Im Jahr 1984 erhielt Dr. Thomas Löffelholz den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik. Von 1994 bis 2004 war er Mitglied der Jury des Publizistik-Preises. Am 15. März 2018 ist Thomas Löffelholz im Alter von 85 Jahren verstorben. Lesen Sie einen Nachruf von Rainer Zitelmann.

Die WELT stand viele Jahre eher für Stillstand und Konturlosigkeit. Darum war es eine positive Überraschung, als Thomas Löffelholz 1995 mit bereits 62 Jahren die WELT-Chefredaktion übernahm. Zuvor war er Chefredakteur der „Stuttgarter Zeitung“ gewesen. Löffelholz kam ohne Gefolgschaft, obwohl man ihm vorhergesagt hatte, die WELT-Redaktion sei eine Schlangengrube. Er verließ sich auf sich selbst – und auf die Kraft der Überzeugung.

Das war generell seine Philosophie: Er vertraute in seinem unerhörten Optimismus stets auf die Kraft des besseren Argumentes. Als Chefredakteur versuchte er vor allem zu überzeugen. Nicht Anordnungen von oben, sondern Argumente waren das Führungsinstrument, auf das er sich ganz verließ. Löffelholz verband ein ungeheures Faktenwissen mit gesundem Menschenverstand. Politische Korrektheit war dem liberalen Journalisten ein Gräuel, so wie jede Unduldsamkeit gegen Andersdenkende.

Die Warnung vor der Schlangengrube war übrigens nicht ganz falsch. Obwohl der Mann mit der Fliege, der viel jünger aussah als er war, bei den meisten Kollegen beliebt war, gab es auch einige, die den neuen Chefredakteur auszubremsen versuchten, weil er die eigenen Karrierepläne zunichte gemacht hatte. Am Schluss aber behielt Löffelholz auch gegen Intriganten die Oberhand.

Geboren wurde er 1932 in Wiesbaden. Im Krieg und der Nachkriegszeit musste er 13-mal die Schule wechseln. Studiert hatte er Jura, Nationalökonomie und auch einige Semester Soziologie in den USA. Der Titel seiner juristischen Dissertation passte zu seinem Weltbild: „Die Rechtsphilosophie des Pragmatismus.“

Kontroverse mit Leo Kirch

Löffelholz war Wirtschaftsredakteur, später war er viele Jahre für die „Stuttgarter Zeitung“ in Brüssel, danach leitete er das Bonner Büro der Zeitung, bevor er 1983 deren Chefredakteur wurde. 1982/83 war er Vorsitzender des Deutschen Presseclubs. Er erhielt zahlreiche angesehene Preise, so etwa den Theodor-Wolff-Preis, den Karl-Bräuer-Preis, den Ludwig-Erhard-Preis und den Franz-Karl-Maier-Preis.

Bundesweites Aufsehen erregte er bei der WELT durch eine Kontroverse mit Leo Kirch. Löffelholz hatte, erst wenige Monate im Amt, einen Artikel veröffentlicht, in dem das sogenannte Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gerechtfertigt wurde. Verfasst hatte den Text der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig, Rudolf Wassermann, einer der ausgesprochen konservativen Kommentatoren der WELT.

Leo Kirch, damals einer der Hauptaktionäre des Springer-Verlages, schrieb einen Brandbrief an den Springer-Testamentsvollstrecker und -Aufsichtsratsvorsitzenden Bernhard Servatius und forderte die „umgehende Ablösung des Chefredakteurs“. Begründung: Die „bürgerliche, dem christlich-abendländischen Weltbild verpflichtete Grundhaltung“ des Verlags würde beschädigt. Löffelholz meinte später, vielleicht habe ihn dieser Brief gerettet, denn nun hätte ihn natürlich niemand entlassen können.

Dem Leser die Welt erklären

Löffelholz war ein Mann von festen Überzeugungen, aber er plädierte immer dafür, die Argumente derjenigen, die ganz anders denken, ernst zu nehmen. Die Aufgabe des Journalisten sah er dabei zwar auch in der Kritik, jedoch vor allem darin, den Lesern komplizierte Sachverhalte zu erklären. „Missionarischer“ Journalismus war seine Sache nicht.

Manche Journalisten sind sehr empfindlich, wenn Medien kritisiert werden. Löffelholz gehörte zu den Journalisten, die Entwicklungen in den Medien immer wieder kritisch beobachteten. In einem Aufsatz schrieb er:

„Jede Gesellschaft, auch die reichste, auch die gerechteste, produziert Tag für Tag ‚erschütternde Bilder‘ und ‚bewegende, menschliche Schicksale‘… An erschütternden Bildern ist in unserer Medienwelt nie Mangel. Aber sagen Bilder, was sie sagen? Zum Sinnbild des ersten Golfkriegs wurde ein ölverschmierter, todgeweihter Kormoran. Das Bild rüttelte die Menschen auf, als Saddam Hussein Öl in den Golf laufen ließ. Experten warnten, das brennende Öl werde das Klima zerstören. Der sterbende Kormoran hatte freilich den Golf nie zu Gesicht bekommen. Sein Bild lag im Archiv, wo es kampagnenfähige Journalisten fanden und als Mahnung publizierten. Es ging um den Frieden in der Welt!“

Hilfsbereit und liebenswürdig

In den letzten Jahren klagte Löffelholz immer wieder über gesundheitliche Beschwerden, aber er war – bis auf die letzten Wochen – geistig brillant. Er wollte die große Welt ebenso wie die WELT im Kleinen verändern, allein durch die Kraft des besseren Argumentes. Viel von dem, was sein Nachfolger Mathias Döpfner verbesserte und veränderte, wäre nicht möglich gewesen ohne das Wirken von Thomas Löffelholz.

Am 15. März ist er in Königswinter bei Bonn gestorben. Er hinterlässt eine Frau und drei Söhne – und viele Freunde, die ihn wegen seiner ungeheuren Hilfsbereitschaft und Liebenswürdigkeit ebenso mochten wie wegen einer überragenden Argumentationskraft.

Er soll noch einmal zu Wort kommen: „Nüchterne Information ist heute – inmitten der Flut der Bilder, Emotionen und Informationen, die auf den Bürger niedergeht – schwieriger geworden“, schrieb er in einer Rückschau auf ein halbes Jahrhundert Theodor-Wolff-Preis.

„Zumal in der modernen, arbeitsteiligen Welt ungezählte, oft dramatisch widersprüchliche Interessen miteinander konkurrieren … Wir fordern den Atomausstieg (sofort) und natürlich keine Kohlekraftwerke (des Klimas wegen). Aber genügend Strom (aus der Steckdose) und alle Energie, um die Arbeitsplätze zu sichern. Eine solche Gesellschaft im Widerspruch können ‚erschütternde Bilder‘ und Emotionen nicht erklären, im Gegenteil, sie vernebeln und befördern Politikverdrossenheit.“

Rainer Zitelmann war unter Thomas Löffelholz WELT-Ressortleiter Zeitgeschichte. Sein Nachruf wurde zuerst in der WELT veröffentlicht.

DRUCKEN
DRUCKEN