Die Ludwig-Erhard-Stiftung nahm den 125. Geburtstag ihres Stifters zum Anlass, um mit renommierten Vertretern aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, und Journalismus über den aktuellen Stand und die Zukunft liberaler Gesellschaftsordnungen zu diskutieren.

„Liberalismus unter Druck – Soziale Marktwirtschaft noch aktuell?“ – so lautete das Motto, unter dem die Ludwig-Erhard-Stiftung einlud, um am 3. und 4. November in einem Tagungshotel südlich von München den Stand und die Zukunft der ordoliberalen Idee in Forschung, Praxis, und nicht zuletzt in der öffentlichen Wahrnehmung zu diskutieren. Die Resonanz war wie erhofft groß: ein breites Teilnehmerfeld von rund sechzig Wissenschaftlern, Politikern, Unternehmern, und Journalisten kündigte sich nicht bloß an, sondern erschien vor allem auch zur zweitägigen Konferenzteilnahme im leicht abgelegenen Königsdorf – viele von ihnen bereits am Vorabend. Was im Grunde schon ein Erfolg an sich darstellt, unterstreicht nicht zuletzt den akuten Bedarf nach einer vertieften Auseinandersetzung mit der Gestaltung der liberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung über die intellektuellen Grenzen der eigenen Zunft und Ansichten hinweg. Ordnungsdenken, darauf schienen sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer verständigen zu können, ist angesichts der drängenden Herausforderungen unserer Zeit kein Auslaufmodell, sondern hoch modern und eigentlich – mit Blick auf die historischen Lehren des zwanzigsten Jahrhunderts – (wirtschafts-)politischer Imperativ.

Als Vorbild diente der Konferenz das im Jahr 1938 in Paris veranstaltete „Colloque Walter Lippmann“, welches seinerzeit vor dem Hintergrund fragiler Ordnungen und äußerst bedrückender gesellschaftspolitscher Entwicklungen als ein Katalysator für einen hoffnungsvollen Aufbruch angedacht war. Nicht weniger als die zeitgemäße Erneuerung des Liberalismus und seiner Antworten stand damals auf dem Programm. Ein Programm, das in seiner Ausgestaltung nun auch 84 Jahre später im bayerischen Königsdorf die inhaltlichen Eckpunkte der Tagesordnung setzen sollte. Für diese Agenda gelang es der Ludwig-Erhard-Stiftung namenhafte Referenten zu gewinnen, die mit ihrer einschlägigen Expertise in einem dreißigminutigen Referat, flankiert von zwei bezugnehmenden Impulsen, jeweils die thematische Grundlage für die anschließende Diskussion im Plenum lieferten.

Session 1: Der Grund für den Niedergang und die Rückkehr des Liberalismus

Referat: Joachim Gauck, Bundespräsident a.D.

Impuls: Prof. Dr. Rainer Klump, Direktor des Center for Financial Studies (CFS) im House of Finance der Universität Frankfurt

Impuls: Prof. Dr. Stefan Kolev, Wissenschaftlicher Leiter des Ludwig-Erhard-Forums für Wirtschaft und Gesellschaft, Berlin

 Session 2: Was macht Marktwirtschaft unattraktiv? Sind kapitalistische Wirtschaftsordnungen an ihrem Niedergang selbst schuld? (Orig: Ist der Niedergang des Liberalismus auf endogene Ursachen zurückzuführen?)

Referat: Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld, Walter-Eucken-Institut

Impuls: Prof. Dr. Thomas Biebricher, Copenhagen Business School

Impuls: Lisa Nienhaus, Leiterin der Wirtschafsredaktion Süddeutsche Zeitung

Session 3: Ist die Soziale Marktwirtschaft (Orig.: Liberalismus) in der Lage, ihre soziale und ökologische Aufgabe zu erfüllen?

Referat: Prof. Dr. Stefan Kooths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum im Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel)

Impuls: Prof. Dr. Georg Cremer, Generalsekretär des Caritasverbands a.D.

Impuls: Ralf Fücks, Leiter des Zentrums Liberale Moderne

Session 4: Psychologische, soziologische und ideologische Gründe für den Niedergang der marktwirtschaftlichen Ordnungen

Referat: Prof. Dr. Harold James, Princeton University

Impuls: Prof. Dr. Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach

Impuls: Gerald Braunberger, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Session 5: Die Agenda des Liberalismus

Referat: Prof. Dr. Leszek Balcerowicz, ehemaliger Finanzminister und Nationalbankpräsident der Republik Polen

Impuls: Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué, Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung

Impuls: Prof. Dr. h.c. Roland Koch, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung

Die Konferenz zielte als solche zuallererst auf die Identifikation von Problemfeldern und die ergebnisoffene Diskussion von Ursachen, Wirkungen und potenziellen Lösungsansätzen. Ein liberales Patentrezept für die multiplen Krisenherde der Gegenwart – nicht zuletzt für den in die Defensive geratenen Liberalismus höchstselbst – war freilich nicht in Sicht. Der unmittelbare Erfolg der Konferenz liegt vielmehr im breitangelegten und ergebnisoffenen Diskurs des durchaus heterogenen Teilnehmerkreises. Neben den persönlichen Erkenntnisgewinnen der Teilnehmer ist es der Ludwig-Erhard-Stiftung ferner ein Anliegen, die zahlreichen dokumentierten Beiträge, Gedankengänge, und wertvollen Impulse zum Fragenkomplex der liberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung auszuwerten und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Schließlich war es Anspruch und erklärtes Ziel der Konferenz, den Auftakt zu einem liberalen Diskurs mit Gegenwartsbezug zu bereiten, der außerhalb der Engführung des eigenen intellektuellen Resonanzkörpers stattfindet. „Die abstrakten Gedanken,“ und in diesem Anliegen sieht Roland Koch, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, eine wesentliche Parallele zum originalen Lippmann Kolloquium von 1938, „müssen aktiver genutzt, sie müssen herausgetragen werden.“

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