Am Symposion der Ludwig-Erhard-Stiftung am 28. Juni 2018 in Berlin zum Thema „Neue Dynamik für die Digitalisierung von Wirtschaft und Währung“ nahm der Unternehmer und Investor Thomas Falk teil. Nachfolgend dokumentieren wir seinen Redebeitrag, in dem er unternehmerische Perspektiven aufzeigte.

Wenn ich mich kurz vorstellen darf: Thomas Falk, Unternehmer und Investor. Im Jahr 1997, vor 21 Jahren, gründete ich eine der ersten Internetfirmen in Deutschland, deren Aufgabe die Auslieferung und Aussteuerung von Internetwerbung war. Damals war die einhellige Meinung: „Das Internet wird bald wieder abgeschaltet“, oder: „Wie soll man je Geld mit Internetwerbung verdienen?“ Zehn Jahre später fusionierte meine Firma mit dem US-Wettbewerber DoubleClick und wurde 2007 von Google gekauft.

Mit 26 Jahren, zu jung für den Ruhestand, begann ich weitere Firmen zu gründen, zum Beispiel smartclip, welche von der RTL Group übernommen wurde und nun Teil des Konzerns ist und TV-Werbung auf Connected TVs ausstrahlt. 2010 wechselte ich dann auf die Investorenseite und begann in Start-ups in den USA und Europa zu investieren. Eines der erfolgreichsten ist „The Tradedesk“, welches letztes Jahr an der Nasdaq gelistet wurde, mit einer Marktkapitalisierung von 4 Milliarden US-Dollar. – So viel zu meinem Background: ein Unternehmer, der sich seit 21 Jahren mit dem Internet und der Digitalisierung befasst.

Keine wettbewerbsstarken Technologie-Firmen in Deutschland

Das jüngste Interview in der Wirtschaftswoche mit Kanzleramtschef Helge Braun vermittelt, was die Bundesregierung unter Digitalisierung versteht: „Die Regierung muss einiges zugleich schaffen: Schnelles, leistungsstarkes Internet muss überall in Deutschland ausgebaut werden. Auch müssen wir dafür sorgen, dass die Wirtschaft fit fürs digitale Zeitalter wird. Und dann müssen wir Sicherheit im Netz gewährleisten.“

Ich freue mich natürlich über schnelles, sicheres Internet und eine fitte Wirtschaft, aber wir müssen die Digitalisierung als ein sehr strategisches Investment in unsere Zukunft sehen. These 1: Wir benötigen Unternehmen, die auf Augenhöhe mit Google, Facebook, Amazon und Apple konkurrieren können. Und, die die Ressourcen haben, Milliarden in neue Technologien zu investieren.

Zum Vergleich: Der gesamte Dax, die Top 30 Firmen in Deutschland, werden so hoch bewertet wie Apple alleine! Wenn jemand in Deutschland gefragt wird, welche großen Internetfirmen es gibt, dann nennen 90 Prozent United Internet. Die Firma hat zwar „Internet“ im Namen, verlegt aber lediglich DSL-Anschlüsse. Wir haben in den letzten 20 Jahren verpasst, richtige Technologie-Firmen zu entwickeln, die eine Chance haben, im globalen Wettbewerb gegen Monopolisten aus dem Valley bestehen zu können. China hat es durch Interventionen und Abschottung seitens des Staates geschafft und gleich eine „Great Firewall“ darum gebaut.

Nehmen wir einfach mal an – rein hypothetisch –, es würde in den USA einen Präsidenten geben, der sein Land über Twitter regiert und ihm würde eines Abends einfallen, die Dienste von Google, Facebook, Amazon und Apple in Europa über Nacht zu untersagen, weil Europa zum Beispiel die Strafzölle nicht zahlen möchte. Ergebnis: 90 Prozent der Smartphones würden nicht mehr funktionieren (70 Prozent Android und 20 Prozent IOS); 95 Prozent der Suchanfragen würden nicht beantwortet; 95 Prozent der Internetwerbung nicht ausgeliefert; 46 Prozent des E-Commerce würden wegfallen, wenn Amazon nicht in Deutschland liefert. Das sind ernüchternde Zahlen, wenn deutlich wird, wie ganze Märkte in Deutschland von US-Unternehmen kontrolliert werden.

Zögerliche Investitionen in neue Technologien

Um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, muss man die Vergangenheit analysieren: Ab 2001, nach dem Platzen der DotCom-Blase, wurde in Deutschland kein Start-up, das im Bereich Internet oder Technologie arbeitet, mehr finanziert. Ich spreche aus eigener Erfahrung: Ich war damals bei der Sparkasse – und habe mich nach einem Kredit erkundigt… Das ging bis 2006 so. Dann gab es wieder ein paar Finanzierungen. Aber nur zwei Jahre später, als 2008 die Finanzkrise kam, war diese Phase auch wieder vorbei.

Erst als die Samwer-Brüder 2010 anfingen, mit Rocket wie am Fließband Start-ups aus den USA zu klonen und teuer zu verkaufen, begann sich in Berlin ein Ökosystem zu entwickeln. Sprich, diejenigen, die bei Rocket oder deren unzähligen Beteiligungen gearbeitet haben, fingen an, sich selbständig zu machen und ihre eigenen Start-ups zu gründen. Mit dem Geld aus den ersten Exits entwickelte sich hier in Berlin eine aktive Business-Angel-Szene. 5.000 Business Angels finanzieren in Deutschland in der Regel die Seed-Phase mit 50.000 bis 200.000 Euro, damit das Unternehmen gegründet werden kann.

