn, Globalisierungskritik und Antworten, in: WISU (2017), Heft 3, Seiten 335–339.
  • 3
    Vgl. Paul A. Samuelson, Where Ricardo and Mill Rebut and Confirm Arguments of Mainstream Economists Supporting Globalization, in: Journal of Economic Perspectives, 18. Jahrgang (2004), Heft 3, Seiten 135–146, Seiten 140 ff.
  • 4
    Vgl. David H. Autor/David Dorn/Gordon H. Hanson, The China Syndrome. Local Labor Market Effects of Import Competition in the United States, in: American Economic Review, 103. Jahrgang (2013), Heft 6, Seiten 2121–2168, Seite 2121.
  • 5
    Vgl. Daron Acemoglu/David Autor/David Dorn/Gordon H. Hanson/Brendan Price, Import Competition and the Great US Employment Sag of the 2000s, in: Journal of Labor Economics, 34. Jahrgang (2016), Heft S1, Seiten S141–S198, Seiten 143 und 146 f.
  • 6
    Vgl. Daron Acemoglu/Pascual Restrepo, Robots and Jobs: Evidence from US Labor Markets, Working Paper, 17.3.2017, Seiten 4 f.
  • 7
    Vgl. Carl B. Frey/Michael A. Osborne, The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation?, Working Paper, 17.9.2013, Seiten 44 ff.
  • 8
    Vgl. Patrick Bernau, Keine Angst vor den Robotern, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 30.4.2017, Seite 22.
  • 9
    Vgl. James Manyika/Michael Chui/Mehdi Miremadi/Jacques Bughin/Katy George/Paul Willmott/Martin Dewhurst, A Future That Works: Automation, Employment, and Productivity, in: McKinsey Global Institute (2017), Seite 4 (Methodik), Seite 9 (Automatisierungspotenzial) und Seite 7 (Bandbreite).
  • 10
    Vgl. Michael A. Clemens/Ethan G. Lewis/Hannah M. Postel, Immigration Restrictions as Active Labor Market Policy: Evidence from the Mexican Bracero Exclusion, in: IZA Discussion Paper Series, Nr. 10512 (2017), Seite 3.
  • 11
    Vgl. ebenda, Seiten 31 und 41 f.
  • 12
    Vgl. ebenda, Seiten 24 ff.
  • 13
    Vgl. z. B. Thomas Piketty, Capital in the Twenty-First Century, Cambridge (Mass.) 2014; vgl. Angus Deaton, The Great Escape. Health, Wealth, and the Origins of Inequality, Princeton 2015; vgl. Branko Milanović, Global Inequality. A New Approach for the Age of Globalization, Cambridge (Mass.) 2016.
  • 14
    Vgl. David Autor/David Dorn/Lawrence F. Katz/Christina Patterson/John van Reenen, The Fall of the Labor Share and the Rise of Superstar Firms, Working Paper, 1.5.2017, Seite 2. Zu Lohnquoten im internationalen Vergleich ebenda, Seite 31. „Superstar-Firmen“ haben auch in den anderen OECD-Ländern die Lohnquote umso stärker gesenkt, je mehr sie ihre Branche dominieren. Allerdings ist die internationale Datenlage weniger umfangreich als für die USA. Ebenda, Seiten 22 und 31.
  • 15
    Vgl. Wolfgang Dauth/Sebastian Findeisen/Jens Suedekum, The Rise of the East and the Far East. German Labor Markets and Trade Integration, in: Journal of the European Economic Association, 12. Jahrgang (2014), Heft 6, Seiten 1643–1675, Abstract. Im gleichnamigen IZA Discussion Paper Nr. 6685 vom Juni 2012 schrieben die Autoren sogar noch von 493.000 deutschen Stellen.
  • 16
    Vgl. Wolfgang Dauth/Sebastian Findeisen/Jens Suedekum, Arbeitnehmer in Deutschland profitieren vom Außenhandel – aber nicht alle, in: IAB Kurzberichte Nr. 15 (2017), Seiten 1–8, Seite 2.
  • 17
    Vgl. ebenda, Seiten 7 f.
  • 18
    Vgl. Vicente Donoso/Víctor Martín/Asier Minondo, Do Differences in the Exposure to Chinese Imports Lead to Differences in Local Labour Market Outcomes? An Analysis for Spanish Provinces, in: Regional Studies, 49. Jahrgang (2015), Heft 10, Seiten 1746–1764, Seite 1746.
  • 19
    Vgl. Holger Bonin/Terry Gregory/Ulrich Zierahn, Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland, in: ZEW Kurzexpertise, Nr. 57 (2015), Seite 16; Frey/Osborne analysierten jedoch nicht die Automatisierung, sondern die Computerisierung.
  • 20
    Vgl. ebenda, Seite i.
  • 21
    Vgl. OECD Employment Outlook 2017, in: OECD Publishing, Paris 2017, Seite 10.
  • 22
    Vgl. Melanie Arntz/Terry Gregory/Ulrich Zierahn, The Risk of Automation Jobs in OECD Countries: A comparative analysis, in: OECD Social, Employment and Migration Working Papers, No. 189 (2016), zum Beispiel Seite 4: nur sechs Prozent stark gefährdete Tätigkeitsprofile in Korea versus zwölf Prozent in Österreich. Alle 21 untersuchten Länder: ebenda, Seite 16.
  • 23
    Vgl. ebenda, Seite 20. Hauptschulabsolventen: „Lower secondary education“. Bei „Primary or less education“ liegt der Hochrisikoanteil deutlich über 50 Prozent.
  • 24
    Vgl. Harold L. Sirkin/Michael Zinser/Justin R. Rose, The Robotics Revolution: The Next Great Leap in Manufacturing, in: The Boston Consulting Group 2015, Seiten 16–19.
  • 25
    Vgl. ebenda, Seite 4.
  • 26
    Vgl. James Manyika et al., a. a. O., Seite ii.
  • 27
    Vgl. ebenda, Seite 9.