Am 14. März 2020 ist Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Artur Woll im Alter von 96 Jahren verstorben. Im Jahr 1986 wurde er mit dem Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet.

In ihrer Laudatio würdigte Dr. Isabel Mühlfenzl, Mitglied der Jury des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik, Artur Woll als „wissenschaftlichen Bestsellerautor“, der „ein theoretisches Lehrgebäude der Volkswirtschaftslehre geschaffen [hat], wie wir es im deutschsprachigen Raum in den Nachkriegsjahren lange vermisst haben“ und dem es gelungen ist, dass „jeder Student der Volkswirtschaftslehre oder der Wirtschaftswissenschaften, der seine Bücher liest, das Funktionieren der unsichtbaren Hand, den Mechanismus des Marktes versteht“.

Im Gedenken an Artur Woll veröffentlichen wir einen Auszug aus seiner Preisrede, der in Zeiten der Corona-Pandemie und der Suche nach den besten Lösungen zur Bewältigung der davon ausgehenden Krise in Wissenschaft und Politik zu neuer Aktualität gelangt:

„… Lassen Sie mich in einem Kreise, in dem sich Politiker und Wissenschaftler regelmäßig begegnen, mit zwei Bemerkungen schließen. Eine erste Bemerkung sei: Die Welt, in der wir leben, ist komplizierter als wissenschaftliche Modelle, die wir von dieser Welt konstruieren. Solche Modelle können das Verständnis der Realität und die Bewältigung auftretender Probleme erleichtern, aber auch in die Irre führen. Die Wissenschaft hat deshalb ein janusförmiges Gesicht: Sie bietet Hilfe und schafft zugleich Gefahren. Diese Ambivalenz gilt nicht zuletzt für die wissenschaftliche Beratung in der Politik. Mein persönlicher Eindruck ist, dass in der gegenwärtigen Situation Politiker häufig – oder wenigstens gelegentlich – wissenschaftliche Hilfe erwarten, die nicht oder noch nicht möglich ist, und Wissenschaftler Vorschläge unterbreiten, die irreführend sind. Mit anderen Worten: Oft sind die Erwartungen der Politiker an die Wissenschaft unerfüllbar und die Antworten der Wissenschaftler anmaßend.

Eine zweite Bemerkung sei: Wir sollten in der Wirtschaftspolitik – wenn uns an einer realistischen Betrachtungsweise liegt – vor allem auf ihre Wirkungen achten, also fragen, ob bestimmte staatliche Aktivitäten tatsächlich erreichen, was sie vorgeben. Euphemistische, verfälschende Bezeichnungen für solche Aktivitäten, wie die Ausdrücke „Beschäftigungsprogramm“ oder „Sicherung der Arbeitsplätze für Mütter“, sollten uns bei der Suche nach den Wirkungen nicht abschrecken.

Dass mit einer Wirkungsanalyse politische Entscheidungen, die an der vermeintlichen Wertschätzung der Wähler orientiert sind, an Attraktivität verlieren, lässt sich kaum vermeiden. Ein Verzicht auf kurzfristige Scheinerfolge ist jedoch auch politisch zu verschmerzen, wenn die Glaubwürdigkeit der Wirtschaftspolitik nachdrücklich, auf Dauer gestärkt wird. Vertrauenskapital – unerlässlich für jede solide Politik – ist schnell zerstört und schwer zu schaffen. Niemand hat dies besser gewusst und politisch beachtet als Ludwig Erhard, dessen Denken und Handeln auch und gerade heute ein Vorbild sein kann.“

Der Auszug ist dem 2017 herausgegebenen Buch „Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik. Reden der Preisträger seit 1977“ entnommen. Weitere Informationen zum Buch finden Sie hier.

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