Lediglich 100 Venture-Capital-Firmen gibt es in Deutschland, die eine A-Runde mit 1 bis 3 Millionen Euro finanzieren. Zum Vergleich: In den USA gibt es 1.000 Venture Capitals. Bei der B-Runde mit Investitionssummen von 10 bis 30 Millionen Euro reduziert sich der Kreis der Investoren auf eine Handvoll. Die Konsequenz daraus ist, dass viele Firmen an US-Wettbewerber verkauft werden, statt selbst DAS nächste Google zu werden.

Beschreibung eines Finanzierungsablaufs

These 2: Der zweite essentielle Punkt ist das Ausbildungssystem. Es ist quasi das gleiche wie vor 50 Jahren. Es gibt Religions- und Sportunterricht als Pflichtfach, aber nicht Informatik. Das setzt sich an den Hochschulen fort. Bis auf die WHU und die ETH gibt es kaum eine Universität, an der Entrepreneurship studiert werden kann. Gerade diese unheilvolle Kombination aus zu wenig topqualifizierten Unternehmern und mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups wird dazu führen, dass auch das nächste Google aus den USA oder China kommt.

Um zu verstehen, wie schwierig es ist, eine Finanzierung zu erhalten – beschreibe ich Ihnen unseren Investment-Prozess als Venture Capital. Finanzierungsablauf: Pro Jahr schauen wir uns in Europa und den USA rund 2.000 Start-ups aus den verschiedensten Technologie-Bereichen an. Davon werden circa 200 Firmen zum Gespräch eingeladen, von denen bleiben wiederum 20 für eine Due Diligence übrig. Von diesen 20 Firmen investieren wir letztendlich in 10 Firmen. Das entspricht 0,5 Prozent!

Bei diesen Rockstars allerdings trennt sich nochmal die Spreu vom Weizen: Nur 33 Prozent unseres Portfolios bekommt ein Investment für die Follow-on-Runde. Als Venture Fund rechnen wir, dass von 100 Investments circa 70 in Konkurs gehen, 20 bringen das investierte Kapital zurück und 9 bringen 3-mal bis 10-mal den Return on Investment. Lediglich einem „Unicorn“ gelingt es, das 100-Fache des Funding-Volumens zu erzielen – und uns damit zu erlauben, die nächste Generation von Gründern zu fördern.

Ein Düsseldorfer Steuerprüfer konnte nicht glauben, dass jemand freiwillig sein Geld in Firmen investiert, von denen man 70 Prozent abschreibt, und war überzeugt, wir würden Geldwäsche betreiben. Ich freue mich immer, wenn der Staat einem durch solche qualifizierten Mitarbeiter hilft…

Investitionen in Zukunftstechnologien

Lassen Sie mich aufzeigen, welche zukünftigen Felder Deutschland fördern muss, respektive in welche Bereiche wir investieren müssen:

  • Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, AI) wird jedes Business in den nächsten zehn Jahren durchdringen. Beispiel Recruitment: Künstliche Intelligenz wählt bereits heute anhand verschiedener Kriterien aus, wie gut jemand auf die ausgeschriebene Position passt. Beispiel Spracherkennung von Emotionen: Software, die erfasst, wie Sie sich fühlen. Mittels künstlicher Intelligenz kann schon nach wenigen Minuten der Gemütszustand von Menschen erfasst werden. Unser letztes Investment war eine neue Business-Version von Alexa, die Mitarbeitern alle Fragen beantworten und neue Mitarbeiter einarbeiten kann.
  • Drohnen: Drohnen werden ein essenzieller Bestandteil unseres Transportsystems werden. Angefangen bei der Paketzustellung über die Beförderung von Menschen bis hin zu strategischen Militärmanövern.
  • 3D-Printing wird in den nächsten zehn Jahren die Billigproduktionsländer überflüssig machen. Es muss nur noch ein Druckplan gekauft werden und jeder kann sich sein Objekt der Begierde selbst drucken.
  • Natural Language Processing (NLP) – Spracherkennung und Sprachbedienung von allen Geräten und Anwendungen: Spracherkennung wird sämtliche Funktionen des eigenen Hauses, Autos oder Arbeitsplatzes durchdringen.
  • Augmented Reality und Virtual Reality (AR/VR): Der Film „Ready Player One“ von Steven Spielberg gibt einen guten Vorgeschmack darauf, was mit einem Human Brain Interface möglich ist. Simulationen können wie echt erlebt werden.
  • Blockchain-Technology: Hier geht es nicht nur um Krypto-Währungen. Krypto-Währungen wie Bitcoin oder ETH werden noch lange Zeit brauchen, bis sie sich als Währung fest etabliert haben. Die zugrunde liegende Blockchain-Technology ist aber sehr spannend und wird sich auf viele Bereiche ausdehnen – sei es, um den Notar oder das Grundbuchamt zu ersetzen, oder einfach, um zu tracken, woher die letzte Tomate kam, die verdorben war.

Ich denke, wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen, in welche Bereiche wir investieren, und uns der strategischen Relevanz bewusst sind, wie wichtig es ist, uns nicht von US-Anbietern abhängig zu machen, kann Deutschland einige der neuen Kerntechnologien für sich beanspruchen. „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen ist, sie zu gestalten.“ (Willy Brandt)

Hier geht es zur Dokumentation des Symposions mit Fotos und den anderen Redebeiträgen.

Foto: Dirk Hasskarl

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