Eine Ausweitung der Geldmenge durch sogenanntes Helikoptergeld würde das bestehende Kreditgeldsystem aushebeln. Angesichts der gravierenden Fehlleistungen des Kreditgeldsystems sollte man sich darüber eigentlich freuen. Doch ist zu erwarten, dass Politiker und Zentralbanker mit Helikoptergeld nicht sehr verantwortungsvoll umgehen und daher statt eines geordneten Systemwechsels eine große Geldkrise herbeiführen werden.

Ein Zentralbanker, der in den 1980er Jahren in den Tiefschlaf verfallen wäre und heute aufwachte, würde seine Welt nicht mehr verstehen. Weder hätte er von ZIRP (Zero Interest Rate Policy) noch von NIRP (Negative Interest Rate Policy) oder QE (Quantitative Easing) gehört. Diese neuen Instrumente wurden von den Zentralbanken für ihr Waffenarsenal der Geldpolitik in dem verzweifelten Versuch geschaffen, die von ihnen gesetzten Inflationsziele zu erreichen. Weil der Versuch nun zu scheitern droht, wird erneut über „Helikoptergeld“ diskutiert. Diesen Begriff prägte Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman schon 1969, um damit eine direkte Erhöhung der Geldmenge unter Umgehung der Banken zu beschreiben (Milton Friedman, The Optimum Quantity of Money, London 1969).

„Let us suppose now that one day a helicopter flies over this community and drops an additional $1,000 in bills from the sky, which is, of course, hastily collected by members of the community” (Milton Friedman 1969).

Banken schaffen Giralgeld durch die Vergabe von Krediten. Die Zentralbank hat dabei eine Doppelrolle: Sie liefert das dazu notwendige Zentralbankgeld in Form von Reservegeld und Banknoten auf Nachfrage, und sie versucht, die Kreditnachfrage durch Manipulation der Kreditzinsen zu beeinflussen. In ihrer ersten Rolle will die Zentralbank sicherstellen, dass das von den Banken als private Schuldverschreibung geschaffene Giralgeld jederzeit in das gesetzliche Zahlungsmittel eingetauscht werden kann und somit als Substitut für dieses akzeptiert wird. In ihrer zweiten Rolle will die Zentralbank über die Steuerung der Kreditnachfrage die wirtschaftliche Aktivität und die dadurch hervorgerufene Inflation steuern.

ZIRP, NIRP und QE wurden von den Zentralbanken eingesetzt, um die Banken zur Vergabe von mehr Krediten zu bewegen. Doch dieser Versuch droht an der Bankenpolitik der Regierungen zu scheitern. Diese wollen die Banken sicherer machen, indem sie ihnen mehr Eigenkapital verordnen. Gleichzeitig wollen sie aber auch den Steuerzahler aus der Haftung für Bankpleiten entlassen. Wenn nun aber die Aktionäre und nachrangigen Gläubiger der Banken in die Haftung genommen werden, verlangen diese eine höhere Risikoprämie auf Aktien- und Fremdkapital der Banken. Da die Banken die gestiegenen Kapitalkosten im gegenwärtigen Umfeld aber nicht erwirtschaften können, haben sie große Schwierigkeiten, am Markt neues Kapital aufzunehmen. Um höhere Eigenkapitalquoten erfüllen zu können, bleibt ihnen also nur die Bilanzkürzung durch Einschränkung der Kreditvergabe. Weder ZIRP noch NIRP noch QE können daran etwas ändern.

Höhere Inflation durch Helikoptergeld?

Mit Helikoptergeld sollen nun diese Probleme vermieden und Geld direkt unter die Leute gebracht werden. Davon verspricht man sich eine Erhöhung der Nachfrage und mehr Inflation. Doch wird man wohl kaum Bargeld aus dem Helikopter abwerfen wollen. Bei Friedman mag die Verteilung von Bargeld noch positive Assoziationen geweckt haben. Heute wollen Politiker und Ökonomen das Bargeld am liebsten ganz abschaffen. Wie also kann das Helikoptergeld verteilt werden, und welche Folgen wird das haben?

Bei der Schaffung und Verteilung von Helikoptergeld wird man die Banken nicht ganz umgehen können. Denkbar wäre, dass die Zentralbank den Geschäftsbanken Zentralbankgeld auf die bei ihr gehaltenen Konten der öffentlichen Hand mit der Maßgabe einzahlt, dagegen Giralgeld für den Staat zu schaffen. Dieser könnte dann das Giralgeld über sein Budget unter die Leute bringen. Die Vorgehensweise ist äquivalent zu einer monetären Finanzierung des Budgetdefizits mit dem Unterschied, dass das Defizit nicht beim Staat, sondern bei der Zentralbank verbucht wird. Der Helikopterabwurf durch Staatsausgaben wird vor allem in den USA und Großbritannien diskutiert. Angesichts des Verbots der Staatsfinanzierung und der unzureichenden Koordinierung der Fiskalpolitik im Euro-Gebiet dürfte es der Europäischen Zentralbank (EZB) aber schwerfallen, Helikoptergeld über Staatsbudgets abzuwerfen.

