Die Vorschläge der Bundesregierung zeichnen ein düsteres Bild für die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft. Statt der Leistungsbereitschaft der Bürger freien Lauf zu lassen, setzt die Regierung auf Gängelung und Geschenke.

Die ersten Wochen des laufenden Jahres sind aus Sicht von wirtschaftspolitisch Interessierten überaus spannend verlaufen. Gleich mehrere Mitglieder der Bundesregierung oder von ihr eingesetzte Experten warten mit Vorschlägen zu drängenden Problemen auf. Das wäre im Prinzip gut, wären diese Vorschläge wenigstens ansatzweise mit unserer marktwirtschaftlichen Ordnung vereinbar. Denn die angesprochenen Themen sind ohne Zweifel relevant. Sowohl die Energieversorgung als auch die Rentenpolitik sowie die Finanzierung staatlicher Aufgaben müssen nachhaltig werden, und auch die Bedrohung der deutschen Unternehmen durch staatlich subventionierte chinesische Unternehmen ist keine Trivialität.

Allerdings ist es erschreckend, mit welchem konstruktivistischen Eifer und Staatsglauben die Akteure auf diesen Feldern handeln. Anstatt die Kreativität der vielen zu nutzen und mit geschickt gesetzten Anreizen umweltfreundliches Verhalten mit günstiger Energieversorgung zu koppeln, mit effizienter und effektiver Steuerpolitik für die Bekämpfung der Altersarmut zu sorgen oder mit Bürokratieabbau und Infrastrukturinvestitionen die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu fördern, fallen den deutschen Ministern und ihren Experten nur Milliarden-Subventionen, steuerfinanzierte Grundrenten, Verstaatlichungen und Steuererhöhungen ein. Im Einzelnen sieht es so aus:

  • Der Kohlekompromiss sieht den Ausstieg aus der Kohle bis 2038 vor. Es gibt keine erkennbaren Konzepte für den Übergang. Dafür werden die Kohleregionen mit Milliardenbeträgen subventioniert, der Strukturwandel soll aktiv vorangetrieben werden. Die richtige Lösung würde auf Anreize setzen, zum Beispiel durch eine angekündigte langfristige schrittweise Steigerung einer Steuer auf Kohle oder die Vorgabe von langfristig steigenden Quoten für erneuerbare Energien bei der Stromversorgung. Dann bleiben sowohl Anbietern als auch Nachfragern der Kohle genug Zeit, sich umzustellen. Die Steuererlöse könnten dabei durchaus in die Bildung und Infrastruktur in den vom Kohlausstieg betroffenen Regionen gesteckt werden.
  • Arbeitsminister Heil von den Sozialdemokraten hat einen neuerlichen Vorstoß zur Rentenpolitik gemacht, indem er eine Grundrente für diejenigen einführen möchte, die 35 Jahre in das Rentensystem eingezahlt und dabei zu wenig verdient haben, um eine angemessene, das heißt zum Leben ausreichende Rente erhalten zu können. Die damit verbundenen Zusatzkosten sollen aus Steuermitteln finanziert werden. Auf eine Bedürfnisprüfung will er dabei verzichten, weil die Lebensleistung belohnt werden soll. Wenn es Steuermittel sind, so muss eine Bedürfnisprüfung erfolgen. Denn sonst steht zu befürchten, dass Menschen, deren Ehepartner sehr gut verdient hat und die aus freien Stücken aber regelmäßig immer nur sehr wenig gearbeitet haben (die also wohlhabend sind), aus Steuergeldern wesentlich weniger wohlhabender Menschen subventioniert werden. Dies wäre dann keine Respektrente, sondern eine Respektlosigkeit. Dieser Vorschlag ist zudem nicht mit der Logik des Rentensystems vereinbar, da Steuermittel keine Lebensleistung belohnen können. Staatliche Willkür verdrängt ein auf individuelle Leistung aufbauendes System immer mehr, und sie verstößt zunehmend gegen Generationengerechtigkeit. Denn erhöhte Grundrenten schaffen auch stärkeren Druck auf den Rentenbeitrag.
  • Dies wird noch sichtbarer, wenn man den Vorschlag des Finanzministers Scholz danebenlegt, der den Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent erhöhen will. Für Alleinverdiener greift der Spitzensteuersatz bereits ab einem Einkommen von 55.000 Euro. Damit ist ein erheblicher Anteil der Erwerbstätigen betroffen. Übrigens auch mit einem Einkommen darunter ist die Steuerbelastung für viele Menschen bereits sehr hoch. Mit einer Steuererhöhung und einem – demographisch und politisch bedingt – steigendem Rentenbeitrag sinkt das verfügbare Einkommen der Mittelschicht weiter. Darunter befinden sich viele Selbständige, die sozusagen das Rückgrat der Wirtschaft und damit der Gesellschaft bilden. Immer mehr Menschen werden sich fragen, warum sie überhaupt noch arbeiten.
  • Ungewollt die Krone aufgesetzt hat diesen negativen Anreizen zur Leistungsbereitschaft Wirtschaftsminister Peter Altmaier, als er seine Industriestrategie 2030 vorstellte. Die Strategie setzt auf die Forcierung von Fusionen wie der von Siemens und Alstom und die Subventionierung von vermeintlicher Spitzentechnologie wie der Elektromobilität. Sollten chinesische Investoren auf die Idee kommen, deutsche Spitzentechnologie erwerben zu wollen, kann sich der Minister auch die Verstaatlichung dieser vorstellen. Das klingt alles nach „planification à la française“. Der Mittelstand spielt offenbar keine Rolle beim selbsternannten legitimen Nachfolger von Ludwig Erhard. Denn es sind vor allem findige Mittelständler, die deutsche Spitzentechnologien weiterentwickeln; es braucht keine europaweiten Champions. Im Gegenteil, milliardenschwere Subventionen für vermeintliche Spitzentechnologien sorgen nur für Rent-Seeking-Wettläufe und Steuerverschwendung. Die gescheiterten Großprojekte der 1970er- und 1980er-Jahre sollten hier eine Warnung sein. Ein guter Schutz gegen ausländische Wettbewerber stellt diese Industriestrategie ohnehin nicht dar. Denn sie setzt nicht auf horizontale Verbesserungen wie Infrastrukturausbau, Bildungspolitik und Bürokratieabbau, sondern maßt sich Wissen an, das keine Behörde haben kann. Außerdem hat die Regierung bereits Mittel gegen chinesische Investoren mit zweifelhaften Absichten geschaffen. Die Strategie ist bestenfalls überflüssig, vermutlich sogar schädlich.

Insgesamt zeichnen diese Vorschläge ein düsteres Bild von der Bereitschaft der Bundesregierung, das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft wieder neu zu beleben und die Leistungsbereitschaft der Menschen zu stimulieren. Vielmehr setzt sie offenbar vermehrt auf Gängelung und Geschenke von oben – teile und herrsche. Angesichts der Herausforderungen der Zukunft sind das keine guten Nachrichten.

 Der Beitrag von Prof. Dr. Andreas Freytag ist zuerst in seiner Kolumne Freytags-Frage“ der Wirtschaftswoche erschienen.

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