Eigenwilligkeit, Durchsetzungsvermögen, Prinzipientreue – das dürfte wohl vielen durch den Kopf gehen, wenn sie nach Charaktereigenschaften von Dr. Herbert B. Schmidt gefragt werden.

Wenn man auf die formale Zugehörigkeit von Dr. Schmidt zur Ludwig-Erhard-Stiftung abzielt, geben die Protokolle der Mitgliederversammlungen präzise Auskunft: Dr. Schmidt wurde am 6. Oktober 1981 einstimmig von der Jahreshauptversammlung als offizielles Mitglied der Stiftung aufgenommen, seit November 2017 ist er Ehrenmitglied der Stiftung. Inoffiziell geben andere Quellen Auskunft. Im Archiv findet sich seine Verbundenheit zur Sache Ludwig Erhards wesentlich früher: Briefwechsel mit Ludwig Erhard aus den 1960er Jahren belegen, dass man sich, über die Vorliebe fürs Zigarrenrauchen hinaus, schätzte und unterstützte. Im Januar 1968 drückt Ludwig Erhard beispielsweise seine „lebhafte Genugtuung über unser gestriges Gespräch aus“. Da überrascht es wenig, dass Schmidt seit Gründung der Ludwig-Erhard-Stiftung im Jahr 1967 – und bei allem, was sich ernsthaft mit Ludwig Erhard und seiner Politik befasst – kritisch für diese Ordnung streitet und seine Persönlichkeit für die Sache einsetzt.

Dieser Einsatz erfolgte über die Jahrzehnte in unterschiedlicher Form, politisch, publizistisch oder materiell. So gelangte beispielsweise seine Erhard-Büste 2007 nach Berlin: Der Erhard-Kopf steht seitdem als Dauerleihgabe im Bundesministerium für Wirtschaft. Nur wenigen dürfte sein großes persönliches Engagement nach der Wiedervereinigung in den 1990er Jahren bekannt sein. Da gelang es Schmidt, die von Ludwig Erhard geprägte, definitorische Klarheit für die Soziale Marktwirtschaft unter anderem in Sachsen, vor allem aber in Estland einzusetzen.

In Estland war „Marktwirtschaft“ noch nicht ideologisch vereinnahmt und bürokratisch angelegt worden wie über die Jahrzehnte in Deutschland. In der Bundesrepublik waren Schmidts Vorstellungen von Marktwirtschaft manchem suspekt. Der Staat habe in erster Linie Platz für private Initiative zu schaffen und sich nicht als Finanzier oder Initiator vermeintlich bedeutsamer Projekte aufzuspielen, so seine Interpretation. Die Vorstellung, dass es in der Sozialen Marktwirtschaft zunächst um den Aufbau freiheitlicher, privatwirtschaftlicher Strukturen geht, die sich zu einer selbsttragenden, von Subventionen sowie staatlichen Regulierungen und Kontrollen weitgehend unabhängigen marktwirtschaftlichen Ordnung zusammenfinden, fand im Aufbau der estnischen Wirtschaft ihren Widerhall.

„Kurz gesagt: Soziale Marktwirtschaft ist zur hohlen Phrase verkommen.“
(Herbert B. Schmidt, 2016)

Zeit seines Wirkens macht Dr. Schmidt deutlich, dass die freiheitlichen Prinzipien, auf denen Erhards Politik der Sozialen Marktwirtschaft aufgebaut ist, noch immer bedeutsam sind und Beachtung verdienen. Wie tief sein Verständnis grundlegenden Denkens ist, lässt sich auch an den Seiten der philosophischen, ökonomischen und anderer Klassiker ablesen, die er nicht nur sammelt, sondern auch liest und zitierfähig im Kopf hat.

Die engagierte Persönlichkeit mit der Leidenschaft für Marktwirtschaft wird am heutigen Freitag, den 23. April, 90 Jahre alt. Das nimmt die Stiftung zum Anlass, den „Dr.-Herbert-B.-Schmidt-Wettbewerb für wissenschaftliche Arbeiten zur Sozialen Marktwirtschaft“ aus der Taufe zu heben.


Im Jahr 2018 wurde die „Ludwig-Erhard-Medaille für Verdienste um die Soziale Marktwirtschaft“ unter Mitwirkung von Dr. Herbert B. Schmidt an Dr. Mart Laar, ehemaliger Ministerpräsident der Republik Estland, in Tallin verliehen. Die Dokumentation der Verleihung finden sie hier.

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