Statt auf Bankkonten des Staates kann Helikoptergeld aber auch auf private Bankkonten verteilt werden. Es wäre anhand der Einwohnerregister sicherzustellen, dass jeder Einwohner nur einen „Abwurf“ auf eines seiner Bankkonten erhält. Wenn im Euroraum jeder Inländer auf diese Weise 3.000 Euro erhielte, so könnte die EZB damit rund 1.000 Milliarden Euro neues Geld schaffen und die Geldmenge M3 um neun Prozent erhöhen. Falls der erste „Abwurf“ nur die Geldersparnis erhöhen sollte, könnte die EZB solange weiter Geld unter die Leute bringen, bis diese es zum Erwerb von Gütern und Dienstleistungen ausgeben würden. Zwar ist Helikoptergeld als Instrument der Geldpolitik in den Statuten der EZB nicht explizit vorgesehen. Doch Artikel 20 erlaubt dem EZB-Rat „mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen über die Anwendung anderer Instrumente der Geldpolitik (zu) entscheiden, die er bei Beachtung des Artikels 2 (Preisstabilität) für zweckmäßig hält“.

Für die Banken bereitet die Verbuchung des „Helikopterabwurfs“ keine Probleme. Der Anstieg ihrer Giralgeld-Einlagen wäre durch einen entsprechenden Anstieg ihrer Zentralbankeinlagen gedeckt (wofür die EZB nun natürlich keinen Strafzins mehr verlangen dürfte). Für die Zentralbank erscheint die Verbuchung auf den ersten Blick schwieriger. Schließlich führt eine Erhöhung der Zentralbankgeldmenge ohne Kreditvergabe zu einem Rückgang des Eigenkapitals der Zentralbank. Zur Deckung von 1.000 Milliarden Euro zusätzlichem Zentralbankgeld würden die rund 444 Milliarden Euro Eigenkapital und Bewertungsrücklagen der EZB nicht ausreichen. Eine Zentralbank ist jedoch auf Eigenkapital nicht angewiesen. Sie kann daher das sich aus der Operation in unserem Beispiel ergebende negative Eigenkapital von 656 Milliarden Euro auf ihrer Bilanz auf der Aktivseite ausweisen. Oder, falls dies als politisch störend empfunden würde, kann sie dem zusätzlichen Zentralbankgeld einen zu erwartenden Aktivposten gegenüberstellen, beispielsweise die in Zukunft anfallenden Gewinne aus der Geldschöpfung (Seigniorage).

Helikoptergeld als Einstieg in ein neues Geldsystem

Kann mit Helikoptergeld aber nun das Inflationsziel erreicht werden? Das ist unwahrscheinlich. Denn dazu müsste die Zentralbank genau wissen, wie viel davon gespart und welcher Teil für den Erwerb von Gütern und Dienstleistungen, deren Preise in den offiziellen Konsumentenpreisindex eingehen, einerseits und von Vermögenswerten andererseits verwendet werden. Dieses Wissen hat sie nicht. Daher kann sie nur mit Versuch und Irrtum ihr Ziel verfolgen. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie über das Ziel hinausschießt. Wenn dies geschieht, verlieren aber die Wirtschaftsakteure ihr Vertrauen in die Kaufkraft des Geldes. Dann gerät der Inflationsanstieg außer Kontrolle. Aus diesem Grund dürfte der „Abwurf“ von Helikoptergeld nicht in der begrenzten Absicht erfolgen, das von der EZB gesetzte Inflationsziel zu erreichen, sondern er müsste als Einstieg in ein neues Geldsystem dienen. Dort sollte Giralgeld als „Aktivgeld“ von öffentlichen und privaten Emittenten statt wie gegenwärtig über die Kreditvergabe als privates Schuldgeld der Banken erzeugt werden. Der Netzwerkwert von „Aktivgeld“ könnte durch eine materielle Unterlegung (zum Beispiel mit Gold) oder durch die Reputation des Emittenten (wie zum Beispiel bei Bitcoin) hergestellt werden.

Geldnutzer sind an der Stabilität des „inneren Werts“ des Geldes, das heißt an seiner langfristigen Kaufkraft, interessiert. Anbieter von Aktivgeld könnten daher um den besten Algorithmus der Geldemission zur Stabilisierung des „inneren Werts“ des Geldes konkurrieren. Da die Nutzer unterschiedliche Vorstellungen über den optimalen Algorithmus zur Sicherung des inneren Werts des Geldes haben dürften, könnten verschiedene Aktivwährungen am Markt gegeneinander im Wettbewerb stehen. Die Idee des Währungswettbewerbs wurde von Friedrich August von Hayek schon 1976 entwickelt (siehe Friedrich A. von Hayek, Denationalisation of Money, London 1976), erschien aber angesichts der technischen Möglichkeiten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs zu dieser Zeit als unrealistisch. Angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten für die Abwicklung der Zahlungsvorgänge würde Wettbewerb unter den Anbietern in der Aktivgeldordnung kein unüberwindliches Problem mehr darstellen.

Helikoptergeld ist also ein zweischneidiges Schwert. Einerseits könnte mit ihm der Ausstieg aus dem Kreditgeldsystem und der Einstieg in ein alternatives Geldsystem eingeleitet werden, in dem Geld nicht länger als private Schuldverschreibung, sondern als Aktivposten erzeugt würde. Andererseits könnte Helikoptergeld zu einem Vertrauensverlust ins Geld und in eine Geldkrise führen, wenn damit Inflation herbeigezwungen werden soll. Vermutlich braucht es jedoch zuerst die Geldkrise, damit ein besseres Geldsystem entstehen kann.

Prof. Dr. Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institutes, ist Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung und Mitglied der Jury des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik.

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