Die Corona-Krise bedeutet für die deutsche Wirtschaft eine Vollbremsung bei voller Fahrt, so Sarna Röser, Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung. Sie fordert von der Bundesregierung eine Exit-Strategie und von den Unternehmern Mut und Entschlossenheit, Verantwortung für Betriebe, Mitarbeiter und Regionen zu übernehmen: eine Rückkehr zur „Sozialen Marktwirtschaft – post Corona“.

Das Coronavirus hat die Familienunternehmen infiziert. Der Mittelstand ächzt unter Liquiditätsengpässen, Auftragseinbrüchen und Personalausfällen auf allen Ebenen. Bei zwei Drittel der Familienunternehmen ist die Unternehmenstätigkeit gesunken – um durchschnittlich 50 Prozent. Immer mehr Unternehmen brechen die Einnahmen völlig weg, während die Ausgaben weiterlaufen. Die Corona-Krise bedeutet für die deutsche Wirtschaft eine Vollbremsung bei voller Fahrt. Die Konsequenz: Ohne einen Airbag beim Aufprall übersteht ein Drittel der Familienunternehmen keine acht Wochen mehr.

Das zeigt, wie dramatisch die Situation jetzt schon ist. Der Wegfall dieses Drittels an Unternehmen wiederum zieht in unserer vernetzten Wirtschaft Folgeschäden nach sich. Eine katastrophale Kettenreaktion. Produktionsketten und Dienstleister hängen plötzlich in der Luft. Ob wir absehen können, wie viele Unternehmen in der Folge in den nächsten Wochen und Monaten noch in ernste Schwierigkeiten geraten werden? Leider nein.

Wer in dieser Zeit noch alte Klassenkampfforderungen stellt, den Unternehmen das Betriebskapital über eine Vermögensabgabe entziehen will, hat nichts verstanden. Was es braucht, ist eine große Gesamtanstrengung und für den Moment eine überzeugende Exit-Strategie der Bundesregierung, wie wir das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft ohne Gefahr für die Gesundheit wieder hochfahren können. Eine offene Debatte über mögliche Ausstiegsszenarien darf kein Tabu sein.

Das Gebot der Stunde: Social Distancing

Als junge Familienunternehmerin und Verbandschefin erlebe ich die Corona-Schicksale aus den Familienunternehmen und den jungen Unternehmen aus erster Hand. Ihre Nachrichten über ernsthafte Existenzängste machen betroffen und schockieren. Sie motivieren mich aber auch, meinen Job zu machen. Vorbild zu sein für die Mitarbeiter, Vorbild und Sprachroh zu sein für die vielen Familienunternehmen, die in Deutschland vor der Nachfolge, vor der Übergabe in die nächste Generation stehen. Unsere Familienunternehmen sollen weiter – auch nach Corona – Bestand haben und zum Wohlstand beitragen.

Die Soziale Marktwirtschaft mit ihren Werten wie Eigentum, Freiheit, (Eigen-)Verantwortung und Wettbewerb haben Deutschland zu dem gemacht, was es heute ist: ein wirtschaftlich erfolgreiches Land. Doch diese Maxime sind aktuell durch die Corona-Krise außer Kraft gesetzt. Die Eigentumsrechte werden beim Mietkündigungsrecht beschnitten, die Bewegungsfreiheit aller sowieso, die Gewerbefreiheit ausgesetzt und die Eigenverantwortung durch das Infektionsschutzgesetz auf Eis gelegt.

Zu einem großen Teil zu Recht. Es ist die Kernaufgabe des Staates, das Leben seiner Bürger vor inneren und äußeren Feinden zu schützen, auch vor Seuchen und Pandemien. Social Distancing ist das Gebot der Stunde, und auch die Entscheidungen zum Kontaktverbot, Geschäftsschließungen und Kinderbetreuung zu Hause sind richtig – insofern man eine Perspektive hat. Und wenn die Beschränkungen zeitlich befristet sind.

Denn in der Krise heißt es zusammenzustehen – ohne jedoch unsere ordnungspolitischen Grundpfeiler völlig aus den Augen zu verlieren. Die milliardenschweren Kredite und Soforthilfen sind für viele Unternehmen überlebensnotwendig, selbst die Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse ist angezeigt. Dennoch muss uns allen bewusst sein, dass wir so schnell wie möglich wieder zu den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zurückkehren müssen. Es ist richtig und wichtig, dass der Staat in normalen Zeiten nicht grenzenlos agiert.

