Innovation ist der Schlüssel zum Erfolg und Wettbewerb der beste Motor für Innovationen, so Justus Haucap, Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung. Künstlicher Schutz vor Wettbewerb mache hingegen träge und fantasielos.

Industriepolitik ist wieder en vogue. Mit einer subventionierten Batteriefabrik soll der Untergang der Lausitz gebremst werden und durch die Zusammenlegung der Zugsparten von Alstom und Siemens soll ein neuer europäischer Champion entstehen, der dem chinesischen Weltmarktführer CRRC Paroli bieten kann. Zum Schrecken zahlreicher Politiker jedoch hat die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Signale für die geplante Fusion erst einmal auf Rot gestellt: Durch die Elefantenhochzeit werde der Wettbewerb in Europa erheblich leiden.

Das drohende Scheitern der Fusion hat bei Siemens-Chef Joe Kaeser eine fast allergische Reaktion hervorgerufen. Technisch gesehen habe die Kommissarin zwar recht, aber dennoch sei eine Untersagung der Fusion „falsch für Europa“. Unterstützung bekam Kaeser sogleich vom Spitzenkandidaten der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), demzufolge es doch nicht sein könne, „dass die EU-Kommission die konkrete Zusammenarbeit zwischen Siemens und Alstom untersagt mit dem Argument, dass dann in Europa der Wettbewerb schwieriger werden würde“. Übersetzt heißt das im Grunde: Es kann doch nicht sein, dass die EU-Kommission die Belange der Verbraucher über die Interessen der Konzerne stellt. Zum Glück ist es aber (noch) anders: Es kann sein. Denn genau dies ist die Aufgabe der EU-Wettbewerbskommissarin: den Wettbewerb schützen und Machtkonzentrationen verhindern.

Die Kommissarin hat mit ihrer Haltung auch nicht nur technisch recht. Der Schutz des Wettbewerbs ist die beste Industriepolitik und keineswegs eine rückwärts gerichtete Vorstellung. Insbesondere in Hightech-Märkten ist Innovation der Schlüssel zum Erfolg, und Wettbewerb der beste Motor für Innovationen. Pure Größe ist hingegen keineswegs eine Voraussetzung für Innovationen. Es ist der Wettbewerb, der Unternehmen regelmäßig dazu bewegt, innovativ zu sein. Ein künstlicher Schutz vor Wettbewerb hingegen macht träge und fantasielos.

„Wo kein Wettbewerb lebendig ist, tritt notwendig ein Stillstand ein, der schließlich zu einer allgemeinen Erstarrung führt“ (Ludwig Erhard 1957).

Natürlich kann Industriepolitik auch einmal erfolgreich sein. Airbus ist ein viel zitiertes Beispiel, das auch für die Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom gern bemüht wird. Es ist auch nicht zu vermeiden, dass man einmal trifft, wenn man oft genug mit der Schrotflinte in den Wald schießt. Gleichwohl gehen viele Schüsse auch daneben: Es gibt zahlreiche abschreckende Beispiele misslungener Industriepolitik. Der Cargolifter, die absurde Förderung der Solarbranche oder auch der Transrapid sind dafür Beispiele.

Insgesamt zeigt sich, dass der Schutz vor Wettbewerb regelmäßig mit einem Verlust an Innovationen einhergeht. Wenig überraschend sind bisher auch keine überzeugenden Argumente dafür vorgebracht worden, warum genau Siemens und Alstom allein nicht mehr innovativ sein können, sondern nur gemeinsam. Die vorgebrachte Argumentation ist hingegen denkbar simpel: „Big ist beautiful“; der chinesische Konkurrent CRRC ist groß, deswegen müssen wir auch groß sein. Aber warum soll es besser sein, nur einen leistungsfähigen Anbieter in Europa zu haben statt zwei?

Dass der Wettbewerb hingegen leidet und damit die Innovationsanreize sinken, ist ziemlich klar. CRRC mag zwar Weltmarktführer sein und in China, Indien und ein paar anderen Regionen hohe Marktanteile haben, in Europa ist das Unternehmen aber bisher nur von sehr untergeordneter Bedeutung; Siemens und Alstom dominieren den europäischen Markt. Wenn europäische Bahnunternehmen nun nicht mehr zwischen konkurrierenden Angeboten von Siemens und Alstom wählen können, dürften Preissteigerungen die Konsequenz sein, die letztlich entweder von den Bahnkunden oder vom Steuerzahler getragen werden müssen. Aus Sicht der fusionierenden Parteien mag das eine attraktive Proposition sein, aus Sicht der Verbraucher und Steuerzahler hingegen nicht. Dass die Wettbewerbskommissarin dies offenbar auch so sieht, mag für die beteiligten Konzerne frustrierend sein, „falsch für Europa“ ist es sicher nicht.

Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE), ist Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung. Dieser Beitrag ist zuerst in der WELT vom 31. Januar 2019 erschienen.

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