Anlässlich des Geburtstags von Ludwig Erhard am 4. Februar veröffentlichen wir ein Schreiben des Vorsitzenden Roland Tichy an die Mitglieder, Freunde und Unterstützer der Ludwig-Erhard-Stiftung.

Liebe Mitglieder, Freunde und Unterstützer der Ludwig-Erhard-Stiftung,

wir feiern heute den 123. Geburtstag von Ludwig Erhard. Das vergangene Jahr war ein schwieriges Jahr für seine Ideen und die Konzeption einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die auf den Werten von Freiheit und Verantwortung basiert und die den Wettbewerb als zentrales Element der Wirtschaftsordnung fördert.

In der Öffentlichkeit wurde in einer nicht gekannten Intensität bezweifelt, dass demokratische und marktwirtschaftliche Systeme generell in der Lage sind, die Herausforderung des Klimawandels zu bewältigen. Aber wie könnten Probleme besser bewältigt werden als mit der Kreativität und der Dynamik, die demokratische und marktwirtschaftliche Systeme freisetzen? Die Planwirtschaft und die von Räten oder vermeintlichen „Experten“ angestoßene „Große Transformation“ wird das nicht leisten, sondern im Gestrüpp der inneren Widersprüche und Bürokratien hängen bleiben. Planwirtschaft verspricht viel und leistet wenig. Marktwirtschaft orientiert sich am Können und belohnt Leistung. Wer sich nur am Wollen orientiert, scheitert und schiebt die Verantwortung auf die Wirklichkeit. Doch diese gewinnt immer.

Die Politik der Bundesregierung ist in diesem Sinne nicht ermutigend. Bürokratisierung und Regulierung bis hin zu offenkundig unsinnigen Regelungen ziehen sich durch das Regierungshandeln. Die Entscheidung, auch für Kleinstbeträge am Kiosk und in der Bäckerei Bons zu erzwingen, steht beispielhaft für immer detailliertere Regulierungswut. Es mag ja Kommissionen zur Entbürokratisierung geben, aber jede wegfallende Regel wird durch eine Vielzahl komplizierterer Regeln ersetzt.

Andere Beispiele sind die Kohle-Kommission und generell die Energiepolitik: Statt die dynamische Wirkung des marktwirtschaftlichen Handels mit CO2-Zertifikaten zu feiern, werden Stilllegungsprämien draufgesattelt, die nur Mitnahmeeffekte sowie höhere Lasten für die Steuerzahler bedeuten und die Eigenanstrengung der Energieversorger lähmen.

Das Echo in der Öffentlichkeit ist nicht erbaulich. Die Kritik an der vermeintlich zu laschen Klimapolitik wird zur immer breiteren „Kapitalismuskritik“. Mit vordergründig edlen und alternativlosen Klimazielen gelingt es, Menschen hinter Parolen zu versammeln, die auf die Aushöhlung der Sozialen Marktwirtschaft zielen, und aus vielen Lautsprechern tönen Forderungen, die die demokratisch verfasste Ordnung zersetzen.

Rückblick auf unsere Arbeit im Jahr 2019

In einer solchen Zeit ist die Arbeit der Ludwig-Erhard-Stiftung wichtiger denn je. Ich danke Ihnen, dass Sie die Stiftung mit Rat, Tat und materieller Hilfe unterstützen. So konnte die Stiftung auch im Jahr 2019 für die Soziale Marktwirtschaft eintreten. Mit unserem Sonderheft aus der Reihe „Wohlstand für Alle“ würdigten wir den 70. Geburtstag des Grundgesetzes, in dem unsere freiheitlich demokratische Ordnung verfasst ist.

In bundesweit mit Kooperationspartnern veranstalteten Seminaren für Abiturienten, Studenten und Lehrer sind die Mitarbeiter der Stiftung verschiedenen Fragen zur Sozialen Marktwirtschaft nachgegangen – und sind dabei gerade bei jungen Menschen auf sehr offene und rege Geister getroffen. Die Ludwig-Erhard-Stiftung erfüllt mit diesen Seminaren seit vielen Jahren ihren Satzungsauftrag zur „Förderung freiheitlicher Grundsätze in Politik und Wirtschaft durch staatsbürgerliche Erziehungs- und Bildungsarbeit“.