Was mich in dieser Hinsicht optimistisch stimmt: Viele lernen gerade unsere Werte, die vor Corona selbstverständlich waren, neu zu schätzen. Unsere Freiheit, unsere Eigenverantwortung. Einige hatten sich an diese Werte schon zu sehr gewöhnt. Sie in wenig vernachlässigt in der letzten Zeit. Der Staat hat uns viele Sorgen abnehmen wollen und vergessen, dass jeder Verantwortung trägt, und diese auch frei tun soll. Der Staat soll zu normalen Zeiten nicht den Alltag, die Altersvorsorge oder die Eigentumswohnung managen. Das möchte ich für mich gern selbst tun – nach bestem Wissen und Gewissen für mein Wohlbefinden und das der Gemeinschaft.

Baustellen vor und nach der Corona-Krise

Ich würde mir wünschen, dass wir der Corona-Krise abgewinnen können, dass wir wieder mehr Mut in unsere eigene Verantwortung legen. Dass wir wieder darüber diskutieren, in welchen Bereichen jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, und welche Kernaufgaben der Staat hat, wofür wir Steuergelder verwenden. So ist die schnelle und beispiellose Unterstützung durch den Staat nämlich auch nur deshalb möglich, weil in den letzten Jahren die deutsche Wirtschaft zu einem hohen Überschuss in den Staatskassen beigetragen hat, und weil die Regierung an die grundgesetzlich geregelte Schuldenbremse gebunden war.

Die Entscheidung zur schwarzen Null und zur Schuldenbremse ist aus heutiger Sicht geradezu überlebensnotwenig gewesen, damit wir in dieser Krise überhaupt den Puffer haben, den es jetzt so dringend braucht. Angezeigt ist aber auch eine Diskussion darüber, wie wir unsere Wirtschaft von den Ranken der deutschen Bürokratien entfesseln können, wo der Staat überreguliert, über das Ziel hinausschießt und so Innovationen und Investitionen blockiert. Die Baustellen waren vor Corona schon groß und sich jetzt umso größer.

In den nächsten zwei Jahren stehen über 250.000 Generationenwechsel in Familienunternehmen an. Die Nachfolger der heutigen Firmenchefs stehen heute schon in den Startlöchern. Es wird eine Herkulesaufgabe für uns als junge Unternehmergeneration sein, die Corona-Scherben wieder einzusammeln. Die Arbeitsplätze zu erhalten. Die Unternehmen „nach Corona“ wieder auf die Straße bringen. Wir erleben die Krise und bangen und hoffen, aber vorrangig sind wir jung, mutig und entschlossen, die Verantwortung für die Betriebe, die Mitarbeiter und die Regionen zu übernehmen. Für die jetzige Krisenzeit brauchen wir die Unterstützung – schnell und ohne Bankenbürokratie.

Wir brauchen aber auch den kalkulierbaren Blick in die Zukunft, eine Perspektive. Das Licht am Ende des Tunnels. Von der Bundesregierung muss nun eine Exit-Strategie kommen, die weder auf Kosten der Gesundheit noch der Wirtschaft geht. Klare Ansagen, wann und unter welchen Bedingungen das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben wieder hochgefahren werden kann. Diese werden uns helfen, Insolvenzen vorzubeugen und kalkulierbar die Zukunft zu planen. Denn: Hilfsprogramme verhindern nur die Insolvenz, retten aber kaum Arbeitsplätze. Deshalb muss die Wirtschaft sehr bald wieder eigene Umsätze erwirtschaften dürfen, um Unternehmen und Mitarbeiter zu sichern. Deutschland braucht die Rückkehr zur „Sozialen Marktwirtschaft PC“ – post Corona.

Sarna Röser ist Bundesvorsitzende des Verbands Die jungen Unternehmer und Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung. Der Beitrag ist am 15. April 2020 in der WELT unter dem Titel „Der Beginn einer katastrophalen Kettenreaktion“ erschienen.

DRUCKEN
DRUCKEN