Die Bankenregulierung wurde als Reaktion auf die Finanzmarktkrise in den vergangenen Jahren massiv ausgeweitet. Thomas Hartmann-Wendels zeigt Mängel der neuen Vorschriften auf – und plädiert für Wettbewerb und Eigenverantwortung, kurz: für Marktwirtschaft.

Seit der Finanzmarktkrise wurde eine Vielzahl neuer Regulierungsvorschriften erlassen, und auch heute – elf Jahre nach Ausbruch der Krise – ist noch kein Ende absehbar. Ziel aller Maßnahmen ist, die Widerstandsfähigkeit der Banken zu erhöhen und damit die Stabilität des Finanzsektors zu stärken. So wurden die Anforderungen an das haftende Eigenkapital der Banken massiv erhöht ebenso wie die Kapitalanforderungen für eingegangene Risiken. Um Liquiditätsrisiken – eine der wichtigsten Gefahrenquellen während der Finanzmarktkrise – zu begrenzen, wurden neue, international harmonisierte Liquiditätsvorschriften erlassen. Eine möglichst reibungslose Abwicklung von Banken ohne Gefahr für die Systemstabilität sollen ein neuer EU-weit einheitlicher Rechtsrahmen und neue Institutionen für die Bankenabwicklung gewährleisten.

EU-weit vereinheitlicht wurde auch die Bankenaufsicht unter Federführung der Europäischen Zentralbank (EZB), um zu verhindern, dass Kreditinstitute ihre Aktivitäten in Länder verlagern, deren Bankenaufsicht weniger streng ist. Die Einlagensicherung wurde ausgeweitet; derzeit wird über eine EU-weite Zusammenlegung der Sicherungssysteme gestritten. Fehlanreize durch übermäßige Bonuszahlungen sollen durch die Institutsvergütungsverordnung vermieden werden. Durch die mehrfache Überarbeitung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement wurden die Anforderungen an die Kontroll- und Überwachungsfunktionen innerhalb der Banken massiv verschärft.

Daneben wurde auch die grundsätzliche Ausrichtung der Bankenaufsicht verändert: Eigenkapitalanforderungen sollen nicht mehr vorrangig risikobasiert sein, sondern als gleichberechtigte Zielsetzungen werden nun auch Einfachheit und Vergleichbarkeit angestrebt, teilweise auf Kosten der Risikosensitivität. Ausfluss dieser neuen Richtung sind eine risikoinsensitive Höchstverschuldungsquote (Leverage Ratio) sowie Input- und Output-Floors, die die Risikosensitivität eigener Risikomodelle einschränken.

Unerwünschte Nebenwirkungen

Die Liste der Reformen ließe sich noch um viele Regelungen erweitern. Man kann den für die Bankenregulierung Verantwortlichen sicherlich nicht vorwerfen, untätig geblieben zu sein. Im Gegenteil: Alle Schwachstellen, die während der letzten Finanzmarktkrise zutage traten, wurden umfassend adressiert, bisweilen allerdings nach dem Motto „viel hilft viel“. Dabei wurde zweierlei übersehen: Zum einen muss eine künftige Finanzmarktkrise nicht zwangsläufig aus denselben Fehlentwicklungen resultieren wie die letzte; zum anderen wurde nicht hinreichend beachtet, welche unerwünschten Nebenwirkungen die neuen Vorschriften haben. Manche Regelwerke haben sich nämlich zu bürokratischen Monstern entwickelt – mit der Konsequenz, dass die Kosten der Regulierung von kleineren Banken nicht mehr geschultert werden können und sie sich zu Fusionen gezwungen sehen. Damit leistet man dem Problem des „too big to fail“ Vorschub.

Die neuen Liquiditätsregeln zwingen die Banken dazu, in hohem Umfang risikolose Schuldverschreibungen – als solche gelten gemäß den Regulierungsvorschriften vor allem Staatsanleihen – zu halten. Die Einführung einer Leverage Ratio wird allerdings gerade mit den systemischen Risiken, die mit Positionen in vermeintlich risikoarmen Wertpapieren verbunden sind, begründet. Risikobasierte Kapitalanforderungen werden aufgrund ihrer Komplexität und wegen der Gefahr von Modellrisiken zunehmend kritisch beurteilt. Übersehen wird dabei, dass die Eigenkapitalvorschriften auch deshalb im Laufe der Zeit immer komplexer und risikosensitiver wurden, weil frühere Regeln, die einfach und wenig risikosensitiv waren, von einigen Banken durch Regulierungsarbitrage ausgehebelt wurden und Schieflagen von Banken verursacht haben.