Mit der Konrad-Adenauer-Stiftung fand ein Kolloquium zur „Vermögenspolitik in der Sozialen Marktwirtschaft“ statt, zweimal veranstaltete die Stiftung mit dem Wirtschaftsrat der CDU ein Europa-Forum zu den Themen „Mehr Fachkräfte für Deutschland und Europa“ sowie „Vermögensbildung in Zeiten von Nullzins“. Beim 9. Frankfurter Ludwig-Erhard-Dialog lautete das Thema: „Deutschland im Herbst 2019 – Brauchen wir jetzt mehr oder weniger Ludwig Erhard?“ Die Mitarbeiter der Stiftung waren zudem bei der Jungen Union NRW und bei der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus im Rahmen der „Rhöndorfer Debatte“ als Referenten tätig. Im eigenen Haus empfingen sie eine Delegation aus Peking vom chinesischen Zentralamt für Marktregulierung.

Ein Höhepunkt der Stiftungsarbeit ist seit 1977 die jährliche Verleihung des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik, der im vergangenen Jahr an Ulf Poschardt ging. Bei der sehr gut besuchten Preisverleihung im FAZ-Atrium in Berlin hielt Sarna Röser die Festrede. Sie wurde im letzten Jahr neben Dr. Nicolaus Heinen und Detlef W. Hübner in den Kreis der Mitglieder der Ludwig-Erhard-Stiftung aufgenommen. Auch die Zahl der Freundeskreismitglieder, die die Arbeit der Stiftung unterstützen, ist weiter gestiegen.

Unser Auftrag, unsere Motivation!

Die Ludwig-Erhard-Stiftung wurde von Ludwig Erhard persönlich ins Leben gerufen und beauftragt, unabhängig von Parteien und Verbänden für die Soziale Marktwirtschaft einzutreten. Neben diesem Satzungsauftrag leiten uns zwei Sätze, die er in seiner letztwilligen Verfügung im Februar 1976 formuliert hat:

„Damit Freiheit, Menschenwürde und Verantwortung in meinem Vaterland Bestand haben, die Soziale Marktwirtschaft wirtschaftliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bleibt und immer mehr Menschen in der Welt frei leben können, möchte ich die Erfahrungen und Lehren meines Lebens auch späteren Generationen zur Verfügung stellen.“ Und weiter heißt es: „Es ist mein Wunsch, dass die Ludwig-Erhard-Stiftung in die Lage versetzt wird, mein politisches und geistiges Erbe lebendig zu halten.“ – Ludwig Erhards Wunsch ist uns Auftrag und Motivation!

Für das Jahr 2020 heißt das konkret: Neben einer Neuauflage seines Buches „Wohlstand für Alle“, die im Econ-Verlag erscheinen wird, wird sich die Stiftung im kommenden Jahr auf zwei Schwerpunktthemen konzentrieren:

  • Die EZB hat damit begonnen, ihre geldpolitische Strategie zu überprüfen. Als Begründung für die Notwendigkeit der Überprüfung gibt die EZB den tiefgreifenden Wandel im Euroraum und in der Weltwirtschaft an, der zu einem niedrigen Zinsniveau führt. Das niedrige Zinsniveau verringere den Spielraum der EZB und anderer Zentralbanken mit Blick auf die geldpolitische Lockerung über herkömmliche geldpolitische Instrumente bei ungünstigen Konjunkturentwicklungen.

Die Ludwig-Erhard-Stiftung stellt daher die Frage: Ist es sinnvoll, wenn die EZB angesichts ihrer derzeitigen offenkundig problematischen Lage neue Aufgaben bekommt, damit sie ihr – wie die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde formuliert – „Mandat der Preisstabilität im Sinne der Europäerinnen und Europäer erfüllen kann“? Ist es sinnvoll, wenn sie ihre geldpolitischen Aufgaben um klimapolitische Ziele ergänzt und damit zwangsweise den Übergang zur mikropolitischen Steuerung vollzieht, wie viele Kritiker fürchten?

  • Unser jährliches Heft aus der Reihe „Wohlstand für Alle“ sowie geplante Tagungen werden sich der Frage widmen, wie die Soziale Marktwirtschaft mit den Forderungen der Klimapolitik in Einklang gebracht werden kann. Oder sind das gar keine Gegensätze: Ist vielleicht freiheitliche Ordnungspolitik doch das beste Instrument, um neuen Herausforderungen zu begegnen? Sind staatliche Steuerung, Lenkung und Planung wirklich einer Politik überlegen, die lediglich den Rahmen bestimmt und auf den Erfindungsreichtum der Unternehmer, die Agilität der Wirtschaft und die Verantwortung der Konsumenten setzt?

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und viele Gespräche, Diskussionen und Debatten. Und ich danke Ihnen, dass Sie sich dieser Herausforderung immer wieder neu stellen. Wenn es die Ludwig-Erhard-Stiftung nicht bereits gäbe, Ludwig Erhard würde sie 2020 erfinden.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Roland Tichy
Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung

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