Können wir nun sicher sein, dass sich eine Finanzmarktkrise, wie wir sie vor zehn Jahren erlebt haben, nicht wiederholen wird? Wir können relativ sicher sein, dass der Auslöser der Krise von damals, die massenhafte Verbriefung bonitätsschwacher Kredite, in absehbarer Zukunft keine neue Krise verursachen wird. Aber dies ist ohnehin nicht zu erwarten. Daher ist es auch wenig sinnvoll, dass die Regulierungsvorschriften genau an dieser Krise und deren Ursachen ausgerichtet sind. Dagegen gibt es neue Herausforderungen, denen sich die Banken gegenübersehen.

Aufseher macht auch Geldpolitik

So ist das Problem der engen Verzahnung von Staatsverschuldung und Bankenstabilität immer noch nicht behoben. Nicht zuletzt aufgrund der privilegierten Behandlung bei der Bemessung der Eigenkapitalanforderungen halten Banken hohe Volumina an Staatsanleihen im Bestand. Die Negativzinspolitik der EZB hat die Zinsmarge der Banken drastisch schrumpfen lassen. Kritisch wird es dann für die Banken, wenn das Zinsniveau irgendwann einmal wieder steigen wird. Während die langfristigen Kredite, die während der Phase des Zinstiefs ausgereicht wurden, nur geringe Erträge abwerfen, verteuert sich die Refinanzierung der Banken. Angesichts dieser Problematik wundert es, dass die Zinsrisiken des Bankenbuchs nach wie vor nur in der zweiten Säule, das heißt im Rahmen der qualitativen Bankenaufsicht adressiert werden, nicht aber bei der Bemessung der Eigenkapitalanforderungen.

Zugleich offenbart sich hier eine Fehlkonstruktion bei der Bankenaufsicht: Die EZB ist sowohl für die Geldpolitik als auch für die Aufsicht zuständig. Damit besteht die Gefahr, dass beide Bereiche vermischt werden und die Geldpolitik dazu missbraucht wird, Fehler bei der Bankenaufsicht zu kaschieren.

Weitere Herausforderungen für die Banken sind Fintechs und Kryptowährungen. Letztere waren ursprünglich dazu gedacht, die Rolle der Banken beim bargeldlosen Zahlungsverkehr anzugreifen. Aufgrund der großen Wertschwankungen sind sie jedoch vom Zahlungsinstrument zum Spekulationsobjekt mutiert. Auch wenn Banken selbst nicht in Kryptowährungen investiert sind, können diese zu Problemen führen, nämlich dann, wenn Kredite, mit deren Hilfe der Erwerb von Kryptowährungen finanziert wurde, aufgrund massiver Verluste nicht zurückgezahlt werden.

Wettbewerb und Verantwortung

Fintechs sind eine Bedrohung, weil sie typische Bankdienstleistungen anbieten, ohne selbst Banken zu sein. Das spart Regulierungskosten und vergrößert die Flexibilität. Darüber hinaus nutzen Fintechs konsequent den Umstand aus, dass viele Bankdienstleistungen vollständig digitalisierbar sind und legen damit zugleich die Versäumnisse der Banken schonungslos offen.

Die Herausforderungen, die die Fintechs für die Banken darstellen, werfen zugleich einige grundsätzliche Fragen zur Bankenaufsicht auf. Zu einer Marktwirtschaft gehört Wettbewerb. Wer wichtige Entwicklungen verschläft und dadurch im Wettbewerb zurückfällt, scheidet über kurz oder lang vom Markt aus. Dieser Prozess verläuft nicht immer reibungslos, sondern kann durchaus mit Brüchen verbunden sein. Inwieweit soll eine Bankenaufsicht in diesen Prozess eingreifen mit dem Ziel, das Überleben einer Bank zu sichern? Kann es – wie im Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) vorgesehen – Aufgabe einer Bankenaufsicht sein, das Geschäftsmodell einer Bank zu beurteilen? Ist es sinnvoll, dass die Bankenaufsicht das Ziel anstrebt, umfassend dafür zu sorgen, dass keine Schieflage einer Bank auftritt?

Zu einer Marktwirtschaft gehört das eigenverantwortliche Verhalten aller Akteure; dies betrifft auch die Kunden einer Bank, die sicherlich einen gewissen Schutz benötigen, aber ihr Geld nicht sorglos bei derjenigen Bank anlegen sollten, die gerade den höchsten Zins bietet. Angesichts der massiven Ausweitung der Bankenregulierung ist es Zeit innezuhalten, um sich verstärkt Gedanken zu machen, was eine Bankenregulierung in einer Marktwirtschaft leisten kann und leisten sollte.

Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels ist Direktor am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln.


Dieser Beitrag ist zuerst in der Publikation der Ludwig-Erhard-Stiftung „Wohlstand für Alle – 70 Jahre Währungsreform“ aus dem Jahr 2018 erschienen. Laden Sie das gesamte Heft hier als PDF herunter. Die Print-Ausgabe kann über info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden.

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